Die Verben



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Primäre Endungen:

AKTIV MEDIUM STATIV



Sg. 1. -mi -ai / -mai -h2

2. -si -soi -th2

3. -ti -toi -oÔ / -eÔ

Pl. 1. -mos / -mes -medha (-ā) ?

2. -tes -dhwe ?

3. -nti -ntoi -reÔ

Sekundäre Endungen:

AKTIV MEDIUM STATIV



Sg. 1. -m -ā / -mā -h2a

2. -s -so -th2a

3. -t -to -o / -e

Pl. 1. -mo / -me -medha(ā?) ?

2. -te / - tē -dhwe ?

3. -ént / -nt -nto -re
Die Endungen des Perfekts:

Sg. 1. -a Pl. 1. -me(s)

2. -tha 2. ?

3. -e 3. -r / -o

An diesem Überblick der Endungen sind drei Merkmale hervorzuheben, wobei alle sehr eng zusammenhängen.



1: Die Beziehung Aktiv : Medium. Die große Ähnlichkeit der aktiven und medialen Endungen führt Hirt zu der Vermutung, dass sie sich zunächst voneinander nicht unterschieden. Seine Hypothese unterstützt er u. a. auch dadurch, dass ein Verb teils mediale, teils aktive Endungen besitzen kann. Er führt zwei Beispiele an: griech. émai (Medium)„sitze” : lat. sedeo (Aktiv) „sitze”. Zu erwähnen ist nach ihm auch die Tatsache, dass die aktiven und medialen Endungen sogar innerhalb eines Paradigmas (in den anderen Tempora) nebeneinander stehen können. Darauf macht auch Szemerenyi aufmerksam. Sehr oft kommt es nämlich vor, dass ein Verb im Ind. Präs. die medialen Formen, im Perfekt dagegen die aktiven Formen aufweist, z. B: lat. revertor : Perf. reverti; ai. m3syatē „vergisst” : Perfekt mamarsa. Eine ähnliche Tendenz ist u. a. auch am Neugriechischen zu betrachten. Die im Aktiv stehenden intransitiven Verben (sie drücken die Handlung aus, die sich nur auf das Subjekt bezieht) decken sich z. T. mit medialen Verben: im Präsens (=Imperfekt und Futur) dieser Verben kommen die medialen Formen vor. Die Vergangenheitstempora (=Aorist und Perfekt) weisen dagegen die aktiven Formen auf, z. B. Präs. Med.: apóllymai „ich sterbe”; Aorist Aktiv: apólómén; Perfekt Aktiv: apólóla.

2. Die Beziehung Perfekt : Stativ (intransitives Medium nach Beekes). 1. P. Sg. Perfekt ist identisch mit der betreffenden medialen Endung, 1. P. Pl. Perf. mit der Endung im Aktiv. Die Endungen des Perfekts haben ihre formale und funktionale Entsprechung bei den Stativendungen bestimmter Präsentien, die ansonsten medial flektiert werden. Diese Präsentia besitzen nach Erhart statische (oder zumindest intransitive) Funktion, was mit der Urfunktion des Perfekts übereinstimmt. Sie sind u. a. im Indoiranischen, Slawischen und Baltischen zu finden.

Beekes, der zwar von keinem Stativ, sondern nur von einem intransitiven Medium spricht, hebt auch die Ähnlichkeit dessen Endungen mit denen des Perfekts hervor. Für wichtig hält er auch die Tatsache, dass das Perfekt im Unterschied zu den anderen Tempora zunächst über keine eigenen medialen Formen verfügte. Einen weiteren gemeinsamen Zug des Perfekts mit dem intransitiven Medium sieht er auch darin, dass auch das Perfekt (als eine Tempusform) oft die intransitive Bedeutung besitzt. Hirt gelangt so zu der Ansicht, dass das intransitive Medium mit dem Perfekt eng verwandt ist, wobei die Art der Verwandtschaft an die Beziehung Präsens – Aorist erinnert, vgl. 5.1.1.2.



