OVG Berlin 6 S 45.82 v. 18.6.1982, IBIS C1356, FEVS 31, 377 Zu den Anforderungen an die Durchführung des Wertgutscheinsystems (besonders Stückelung der Wertgutscheine, Bargeldanteil, Bargeldrückgabe): Es erscheint fraglich, ob die Zuteilung von 50.- DM-Wertgutscheinen einen wirtschaftlichen Einkauf nicht unzumutbar erschwerte. Die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber (ZSA) hat nunmehr jedoch die Wahl der Stückelung zugestanden und glaubhaft gemacht, dass nur noch 10.- und 20.- DM Wertgutscheine, später auch in angemessenem Umfang für Alleinstehende noch 5.- DM Wertgutscheine ausgegeben werden. Die Beschaffung des Lebensunterhaltes wird weiter dadurch erleichtert, dass die ZSA nunmehr die Herausgabe von bis zu 10% des Gutscheinwertes zulässt. Dadurch hat die ZSA gewichtige Bedenken ausgeräumt. Denn es ist praktisch nicht möglich, die Waren beim Einkauf so zu wählen, dass die geschuldete Summe dem Gutscheinwert auf den Pfennig genau entspricht. Bargeldrückgabe und Bargeldanteil müssen so geregelt sein, dass der Hilfeempfänger den Regelsatz in vollem Umfang ohne Verluste für seinen notwendigen Lebensbedarf verwenden kann. Das erscheint dem Senat jedenfalls nunmehr gewährleistet.
VG Wiesbaden v. 23.3.1984 - VII/1 G 133/84 -, IBIS C1301, InfAuslR 1984, 149 Eine Stückelung der Wertgutscheine in Beträge von 50.-, 100.-, 150.- und 200.- DM ist unter keinen Umständen als rechtmäßig zu betrachten. Der Sozialhilfeempfänger soll zu einem wirtschaftlichen Verhalten angehalten werden und ist dazu auch gezwungen, weil er ansonsten mit dem ohnehin (seinerzeit rechtswidrig) gekürzten Regelsatz den Lebensunterhalt nicht sicherstellen kann. Ist er jedoch gezwungen, seine Lebensmittel nur in einem Geschäft und möglicherweise sogar auf einmal einzukaufen, so kann von einem wirtschaftlichem Verhalten nicht mehr die Rede sein. Die Möglichkeit, Sonderangebote wahrzunehmen, ist praktisch verwehrt. Unzulässig ist jedenfalls eine 20.- DM übersteigende Stückelung der Wertgutscheine.
OVG Lüneburg, 12 ME 622/02, Beschluss vom 07.10.2002, NDV-RD 2003, 16; NVwZ-RR 2003, 219; FEVS 2003, 191www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2046.pdf Leitsatz: Schon die HIV-Infektion und nicht erst die AIDS-Erkrankung führt zur Anerkennung eines Mehrbedarfs für kostenaufwendige Ernährung nach § 23 Abs. 4 BSHG.
BVerfG 1 BvR 2673/05, B.v. 20.06.06www.bverfg.de/entscheidungen/rk20060620_1bvr267305.html Ein Abweichen von den Empfehlungen des Deutschen Vereins zum Mehrbedarf bei Diabetes widerspricht der in der Literatur vertretenen Auffassung wie auch der Gesetzesbegründung zum SGB II (BT-Drs. 15/1516, S. 57 zu § 21 Abs. 5 SGB II). Daher Gewährung von PKH gegen die mit der Auffasung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft begrpndet Ablehung des Mehrbedarfs. Die nach Auffassung des Klägers der Pharmaindudstrie nahestehende Deutschen Diabetes-Gesellschaft hält eine allein medikamentöse Behandlung der Diabeteserkrankung für ausreichend und lehnt eine ergänzende Therapie durch Diätprodukte und hochwertige Nahrungsmittel ab.
LSG Hessen L 7 AS 242/06 ER, U.v. 05.02.07, www.sozialgerichtsbarkeit.deAnspruch auf Mehrbedarf bei Diabetes Typ IIa gemäß der Empfehlungen des dt. Vereins für öffentliche und Private Fürsorge von 1997 (entgegen dem sog. Begutachtungsleitfaden der NRW-Gesundheitsämter).
BVerwG 5 B 217/99 U.v. 29.12.00, DVBl 2001, 1064; FEVS 2001, 444; IBIS e.V. C1650 Die Haltung eines Kraftfahrzeugs ist kein unwirtschaftliches Verhalten i.S.v. § 25 Abs. 2 Nr. 2 BSHG, wenn sie, wie im Streitfall, mit Sozialhilfemitteln für die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens des Haushaltsvorstandes bis zu ein Halb und des Ehegatten und der haushaltsangehörigen Kinder unter zehn Jahren bis zu 30 v.H. (nicht des Regelsatzes, sondern nur des darin jeweils enthaltenen Anteils von 35% bzw. 30 % für persönliche Bedürfnisse) finanziert werden kann. Da die "persönlichen" Bedürfnisse des täglichen Lebens ihrem Wesen nach solche aus freier, selbstbestimmter und -gestalteter, eben "persönlicher" Lebensführung sind, ist der Hilfeempfänger in seiner Disposition darüber frei, ob er die ihm zustehenden Mittel auf viele oder wenige und welche von ihm ausgewählte Bedürfnisse aufteilt. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, wenn Hilfeempfänger einen Teil ihrer frei verfügbaren Sozialhilfeleistungen zur Finanzierung einer Autohaltung einsetzen.
