3. § 1 AsylbLG - Anspruch bei tatsächlichem und bei "illegalem" Aufenthalt
Anmerkung: Der Anspruch ausreisepflichtiger Ausländer ohne Aufenthaltsgenehmigung einschließlich jeglicher Formen des illegalen Aufenthaltes auf Leistungen nach §§ 3-7 AsylbLG ist lediglich an den tatsächlichen Aufenthalt in Deutschland sowie an die materielle Bedürftigkeit geknüpft. Keine Rolle spielt, weshalb der Ausländer ausreisepflichtig ist. Anspruch haben alle ausreisepflichtigen Ausländer, unabhängig davon, ob zuvor ein Asylverfahren durchgeführt wurde oder die Ausreisepflicht aus einem vollkommen anderen Grund besteht.
Die Leistung darf nicht verweigert werden mit Begründungen wie dem illegalen Aufenthalt, der unterstellten Einreise um Sozialhilfe zu erlangen, dem Vorhandensein einer zumutbaren Ausreisemöglichkeit oder dem Angebot einer durch das Sozialamt bezahlten Heimreise. Der Anspruch ist in Rechtsprechung und Kommentierung unbestritten. In der Praxis muß aber damit gerechnet werden, daß das Sozialamt die Ausländerbehörde über den illegalen Aufenthalt informiert. Deshalb wird der Anspruch Illegaler nur dann praktisch relevant, wenn die Ausländerbehörde ohnehin über den Aufenthalt informiert ist, aber nicht abschieben will oder kann. Beispiele: Ausländer mit Grenzübertritts- und dergleichen Bescheinigungen; notwendig werdender stationärer Krankenhausaufenthalt Illegaler; Ausreisepflichtige in Abschiebe- oder Untersuchungshaft.
3.1 Anspruch bei "Grenzübertrittsbescheinigung" usw.
OVG Berlin 6 S 15/94, B.v. 09.02.94, NVwZ-RR1/95, 55, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1177.pdf Anspruch auf Leistungen nach § 1 / §§ 3-7 AsylbLG auch bei tatsächlichem Aufenthalt und gar keinem Aufenthaltsstatus bzw. -papier (bei abgelaufener Ausreisefrist nach Asylverfahren u.a.).
Demzufolge geänderte Verwaltungsvorschrift zur Änderung der AV AsylbLG v. 13.5.94 in Amtsblatt Berlin v. 3.6.94:
"Vollziehbar zur Ausreise verpflichtet sind:
a) Personen mit Grenzübertrittsbescheinigung,
b) Personen mit Passeinzugsbescheinigung,
c) Personen, deren Pass eine Ausreiseaufforderung enthält,
d) Personen denen eine Duldung erteilt wurde,
e) Personen, die sich illegal aufhalten ohne jeglichen aufenthaltsrechtlichen Status. ...
Die Leistungsberechtigung für Personen nach § 1.1 Nr. 2 AsylbLG endet
a) mit der freiwilligen Ausreise,
b) mit der Abschiebung durch die Ausländerbehörde."
VG Berlin 8 A 171.97, B.v. 14.04.97, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1035.pdf Anspruch auf Leistungen nach § 3 AsylbLG für neu eingereisten Kosovo-Albaner mit Grenzübertrittsbescheinigung, der sich nur mit einer Licna Karta (Personalausweis) ausweist, aber keinen Paß vorlegt. Das AsylbLG sieht nicht vor, daß die Identität durch einen Paß nachgewiesen werden muß, viemehr stellt es seinen eindeutigen Wortlaut nach lediglich auf den tatsächlichen Aufenthalt ab. Gerade bei vollziehbar Ausreisepflichtigen dürfte es häufiger vorkommen, daß sie nicht über gültige Personaldokumente verfügen. Daß die Licna Karta ein leicht zu fälschendes Dokument ist, vermag die Anspruchsberechtigung nicht ohne weiteres in Frage zu stellen. Dies könnte nur dann gelten, wenn begründete Anhaltspunkte bestehen, daß der Antragsteller tatsächlich mit gefälschten Dokumenten und unterschiedlichen Namen Leistungen erschleicht. Hierfür sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, zumal die von der Ausländerbehörde veranlassten Überprüfungen mit dem Datensichtgerät und über das Ausländerzentralregister keine Anhaltspunkte dafür ergeben haben, daß der Antragsteller unter verschiedenen Namen lebt.