3. Die Beziehung Perfekt : Medium. Die Urform des Mediums kann nach Erhart (und nach vielen Hypothesen) in Verbindung mit dem Perfektum gebracht werden. Nach ihm ist es jedoch nicht ganz eindeutig, wie eig. das Medium entstanden ist. Entweder gehen das Perfekt und das Medium auf eine Urform zurück oder entsteht das Medium auf Grund der Vermischung des protoide. Aktivums und Perfektums. (In diesem Zusammenhang vgl. die ursprüngliche Form, bzw. das Hauptmerkmal der alten Iterativa - die Reduplikation, die dann auch auf die Perfekta übertragen wurde, vgl. 5.1.1.2.)

5.2.1.5. Das Passiv

Das Passiv entwickelt sich erst in den Einzelsprachen und wird als Ergebnis einer Transformation betrachtet. Mit der Ausformung des Passivs entsteht die konsequente Grundopposition der Genera Verbi - Aktiv : Passiv, die nach Szemerenyi dem bloßen semantischen Kontrast Aktiv : Medium übergeordnet ist. Das in einigen Sprachen auch weiter gebrauchte Medium hat nach ihm nur noch die sekundäre Funktion.

Im Passiv wird das Akkusativobjekt des aktiven Geschehens zum (grammatischen) Subjekt. Das Agens des aktiven Satzes bleibt aber logisches Subjekt. Grammatisch wird es zum Präpositionalobjekt, z B: Aktiv: Die Mutter backt köstliches Weihnachtsgebäck. Passiv: Köstliches Weihnachtsgebäck wird von der Mutter gebacken.



Bei transitiven Verben kann das Passiv gebildet werden, ohne dass das Agens, von dem die Handlung ausgeht, genannt wird: Das Ziel wurde getroffen.

Diejenigen intransitiven Verben, die das Passiv bilden können, stellen dann den reinen Vorgang dar. Das unpersönliche es als grammatisches Subjekt fällt weg: Ihnen wurde geholfen. Davon muss gesprochen werden.

Im Deutschen unterscheidet man das Vorgangs - und Zustandspassiv. Das Vorgangspassiv wird mit dem Vorgangsverb werden + Partizip II (Prädikatsadjektiv) gebildet. Das Zustandspassiv kennzeichnet einen vollendeten Zustand und wird mit sein + Part. II gebildet.

Die Formen des Passivs gehen in einigen Sprachen z. T. auf das alte Medium zurück, z. B. im Griechischen. Im Germanischen ist diese Tendenz u. a. auch im Gotischen zu betrachten, in dem einige der Formen des Passivs (Ind. Präs. u. Opt.) den Formen des Mediums entsprechen. Sie werden daher von einigen Wissenschaftlern (z. B. Erhart) als Mediopassivum bezeichnet. Dagegen stellt sich Braune gegen diesen Termin, denn die Formen des Mediums werden im Gotischen nur im passivischen Sinne gebraucht, nie weisen sie nach ihm die mediale Bedeutung auf. Diejenigen Formen des got. Passivs, dessen entsprechende mediale Formen nicht mehr erhalten geblieben sind, werden durch Umschreibungen mit Partizipien und den entsprechenden Formen von waīrþan und wisan gebildet.

Beispiel: Ind. Präs. Medium im Altindischen von bhárāmi „tragen“ und Ind. Präs. (Medio)passiv im Gotischen von baīran „tragen”. In Klammern werden die Formen des Ind. Aktiv angeführt:

ai. got.


Sg. 1. bhárē (bhárāmi) baírada (baíra)

2. bhárasē (bhárasi) baíraza (baíris)

3. bháratē (bhárati) baírada (baíriþ)

Pl. 1. bhárāmahē (bhárāmah) baíranda (baíram)

2. bháradhvē (bháratha) baíranda (baíriþ)

3. bhárantē (bháranti) baíranda (baírand)
5.2.2. Die Genera Verbi im Althochdeutschen und Mittelhochdeutschen

