3.2.2.1.1.2Kraftwerkskosten
Kraftwerkskosten enthalten die Kosten für die Bereitstellung der Kapazität und die laufenden Betriebskosten.372 In den Kapazitätskosten sind alle Kosten enthalten, die mit dem Bau der Kraftwerke verbunden sind. Die Betriebskosten umfassen alle anfallenden Kosten, um die Einsatzbereitschaft des Kraftwerkes herzustellen bzw. aufrecht zu erhalten. Tabelle 29 zeigt die wesentlichen Kostenarten.
Tabelle 29: Kapazitäts- und Betriebskostenübersicht
Kapazitätskosten
|
Betriebskosten
| -
Anlagenpreis, Bauherreneigenleistung, Finanzierungskosten
-
Stilllegungskosten
| -
Wartung und Instandhaltung
-
Personalkosten
-
Versicherungskosten
-
Sonstige Kosten
|
Quelle: Einzelpositionen nach Schmitt/Ciesiolka/Düngen (1986) S. 104-114.
Im Gegensatz zu den zuvor dargestellten Energieträgerkosten fallen diese Kosten unabhängig von der Erzeugungsmenge an, d.h., sie sind kurzfristig nicht durch vorübergehende Produktionsdrosselung beeinflussbar. Versucht man die Struktur der Kraftwerkskosten zu ermitteln, stellt man in Abhängigkeit der Region, des Kraftwerkes, der Einsatzart (Grund- Mittel- und Spitzenlast) teilweise erhebliche Unterschiede fest.373 Konkrete Kostenangaben können daher nur als Durchschnittsangaben bzw. Annäherung verstanden werden, die teilweise von den realen Kosten einzelner Kraftwerke stark abweichen.374 Die Kostenstruktur gemäß Tabelle 30 basiert auf Auswertungen verschiedener Quellen und ist nur indikativ zu verstehen. Ohne Anspruch auf eine exakte Quantifizierung zu erheben, kann zumindest festgehalten werden, dass die Kapazitätskosten (umgerechnet in jährliche Abschreibungen) mit Ausnahme der Gaskraftwerke deutlich höher liegen als die Betriebskosten.
Tabelle 30: Richtwerte der Kapazitäts- und Betriebskosten nach Kraftwerksart (in Pf/kWh)
Kosten
|
Wasser
|
Kernkraft
|
Braunkohle
|
Steinkohle
|
Gas
|
Abschreibung
|
4,6
|
1,8
|
1,1
|
1,5
|
1,4
|
Personal
|
0,2
|
0,2
|
0,3
|
0,3
|
0,2
|
Wart.+Instandh.
|
0,8
|
0,9
|
0,8
|
1,0
|
0,7
|
Versicherung
|
0,1
|
0,2
|
0,0
|
0,1
|
0,1
|
Sonstiges
|
0,1
|
0,1
|
0,1
|
0,1
|
0,1
|
Summe
|
5,8
|
3,2
|
2,2
|
2,9
|
2,5
|
Annahmen
|
Volllaststunden/a
|
5000
|
7000
|
6500
|
4500
|
2500
|
Technische Laufzeit in Jahren
|
40
|
35
|
35
|
35
|
30
|
Sonstiges
|
Laufwasser
|
|
|
|
50% GuD,
50% Gasturbine
|
Quelle: Eigene Berechnungen, Angaben der Marktteilnehmer, Schiffer (1999) S. 204, VDEW (1999), Auer (1998), Duarte/Fromm (1997) S. 7, Hoster (1986), Schmitt/Ciesiolka/Düngen (1986).
Zunächst ist zu klären, inwieweit diese Kosten relevant für die Preisprognose eines Stromhändlers sind. Gemäß der Grenzkostenregel wird ein Betreiber für den Zeitpunkt t solange Strom anbieten, bis die Kosten zur Aufrechterhaltung und ggf. Herstellung der Erzeugungsbereitschaft sowie der Erzeugung zum Zeitpunkt t geringer sind als die Erlöse. Der Anbieter mit den höchsten Kosten zur Aufrechterhaltung bzw. Herstellung der Erzeugungsbereitschaft, dessen Kapazität notwendig ist, um die Nachfrage zu decken, stellt analog zur kurzfristigen Betrachtungsweise das Grenzkraftwerk und determiniert somit den Preis. Für die Relevanz der Kapazitätskosten ist entscheidend, ob das Grenzkraftwerk bereits existiert oder, im Falle nicht ausreichender Erzeugungskapazitäten, erst noch gebaut werden muss. Im Fall eines noch nicht existierenden Kraftwerkes sind noch alle Kapazitäts- und Betriebskosten entscheidungsrelevant, da die Investitionskosten noch vermieden werden können.375 Aufgrund der unterschiedlichen Bauzeiten beeinflussen Neuinvestitionen die Grenzkosten mit einem Horizont von 9 Monaten bis 8 Jahren.
Tabelle 31: Erfahrungswerte für Bauzeiten nach Kraftwerksart
Kraftwerksart
|
Bauzeit (Auftragsvergabe bis Inbetriebnahme)
|
Atomkraftwerke
|
6-8 Jahre
|
Wasserkraftwerke
|
3-5 Jahre
|
Kohlekraftwerke
|
4-5 Jahre
|
Gaskraftwerke
|
9-16 Monate
|
Quelle: Vgl. O.V. (1999) S. 47-48 und Schmitt/Ciesiolka/Düngen (1986) S. 91.
