Die der Administrator dieses Forums „Sprudel


Du bist chronisch unterbelohnt



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Du bist chronisch unterbelohnt.

Das schreie ich dir an dieser Stelle entgegen, weil chronische Unterbelohnung immer die Ursache ist. Der Programmfehler ist, dass es erst eine Belohnung gibt, wenn "die Aufgabe" abgeschlossen ist. Kann man sie nicht zum Abschluss bringen, oder hat man nichts, durch das man sich genug belohnt fühlen würde, dann gibt es keinen guten Grund, mit einer Aufgabe anzufangen. Dann fängt man nur an, wenn man MUSS.

Unser Gegenangebot zu der nicht funktionierenden, extrinsisch-negativen Art, Antrieb zu erzeugen, ist daher die intrinsisch erzeugte, positive Motivation. Wir sind aber keine klassischen Motivations-Trainer, sonst würde der Betroffene lediglich die extrinsischen Antriebsfaktoren tauschen (auf uns angewiesen sein, statt auf andere Leute, und das soll auf keinen Fall passieren!).


In unserem Selbsthilfeprogramm geht es darum, dass der Betroffene mit sich selbst Vereinbarungen (über Handlungsaufnahmen) zu treffen lernt, die er dann zuverlässig aufnimmt.
Dieses Ziel nennen wir "Selbstbestimmung".

Wir benutzen dafür positive Antriebsverstärker, und zwar für den Anfang einfache, möglichst kostengünstige, sofort für jedermann verfügbare dingliche Belohnungen.

Die Abfolge von Leistung und Belohnung, die eigentlich "normal" sein sollte, wird geübt. Und wir üben, Aufgaben so zu formulieren, dass man sie immer erfolgreich abschließen kann - ohne mogeln zu müssen. Wenn man das eine Weile gemacht hat, werden neuronale Verknüpfungen gebildet, reaktiviert oder kommen häufiger zum Einsatz, die bewirken, dass Dopamin ausgeschüttet wird; das Glückshormon.

Das Dopamin ist es, das euch eigentlich fehlt, und es fehlt, weil ihr entweder gar keine Erfolgserlebnisse habt, oder weil diese Erfolgserlebnisse nicht ausreichen, um so viel Dopamin auszuschütten, dass es gegen das Adrenalin bzw Noradrenalin anstinken kann, das in euren Körpern derzeit das Sagen hat. Die wünschenswerte Verkettung lautet also:



Handlungsaufnahme, lieber klein, aber dafür 100% korrekt -> Erfolg -> Dopamin -> gutes Gefühl -> Ansporn, mehr Dopamin-Erlebnisse haben zu wollen -> erneute Handlungsaufnahme -> erneuter Erfolg -> Dopaminkick -> und so weiter

Dieses ganze Ding nennen wir "Antriebsreprogrammierung". Es wirkt also wie eine Umkehrspirale zu dem bisherigen Teufelskreis. Man kann nicht von jetzt auf gleich hinausspringen, aber man kann Umdrehung für Umdrehung wieder herauskommen.

Ihr dürft nicht erwarten, dass nach zwei, drei Versuchen schon spürbar Dopamin ausgeschüttet wird. So schnell geht das leider nicht. Das Gehirn braucht mindestens ein paar Tage, bis es das zuverlässig tut, und jeder "Bruch der neuen Regel" bringt es wieder durcheinander (sozusagen wieder eine halbe Umdrehung zurück). Und nicht zu vergessen, dass in den nächsten Tagen auch erst einmal z.B. Stresshormone abgebaut werden müssen.

Um es dabei zu unterstützen, sich in die gewünschte Richtung zu entwickeln, und um euch trotzdem bei der Stange zu halten, haben wir ja noch die ganzen anderen Hilfsmittel, zum Beispiel: Stress vermeiden durch unsere Schutzmaßnahmen gegen Selbstausbeutung. Denn dadurch vermeidet ihr die Produktion von noch mehr Adrenalin/Noradrenalin. Oder auch einen möglichst gleichbleibenden Schlaf-Wach-Rhythmus, leichte Bewegung und sinnvolle Ernährung empfehlen wir aus gutem Grund: Dadurch wird nämlich Serotonin gebildet.