Im Neuhochdeutschen werden die althochdeutschen und mittelhochdeutschen Formen beider Genera ohne wesentliche Veränderungen weiter entwickelt. Das Aktiv wird im Ahd. genauso gebildet wie im Nhd. Was das Passiv im Ahd. anbelangt, wird es durch wësan oder wërdan umschrieben, z. B.: im Präsens ist ginoman und wirdit ginoman, im Präteritum was ginoman und ward ginoman. Die noch im Gotischen gebrauchten Formen des Mediopassivums kommen im Ahd. nicht mehr vor. (Bzw. bleibt nach Erhart eine einzige Form bis heute erhalten, die an das Mediopassiv erinnert - u. z. 3. P. Sg. Mediopassiv - als Ausdruck der Handlung, die von dem allgemeinen Subjekt begleitet wird: lat. dīcitur = dt. man sagt = tsch. říká se.) Da Perfekt und Plusquamperfekt im Ahd. noch nicht völlig entwickelt sind, wird das Passiv bei ihnen erst später ausgeformt. Bereits im Ahd. wird (noch nicht aber ganz konsequent) zwischen dem Vorgangspassiv und Zustandspassiv unterschieden, z. B: Vorgangspassiv: uuirdit arfullit, uuard arfullit - Zustandspassiv: ist arfullit, was arfullit.

Auch im Mhd. wird der Gebrauch des Vorgangspassivs (werden + Part. Prät., z. B: dem wirt ze jungest gegeben der engel gemeine „dem wird gegeben werden…”) und des Zustandspassivs (sîn + Part. Prät., z. B: dû bist besloµµen in mînem herzen „du bist beschlossen in meinem Herzen”) noch nicht so systematisch eingeordnet wie im Nhd. Einen Unterschied stellt nach Paul die Tatsache dar, dass die Umschreibungen mit sīn nicht nur den Zustand bezeichnen, sondern sie können in bestimmten Fällen neben der Zustandsbezeichnung auch den Vorgang bezeichnen können, …“womit eine Veränderung der temporalen Bedeutung verbunden ist: perfektivisch statt präsentisch, plusquamperfektisch statt präterital.” (Paul 1969: 389), z. B: mir ist noch vil selten gescenket beµµer wîn „noch nie ist mit besserer Wein kredenzt worden”.

Die konsequente und im Nhd. übliche Verwendung beider Formen des Passivs entwickelt sich erst im Nhd.


5.3. Die grammatische Kategorie der Person
Als eine grammatische Kategorie gilt die Person nur dann, wenn sie obligatorisch an den finiten Verbalformen (mit Hilfe von Affixen) bezeichnet wird.” (Erhart 1989: 11)

Das indoeuropäische Verb verfügt über drei Numeri: Singular, Plural, Dual. In jedem von ihnen werden die 1.2. 3. Person unterschieden, die sich durch eigene Personalendungen kennzeichnen.

Es ist wohl zu erwähnen, dass die Personen wir und ihr eig. keine Pluralformen zu ich und du darstellen. (Mit wir werden nicht zwei oder mehrere „Ich“, mit ihr zwei oder mehrere „Du“ ausgedrückt.) Die Beziehungen zwischen ich, du einerseits und wir, ihr andererseits bezeichnet Erhart als Opposition zwischen den individuellen und nicht individuellen Personen. In diesem Sinne sind die Personen ich, du markiert.

Eine weitere Opposition stellt die Opposition der 1.2. P. Sg., Pl. zu der 3. P. Sg., Pl. dar, die als Opposition von „Person” zu der „Nicht-Person” anzusehen ist.

Noch ist es darauf aufmerksam zu machen, dass die ide. 1. P. Pl. „wir“ zwei unterschiedliche Auffassungen einbezieht: 1. ich, andere Menschen und du (=der Adressat), zu dem ich spreche (=inklusive Form); 2. ich und andere Menschen, aber nicht du, zu dem ich spreche. (=exklusive Form). Beide Bedeutungen werden im Ide. durch eine Person ausgedrückt. (Bem: ein bekanntes Beispiel einer Sprache, die für beide Bedeutungen eigentümliche Ausdrücke entwickelt hat, stellt das Tok Pisin dar (das Neumelanesische = die auf der Insel Papua - Neuguinea entwickelte Pidgin - Sprache), wobei mit „yumi“ die die inklusive Form, mit „mipela“ die exklusive Form ausgedrückt werden.)

