untersucht worden sind.»
«Geheimplan : Die UP kontrolliert uns per Computer», Qué Pasa, 15. Februar 1973
«[Die Nachricht sickerte an die Presse durch, weil] ich mit [jemandem] unter der
Bedingung gesprochen hatte, dass vor der Goodman-Vorlesung nichts gesagt [werden
würde]. Er hat sich jedoch nicht daran gehalten. . . . [Als das Projekt kritisiert wurde]
hat sich Fernando [Flores] hinter mich gestellt, und Pedro [Vuskovic, der amtierende
Vizepräsident von CORFO] ebenfalls. Und ich glaube, Allende selbst hat das auch getan,
als er sah, dass andere Leute dazu bereit waren. Die Leute, die mich zu diesem Zeitpunkt
zu Fall bringen wollten - wohl alleine deshalb, weil ihnen meine Anwesenheit peinlich
war -, [haben das nicht geschafft]. Es hat nicht funktioniert.»
Stafford Beer, Interview mit Eden Medina (2001)
«Von Brighton aus schlugen die Wogen über die ganze Welt. Nichts richtete sich gegen
Chile, vieles aber gegen mich. Es hätte mir sehr geholfen, wenn die Ankündigung in San-
tiago erfolgt wäre, so wie ich es angeraten hatte. Der Hauptvorwurf ist Geheimnistuerei,
die als unheimlich betrachtet wird. Die Vorwürfe kamen von Großbritannien und den
USA, Einladungen hingegen aus Brasilien, Südafrika und Irland. Sie sehen also, in welch
misslicher Lage ich mich befinde.»
Telex von Stafford Beer an Raul Espejo, Cybersyn Projektleiter, 1. März 1973
«Wenn das Ausbleiben einer offiziellen [sic] Bekanntgabe eine geheime Arbeit dar-
stellt, dann ist die auf dieser Tatsache beruhende Kritik korrekt. Aber wer gibt etwas
bekannt, bevor nicht ein Mindestmaß an Gewissheit besteht, dass das jeweilige Unter-
fangen [sic] erfolgreich ist? Es stimmt, dass die Leute aus den Branchenausschüssen und
Unternehmen an der Entwicklung unserer Arbeit beteiligt waren Es muss auch darauf
hingewiesen werden, dass die entwickelten Instrumente... im Versuchsstadium sind und
nicht zur Kontrolle der Wirtschaft eingesetzt wurden.»
Raúl Espejo, Telex an Stafford Beer, 16. März 1973
«Der Traum der Unternehmensforschung - die Überwachung der gesamten Wirt-
schaft des Landes mit einem Echtzeit-Computersystem - ist in Chile Realität geworden.
Die Daten über ein Viertel der gesamten Wirtschaft werden täglich in zentrale Computer
eingegeben, wo sie auf bedeutende Abweichungen untersucht und mit den Berichten an
die Manager und Regierungsbeamten verglichen werden. Das System stellt eine bisher
einmalige Nutzung der Kybernetik dar. Wenn es erfolgreich ist, wird es der Allende-Re-
gierung mehr Kontrolle über die Industrie geben, als sie je eine Regierung zuvor ausgeübt
hat. Das unter fast vollständiger Verschwiegenheit eingeführte System wird zurzeit den
Managern und Arbeitnehmern vorgestellt und wird mit Sicherheit ein Thema der Parla-
mentswahlen am 4. März sein.»
Joseph Hanlon, «Chile auf dem Sprung in die kybernetische Zukunft»,
New Scientist, 15. Februar 1973
«Ich glaube nicht, dass es 500 oder nicht einmal 50 chilenische Unternehmen gibt,
die in der Lage sind, täglich aktuelle Gesamtzahlen zu liefern. Ich glaube nicht, dass
Datenkommunikationslinien oder -termináis existieren, mit denen diese Zahlen an
einen zentralen Rechner übermittelt werden können. Ich glaube nicht, dass ein Echtzeit-
Feedback zur Wirtschaft“ oder zu einzelnen Managementleistungen existiert. . . . Ich
halte das gesamte Konzept für bestialisch. Es ist gut für die Menschheit und gut für Chile
insbesondere, dass es bislang nur ein böser Traum ist.»
