§ 10 SGB XII; § 8 BSHG - Regelsätze und Kleidung in Form von Geldleistungen
BVerwG 5 N 1.92, U.v. 25.11.93, NDV 94, 153, IBIS e.V.: C1212. Sogenanntes "Regelsatzurteil". Die sie prägende rechtliche Ausgestaltung haben die Regelsätze vor allem in § 22 BSHG gefunden. Damit legt das Gesetz die Form der Sozialhilfe (§ 8 BSHG) für den Regelbedarf unter Ausschluß von Ermessen (§ 4 BSHG) für den Regelfall (vgl. demgegenüber § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG) auf eine schematisierte betragsmäßig fixierte Geldleistung fest. Dem Gesetzgeber erschien es zweckmäßig, von dem Prinzip der individuellen Bemessung der Hilfe abzuweichen und feste Sätze hierfür festzulegen.
BVerwG 5 C 72.84, U.v. 16.01.86, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2678.pdf (info also 2/86, 82ff.; NDV 86, 293; NVwZ 86, 380; FEVS 35, 271) gegen die Stadt Stuttgart. Nichtseßhafte Alkoholiker können nicht pauschal auf Sachleistungen und ein Taschengeld verwiesen werden (im vorliegenden Fall formularmäßig aus Gründen der Abschreckung und möglichen Mißbrauchs). Dem erwachsenen Menschen ist die Möglichkeit zu lassen, im Rahmen der ihm nach dem Gesetz zustehenden Mittel seine Bedarfsdeckung frei zu gestalten. Die Menschenwürde gebietet es auch im vorliegenden Fall, die Hilfe zum Lebensunterhalt grundsätzlich im Ganzen in Geld auszuzahlen.
Anmerkung: Auf diese Grundsatzentscheidungen des BVerwG beziehen sich Kommentierung und Rechtsprechung zum Anspruch auf Sozialhilferegelsätze als Geldleistung.
VGH Ba-Wü 6 S 2356/92, B.v. 03.11.92, IBIS e.V.: C1211, info also 1/93, 26: Der Anspruch auf Bekleidung ist im Regelfall in Geld zu erfüllen (Menschenwürdeprinzip, vgl. BVerwG v.16.1.86).Der Dringlichkeit des Eilantrages steht nicht entgegen, daß der Wertgutschein bereits bewilligt worden ist. Durch den Einsatz des Wertgutscheines wird der Antragsteller beim Einkaufen Beschränkungen unterworfen, indem er beispielsweise nicht oder nur sehr umständlich im möglicherweise preiswerten Versandhandel einkaufen kann. Zudem muß er sich Dritten gegenüber von vornherein als Empfänger öffentlicher Hilfeleistungen zu erkennen geben. Derartige Nachteile hält das OVG für unzumutbar, sofern keine sachlichen Gründe im Einzelfall den Einsatz von Wertgutscheinen gebieten.
§§ 20, 23, 28 SGB II, §§ 28, 73 SGB XII, VO zu § 28 SGB XII - Verfassungswidrige Bemessung Regelsätze und Sozialgeld, Anspruch auf ergänzende laufende Leistungen
LSG Hessen L 6 AS 336/07, B.v. 29.10.08 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2337.pdf Vorlagebeschluss zum BVerfG zur Frage der Verfassungswidrigkeit der Regelleistung nach § 20 Abs. 1 bis 3 und des Sozialgeldes nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II, insbesondere zur Vereinbarkeit mit Artikel 1 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG sowie Art. 20 Abs. 1 und 3 GG (Rechts- und Sozialstaatsprinzip). Ausführlich begründete Vorlage, die dazu führte, dass das BVerfG am 09.02.10 die ALG II Regelleistung und das Sozialgeld für verfassungswidrig erklärte.
BVerfG 1 BvL 1/09, U.v. 09.02.10, www.bverfg.de/entscheidungen/ls20100209_1bvl000109.html, zu Vorlagebeschlüssen LSG Hessen L 6 AS 336/07 v. 29.10.08, sowie BSG B 14 AS 5/08 R v. 27.01.09 und BSG B 14/11b AS 9/07 R v. 27.01.09. Die Regelleistungen nach SGB II sind nicht verfassungsgemäß. Leitsätze:
"1. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind.
2. Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Dabei steht ihm ein Gestaltungsspielraum zu.
3. Zur Ermittlung des Anspruchumfangs hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu bemessen.
4. Der Gesetzgeber kann den typischen Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Festbetrag decken, muss aber für einen darüber hinausgehenden unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungsanspruch einräumen."
SG Berlin B.v. 25.04.12 - S 55 AS 9238/12 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2416.pdf Vorlagebeschluss an das BVerfG: Zur Überzeugung der 55. Kammer des Sozialgerichts Berlin sind die Regelbedarfe nach SGB II/XII iVm dem RBEG vom Gesetzgeber in verfassungswidriger Weise festgelegt worden.
Die Einbeziehung der studentischen Haushalte in die Referenzgruppe ist nach den methodischen Vorgaben des BVerfG unzulässig, weil das BAföG neben seiner ausbildungsfördernden Funktion eine existenzsichernde Aufgabe zu erfüllen hat. Die BAföG-Regelbedarfe sind ebenfalls verfassungwidrig zu niedrig, zumal das Kindergeld ergänzend zum BAföG nur bis zum 24. Lebensjahr beansprucht werden kann. Dies ist auch deshalb von Bedeutung, weil dem Grunde nach Berechtigte wegen § 7 Abs 5 SGB II von Grundsicherungsleistungen ausgeschlossen sind. Die Herausrechnung der Studenten aus der Referenzgruppe würde zu einer Erhöhung des Regelbedarfs führen.
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Rothkegel, Ein Danaergeschenk für den Gesetzgeber. Zum Urteil des BVerfG vom 9. Februar 2010, ZFSH/SGB 2010, 129
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Kingreen, Schätzungen „ins Blaue hinein”: Zu den Auswirkungen des Hartz IV-Urteils des Bundesverfassungsgerichts auf das Asylbewerberleistungsgesetz, NVwZ 2010, 558
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