Die Kongregation der Schwestern


Die Niederlassungen der Genossenschaft



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Die Niederlassungen der Genossenschaft


in den jetzigen Ländern ihrer Ausbreitung.

Erstes Kapitel.



Belgien.

1. Diözese Lüttich.

Lüttich (Rue Thier de la Fontaine 71). Am 5. Juni 1868 kamen drei Schwestern in das von Bischof von Montpellier gegründete Priesterheim, zu dem Frau Depret-Rongé in der Rue Agimont ein Haus zur Verfügung gestellt hatte. Im folgenden Jahre (1. Mai 1869) eröffneten die Schwestern ein Mädchenpatronage, übernahmen auch in der Pfarrei St. Servais die ambulante Krankenpflege. 1872 waren es schon acht Schwestern; im Jahre 1884 verkauften sie, eines Straßendurchbruchs wegen, ihr Haus und erbauten in der Rue Thier de la Fontaine ein Schwesternhaus, das sie am 25. März 1886 bezogen. 16 Schwestern.

Lüttich (Rue des Anglais 31). Am 2. Juli 1886 wurde das Mädchenpatronage, für das in der Rue des Anglais ein eigenes Lokal mit kleinem Schwesternhaus erbaut worden war, eine eigene Niederlassung. Die Schwestern nehmen alleinstehende Pensionärinnen auf und erteilen der Jugend christlichen Unterricht. 5 Schwestern.

2. Diözese Mecheln.

Anderlecht-Brüssel (Rue Clemenceau 60). Krankenpflegestation, gegründet 28. August 1879 durch Frau Depret. Auch Mädchenpatronage. Während des Krieges nahmen die Schwestern Kriegswaisen auf. 13 Schwestern.

Anderlecht (Rue de Chapelain 2). Am 12. März 1890 kamen zwei Schwestern in das ebenfalls von Frau Depret (gest. 1892) gegründete Haus Ste-Anne, das zur Aufnahme von Pensionärinnen bestimmt war. Dieses Haus wurde 1892 in eine chirurgische Klinik umgewandelt, die im Laufe der nächsten Jahre vergrößert und mit einer Kapelle versehen wurde. 1914 bis März 1915 Lazarett für Deutsche und Belgier; dann wurden bis 1919 Kriegswaisen aufgenommen. 16 Schwestern.

3. Diözese Brügge.

Moucron-Le Tuquet (Rue de Bruges 34). Gegründet 19. Oktober 1911 auf Anregung des Dr. Vaneufville für die Krankenpflege im nahen Tourcoing, die seit 1905 Schwestern aus Roubaix ausgeübt hatten. Das neuerbaute Schwesternhaus gehört der zu diesem Zweck von den Industriellen Lemaire und Tiberghien gegründeten Société immobilière. 12 Schwestern.

Zweites Kapitel.



Die Niederlassungen im Deutschen Reiche.

A. Baden.


Erzdiözese Freiburg.

Die Erzdiözese Freiburg hatte durch die andauernden Bemühungen des edlen Erzbischofs Hermann v. Vicari im Jahre 1845 die Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul erhalten; Bischof Räß war ihm behilflich gewesen, das Freiburger Mutterhaus mit Schwestern aus dem für das katholische Deutschland so bedeutungsvollen Mutterhause zu Straßburg zu begründen 291). Da aber diese Schwestern ihren Satzungen gemäß die Krankenpflege nur in Hospitälern ausüben, wo sie Großartiges geleistet haben, und da weibliche Genossenschaften für ambulanten Krankendienst im badischen Lande erst später aufkamen 292), erklärt es sich, daß man frühzeitig nach dem benachbarten Elsaß ausschaute, um für die einem dringenden sozialen Bedürfnisse entsprechende häusliche Armen- und Krankenfürsorge geeignete Kräfte zu finden. Die Wahl war nicht schwierig. In den zehn ersten Jahren seines Bestehens hatte das Werk der Elisabeth Eppinger bereits weit über die Grenzen der Straßburger Diözese hinaus gezeigt, daß es ihm weder an Beweglichkeit noch an steter Bereitwilligkeit fehlte, neue Aufgaben zu übernehmen. Der rührige Vinzenzverein in der badischen Landeshauptstadt hat mit der Berufung der Töchter Niederbronns im Jahre 1857 den Anfang gemacht.