Wenn Dopamin das "Erfolgskick-Hormon" ist, dann ist Serotonin das "konstant-zufrieden"-Hormon, und wer von beidem zu wenig hat, der ist deshalb von Grund auf unzufriedener und unglücklicher, als er sein könnte, wenn er mehr von diesen Hormonen im Körper hätte. Deren Ausschüttung geschieht aber nicht willkürlich oder zufällig, sondern unter bestimmten Umständen. Die Grundidee der Antriebsreprogrammierung ist also, genau diese Umstände gezielt herbeizuführen - und zwar möglichst OFT und nicht möglichst "groß", denn wir wollen keine extremen Spitzen im Hormonhaushalt, sondern einfach nur weniger Stress, mehr "Grundzufriedenheit", besseren Schlaf/Energierückgewinnung, viele kleine Erfolgserlebnisse über den Tag verteilt. Klingt nicht schlecht, oder?

Das war jetzt vermutlich das komplizierteste Kapitel. Das Schöne ist, dass man sich das nicht alles merken muss. Die Erklärungen sollen dich überzeugen, dass das hier durchdacht ist, und Hand und Fuß hat, und dich somit auch davon überzeugen, es auszuprobieren.


Jede einzelne Maßnahme, die wir empfehlen, hat einen bestimmten Sinn, und keine davon ist schädlich oder gefährlich. Nur eines muss an dieser Stelle gesagt werden: Dopaminkicks sind nichts anderes als das, was man erlebt, wenn man Drogen nimmt. Man kann danach süchtig werden, und dann wiederholt man immer wieder diese eine Sache, die den Dopaminkick hervorruft.
Zwar wollen wir erreichen, dass Dopamin ausgeschüttet wird, aber wir wollen natürlich nicht, dass es bei euch nur durch eine einzige Sache hervorgerufen werden kann, also z.B. dadurch, dass man irgendwas putzt oder irgendwas entrümpelt. Denn man kann nach allem, wirklich nach allem süchtig werden - wenn man nur diese eine Sache kennt, durch die Dopamin ausgeschüttet wird, dann unternimmt man den schlimmsten Mist, und ich meine nicht nur Drogen, sondern auch so irres Zeug wie Lack trinken oder Kacke essen - wirklich, todernst, diese Fälle gibt es! - Hauptsache man bekommt seinen Kick.

Die allerbeste Maßnahme, die man ergreifen kann, um sich davor zu schützen, putz- oder entrümpel-"süchtig" zu werden, ist, dass man abwechslungsreich lebt, und sich eben auch abwechslungsreich belohnt. Viele verschiedene "Dopamin-Kick-Erzeuger" kennenlernen, statt nur einen oder zwei.

Wer mal ein bisschen spazieren geht, und mal ein bisschen malt, und mal Musik hört, und mal ein Buch liest, und mal etwas entrümpelt, und mal eine gemischte Obstplatte futtert, und mal einen Raum putzt, und mal eine Fußmassage machen lässt, und sich mal mit Freunden trifft, und mal ein Stück Schokolade isst, mal ein Glas Wein trinkt, mal in den Vergnügungspark geht, oder ins Kino, oder sich ein bisschen auf Facebook herumtreibt, und am Wochenende mal tanzen geht, und mal daheim bleibt und es sich mit Tee und Keksen gemütlich macht, der läuft am wenigsten Gefahr, nach irgendetwas davon einseitig süchtig zu werden. Der lebt - und genießt - einfach nur sein Leben.

Abwechslung ist das Zauberwort. Wenn ihr dem jetzt etwas ratlos gegenüber steht: Für den Anfang genügt es, wenn ihr überhaupt schon etwas habt, das ihr gern tut. Aber falls das nur eine Sache ist, oder zwei, dann belasst es nicht auf Dauer dabei. Probiert neue Dinge aus. Probiert verschiedene Dinge aus. Was ihr noch nicht kennt, kann noch nicht als Belohnung funktionieren. Aber wenn es angenehm war, Spaß gemacht hat, dann habt ihr euch um eine weitere Belohnung in eurem Repertoire bereichert.


