VG Leipzig 2 K 409/99 v. 3.3.99; NVwZ-Beilage I 1999, 76; GK AsylbLG § 1a VG Nr. 11,
www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1438.pdf Die Kürzung des Barbetrags für geduldete Kosovo-Albaner auf 20.-/Monat wegen unterlassener Bemühungen zur Erlangung eines Reisedokuments ist rechtswidrig.
Sachverhalt: Nachdem das Asylverfahren rechtskräftig abschlägig entscheiden wurde, erhielt der Antragsteller eine Duldung in Form eines Ausweisersatzes. In dem Bescheid der Zentralen Ausländerbehörde vom 21.7.98 hieß es: "Die Abschiebung kann vorerst aus tatsächlichen Gründen (fehlendes Reisedokument) nicht vollzogen werden."
Der Antragsteller trägt vor, dass er noch nie einen Reisepass besessen habe. Er habe noch keinen Pass beantragt, als Deserteur erhalte er keinen jugoslawischen Reisepass. Auch sei er von der Ausländerbehörde bisher nicht aufgefordert worden, Reisedokumente zu besorgen. Im übrigen stünden seiner Abschiebung auch humanitäre und tatsächliche Gründe (Bürgerkrieg im Kosovo, fehlende Flugverbindung durch Boykott) entgegen. Er brauche das Geld dringend, da er sonst im öffentlichen Leben "völlig handlungsunfähig" sei.
Das Sozialamt trägt vor, den Antragsteller treffe die Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung von Reisedokumenten unabhängig davon, ob ihm solche erteilt würden. Um seine Abschiebung nach Aufhebung des Flugverbots zu ermöglichen, müsse er schon jetzt die erforderlichen Dokumente beschaffen. Auch habe der Antragsteller sich bereits vor den verhängten Sanktionen der EU gegen die BR Jugoslawien nicht um einen Pass bemüht.
Entscheidungsgründe: Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass er den Nichtvollzug seiner Abschiebung nicht zu vertreten hat. Das Fehlen eines gültigen Reisedokuments ist jedenfalls nicht kausal für den Nichtvollzug der Abschiebung. Nach § 1a Nr. 2 AsylbLG ist entgegen der Ansicht des Antragsgegners darauf abzustellen, ob ohne das dem Antragsteller zur Last gelegte Verhalten einer Abschiebung nichts entgegenstünde. Nicht ausreichend ist, wenn der Antragssteller nur eines von mehreren Abschiebehindernissen setzt. Das vorwerfbare Verhalten muss conditio sine qua non für den Nichtvollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen sein. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Hinzu kommt, dass die Regelleistungen nach dem AsylbLG eine der Würde den Menschen entsprechende Lebensführung nur dann sichern, wenn die Leistungen i.S. d. §§ 3,4 nach oben nicht gedeckelt sind und im Einzelfall durch sonstige Leistungen nach § 6 ausreichend ergänzt werden (LPK-BSHG, Vorbemerkung AsylbLG Rn 4 m.w.N.). Die ansprucheinschränkende Vorschrift des § 1a Nr. 2 AsylbLG ist daher im Lichte des Art. 1 Abs. 1 GG restriktiv auszulegen.
Selbst wenn es - was hier keiner Klärung bedarf - der Antragsteller zu vertreten hätte, dass er keine gültigen Reisedokumente besitzt, stehen derzeit seiner Abschiebung weitere Hindernisse entgegen. Im Kosovo herrscht faktisch ein Kriegszustand. Wohl wegen §§ 55 Abs. 2, 53 Abs. 4 i.V.m. Art 3 EMRK werden derzeit in ganz Sachsen keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen Kosovo-Albaner vollzogen. Dies zeigt auch die Tatsache, dass die Ausländerbehörde ihrerseits keine Ausreisepapiere für den Antragsteller beschafft, wie es Verwaltungspraxis ist, wenn aufenthaltsbeendene Maßnahmen tatsächlich geplant sind. Aus dem Duldungsbescheid ergibt sich nichts anderes. Es ist gerichtsbekannt, das bei dessen Erlass nicht alle Abschiebehindernisse geprüft werden, da es nach § 55 AuslG reicht, wenn eines vorliegt.