Karlsruhe (Vinzentiushaus).

Der Karlsruher Vinzenzverein wurde am 20. Januar 1851 auf Anregung der frommen und menschenfreundlichen Frau Finanzrat Baader gegründet und von dem vortrefflichen, seeleneifrigen Kaplan Franz Xaver Höll geleitet 293). Der Verein fand allenthalben großen Anklang, und das Beispiel, das die leitenden Persönlichkeiten in der Ausübung werktätiger Nächstenliebe gaben, wirkte aneifernd auf weite Kreise der katholischen Bevölkerung. Es gelang, die Mittel aufzubringen, um ein bescheidenes Krankenhaus in der Spitalstraße (Nr. 31) zu mieten. Auch war man so glücklich, vom Staatsministerium durch einen Erlaß vom 23. März 1853 die Genehmigung zur Einführung Barmherziger Schwestern aus dem Freiburger Mutterhaus zu erlangen. Zwei Schwestern kamen in das Haus und walteten trotz der ärmlichen Verhältnisse fröhlich ihres Amtes. Bald mußte eine dritte Schwester erscheinen, und das Haus wurde zu eng für die Zahl der hilfesuchenden Kranken. Aber in der Bevölkerung wurde auch der Wunsch rege nach Schwestern, welche die Kranken in den Privathäusern pflegten. Da die Freiburger Schwestern damals nach ihrer Ordenssatzung die ambulante Krankenpflege nicht ausüben konnten, so berief der Verein drei Niederbronner Schwestern, welche im Juli 1857 in ein Haus der Rüppurrerstraße (Nr. 34), das man gemietet hatte, eingezogen, um im Dienste des Vereins der Hauskrankenpflege obzuliegen.

Erzbischof Hermann begrüßte diese erste Niederlassung der elsässischen Kongregation mit besonderer Freude. Der Minister v. Stengel hatte am 17. Juli auch die staatliche Genehmigung erteilt, allerdings mit der Einschränkung, "daß diese Barmherzigen Schwestern keine Korporationsrechte im Großherzogtum Baden erwerben könnten, da sie nicht zu den im Lande rezipierten Genossenschaften gehörten, sondern lediglich als fremde Gäste zu behandeln seien". Auch für den vom Vinzenzverein beschlossenen Neubau eines eigenen Hauses wurde von demselben Staatsminister unterm 10. Juni 1859 die Genehmigung erteilt, wobei noch einmal betont wurde, daß "damit dem Orden der nur als fremde Gäste zu behandelnden sog. `Niederbronner Schwestern` in keiner Weise das Recht eingeräumt sein soll, Eigentum im Großherzogtum zu erwerben".

Die neuen Schwestern machten sich in kurzer Zeit sehr beliebt. Schon im Jahre 1858 lobt Kaplan Höll in einem dem Bischof von Straßburg zugeschickten Schreiben ihr bescheidenes, tugendhaftes Leben: Sie erhalten sich von Almosen und Geschenken der Kranken, die sie pflegen. Auch die Protestanten holen sie sehr oft. Sie kümmern sich auch eifrigst um das Seelenheil der ihrer Pflege anvertrauten Katholiken und haben schon mehrere Schwerkranke, die lange Zeit dem kirchlichen Leben ferne geblieben waren, dazu gebracht, daß sie vor ihrem Ende sich mit Gott versöhnten.