Anmerkung: zusätzlich zu prüfen ist, ob das KFZ verwertbares Vermögen im Sinne des § 88 BSHG darstellt.
OVG Lüneburg 12 L 2523/99, U.v. 13.09.99,FEVS 2001, 450; IBIS e.V. C1674 Hält ein Hilfempfänger einen PKW, muss das nicht auf verschwiegenes Einkommen oder Vermögen hindeuten und nicht unwirtschaftliches Verhalten darstellen, wenn der Hilfeempfänger für die Kosten der Autohaltung frei verfügbare Mittel einsetzen kann, sei es aus nicht einzusetzendem Einkommen, sei es aus frei verfügbaren Sozialhilfeleistungen - etwa aus dem Hilfeanteil für persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens.
OVG Münster 8 B 623/97 v. 23.7.97, IBIS C1304, FEVS 1998, 390; NJW 1997, 3391. Eine Aufrechnung (Kürzung) nach § 25a BSHG stellt einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X dar. Eine dagegen eingelegte Klage entfaltet grundsätzlich aufschiebende Wirkung.
Anmerkung: Eine Kürzung nach § 25a auf das "zum Lebensunterhalt Unerlässliche" ist nur zulässig, wenn aufgrund vorsätzlich falscher Angaben des Leistungsberechtigten zuviel gezahlt wurde, nicht jedoch wenn eine Überzahlung auf einen vom Sozialamt zu verantwortendem Fehler beruht - in diesem Fall genießt der Leistungsberechtigte "Vertrauensschutz (vgl. dazu den Wortlaut von § 25a sowie § 45 Abs. 2 SGB X). Eine entsprechende Kürzung von Leistungen nach §§ 3-7 AsylbLG ist ohnehin unzulässig, da nach dem AsylbLG ohnehin nur das "zum Lebensunterhalt Unerlässliche" gewährt wird, und weil im AsylbLG auch eine § 25a BSHG entsprechende Rechtsgrundlage für eine derartige Kürzung fehlt.
VG Braunschweig 3 B 341/99 v. 06.07.99, ZfF 2001, 15, IBIS e.V. C1584. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag über ein sozialhilferechtliches Darlehen (hier: Übernahme einer Wassergeldnachforderung durch das Sozialamt) mit der Vereinbarung des Einsatzes eines Teils der laufenden Sozialhilfe zur Darlehenstilgung ("Einbehaltung" 50 DM monatlich) ist grundsätzlich möglich. Ein solcher öffentlich-rechtlicher Vertrag ist aber jedenfalls insoweit nichtig und damit unwirksam, als der Hilfeempfänger verpflichtet wird, die Einbehaltung auch in Zukunft ohne Widerrufsmöglichkeit hinzunehmen. Die Vereinbarung stellt einen Verzicht auf Sozialleistungen dar, der jederzeit gemäß § 46 SGB I mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden kann. Da die "Erklärung" nur vom Antragsteller, aber nicht von der Behörde unterzeichnet ist, ist sie möglicherweise auch wegen Verletzung des Schriftformerfordernisses nichtig (§56 SGB X). Auch die Voraussetzungen für eine Aufrechnung (§ 25a BSHG) sind vorliegend nicht erfüllt, weil der Rückzahlungsanspruch des Sozialamts nicht auf zu Unrecht erbrachten Leistungen beruht, die durch vorsätzlich oder grob fahrlässig fehlerhafte Angaben des Antragstellers veranlasst waren, oder der Antragsteller für eine (erneut) geltenden gemachten Bedarf bereits ausreichend Leistungen erhalten, diese aber nicht zweckentsprechend verwendet hat. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, weil das Sozialamt in Höhe der übernommenen Nachforderung Wassergeld zuvor nicht bewilligt hatte.
Anmerkung: § 25a BSHG ist auf Leistungsberechtigte mit Anspruch auf Leistungen nach § 3-7 nach AsylbLGnicht anwendbar! Zum einen fehlt eine entsprechende Vorschrift im AsylbLG, zum anderen sind die Leistungen nach AsylbLG ohnhin bereits auf das nach § 25a vorgesehene "unerlässliche" Niveau abgesenkt. Vgl. dazu auch die unter "keine analoge Anwendbarkeit der § 25a (Kürzung wegen zu Unrecht erhaltener Leistungen)" aufgeführten Entscheidungen.