Neue Lebensmittel kommen genauso in Frage, wie neue Menschen, neue Orte, neue Sportarten, neue Sprachen, neue Hobbies, neue Rezepte, einmalige Erlebnisse. Probiert aus, wozu auch immer ihr die Gelegenheit bekommt. All diese unzähligen Dinge können positive Antriebsverstärker für euch werden. Gute Gründe morgens aufzustehen, gute Gründe sich mal wieder schick zu machen, gute Gründe seine Küche zu putzen, gute Gründe nicht zu versumpfen, und gute Gründe, aus dem Hamsterrad auszusteigen und zu sagen: "Ich bin nicht darauf angewiesen, dass mir mal jemand eine kleine Freundlichkeit für meine Aufopferung zukommen lässt - ich bestimme jetzt lieber selbst, was ich für meine Leistungen bekomme, und wann ich es bekomme!"
All diese positiven Dinge, die ihr in euer Leben lasst, erzeugen und verstärken euren Antrieb. Ohne sie habt ihr keinen. Nicht mal den "negativen Antrieb", denn Druck, Angst und Scham heißen in der Fachwelt immer noch "Antriebsverstärker", aber in Wahrheit sind sie "Antriebsminderer".

(5) Es ist immer deine Entscheidung

Wir treffen mehrere tausend Entscheidungen am Tag.
Jeden Tag. Die meisten davon gehen superschnell und nahezu unbewusst.Die Summe der Entscheidungen, die du bis heute getroffen hast, hat dich an den Punkt gebracht, an dem du jetzt bist.
Zunächst geht es darum, herauszufinden, wann genau man Entscheidungen trifft. Es sind kleine Momente, in denen man sein falsches Verhalten vor sich selbst rechtfertigt. Man weiß es eigentlich besser, aber genau jetzt muss trotzdem eine Ausnahme gemacht werden, und dafür nennt man sich selbst eine Begründung. Mach dir bewusst, dass diese kurzen "Diskussionen" mit sich selbst die Momente sind, in denen du eine Entscheidung triffst. Zum Beispiel die Entscheidung, ob du jetzt aufstehst und anfängst, oder ob du auf der Couch liegen bleibst.
Oder zum Beispiel:
Ess ich jetzt, oder erst später? Geh ich um zehn schlafen, oder um vier? Werf ich die leere Klo Rolle weg, oder lasse ich sie liegen? Koche ich mir was, oder schmiere ich mir nur ein Brot? Schalte ich den Fernseher jetzt aus, und sauge Staub? Gehe ich heute noch duschen, oder erst morgen? Gehe ich jetzt in den Keller und stelle noch eine Waschmaschine an, oder reicht es auch noch morgen früh? Schaue ich noch ein YouTube-Video, oder fange ich an mit der Arbeit? Sitze ich noch fünf Minuten länger, oder gehe ich nun los, um pünktlich bei meinem Termin zu sein?

Wenn von keiner dieser Entscheidungen irgendetwas Bedeutendes abhängt (ein entsprechend großer Antriebsverstärker vorhanden ist, der deine Entscheidung beeinflusst), wirst du immer das tun, was sich mehr lohnt. Nicht der Weg des geringsten Widerstandes/der geringsten Energieleistung. Denn wenn das der Fall wäre, würden wir alle absolut überhaupt gar nichts tun, außer das absolut lebensnotwendigste. Wir tun, was sich unserer Meinung nach am meisten für uns persönlich JETZT mehr zu lohnen scheint. Der Prokrastinationsexperte Professor Pychyl von der Carleton University nennt dieses Verhalten "give in to feeling good NOW". Dem Impuls folgen, sich JETZT gut zu fühlen.