Am 28. August 1861 war das neue Haus in der Beiertheimer Gemarkung, dessen Baukosten man mühsam durch Anleihen und wohltätige Spenden aufgebracht hatte, für den Einzug fertiggestellt. Die Freiburger Schwestern verließen das alte Haus in der Spitalstraße, um den Krankendienst im städtischen Spital zu übernehmen. Mit ihrer ersten Oberin Schwester Franziska siedelten die Niederbronner Schwestern in den Neubau über. Schon im Jahre 1864 mußte der Verein das Haus durch einen Anbau und ein weiteres Stockwerk vergrößern. Auch eine Kapelle wurde errichtet, zu deren Einweihung am 24. Oktober 1864 Erzbischof Hermannn den Hofkaplan Strähle und den Domkapitular Weickum entsandte. Die Oberhofmeisterin Freifrau v. Roggenbach, die stets eine tatkräftige Gönnerin des Vinzenzvereins gewesen war, stiftete mit einem unbekannten Geber eine Monstranz. Später kamen die zwei herrlichen Marmorkunstwerke aus dem Atelier des Professors Steinhäuser in die Kapelle: das Kruzifix auf dem Hauptaltar und die Madonna mit dem Jesuskinde. "Sie gehören zu den schönsten kirchlichen Gebilden des Landes und waren wohl schon unzähligemal Veranlassung eines frommen Gebetes." 294)

Der fromme Gründer des Vereins und unermüdliche Förderer des Vinzentiushauses, Kaplan Höll, der im Jahre 1862 Oberstiftungsrat geworden war, las jeden Tag in der trauten Kapelle die heilige Messe, bis ihn 1872 ein Schlaganfall auf ein langdauerndes Krankenlager warf; er ist am 23. Mai 1879 selig im Herrn entschlafen. "Die Verhältnisse blieben nun längere Zeit in ruhiger, segensreicher Entwicklung im alten Geleise. Die ersten Begründer hatten ihre Aufgabe gelöst; sie hatten mit Gottes Hilfe ein wahres Werk christlicher Barmherzigkeit geschaffen. Kranke jeden Alters, Standes und Geschlechtes fanden Aufnahme und liebevolle Pflege. Auch einzelne ältere oder leidende Personen konnten sich dort in Pflege begeben. Im Kriegsjahre 1870/71 wurden in dem vom Verein unterhaltenen Lazarett 164 Verwundete von den Schwestern gepflegt.



Nach Höll ist Stadtpfarrer Benz Vereinsvorstand geworden und hat eifrig mitgeholfen, den Verein immer mehr auszugestalten und den Forderungen und Bedürfnissen der neuen Zeit anzupassen. Im Jahre 1883/84 wurde dem Hause ein großer Hinterbau angefügt, der lediglich zur Unterbringung von Kranken benutzt wurde.