Die Dualformen, bzw. deren Personalendungen können als Varianten der nichtindividuellen Personen betrachtet werden.

Die Frage nach der Entstehung der einzelnen Endungen im Ide. ist noch nicht mit Sicherheit erklärt. Nach einer der Hypothesen, die u. a. von Erhart, Szemerenyi, Tichy vetreten ist, entstehen die ide. Personalendungen (bzw. mindestens einige von ihnen) durch Agglutinierung der Personalpronomina (dazu vgl. auch die Ausformung der ahd. Endung der 2. P. Sg., die wahrscheinlich durch Eintreten des enklitisch stehenden Pronomens du / tu entsteht, oder dagegen die im Mhd. übliche Abschaffung der Endung der 1. P. Pl., falls das Personalpronomen enklitisch gestellt wird: mhd. nëmen wir > nëme wir). Bei der ide. 1. 2. P. Sg., 1. 2. P. Pl. lassen sich die „Urverhältnisse”, bzw. die in den Endungen vorkommenden Pronomina ziemlich überzeugend rekonstruieren. Was die ide. 3. P. Sg. und Pl. betrifft, scheint die Situation komplizierter zu sein.

Der ganze Bestand der ide. Endungen wird auf folgende Weise gebildet: (nach Szemerenyi)



  1. Aktivendungen (primäre und sekundäre Endungen, vgl. 5.1.1.5.) des Präsens-Aorist-Systems (auch im Konj. und Opt. gebraucht)

  2. Medialendungen (primäre und sekundäre Endungen) des Präsens-Aorist-Systems (auch im Konj. und Opt. gebraucht)

  3. Endungen des Perfekts

  4. Das anatolische System

  5. Endungen des Imperativs

Nach Erhart, Tichy könnten hierher noch die Stativendungen ergänzt werden, vgl. 5.2.1.3.

Die Endungen können entweder gleich an den Stamm treten (=athematische Bildungen) oder sie werden mit Hilfe eines Themavokals an den Stamm angefügt werden (=thematische Bildungen).

Im Germanischen kommt es dann zu Veränderungen auf dem Gebiet der Endungen, wozu es auf Grund der Stabilisierung des ursprünglich freien ide. Akzentes auf der Wurzelsilbe und der sich daraus ergebenden Lautprozesse kommt. Die im Germanischen eintretenden Auslautgesetze führen:

1. zum Schwund oder zur Schwächung der Konsonanten der Personalendungen, z. B: m > n - 1. P. Sg. ahd.: tuom > tuon.

2. zur Schwächung oder zum Schwund der Endsilbenvokale, z. B: 1. P. Sg. Perf.: ide. *-h2a - germ. -, 1. P. Sg. Ind. Akt.: ide. *-mi - germ. -m.
Der Prozess der Schwächung setzt auf dem Übergang Ahd. - Mhd. fort, was zum Zusammenfall einiger Personalendungen führt. Zusammen mit der mhd. Apokope verursacht diese Erscheinung die Gleichheit einiger Endungen sogar in unterschiedlichen Modi, vgl. die Formen des Indikativs Präsens mit denen des Konjunktivs I: 1. P. Ind. Akt. Sg., Pl.: ahd. nimu; nëmumēs - Konj. Präs: nëme; nëmēn

mhd. nime, nëme; nëmen - Konj. Präs: nëme; nëmen

nhd. nehme; nehmen - Konj. Präs: nehme; nehmen

Der weitere Ausgleich der Endungen geht auf die Analogiebildungen zurück, vgl. z. B. die 1. 3. P. Pl. Ind. Akt. - ahd. nëmamēs; nëmant > mhd. nëmen; nëment > nhd. nehmen; nehmen.

Die große Ähnlichkeit der Endungen führt im Deutschen zu der Verstärkung der Rolle der Personalpronomina, auf die die Unterscheidung der einzelnen Personen übertragen wurde. Sie treten obligatorisch im Satz ein.