Innerhalb der getroffenen Entscheidung (es lohnt sich mehr für mich, wenn ich jetzt...tue) versuchen wir allerdings, unser Ziel mit den geringstmöglichen Energieausgaben zu erreichen. Prozessoptimierung ist unser natürliches Mindset. Energie steht nicht in unendlicher Menge zur Verfügung, also müssen wir zusehen, dass wir für unsere Energieausgabe möglichst viel bekommen. Es muss sich für uns lohnen, und wenn wir dasselbe Ziel mit weniger Energieaufwand erreichen können, dann lohnt es sich für uns MEHR.

Wenn du dich so eklig fühlst, dass es für dich bedeutend wird, das zu ändern, gehst du heute noch duschen. Dann trotzdem nicht zu duschen wäre bequemer. Aber zu duschen ist dann angenehmer, als vor sich hinmüffelnd auf der Couch zu liegen. Es lohnt sich jetzt, zu duschen.


Wenn du keine frische Wäsche mehr hast, aber es dir wichtig ist, frische Wäsche anzuziehen, wirst du Wäsche waschen, auch wenn das mehr Zeit und Energie kostet, als jeden Tag in denselben Stinkeklamotten rumzurennen. Wenn du Gekochtes lieber magst als belegte Brote, wirst du wahrscheinlicher kochen, obwohl kochen mehr Zeit und Energie kostet.
Wenn im Bett nur trübe Gedanken und Selbstvorwürfe auf dich warten, wirst du das Schlafengehen so lange wie möglich aufschieben, weil dir das sitzenbleiben und am PC spielen und Spaß zu haben, tausendmal lieber ist, als im Bett zu liegen und dich mit düsteren Gedanken herumzuquälen.
Wenn dich die Klo Rolle stört, wirst du sie aufheben, wenn sie dir egal ist, wird sie liegenbleiben. Du kannst also auf "feeling good NOW" verzichten, wenn du dafür durch deinen Arbeitseinsatz etwas bekommst, durch das du dich später noch besser fühlst. Aber es ist verdammt schwierig, auf "feeling good NOW" zu verzichten, wenn man stattdessen irgendwas Ätzendes tun soll, von dem man nicht mal was hat.

Du triffst ständig Entscheidungen, auch wenn du nur so da sitzt, und gar nichts tust - dann entscheidest du dich gegen eine Handlungsaufnahme. Immer und immer und immer wieder triffst du diese Entscheidung. Weil du aus Erfahrung weißt, dass das unweigerlich zur Selbstausbeutung führt, und du dich nicht besser fühlen wirst, sondern schlechter.
Selbstausbeutung bedeutet nicht nur, dass du dich körperlich über alle Maßen verausgabst, sondern es bedeutet auch, dass du für deinen Einsatz rein gar nichts bekommst. Wie ein Arbeitssklave, der auch dann ausgebeutet wird, wenn er nicht ganz so anstrengende Arbeiten verrichten muss - aber eben ohne Bezahlung.

Und solange keine Notwendigkeit besteht, irgendwas von dem langweiligen, anstrengenden, unangenehmen, zeitraubenden, umständlichen, dich von Dingen, die mehr Spaß machen abhaltenden Zeug zu tun - wirst du es nicht tun. Das liegt aber nicht daran, dass du krank bist, oder dass irgendwas mit dir nicht stimmt. Tatsächlich ist es so, dass du dabei immer und die gesamte Zeit über allein deinem Willen folgst. Du willst immer das eine lieber als das andere. Nur darum geht’s. Du willst lieber fernsehen als staubsaugen. Du willst lieber gleich zurück auf die Couch, anstatt den Umweg zum Altpapierkorb zu machen. Du entscheidest was du isst, indem du abwägst: Soll es lieber schnell gehen, oder soll es lieber lecker schmecken? Du entscheidest, ob du dir lieber die Decke über den Kopf ziehst, oder dich an die Steuererklärung setzt.