In ein neues Stadium blühender Entwicklung trat die Karlsruher Schwesternniederlassung im Jahre 1887 mit dem Eintreffen der neuen Oberin, Schwester Bonaventura. Sie hatte in Darmstadt und in Thann im Elsaß in leitender Stellung hinlängliche Beweise ihrer glänzenden organisatorischen Begabung und praktischen Lebensklugheit gegeben, so daß die Obern ihr das Karlsruher Haus, in dem es in den vorausgegangenen Jahren an inneren Schwierigkeiten nicht gefehlt hatte, anvertrauten. Was Schwester Bonaventura in kürzester Zeit leistete. mag uns ein Mann erzählen, der aus nächster Nähe Zeuge ihres unermüdlichen Wirkens gewesen und dessen Name aufs engste mit der Geschichte des Karlsruher Hauses verknüpft ist: Herr Oberstiftungsrat Mader. Am 31. Dezember 1891 berichtete er an den Superior des Mutterhauses, Dr. Simonis: "Im August 1887 hatte der St. Vinzentiusverein das hohe Glück, die Schwester M. Bonaventura als Oberin der Anstalt zu erhalten. Inzwischen sind noch nicht einmal 3 1/2 Jahre verflossen, und es ist seither die Anstalt nicht bloß, ich möchte sagen, in den Fundamenten erneuert, sondern nach allen Seiten ausgedehnt und weiterentwickelt worden, so daß, wer nicht Zeuge aller dieser Vorgänge war, es für kaum glaublich halten wird, daß in so kurzer Zeit so Großes und Mannigfaltiges geschaffen worden ist, und dies alles von einer Frau! Niemand als die Obern des Mutterhauses wissen besser, welches der Zustand der Anstalt im August 1887 war. Kaum hatte aber Schwester Bonaventura die Leitung der Anstalt übernommen, so griff sie sofort mit ebensoviel Klugheit als Energie die Neuordnung der vorgefundenen Verhältnisse an. Auf die Bemühung der Schwester Bonaventura ist es zurückzuführen, daß die schon unter ihrer Vorgängerin in Anregung gebrachte Wiedergewinnung eines besondern Hausgeistlichen realisiert worden ist. Der Tatkraft und dem Ansehen derselben ist es zu verdanken, daß unter Mitwirkung eines früheren Hausarztes - des derzeitigen Medizinalrats Dr. Molitor - der Anstalt einer der tüchtigsten Ärzte hiesiger Stadt als Hausarzt gewonnen wurde, welcher seither durch seine hervorragenden Operationen unter Assistenz der Schwestern ganz wesentlich zur Hebung des St. Vinzentiushauses und zur Vermehrung des Ansehens der Schwestern in den weitesten Kreisen beigetragen hat 295). Infolge davon und der unermüdlichen Tätigkeit und des unvergleichlichen Opferlebens der Schwestern, insbesondere der Schwester Bonaventura, hat die Frequenz des Hauses stetig zugenommen und nunmehr eine Höhe erreicht, wie sie früher nicht existierte. Daneben lief und läuft noch die bedeutende Krankenpflege in der Stadt. Nicht bloß war zeitweise das Haus überfüllt, sondern es mußten auch viele Bittgesuche um Zusendung von Schwestern zu Kranken in den Privathäusern abgewiesen werden. Die Sorge und Verantwortlichkeit der Frau Oberin wird noch wesentlich dadurch vermehrt, daß es bei der Pflege der Schwestern sich ja nicht bloß um Wiederherstellung der leiblichen Gesundheit, sondern vielfach um Errettung der Seelen vom ewigen Verderben handelt. Meinen unmittelbaren Wahrnehmungen entzieht sich zwar diese Tätigkeit der Schwestern; aber von Zeit zu Zeit eröffnet sich mir doch ein Ausblick auf das Meer von Sorgen und Kümmernissen, welche auf den guten Schwestern und insbesondere auf der Frau Oberin lagern, wenn es gilt, einen armen Sterbenden noch im letzten Augenblicke vom Rande des Abgrundes hinwegzureißen, und wie viele verdanken außer der Gnade Gottes einzig und allein der unermüdlichen Einwirkung und dem eifrigen Gebete der Schwestern ihr ewiges Heil 296). Man mag vielleicht sagen, daß dies alles zur Pflicht und Aufgabe derselben gehöre, doch wird dadurch das schwerste persönliche Opfer nicht im geringsten vermindert. Dazu kommt dann noch für die Frau Oberin die gewissenhafteste Sorgfalt für das körperliche und geistige Wohl der Schwestern. Und wie ist dieselbe gerade gegenwärtig so schwer bedrängt und in rührendster Sorge um die kranke Schwester Alton. Die ganze Nacht hindurch bis zum Morgen harrt sie aus am Lager der Schwererkrankten; alles bietet sie auf, um das teure Leben der Mitschwester zu erhalten, sofern es Gottes Wille ist." Daneben ging noch die Gründung neuer Werke. "Sie betrieb", heißt es ferner in dem Maderschen Bericht, "mit Feuereifer die Erbauung des geräumigen Marienhauses. An der Bearbeitung des Planes in bezug auf die Einteilung des Gebäudes hatte sie wesentlichen Anteil, und welche zahlreichen Mühen und Verdrießlichkeiten erwuchsen ihr erst bei der Ausführung, nicht minder bei der Restauration der Kapelle 297). Sobald das Haus seiner Vollendung entgegenging, nahm sie die innere Einrichtung und Ausstattung in Angriff und entwickelte dabei mit den ihr assistierenden Schwestern eine ganz immense Tätigkeit in Zurichtung und Instandsetzung von alten, im St. Vinzenzhaus nicht mehr gebrauchten Gegenständen, welche in großer Zahl auf dem Kapellenspeicher lagerten. Eine große Ausgabe wurde dadurch der Anstaltskasse erspart. Alsbald begann dann die Besetzung des Hauses, namentlich durch die Gründung einer Haushaltungsschule für Töchter des bürgerlichen Standes. Endlich müssen noch die Kinderschulen erwähnt werden; denn auch sie verdanken ihre Existenz der unermüdlichen Tätigkeit der Schwester Bonaventura."