Zu der eindeutigen und übersichtlichen Unterscheidung der einzelnen Modi tragen dann die Ersatzformen oder die umschreibenden Formen bei, z. B. wird in der indirekten Rede der Konj. I durch Konj. II ersetzt: Ind. Akt: Sie sagen: sie kommen. Indirekte Rede, Konj. I: Sie sagen, dass sie kommen. Konj. II: Sie sagen, dass sie kämen.


Was die Person Dual im Germanischen anbelangt, bleibt sie nur noch im Gotischen erhalten, es werden hier jedoch nur noch die Formen für die 1. 2. P. gebraucht. Im Ahd. kommen keine Dualformen mehr vor, bzw. es sind keine belegt.
5.4. Die grammatische Kategorie des Modus
5.4.1. Die grammatische Kategorie des Modus im Indoeuropäischen

Die Kategorie der Modi ist nach Erhart von Anfang an sehr eng mit der Kategorie des Tempus verbunden, was auch in einigen modernen Sprachen ganz offensichtlich ist, z. B. wird das Futur oft mittels der Konjunktive ausgedrückt.

Wie auch bei anderen Kategorien des Verbs sind auch in diesem Fall die Forscher nicht einig, wie viele und welche Kategorien das Indoeuropäische entwickelte. vefügt hat.

Erhart führt an: Indikativ, Injunktiv, Optativ, Konjunktiv, Imperativ.

Beekes: Indikativ, Injunktiv, Subjunktiv, Optativ, Imperativ.

Szemerenyi: Ind., Konj., Opt., Imp. (teilweise auch Injunktiv).

Krahe: Ind., Konj., Opt., Imp., Inj.

5.4.1.1. Der Indikativ

Der Indikativ ist der normale, neutrale Modus. Szemerenyi beschreibt ihn als einen unmarkierten Modus, der den anderen merkmaltragenden gegenübersteht. Er hat daher keine besonderen Moduszeichen. Er bezeichnet das Tatsächliche und das als wirklich Vorgestellte. Er kann sich sowohl auf die Vergangenheit, als auch auf die Gegenwart beziehen. Im Indoeuropäischen wird der Indikativ Präsens mit den primären Endungen, der Indikativ der Vergangenheit (Imperfekt oder Aorist) mit sekundären Endungen und mit dem Augment versehen, vgl. 5.1.1.5. Es handelt sich also um diejenigen Zeichen, die auch der Kategorie des Tempus eigen sind.
5.4.1.2. Der Imperativ

Der Imperativ stellt den Modus des Begehrens oder Befehls dar. Er kennzeichnet sich durch keine spezifischen Modusmerkmale, sondern nur durch (teilweise) eigene Endungen, die sich auch je nach der thematisch oder athematisch gebildeten Verben unterscheiden. Für die 2. P. Sg. Akt. wird der „nackte“ Verbalstamm gebraucht. In der 2. P. Pl. steht der Indikativ mit sekundären Endungen ohne Augment, also der Injunktiv an Stelle des Imperativs, vgl. weiter.


5.4.1.3. Der Injunktiv

Die Problematik des Injunktivs ist ziemlich kompliziert. In seiner „reinen” Form kommt er nur im Altindischen und im Arischen vor. Als Injunktiv werden in diesen Sprachen die modal gebrauchten augmentlosen Formen des Indikativs Imperfekt oder Aorists bezeichnet. Der Injunktiv hat keinen Zeitstufenbezug und weist keine selbstständige Bildung auf. Morphologisch und semantisch handelt es sich nach Tichy um „…die Basiskategorie des Modus der Wirklichkeit, die bei Bedarf durch Zusätze zur Bezeichnung der Gegenwart (in den Primärendungen enthalten) oder der Vergangenheit (Augment *ē-) auf eine der beiden Zeitstufen festgelegt wurde…” (Tichy 1999: 89). Diese Tatsache ist auch dank seiner Form – sekundäre Endungen ohne Augment - zu beweisen. Früher wurde er auch als unechter Konjunktiv bezeichnet. Auch Hirt macht auf die enge Beziehung des Injunktivs und des Indikativs aufmerksam. Nach ihm handelt es sich… „um Indikativformen, die in konjunktivischem (futurischem) Sinne verwendet werden. Sie stammen aus der Zeit, als es noch keinen Konjunktiv gab.” (Hirt 1932: 187).