Versuche, dir selbst zuzuhören, wie du deine Entscheidungen triffst. Tausendmal am Tag verhandelst du mit dir - doch deine Verhandlungen sind nie von dem Erfolg gekrönt, dass du die Handlung sofort aufnimmst, die du verhandelt hast. Mach dir keinen Vorwurf deswegen, sondern höre dir zu, und nimm dich ernst. Du hast nämlich wichtige Gründe, warum du etwas nicht tun willst - zum Beispiel Angst, Überforderung, Stress, Schmerzen, Hunger, Schlafmangel...

Hörst du dich sagen:


"Nur noch ein paar Minuten liegenbleiben"
"Nur noch dieses eine Video/Artikel..."
"Es lohnt sich noch nicht, damit anzufangen"
"Das hat noch Zeit bis später, bis morgen, bis zum Wochenende"
"Es wäre günstiger, wenn zuerst Ereignis X eintritt, bevor ich mit der Handlung anfange"
"Für mich alleine lohnt sich der Aufwand nicht."
und mein Lieblingsspruch: "Das muss erst noch einweichen" :mrgreen:

Das sind die Momente, in denen du "gewohnheitsmäßig aufschiebst". Das Aufschieben ist deine "Grundhaltung" gegenüber deinen Problemen, dein "Mindset". Diese Sätze, mit denen du dich selbst überzeugst, eine Handlung NICHT JETZT aufzunehmen, sind deine Verhandlungen mit dir selbst. Und sie haben immer dasselbe Ergebnis. Es wird "Aufschieben" verhandelt, bis es nicht mehr anders geht. Dann tritt "müssen" an die Stelle von "wollen".


Dann fühlst du dich, als hättest du keine andere Wahl mehr. Du bist aber nicht von anderen Menschen, oder von den äußeren Umständen an die Wand manövriert worden, sondern du hast dich da selbst hin manövriert - mit den Entscheidungen, die du vorher getroffen hast.

Es ist keine Schande, kein Verbrechen, überhaupt nicht schlimm, dass man so denkt. Es ist normal! Wir alle ticken so. Der einzige Unterschied ist, dass andere Leute eher Gründe finden, sich von der Couch zu hieven und mit ihrer Arbeit anzufangen.


Diese anderen Leute sind nicht "weniger faul" als ihr, sondern sie haben stärkere Antriebsfaktoren - welche auch immer das sein mögen. Sie haben mehr Gründe, handeln zu müssen als ihr.

Genau an diesem Punkt finden manche Betroffenen ein Schlupfloch. Sie erkennen, dass das "müssen" eine Illusion ist, basierend auf gesellschaftlichen Konventionen. Man muss jeden Tag duschen - Scheiß drauf, ich muss gar nichts. Man muss seine Wohnung sauber halten - Ich muss gar nichts.


Sobald irgendjemand diesen Betroffenen sagt: "Du musst aber..." rasten sie aus.

Eine Zeitlang habe ich versucht, das Wort "müssen" auf Teufel komm raus in meinen Formulierungen zu vermeiden, um diesen Trotz nicht zu triggern. Doch inzwischen habe ich verstanden, dass ich jemandem, der sich so weit in seine Trotz-Einstellung zurückgezogen hat, nicht wirklich helfen kann, diese zu verlassen. Ich kann nur denen helfen, die Hilfe wollen. Heute habe ich das Wort "müssen" sogar in meiner Signatur stehen.


Meine Texte sind so geschrieben, wie sie geschrieben sind, in der Hoffnung, damit möglichst vielen Menschen zu helfen. Ich kann sie nicht auf einen einzelnen maßschneidern. Ich kann nur versuchen, für die Einzelfälle, die sich hier zu Wort melden, die allgemeinen Ideen und Anregungen so zu formulieren, dass sie klarer zu ihrer Situation passen. Ich helfe also dabei, das Gelesene auf sich selbst zu übertragen, wenn derjenige damit Schwierigkeiten hat, diese Übertragung selbst zu leisten. Letztlich ist aber genau das ein Muss: Wenn du willst, dass es für dich funktioniert, musst du lernen, die allgemeingültigen Lösungshilfen auf deine persönliche Situation zu übertragen, anzupassen, maßzuschneidern. Wenn du es nicht willst, musst du hier überhaupt nichts.