Schwester Bonaventura genoß das Vertrauen des Dekans Benz in hohem Grade; er ließ ihr in allen ihren Maßnahmen völlig freie Hand. Der Vorstand des Vinzenzvereins, der am 20. Mai 1891, nicht zum wenigsten dem Drängen der Oberin folgend, bei dem Ministerium des Innern um die Gewährung der Korporationsrechte einkam, betonte in seiner Eingabe den Anteil, der den Schwestern an der Ausgestaltung des Vereins zukommt: "Mit der immer mehr sich ausbreitenden Anerkennung der hervorragenden Leistungen der Niederbronner Schwestern, nicht minder durch die wirtschaftliche Tätigkeit der letzteren selber wuchsen die Mittel des Vereins; und so kam derselbe in die günstige Lage, das enge Gebiet seiner Wirksamkeit auszudehnen und insbesondere die Krankenpflege durch die Schwestern jedermann ohne Rücksicht auf die konfessionelle Zugehörigkeit, soweit die Kräfte reichten, angedeihen zu lassen." Zugleich gedenkt der Vorstand auch "der hochherzigen Uneigennützigkeit des Mutterhauses in Oberbronn. Seit über 30 Jahren sendet letzteres die für unsere nunmehr ins Große geratene Anstalt erforderliche Anzahl Schwestern mit der für ihren schweren Beruf nötigen Vorbildung und ruft diejenigen Schwestern, welche infolge des unvergleichlichen Opferlebens dauernd krank oder invalide geworden sind, wieder zurück, ohne während dieser langen Reihe von Jahren bis zur Gegenwart für die Ausbildung der jungen Schwestern und für den Unterhalt der alt und dienstuntauglich gewordenen von unserer Anstalt auch nur die geringste Entschädigung zu verlangen. Ebensowenig wird für die Tätigkeit der innerhalb und außerhalb des Hauses beschäftigten gesunden Schwestern vom Mutterhaus irgendwelche Vergütung beansprucht. Das Mutterhaus sendet also gesunde, leistungsfähige Schwestern, welche ihren Lebensunterhalt in den der Vereinskasse zufließenden Krankenverpflegungsbeiträgen selbst verdienen und die Überschüsse derselben Kasse ohne jede Teilnahme an denselben zur freien Verfügung überlassen, und zieht die im Dienste des Vereins untauglich gewordenen Schwestern zurück, um solche auf eigene Kosten zu unterhalten. Das ist die einfache Lösung des Rätsels, wie es möglich ist, daß der Verein bei Verpflegungsbeiträgen, welche für Erwachsene in Abstufungen bis 1.10 Mark per Kopf und Tag herabsinken, womit nicht einmal der Baraufwand für die tägliche Lebensnotdurft, geschweige der Aufwand für Arzt und Apotheke bestritten werden kann, noch finanziell zu prosperieren vermag. Die vorzügliche Führung des Haushaltes im St. Vinzentiushaus, die volle selbstlose Aufopferung der Schwestern für die Vereinszwecke, das und nichts anderes ist das Fundament, auf dem sich die Anstalt aufgebaut hat."