Herb Grosch, Direktor des Nationalen Büros für Normung in den USA,
New Scientist, 15. März 1973
«Das System existiert. Die Kommunikationslinien stehen. Die Computerprogramme
funktionieren (niemand hat behauptet, dass sie alle in Chile geschrieben wurden). Der
Operationsraum ist eine Tatsache— Vielleicht ist dieser Raum in Santiago eine optische
Täuschung und die Fotografien davon sind gefälscht. Vielleicht aber ist es einfach uner-
träglich, in Washington DC zu sitzen und zu erkennen, dass jemand anderes schneller
Erfolg erzielt hat — dazu in einem marxistischen Land und mit wenig Geld. Das mag
als Entschuldigung dafür herreichen, dass die Arbeit eines Kollegen als ,bestialisch1 be-
zeichnet wird, ohne irgendeinen Teil dieser Arbeit nachzuprüfen. Auf dieser Grundlage
verzeihe ich dir, Herb. Aber das System ist kein Traum.»
Stafford Beer, New Sdentist, 22. März 1973
«[Ich] habe das [Cybersyn-Projekt] während der Richard-Goodman-Vorlesung an
einem bestimmten Datum angekündigt. Allende kündigte die Sache am gleichen Tag in
Chile an. Es gab einen totalen Aufruhr. Bis dahin war es sehr geheim gehalten worden.
Die Amerikaner haben die ganze Sache wahrscheinlich denunziert und behauptet, ich
hätte das alles gar nicht machen können, denn sie wüssten viel besser, wie es zu machen
sei und so ginge es eben nicht. Klar sagten sie, es sei unmöglich. Ich hatte tatsächlich den
Überblick über das Land in Echtzeit, und ein solches Konzept erschien den Amerikanern
reiner Trug. Sie hielten die Vorstellung für lachhaft. Es gab Leserbriefe im New Scientist,
bei denen ... ich ernsthaft überlegte, ob ich die Amerikaner verklagen sollte, die mich in
ihren Briefen anprangerten. Sie verpassten mir Überschriften wie ,Beer kontrolliert Chile
vom Computer aus“. Das ist völliger Unsinn. Das habe ich nicht getan.»
Stafford Beer, Interview mit Eden Medina (2001}
«Das größte Problem von Cyberstride ist jedoch, dass es eine schreckliche Kon-
trollwaffe in die Hände der Unidad Populär legt, mit der das Privatleben chilenischer
Bürger mit kybernetischen Mitteln beeinflusst werden könnte. Dieses durch Cyberstri-
de aufgeworfene Problem rief in Europa Kontroversen hervor. Beer wurde sogar dafür
kritisiert, dass er ein derart gefährliches Machtinstrument in die Hände einer marxisti-
schen Regierung legt. Die Verteidiger von Beer führten an, dass ein solch origineller und
revolutionärer Fortschritt in der Computerwissenschaft nur in einem Land erfolgen
kann, das sich in einem raschen Umwandlungsprozess befindet. Dabei wiesen sie auf die
klassische Parallele zum Revolver hin: moralisch betrachtet ist nichts gut oder schlecht
an sich, sondern alles hängt davon ab, von wem und wie diese Dinge eingesetzt werden.
Nichtsdestotrotz bleiben die Zweifel bestehen und verschwinden erst recht nicht, wenn
Beer die Einbeziehung von Daten der .öffentlichen Meinung“ in das Cyberstride-System
ankündigt oder damit prahlt, er habe das System gegen den Streik der,Bosse“ im Oktober
1972 eingesetzt.»
« kommt voran, der Plan der UP zur Kontrolle durch
Computer», Que Paso, 6. September 1973
«Wir waren über geraume Zeit ein Randprojekt, das vielleicht nur wenigen Leu-
ten bekannt war. Deshalb hielten manche es für geheimnisumrankt oder verschlei-
ert. Das stimmt jedoch nicht. Einige Leute glaubten wohl, wir wollten mit dem Telex
subversive Dinge tun oder irgend solchen Quatsch. Ich bin mir sicher, dass irgendein
Militär(angehöriger) oder dem Militär nahestehende Personen das geschrieben haben.