Ein wichtiger Schritt dabei ist, sich selbst zu beobachten:

Wann mache ich meine Fehler? Wann schiebe ich gewohnheitsmäßig auf, und - superwichtig - mit welchen Begründungen rechtfertige ich mein (Aufschiebe-) Verhalten vor mir selbst?

Das macht nämlich NICHT jeder gleich. Basierend auf unterschiedlichen Erfahrungen treffen wir unterschiedliche Entscheidungen. Wir schieben unterschiedliche Dinge auf, und wir begründen das unterschiedlich vor uns selbst. Zu erkennen, was jeder individuell aufschiebt, und wie jede einzelne Aufschiebe-Entscheidung individuell begründet wird, ist der Schlüssel zur Veränderung. Es sind nicht bloß Warnhinweise "Dies lohnt sich nicht genug!", sondern die Begründungen bergen die Lösung in sich, wie man machen kann, dass es sich genug lohnt, um es jetzt doch zu tun.

Wer die dafür notwendige Erkundung seiner Gründe aufzuschieben leugnet, und kategorisch ablehnt mit der trotzigen Erwiderung "Ich MUSS gar nichts!!!", der ist "allergisch" auf das Wort "müssen".
Eine Allergie aber ist per definitionem eine Überreaktion des Immunsystems. Die Abwehr tritt auch dann auf, wenn es eigentlich unnötig und überflüssig ist. Zum Beispiel bei einer simplen Wenn-Dann-Verknüpfung: "Wenn du nicht willst, dass der Kuchen anbrennt, musst du ihn vorher aus dem Ofen nehmen". Natürlich "musst du nix außer sterben", der Kuchen kann genauso gut verbrennen. Aber wenn DU es WILLST, dass der Kuchen essbar ist, dann MUSS er aus dem Ofen. Ganz einfach. Wenn du in einer sauberen Umgebung leben willst, musst du aufräumen. Wenn du es nicht willst, musst du es nicht. Wenn du dich nicht fremdbestimmen lassen willst, musst du die Kontrolle übernehmen, bevor es ein anderer tut. Wenn du nicht kochen willst, musst du nicht kochen. Aber wenn du Gekochtes essen willst, dann wirst du es wohl kochen müssen, denn von alleine kocht es sich nun mal nicht. Nur wer nichts will, der muss auch nichts.
Wenn diese Überreaktion ausgelöst wird, ohne dass man die Alternative gelernt hat, über sich selbst zu bestimmen, dann verweigert man eben nur die Fremdbestimmung, die Kontrolle durch die anderen - ohne zugleich selbst die Kontrolle über sein Leben zu übernehmen. Dann tut man einfach gar nichts. Es ist einfach nur die "totale Verweigerung". Wer diese bereits als "so erfolgreich, wie ich nur sein kann" definiert, dem kann ich nicht helfen. Sein Leben ist ja bereits perfekt.

Die totale Verweigerung ist der letzte Rückzugsort auf der Flucht vor Fremdbestimmung.

Eine andere Gruppe von Betroffenen quält sich selbst mit dem genauen Gegenteil: Sie müssen alles. Tausende von "Du-musst-Aufgaben" bedrohen sie von überall gleichzeitig. Sie fühlen sich von allen Seiten gezwungen, und unfähig, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.


Das ist genauso eine "allergische" Überreaktion auf die gesellschaftlichen Konventionen, wie umgekehrt. So intensiv nehmen andere gar nicht Anteil an unserem Leben, wie wir immer meinen.
Das hat auch einen wissenschaftlichen Namen, nämlich "affective forecasting", und obwohl wir Menschen das können (was uns vom Tier unterscheidet) - sind wir echt schlecht darin. Wir neigen dazu, uns die Konsequenzen aus unserem Verhalten schwärzer auszumalen, und - mit Verlaub gesagt - wir nehmen uns selbst oft viel zu wichtig.
So denken wir z.B., die Leute würden über uns lästern, wenn’s bei uns nicht perfekt ausschaut - und dabei interessiert das die meisten Leute überhaupt nicht. Oder man denkt, man wird angestarrt, dabei würdigen die Leute einen kaum eines Blickes.