Durch Staatsministerialentschließung vom 1. August 1891 wurden dem Vinzenzverein die Korporationsrechte bewilligt, nachdem die von der Regierung verlangte Bestimmung, wonach dieselbe im Falle der Auflösung des Vereins nach Paragraph 7 des zweiten Konstitutionsedikts von 1807 über dessen Vermögen nach Maßgabe seines bisher verfolgten Zweckes zu verfügen berechtigt sein soll, in die Statuten aufgenommen worden war 298). Erst jetzt konnte der Verein Rechtsgeschäfte jeder Art vollziehen und Eigentum erwerben. Schwester Bonaventura drängte aber auch darauf, daß das Verhältnis der Schwestern zum Verein in richtiger und billiger Weise geregelt wurde. Dies geschah durch einen Vertrag, dessen Zustandekommen Dekan Benz und Oberstiftungsrat Mader gegenüber einigen weiblichen Vereinsmitgliedern, welche den Schwestern nur Pflichten, aber keine Rechte zugestehen wollten, energisch betrieben und zum glücklichen Abschlusse brachten.

Bei all diesen Arbeiten und Sorgen rieb Schwester Bonaventura ihre durch ein Herzleiden ohnehin geschwächten Kräfte völlig auf. Nach schweren Leiden ging ihre Seele am 21. Juli 1892 in ein besseres Jenseits über. Mit ihr schied eine der hervorragendsten Persönlichkeiten der Kongregation dahin. Sie war eine ungemein tatkräftige, schaffensfreudige Natur, dabei von außergewöhnlicher Geistesbegabung. Dr. Simonis, der ein feiner Seelen- und Menschenkenner war, wußte sie zu schätzen und ihr die rechten Aufgaben zuzuweisen. "Sie hat eine Tätigkeit des Geistes, mit welcher sie einzig dasteht", hat er von ihr gesagt 299). Wo sie weilte, standen alle, die mit ihr zusammenkamen, unter dem Banne ihrer starken, gewinnenden Persönlichkeit. Naturen, die von einem impulsiven Tätigkeitsdrange beseelt sind, wie es die ihre war, vertragen nicht leicht kleinliche Hemmungen. Darum ist ihr zuletzt der Darmstädter Boden nicht bekommen, den sie im Jahre 1869 verließ. Im deutsch-französischen Kriege fand ihr Tätigkeitstrieb reichlich Nahrung in den Lazaretten des Pariser Feldlagers; sie hatte im Krimkrieg, im österreichisch-italienischen Feldzug 1859 und im deutsch-österreichischen Kriege von 1866 die Schrecken der Schlachtfelder reichlich kennengelernt; dann ist sie in Thann Mutter der Waisenkinder geworden und hat zu Karlsruhe ihre letzten Kräfte einem schönen Werke gewidmet. Daß ihr hier so großer Erfolg beschieden war, erklärt sich daraus, daß man die Kreise ihres Wirkens nicht störte, daß man vom ersten Tage ihres Kommens an in ihr die bedeutende Persönlichkeit sah, der man vertrauen konnte und mußte. Darum konnte der Vereinsvorstand an dem goldenen Jubelfeste des Vereins ihrer gedenken mit den schönen Worten: "Sie war eine Frau von außerordentlichen Geistesgaben und feiner Bildung, ausgestattet mit scharfem Blick für die Bedürfnisse der Zeit und für richtige Beurteilung der sie umgebenden Verhältnisse, nicht minder aber auch mit bewunderungswürdiger Energie in Durchführung einer einmal übernommenen Aufgabe. Dekan Benz, selbst von geradem, offenem Charakter und energischer Tätigkeit, schenkte der freimütigen und schaffensfreudigen Schwester volles Vertrauen und ließ ihren Unternehmungen durchdringende Unterstützung angedeihen." Anderthalb Jahre vor ihrem Tode hat Oberstiftungsrat Mader die Karlsruher Oberin richtig charakterisiert, als er dem Superior des Mutterhauses schrieb 300): "So viel steht bei mir fest: mag die Kongregation auch noch Mitglieder zählen, welche an Gaben des Geistes, an Tugend und Frömmigkeit die Schwester Bonaventura überragen: an großartiger Auffassung der hohen Ziele der Kongregation und der eigenen Pflichten, an glühendem Eifer, diese Anschauung ins Leben umzusetzen und die Ehre und das Ansehen derselben nach allen Seiten zu wahren und zu vermehren, an Tatkraft und Opferwilligkeit wird Schwester Bonaventura sicherlich von niemand übertroffen. Sie ist eine herrliche Zierde der Kongregation."