Ich bin mir auch sicher, dass sie etwas über eine Art marxistische Verschwörung schrei-
ben. Absurd. Es gab nichts dergleichen.»
Fernando Flores, Interview mit Eden Medina (2003)
«1973 hatten sich die internen Querelen noch verschärft. Wir hatten neue politische
Gruppierungen, neue Feinde und... auch die Opposition arbeitete effektiver. Außerdem
war es damals sehr einfach, es aufgrund (seiner) Implikationen für die Sicherheit als etwas
anzuprangern, das gegen die Armee gerichtet sei oder so etwas.. .. [Die Geheimhaltung
des Projekts] lag teilweise daran, dass Fernando eher vorsichtig spielte. Man will ja erst
dann eine Ankündigung machen, wenn man etwas vorweisen kann, und das erfordert
Zeit. Zweitens muss man sich Verbündete suchen, jemanden finden, der wirklich willens
ist, das [Cybersyn-Projekt] einzusetzen. Ich würde sagen, dass die Geheimhaltung ganz
im Interesse des Projekts war: es so lange geheim zu halten, bis man es als wirklichen
Erfolg vorzeigen konnte. Der größte Erfolg war das Telex-Netz. Das war an sich schon
wertvoll, und man wollte es deshalb nicht ankündigen, weil es gewissermaßen ein Schutz
[vor der Opposition] war. Außerdem gab es zahlreiche Personen in der Regierung und
den Unternehmen, die sich ein Scheitern der Regierung wünschten.»
Herman Schwember, Mitglied des Cybersyn-Teams, Interview mit Eden Medina (2002}
Aus dem Englischen von Kira Gee
Secret Plan Cybersyn
Eden Medina
In 1970 the socialist candidate Salvador Allende Gossens won the Chilean presiden-
tial election by a slim 1.3% margin of the popular vote. His election marked the arrival
of Chile’s first democratically elected socialist leader and the first to attempt socialist
transformation through peaceful means. Once in office Allende made the nationalisa-
tion of major industries a priority. By the end of 1971 the government had nationalised
all major mining firms and sixty-eight other private companies, many of which were not
on the original government list for incorporation into the public sector. The rapid and
uncontrolled growth of the nationalised sector quickly created a management nightmare
for CORFO, the state development agency that Allende had charged with directing the
nationalisation effort.
In 1971 Fernando Flores - who was then the technical director of CORFO but who
would become a member of Allende’s cabinet a year later - approached the British cy-
bernetician Stafford Beer and requested his help in managing the social property area
of the Chilean economy. Beer was a well-known management consultant and a leader in
applying cybernetic principles to problems in industrial management. From 1971 to 1973
Chilean and British engineers, working under Beer’s direction, built a computer network
to help regulate Chile’s economic transition from capitalism to socialism. The team called
the system Cybersyn, a synthesis of the words cybernetics and synergy.
Within eighteen months the Cybersyn team built a working prototype. It consisted
of a telex network that ran the length of the country (Cybernet), a customised software
suite (Cyberstride), an economic simulator (CHECO), and a futuristic operations room
(Opsroom). Components of Project Cybersyn helped the Chilean government navi-
gate social and economic upheavals during 1972 and 1973. Eventually, the scope of the
project grew to include technologies for measuring public opinion as well as folk songs,
pamphlets, and movies to educate Chilean workers about management cybernetics. For
example, Beer collaborated with the famous Chilean folksinger Angel Parra to write the
folksong «Litany for a Computer and a Baby About to be Born.»
Despite the elaborate plans to engage the public with cybernetic management, news
of Project Cybersyn reached the general public by accident several weeks before the press
release planned by the Cybersyn team. Beer and his Chilean colleagues intended to an-
nounce the project in Chile and Britain simultaneously when Beer delivered the prestig-
ious Richard Goodman Lecture at Britain’s Brighton Polytechnic (now the University of
Brighton) on February 14,1973. However, a leak to the British publication Latin America
resulted in an article one month earlier. The article described the project as a mystery and
speculated that the Allende government kept Cybersyn secret to avoid being accused of
using Big Brother tactics in its economic policies.
The centrist Chilean newsmagazine Ercilla learned of the British article and pub-
lished its own take on Cybersyn two weeks later. The article, bearing the Orwellian head-
line «El