OVG Berlin 6 SN 203.99 v. 12.11.99, teilweise in DVBl 2000, 68 sowie NVwZ-Beilage I 2000, 19*; vollständig in FEVS 2000, 267 sowie GK AsylbLG § 1a OVG Nr. 8; IBIS C1521
Sachverhalt: Der 1973 in Pristina (Kosovo) geborene Antragsteller reiste im Juli 1997 nach Deutschland ein und beantragte in Berlin Leistungen nach AsylbLG. Das Sozialamt Berlin-Mitte stellte mit Bescheid vom 26.11.98 fest, der Antragsteller sei wegen der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel eingereist (Durchreise durch sichere Drittstaaten) und habe deshalb gemäß § 1a Nr. 1 AsylbLG nur Anspruch auf das unabweisbar Gebotene. Er erhielt in der Folgezeit Unterkunft, Verpflegung und Fahrtkosten (= Barbetrag von 15,60 DM/Monat, Anmerkung G. C.). Mit Schreiben vom 12.7.99 forderte das Sozialamt den Antragsteller auf, sich bei der Rückkehrberatung um Rückkehrhilfe zu bemühen, sonst bestehe kein Anspruch mehr auf Hilfe zum Lebensunterhalt. Nachdem der Antragsteller dort erklärt hatte, er wolle heimkehren, aber noch nicht so bald, das Haus sei zerstört und seine Familie in Deutschland, stellte das Sozialamt am 10.8.99 die Hilfe nach AsylbLG einschl. Unterkunft ein.
Gründe: Das OVG lässt dahinstehen, ob der Tatbestand des § 1a Nr. 1 AsylbLG schon deshalb angenommen werden kann, weil der Antragsteller den Bescheid vom 26.11.98 nicht angefochten hat. Es erscheint zweifelhaft, ob dem Bescheid Feststellungswirkung zukommt, nachdem das Sozialamt die Hilfe zunächst fortgesetzt hat, außerdem ist die tragenden Begründung (Durchreise durch sichere Drittstaaten) nach der Rspr. des OVG (Beschluss vom 4.2.99) nicht haltbar. Schließlich hat das Sozialamt selbst mit dem Widerspruchsbescheid vom 24.8.99 eine neue Begründung zum Vorliegen des Tatbestandes nach § 1a Nr. 1 AsylbLG abgegeben.
Die Einschätzung des Sozialamts, dass der Antragsteller andere Einreisegründe als die Absicht der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel nicht glaubhaft gemacht hat, begegnet keinen ernstlichen Zweifeln. Zwar war die Lage der Albaner im Kosovo im Juli 1997 nicht einfach (vgl. Lagebericht AA vom 9.9.97), das allein erscheint als prägender Grund jedoch nicht einsichtig, solange keine besonderen Schwierigkeiten im Einzelfall bestanden. Es trifft auch nicht zu, dass das Sozialamt beim Tatbestand des § 1a Nr. 1 AsylbLG die Ausreisegründe dartun und beweisen müsse. Die nur in das Wissen des Antragstellers gestellten Gründe für seine Ausreise muss dieser benennen und widerspruchsfrei sowie substanzreich darlegen, soweit er sie nicht auch belegen kann.
Der Antragsteller ist vom Sozialamt bereits am 14.7.97 zu seinen Einreisegründen befragt worden. Zuvor hat er sich mit Schreiben vom 7.7.97 gegenüber der Ausländerbehörde geäußert. Das Sozialamt hat ihn am 21.9.98 nochmals schriftlich zu den Einreisegründen angehört. Mit Recht haben Sozialamt und VG die Angaben des Antragstellers nicht geglaubt, weil sie teilweise substanzlos oder nicht einsichtig ist, im Übrigen sind sie teilweise nachweislich falsch.
Der Antragsteller hat ausgeführt, seit Januar 1997 habe die Polizei seine Wohnung nach Waffen durchsucht, er habe keine Waffen besessen, deshalb sei der Druck der Polizei seit April 1997 immer stärker geworden. Zuletzt habe man ihn geschlagen bzw. mit einer Gefängnisstrafe gedroht. Es ist schon nicht einsichtig, dass die Polizei die Tatsache, dass bei dem im Hause seiner Eltern lebenden Antragsteller keine Waffen gefunden wurden, zum Anlass genommen haben sollte, den Druck auf ihn zu erhöhen oder ihn ins Gefängnis werfen zu wollen.
Erst recht unglaubhaft sind die Angaben am 21.9.98 zu den Umständen seiner Einreise, er sei nur mit Personalausweis eingereist. Erst nachdem das Sozialamt nach vorheriger, Aufforderung an den Antragsteller, er solle sich um einen neuen Pass bemühen, mit Bescheid vom 19.10.98 die Hilfe wegen fehlenden Nachweises der Identität eingestellt hatte, legte der Antragsteller seinen Pass vor. Mit den falschen Angaben zum fehlenden Pass verfolgte der Antragsteller offenbar die Absicht, durch Täuschung über den wahren Sachverhalt eine Abschiebung zu verhindern oder jedenfalls zu verzögern, um hier zu bleiben und öffentliche Hilfe zum Lebensunterhalt in Anspruch nehmen zu können.
Das OVG teilt die Ansicht des VG, dass bei einer Einreise im Sinne von § 1a Nr. 1 AsylbLG die dann nur zu beanspruchenden unabweisbar gebotenen Leistungen sich auf die Kosten der alsbaldigen Rückreise und des bis dahin erforderlichen Aufenthalts beschränken, wenn die Heimkehr rechtlich und tatsächlich möglich und dem Hilfesuchenden auch zumutbar ist (wird ausgeführt, siehe bei Entscheidung zum Leistungaumfang)
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