Sie ist während ihres Lebens von hohen und höchsten Persönlichkeiten geschätzt und geehrt worden. Bischof Räß schickte ihr immer alle seine Hirtenbriefe; er wandte sich an sie, um aus dem Großherzoglichen Geheimarchiv in Darmstadt für sein großes Werk "Die Konvertiten" zu erhalten 301). Im Großherzoglichen Palais war sie ein gern gesehener Gast; bei ihrem Kommen salutierte die Wache. Sie knüpfte dort viele Beziehungen mit hohen Kreisen an. Um 1872 suchte sie im Thanner Waisenhause der Fürst von Liechtenstein mit Mutter und Nichte auf und speiste daselbst. Im Feldlager vor Paris ist sie um ihres Opfermutes willen hochgeschätzt worden. Als im September des Jahres 1886 Kaiser Wilhelm die Stadt Straßburg besuchte, wurde Schwester Bonaventura telegraphisch nach Straßburg berufen, um sich dem alten Kaiser vorzustellen. Bei dieser Gelegenheit traf sie auch mit dem Großherzog von Hessen zusammen, der mit ihr von alten Zeiten plauderte.

Aber all das hat sie nicht stolz gemacht. Für ihren demütigen, christlichen Sinn ist bezeichnend, was sie der Generaloberin Schwester M. Alphons am 12. Februar 1867 schrieb, als sie vom Kaiser von Österreich das goldene Verdienstkreuz erhalten hatte: "Ich bin so beschämt und bestürzt, daß ich mich recht ungeschickt mag benommen haben. Ich eilte in die Kapelle, bat den lieben Heiland, er möge sich doch ja nicht von uns zurückziehen, ich bekomme so große Furcht." Sie war mit ganzer Seele Ordensfrau. Das zeigt sich auch in der rückhaltlosen Ergebenheit gegenüber ihren Obern. Für die Stifterin hegte sie eine nie verlöschende Ehrfurcht und Liebe. Ihr Tod ging ihr besonders nahe. In ergreifenden Worten drückte sie dem Bischof von Straßburg ihren Schmerz aus 302): "O wie gern wäre ich für sie gestorben; ich hatte dem lieben Gott das Opfer meines Lebens für sie gemacht; ach! er hat es nicht angenommen."

Zu ihrer Nachfolgerin wurde Schwester Eugenie ernannt. Bald nach ihrer Ankunft erfolgte die Gründung einer Station für ambulante Krankenpflege in der Oststadt. Leider starb sie, "ein Vorbild von Milde, Sanftmut und Geduld, voll Eifer für die Angelegenheit des Hauses und des Gesamtvereins" 303), an einem Lungenleiden am 15. April 1896. Ihren Dienst übernahm Schwester Homberga, die bisherige Leiterin des Krankenhauses zu Lengries (Oberbayern), welche seit der Eröffnung des neuen Krankenhauses an der Südendstraße Oberin dieser Anstalt wurde, während an ihre Stelle im alten Hause Schwester Cyrina, vorher Oberin in Heidelberg, trat.