In der Verbindung mit der Negation *mēh1 dient der Injunktiv zum Ausdruck des Verbotes und der Warnung, womit nach Erhart die Entstehung des Konjunktivs zusammenhängen könnte - der Konjunktiv entsteht nach ihm aus dem Bedürfnis, eine positiv charakterisierte Form zu schaffen, denn der Injunktiv ist nur negativ gekennzeichnet.

Der Injunktiv tritt auch in der Rolle des Imperativs auf, die ide. 2. P. Pl. Imp. wird immer mittels der Injunktivformen gebildet. Auch in diesem Fall kann man noch heute die damalige Verbindung mit dem Indikativ wahrnehmen. Man kann eine Paralle auch im Nhd. betrachten, wo der Indikativ in der Rolle des Imperativs erscheint, es betrifft v. a. den energischen Befehl: Du bleibst hier! Ihr geht auf jene Seite!


5.4.1.4. Der Optativ

Der Optativ bezeichnet die Möglichkeit einer gegenwärtigen, zukünftigen oder zeitstufenlosen Handlung aus der Sicht des Sprechers. Daneben kann er auch den Wunsch ausdrücken, denn im Indoeuropäischen wird (z. B. nach Tichy) noch nicht zwischen Potentialis und Irrealis unterschieden. Er kennzeichnet also sowohl den Wunsch, als auch die Möglichkeit. Falls er als Ausdruck des Wunsches gebraucht wird, wird er meistens auf die Handlung in der Zukunft gerichtet. Der griechische oder indoiranische Optativ wird im Deutschen mit möchte übersetzt (z. B. „möchte es so sein).

Mit dem Optativ hängt nach Prokosch der Subjunktiv sehr eng zusammen, mit dem die Erwartung, Hoffnung, Wahrscheinlichkeit ausgedrückt werden können. Dank der engen Verbindung mit dem Optativ und der partiellen Überlappung der Funktionen beider Modi kommt es später in einigen ide. Sprachen zu ihrem Zusammenfall.
5.4.1.5. Der Konjunktiv

Der Konjunktiv dient als Ausdruck des subjektiven Wollens oder der Bestimmtheit. Einige der Wissenschaftler (Hirt, Krahe) zweifeln daran, dass der Konjunktiv bereits ide. Ursprungs ist. Dagegen sind z. B. Erhart, Szemerenyi von seiner Existenz bereits in dieser Zeit überzeugt.

Der Konjunktiv steht in der Opposition zu dem Indikativ, was auch an seiner Bildung ersichtlich ist - wenn der Indiktiv wird athematisch gebildet wird, wird der Konjunktiv thematisch gebildet und umgekehrt. Diese Tatsache gehört nach Szemerenyi zu wichtigen Merkmalen des Konjunktivs.

Der Konjunktiv drückt auch die Erwartung aus, und aus dieser Position kann er das im Indoeuorpäischen (wahrscheinlich) fehlende Futur ersetzen. Diese Funktion des Konjunktivs spiegelt die alten Verhältnisse wider. Man konnte sich immer besser diejenigen Handlungen vorstellen, die bereits passiert sind als diejenigen, die erst in der Zukunft verlaufen sollen. Der Gebrauch des Konjunktivs als Ausdruck der Zeitebene Futur ist daher ganz verständlich.


5.4.2. Die Modi im Germanischen mit besonderem Hinblick auf das Althochdeutsche

Die Entwicklung der Modi verläuft in den einzelnen ide. Sprachen recht unterschiedlich. In einigen Fällen kommt es zum Schwund oder Zusammenfall einiger Modi. Im Germanischen werden folgende Modi unterschieden: Indikativ, Konjunktiv, Optativ, Imperativ.