Geht man von der üblichen Frist von Termingeschäften von derzeit 3 Jahren aus, so sind Kapazitätskosten bei Neuinvestitionen lediglich im Bereich der Gaskraftwerke relevant.376 Bei bestehenden Kraftwerken bzw. im Bau befindlichen Kraftwerken377 können die Investitionskosten nicht mehr rückgängig gemacht werden und auch die Stilllegungskosten fallen unwiderruflich an. Diese Kosten können daher als versunken und für die Kraftwerkseinsatzentscheidung als nicht mehr entscheidungsrelevant betrachtet werden. Dies sind lediglich die Betriebskosten, da der Betreiber diese Kosten durch Stilllegung des Kraftwerkes vermeiden kann. Technisch gesehen können Kraftwerke unmittelbar stillgelegt werden. Allerdings sind mit der Stilllegungsentscheidung einige Vorarbeiten verbunden, insbesondere hinsichtlich des eingesetzten Personals (Freisetzung, Relokation), so dass von der Entscheidung bis zur effektiven Stilllegung mindestens 3 Monate vergehen sollten.378
Neben der Grenzkostenrelevanz ist zu hinterfragen, wie die langfristigen Grenzkosten zu berechnen sind. Langfristige Grenzkosten können als die durch Kapazitätsanpassung beeinflussbaren Durchschnittskosten des Grenzkraftwerks verstanden werden. Im Gegensatz zur kurzfristigen Betrachtung, die innerhalb eines einperiodischen kostenrechnerischen Ansatzes operiert, muss die Berechnung der langfristigen Grenzkosten wegen der Mehrperiodigkeit innerhalb eines finanzmathematischen Ansatzes erfolgen. Dies erfordert die Berechnung von Barwerten für alle künftigen Auszahlungen, die zur Bereitstellung der Kapazität und der Betriebsbereitschaft erforderlich sind. Historische Zahlungen werden nicht berücksichtigt, da sie, wie oben dargestellt, nicht mehr grenzkostenrelevant sind. Als gängiger Ansatz haben sich die finanzmathematischen Durchschnittskosten erwiesen. 379 Diese sind die über den gesamten Betrachtungszeitraum konstanten Durchschnittskosten, die unter Zugrundelegung des gleichen Mengengerüstes genau diejenige Kostensumme ergibt, die dem Barwert der Gesamtkosten entspricht.380 Zur Berechnung der finanzmathematischen Durchschnittskosten werden folgenden Inputfaktoren benötigt:
-
Voraussichtliche Produktionsmenge in künftigen Perioden
-
Alle künftigen Auszahlungen (Kapazitätskosten bei Gaskraftwerken, Betriebskosten bei allen Kraftwerken)
-
Referenzzinssatz am Kapitalmarkt zu verschiedenen Laufzeiten
Da es für einen Marktanalysten nicht möglich ist, für jedes einzelne Kraftwerk diese Daten zu erhalten, wird er mit Schätzungen für Kosten, Laufzeit und Produktionsmenge generiert aus Erfahrungswerten für die Kraftwerke nach Art, Alter und Fahrweise arbeiten. Darüber hinaus bietet es sich an, die Kapazitätsentwicklung im Erzeugungssystem im Auge zu behalten, da Kapazitätsreduktionen tendenziell zu einer höheren Auslastung der bestehenden Kraftwerke und damit auch zu geringeren Durchschnittskosten führen. Tabelle 32 zeigt den Informationsbedarf zur Analyse der Kraftwerkskosten.
Tabelle 32: Informationsbedarf zur Bestimmung der Kraftwerkskosten
Bestimmungsfaktoren
|
Indikatoren
|
Kapazitätskosten
(Gaskraftwerke)
|
Investition
| -
Aktuelle Anlagenkosten, Baukosten, Stilllegungskosten mit typischen Zahlungsplänen für Gaskraftwerke
|
Produktionsmenge
| -
Erfahrungswerte für Erzeugungsmengen von Gaskraftwerken
-
Kapazitätsauslastung des Erzeugungssystems
|
Laufzeit
| |
Zinssatz
| -
Referenzzinssätze am Kapitalmarkt nach Laufzeit
|
Betriebskosten
|
Instandhaltung
| -
Kosten von Instandhaltungsleistungen nach Fahrweise und Alter
|
Personal
| -
Erfahrungswerte für Mitarbeiterzahl nach Kraftwerksart
-
Erfahrungswerte für Lohnkosten nach Kraftwerksart (z.B über Tarifverträge, Lohnnebenkosten)
|
Versicherung
| -
Erfahrungswerte für Versicherungskosten pro Kraftwerksart
|
Produktionsmenge
| -
Erfahrungswerte für Erzeugungsmengen nach Kraftwerksart und Fahrweise (Grund-, Mittel- und Spitzenlast)
-
Kapazitätsauslastung des Erzeugungssystems
|
Laufzeit
| |
Zinssatz
| -
Referenzzinssätze am Kapitalmarkt nach Laufzeit
|
Quelle: Eigene Darstellung
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