Dieses "Neue Vinzentiushaus" an der Südendstraße war notwendig geworden, weil das bisherige Haus den gesteigerten Anforderungen der neuzeitlichen Hygiene nicht mehr entsprach. Ihre Kgl. Hoheit die Großherzogin brachte der im Jahre 1895 ernstlich gefaßten Frage des Neubaus reges Interesse entgegen und überwies anläßlich der Feier des 70. Geburtstages des Großherzogs dem Verein eine reiche Geldspende. Am 3. März 1898 wurde der Bau in der Südendstraße nach Plänen des Architekten Franz Schäfer begonnen. Während der Ausführung, am 30. November 1898 starb der beste Gönner und Freund des Vereins, Dekan Benz, infolge eines wiederholten Schlaganfalls. "Was seine Menschenfreundlichkeit und überaus große Freigebigkeit ihm noch gelassen hatte, das war beizeiten seinem langjährigen Schützling, dem Vinzentiushaus, vermacht worden." 304) Ihm folgte als Vereinsvorstand der Geistliche Rat und Stadtpfarrer Knörzer. Am 15. Mai 1900 konnte endlich der vollendete mächtige Bau von Superior Dr. Simonis unter Assistenz des Hausgeistlichen Dr. Gröber eingeweiht werden, während am folgenden Tage unter allgemeiner Beteiligung der Bevölkerung die glänzende weltliche Eröffnungsfeier stattfand. 30 Schwestern begannen darin ihre Tätigkeit. In den letzten Maitagen fand ein großer Wohltätigkeitsbazar zugunsten des neuen Krankenhauses statt unter dem Protektorat der Frau Prinzessin Wilhelm in den Räumen des Palais der Prinzen Max und Karl von Baden. Auch die Kaiserin Augusta hat bei jedem Aufenthalt in Baden dem Hause viel Wohlwollen entgegengebracht. Nach dem neuen Vereinsstatut von 1901 führen die Oberinnen der Krankenhäuser den ganzen Haushalt in unabhängiger Weise und leiten nach ärztlicher Anordnung die Krankenpflege. Zwischen dem Mutterhaus und dem Vorstand des Vinzentiusvereins wurde am 10. April 1908 ein neuer Vertrag geschlossen, der die gegenseitigen Verpflichtungen und Rechte regelt. 1920 zählte das alte Vinzentiushaus 22, das Neue 38 Schwestern.



Am 1. Juli 1907 konnten die Karlsruher Schwestern das fünfzigjährige Jubiläum ihres Wirkens in Karlsruhe feiern. Ihre Kgl. Hoheit die Großherzogin Luise sandte ein herzliches Glückwunschschreiben. Der Vinzentiusverein beging diesen Tag durch Abhaltung eines Festgottesdienstes in der St. Stephanskirche, bei dem sich der Landesherr durch den Kammerherrn v. Delius, die Stadtbehörde durch Stadtrat v. Chelius vertreten ließ. Herr Oberstiftungsrat Fritz, seit 1920 Erzbischof von Freiburg, verlas vor seiner ergreifenden Festpredigt, welche eine wirkungsvolle Verteidigung des katholischen Ordenslebens war, ein äußerst anerkennendes Schreiben des hochw. Herrn Erzbischofs Dr. Thomas Nörber von Freiburg 305), das an Herrn Geistlichen Rat Knörzer gerichtet war. "Es drängt uns", heißt es da, "als Oberhirt der Erzdiözese, bei dieser Gelegenheit der Kongregationsleitung und den ehrw. Schwestern auch Unserseits die wohlverdiente Anerkennung und den wärmsten Dank für ihr unermüdliches, segensreiches Wirken im dornenvollen Berufe der Krankenpflege auszusprechen."

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