5.4.2.1. Der Indikativ

Der Indikativ stellt auch im Althochdeutschen eine unmarkierte Kategorie dar. Er bezeichnet das Tatsächliche und das als wirklich Vorgestellte. Daneben kann er auch als Imperativ gebraucht werden. Im Präteritum der Konditionalsätze kann er sogar die ireale Handlung ausdrücken, wobei diese Bedeutung dann durch die Anfangsstellung des Verbs im Satz angedeutet wird. (Im Nhd. kann der Indikativ auch in einem Konditionalsatz stehen, jedoch nur in dem Fall, dass die Handlung real eintreten soll, z. B: Hatte er Zeit, so sollte er anrufen).


5.4.2.2. Der Konjunktiv und der Optativ

Der germanische Konjunktiv geht formal auf den ide. Optativ zurück. Beide Modi weisen im Germanischen viele gemeinsame Aspekte auf. Darum werden in den Grammatiken beide Termini als Bezeichnung für eine modale Funktion verwendet. Braune gebraucht den Termin Optativ, denn „…historisch-formal entsprechen die germ. Flexionsformen dem griech. und altind. Optativ, während die germ. Sprachen einen dem griech. und ai. Konjunktiv formal entsprechenden Modus nicht besitzen.” (Braune 1987: 253). Masařík bevorzugt die Bezeichnung Konjunktiv, der die Rolle des Optativs (als Ausdruck des Wunsches) in sich einbezieht. (In dieser Arbeit wird der Termin Konjunktiv gebraucht, damit die Kontinuität bis zum Nhd. anschaulich zu vefolgen ist. Im Nhd. Ist der Optativ von dem Konjunktiv nicht mehr zu unterscheiden.)

Im Ahd. kommen nur Konjunktiv Präsens und Konjunktiv Präteritum vor. Beide haben dieselbe modale Gültigkeit. Es hängt auch damit zusammen, dass die umschreibenden Formen des Plusquamperfekts und Perfekts im Ahd. noch nicht entwickelt werden. Beide Konjunktive drücken den Zweifel, Vermutung, Unsicherheit und daneben auch die irealen Handlungen aus. Auf diesem Gebiet kommt es während der weiteren Entwicklung zur wesentlichen Veränderung, vgl weiter.

Der Konjunktiv Präsens wird im Ahd. auch als Optativ verwendet, er kann also den Wunsch ausdrücken, z. B: gihalde inan truhtīn - „Gott erhalte ihn.”


5.4.2.3. Der Imperativ

Der Imperativ dient als Ausdruck des Befehls. Da er eig. eine sich noch nicht verwirklichte Handlung bezeichnet, wird er oft mittels des Konjunktivs ausgedrückt. (Er kann auch durch den Indikativ ersetzt werden.) Nur die 2. P. Sg. Imp. hat ihre eigene Form, die sich vom Konjunktiv und Indikativ unterscheidet. Die 2. P. Pl. Imp. ist identisch mit der 2. P. Pl. Ind. Präs. Die 1. P. Pl. Imp. (der sog. Adhortativ) entspricht ursprünglich auch dem Indikativ, allmählich wird aber der Indikativ durch den Konjunktiv ersetzt, bzw. fällt mit ihm zusammen. Die 3. P. Sg. und Pl. kann auch durch den Konj. ausgedrückt werden. Bereits im Ahd. beginnen sich, auch die umschreibenden Formen des Imperativs durch die Hilfsverben muoµ, scal und wil + Inf. zu entwickeln.


5.4.3. Die Modi im Mittelhochdeutschen

Es werden Indikativ, Konjunktiv und Imperativ unterschieden. Im Zusammenhang mit der Entwicklung der analytischen Formen des Perfekts und Plusquamperfekts macht der Konjunktiv bedeutende Veränderungen durch. Der Konjunktiv Präsens wird als Ausdruck des Wunsches oder Imperativs gebraucht. Wegen der Schwächung der Endsilbenvokale und der Apokope kommt es bei ihm zum weitgehenden Zusammenfall einiger Formen mit dem Indikativ.

Der Konjunktiv Präteritum wird aus dem Tempus der Vergangenheit vom Konjunktiv Plusquamperfekt. verdrängt. Auch in diesem Fall hängt es mit der Schwächung und der Apokope des auslautenden -e zusammen, die (bei einigen Verben) zum Synkretismus des Indikativs Präteritum und Konjunktiv Präteritum beitragen, z. B:


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