Wir sollten also Probleme nicht fürchten, die wir noch gar nicht haben (und mathematisch-wahrscheinlich auch gar nicht bekommen werden) - und trotzdem tun diese Betroffenen es. Sie fürchten sich davor, ausgegrenzt und isoliert zu werden. Sie haben Angst, andere zu verlieren, oder sie haben Angst, (noch) weniger geliebt/gemocht, (noch) weniger respektiert, (noch) weniger wertgeschätzt zu werden - bis hin zu dem Extrem, noch mehr Ärger, noch mehr Demütigung etc. zu kassieren.

Die meisten WOLLEN also LIEBER fremdbestimmt sein, als allein zu sein, oder diese speziellen Personen zu verlieren, noch mehr zu reizen oder andere Nachteile in Kauf zu nehmen, die sich aus ihrem Aufbegehren möglicherweise ergeben könnten.


Die meisten Leute haben Angst, dass Schreckliches mit ihnen geschieht, sobald die Fremdbestimmung aufhört. Sie wollen bestimmte Dinge so sehr (oder auf gar keinen Fall!), dass es sich für sie wie "müssen" anfühlt. Sie wollen es z.B. Allen recht machen. Oder sie wollen mit bestimmten Personen oder mit der Allgemeinheit unter keinen Umständen Ärger. Sie wollen, dass man gut über sie denkt, oder dass man nicht schlecht von ihnen denkt. Sie wollen es so sehr, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse IMMER denen der anderen unterordnen. Und das bezeichnen sie dann als "müssen". Es ist aber nicht wirklich "müssen". Sie werden nicht wirklich gezwungen. Der erste Teil des Satzes lautet: "Sie wollen es so sehr, dass…"

Es ist also ihre Entscheidung.

Diese Betroffenen benutzen ihre Horror-Gedanken, was ansonsten passieren könnte, wenn sie sich nicht so verhalten, wie sie sich jetzt verhalten "müssen", als negative Antriebsverstärker. Sie machen sich den Druck selbst, sie machen sich die Angst selbst, und sie machen sich die Scham selbst - und basteln sich damit ihre private kleine Hölle.

Denn wie wir jetzt wissen, führen negative Antriebsverstärker für sich alleine nur dazu, dass der Antrieb verringert wird. Kurzfristig wird das Ziel erreicht, die Handlung wird aufgenommen - aber langfristig sinkt die Bereitschaft, eine Handlung aufzunehmen. Alles wird immer schwieriger. Es müssen mehr und heftigere negative Antriebsverstärker her - und diese Betroffenen basteln sie sich selbst - und lähmen sich selbst damit.
Und damit haben sie irgendwie sogar Recht. Sie spüren/ahnen instinktiv, dass diese eingebildete Fremdbestimmung der Kleber ist, der ihr Leben zusammenhält. Solange sie nicht in der Lage sind, selbstbestimmt Handlungen aufzunehmen, sind sie auf die anderen angewiesen, und sei es, indem sie sich einbilden, dass die anderen sie unter Druck setzen, verurteilen oder ausgrenzen würden.

Sobald positive Antriebsverstärker zum Einsatz kommen, wird diese negative, selbstzerstörerische Art sich selbst anzutreiben, unnötig.