Vgl. zum Anspruch bei tatsächlichem Aufenthalt auch Hess. VGH 9 TG 3313/94, B.v. 22.02.95, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1036.pdf (in dieser Übersicht bei "Entscheidungen zum BSHG") Leistungen nach BSHG unmittelbar bei als erlaubt geltendem Aufenthalt - § 69 AuslG (trotz fehlender Aufenthaltsgenehmigung).
3.2 Keine Anwendung der "Um-Zu"-Regelung auf Leistungsberechtigte nach § 1 / §§ 3-7 AsylbLG
VG Frankfurt/M 14 G 514/94 (1), B.v. 24.02.94, NVwZ-Beilage 3/94, 21, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2067.pdf Anspruch auf Leistungen nach § 1 in Höhe der Grundleistung nach § 3 AsylbLG bei tatsächlichem Aufenthalt (im Ergebnis wie OVG Berlin 6 S 15/95). Die Mißbrauchsklausel des § 120.3 BSHG ist wegen der Herausnahme des unter das AsylbLG fallenden Personenkreises aus dem BSHG nicht anwendbar. In
OVG Berlin 6 S 220/95, B.v. 08.12.95, IBIS e.V.: C1038, NVwZ-Beilage 3/96, 20; FEVS 46/96, 427. - Der Anspruch auf Leistungen nach § 1/ §§ 3-7 AsylbLG ist nicht ausgeschlossen, wenn der Ausländer eingereist ist, um Sozialhilfe zu erlangen. § 120.3 BSHG ist auch nicht entsprechend anwendbar. Der Ausschluß des Anspruchs, wenn der Ausländer eingereist ist, um Sozialhilfe zu erlangen, ist auch nicht etwa eine derart selbstverständliche Mißbrauchsklausel, daß sie auch ohne klare gesetzliche Regelung gelten müßte. Andere fürsorgerische Leistungsgesetze als das BSHG kennen eine solche Mißbrauchsklausel nicht.
Das AsylbLG differenziert nicht zwischen verschiedenen ausreisepflichtigen Personengruppen und unterscheidet auch nicht zwischen erster und erneuter Einreise. Die Verantwortung für die möglichst zügige Ausreise eines Ausländers wird damit allein in de Hände der Ausländerbehörde gelegt. Auch aus einer wiederholten Einreise läßt sich im übrigen nicht ohne weiteres schließen, daß die erneute Einreise stets deshalb erfolgt ist, um Sozialhilfe zu erlangen.
Die Abhängigkeit der Leistung vom tatsächlichen Aufenthalt vereinfacht das Verfahren, indem die Leistungsberechtigung allein an den ausländerrechtlichen Status anknüpft und die leistende Behörde von der Prüfung der für sie oft schwer zu beurteilenden Gründe für die Einreise bzw. des weiteren Verbleibens trotzt vollziehbarer Ausreisepflicht entbindet. Vorliegend wird die Sozialhilfebehörde von der gerade in Fällen albanischer Angehöriger aus dem Kosovo schwierigen Prüfung der Verhältnisse entlastet.
Zum Sachverhalt: Der aus dem Kosovo stammende Antragsteller hatte sich bis Dezember 1994 mit einer Duldung in Berlin aufgehalten, war dann über Mazedonien in den Kosovo ausgereist und kam im Mai 1995 erneut nach Berlin und hat eine Duldung bei der Ausländerbehörde beantragt, jedoch bisher nur eine "Grenzübertrittsbescheinigung" (bzw. gar kein Identitätspapier ?) erhalten. Das VG hatte die Leistungen abgelehnt, da nicht nachgewiesen sei, wovon der Antragsteller zwischen Einreise und Antragstellung bei Gericht seinen Lebensunterhalt bestritten habe (und damit verdeckte Einkünfte angenommen). Der Antragsteller hat mindesten im Juli 95 vorübergehend Schwarzarbeit geleistet und macht dazu geltend, daß er nur gearbeitet habe um nicht zu verhungern. Während des Beschwerdeverfahrens hat er nicht nur bei der Behörde, sondern auch bei Wohlfahrtsverbänden Hilfe erbeten und in relativ geringem Umfang auch erhalten. Die Ausländerbeauftragte des Bezirks hat den Eindruck gewonnen, daß der Antragsteller dringend der Hilfe bedarf. Das spricht dafür, daß er wenigstens jetzt der Hilfe bedarf, damit er nicht auf die Freigebigkeit von Landsleuten oder auf illegale Einkünfte angewiesen ist.
Dostları ilə paylaş: |