Das heißt, keine andere Person kann dich wirklich zu etwas zwingen. Es ist letztlich immer allein deine Entscheidung, ob du dich gezwungen fühlst, oder nicht. Es ist deine Entscheidung, ob du Angst vor einer Drohung hast, oder ob sie dich kalt lässt. Es ist deine Entscheidung, ob du dich vor Fremden schämst, wenn sie deine Wohnung sehen, oder ob dir das egal ist. Für den einen lohnt es sich mehr zu gehorchen, als zu widersprechen. Für den anderen lohnt es sich mehr aufzuräumen, als zu versumpfen.
Welche dieser Entscheidungen für dich die Richtige ist, machst du in dir drin, in deinem tiefsten Innersten mit dir selbst aus. Du entscheidest dich, welche Konsequenzen du lieber ertragen willst, und welche dir erspart bleiben sollen.
Du entscheidest, wann die Grenze deines Ekelgefühls erreicht ist. Du entscheidest, ob es dir wichtig ist, was ein anderer Mensch von dir denkt. Du entscheidest, ob du dich aufopferst, oder ob du auch mal an dich denkst. Du entscheidest, ob du da sitzt, oder ob du aufstehst. Selbst dann, wenn dich jemand mit einer Waffe bedroht, ist es deine Entscheidung, ob du seine Forderungen erfüllst, oder nicht. Du entscheidest, ob es dir wichtiger ist, Recht zu bekommen, oder es einem anderen Menschen Recht zu machen. Du entscheidest, ob du lieber leben, oder lieber sterben, ob du lieber fernsehen oder staubsaugen, ob du lieber arbeiten gehen, oder lieber unter der Brücke leben willst, ob du lieber Käsetoast isst, oder Lachsnudeln. Ob du lieber nett zu deinen Eltern bist, oder lieber den Kontakt abbrichst, ob du dich der kleinen Erkältung hingibst, oder sie ignorierst, ob du die Macken deines Partners hinnimmst oder ihn verlässt und lieber alleine lebst, ob du dich tagsüber noch mal hinlegst, oder bis abends durchhältst und lieber früher ins Bett gehst.

Mach dir bewusst, dass es in all diesen Situationen immer dein Wille ist, dem du folgst, und nichts sonst. Du entscheidest, was dir wichtiger ist, du entscheidest, womit du dich lieber beschäftigen willst, oder welche (möglichen) Konsequenzen du nicht erleben möchtest, womit du dich zuerst beschäftigen willst, du allein entscheidest, was du tust - und was du lässt.



Wer nicht wahrhaben will, dass er seinem Willen folgt, der sagt immer wieder bei denselben Dingen, die er immer wieder aufschiebt: "Ich will/wollte eigentlich, aber ich kann/konnte nicht, weil...[hier Aufzählung von Gründen deiner Wahl einfügen]"

Konntest du schon mal nicht aufstehen, als du aufs Klo musstest? Konntest du schon mal nicht aufstehen, obwohl du tierisch Hunger hattest? Konntest du schon mal den Fernseher oder Computer nicht einschalten, obwohl du gerne fernsehen oder am Computer sitzen wolltest? Hält dich Zeitmangel davon ab, zu schlafen, fernzusehen, die Füße hochzulegen, so wie dich der Zeitmangel davon abhält, deinen Kleiderschrank zu sortieren, oder deinen Keller zu entrümpeln, oder den Papiermüll wegzuschaffen? Bist du wirklich sicher, dass du nicht kannst - und nicht, dass du nicht willst? Horche in dich hinein, wenn du bestimmte Dinge immer wieder verschiebst. Lässt du es wirklich, weil es im Vergleich zu dem, was du stattdessen gemacht hast, unwichtig war, oder war es nicht doch viel mehr so, dass du das andere lieber machen wolltest? Tatest du es nicht, weil dich jemand davon abhielt, oder weil du dich abhalten lassen wolltest? Hast du dich wirklich geärgert, als dir etwas dazwischen kam, oder warst du insgeheim erleichtert?
Hast du wirklich nie Zeit dafür - oder hast du Angst? Fühlst du dich angesichts dieser Aufgabe mutlos, überfordert, hilflos, denkst du, dass du es sowieso nicht schaffen wirst? Graut dir vor Schmerzen, Konflikten, Erinnerungen oder Begegnungen, die du vermutlich erleben wirst, wenn du dich damit beschäftigst, oder fürchtest du dich davor, dass es nicht so gut werden könnte, wie du dir erhoffst? Fürchtest du dich möglicherweise vor dem, was nach dieser Aufgabe folgen wird, die du immer wieder aufschiebst?

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