Evangelisches Gemeindelexikon



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Kukat, Christoph, *31. 12. 1844 Groß Wersmengken Krs. Pillkallen/Ostpr., 13.8.1914 Tilsit. Der aus einer Bauernfami­lie litauischer Nationalität stammende K. erlebte als zwanzigjähriger Soldat in Pots­dam seine —> Bekehrung, wirkte dann in be­reits bestehenden landeskirchlichen Kreisen und Gemeinschaften, die er 1885 im »Ost- preußisch-evangelischen Gebets-Verein« organisierte. Erwar dessen langjähriger Vor­sitzender (-» Gebetsvereine).

Lit.: Statuten des ostpreußisch-ev. Gebet-Vereins, Ausgabe Tilsit 1908 — W. Gaigalat, Die ev. Ge­meinschaftsbewegung unter den preuß. Litauern, 1904 - Zeitschrift »Friedensbote«

Kahle

Kunst

I. Das Wesen der Kunst Kunst ist eine Darstellung der Wirklichkeit durch das Empfinden des Darstellenden in einer Weise, die auch andere anspricht. Sie umfaßt verschiedene Gebiete wie Malerei, Plastik, Architektur, Musik, Literatur, Drama und Tanz. Sie strebt nicht reine Nachbildung oder Imitation des Vorfindba- ren an, sondern Neugestaltung nach den Ge­fühlen und Vorstellungen des Künstlers, dem neben der Vision das handwerkliche Geschick eignen muß. Der impressive und der expressive Aspekt können in jeweils un­terschiedlicher Relation zueinander stehen. Während sie am Vorfindbaren anknüpft, be­gnügt sie sich nicht damit, sondern weist immer darüber hinaus. Als Verlangen nach Schönerem, Besserem, Nichtvorhandenem ist sie Zeugnis dafür, daß der Mensch die Er­lösungsbedürftigkeit seiner selbst und sei­ner Welt verspürt und in ihm das Ahnen von einem Besseren wohnt. So schafft sich die Kunst eine eigene Welt, die an die jetzige an­knüpft, aber über sie hinausweist - im Gu­ten wie im Schlechten. Wo die Kunst einem absoluten Realismus verfällt, wird sie oft auch von einem absoluten Materialismus getragen.

Die Kunst ist älter als alle Wissenschaftsge­biete. Schon primitivste Werkzeuge und Waffen tragen eine funktionell nicht zu rechtfertigende Verzierung. Seit frühester Zeit gibt der Mensch seinem Empfinden als Persönlichkeit durch Schmuck und schöne Kleidung Ausdruck. Neben Hunger, Durst und Schlaf tritt das ästhetische Verlangen als ein Grundbedürfnis des Menschen. Zwi­schen Religion und Kunst besteht historisch gesehen eine enge Verbindung. Die Religion benutzte die Kunst als Ausdrucksmittel und die Kunst fand ihre Stoffe im Religiösen. Darüber hinaus ist sie Quelle der Freude und zielt hin auf den Lobpreis. Sie hat im allge­meinen eine öffentliche Funktion. Kunst­werke wollen den Blick lenken, sehen leh­ren, aussagen und aufrufen. Der Künstler identifiziert sich mit seiner Darstellung des Gegenstandes und macht sich zum Prophe­ten oder Prediger. Seine Kraft liegt nicht im Bereich der argumentativen, klaren Logik, sondern des Suggestiven, Imaginären, Intui­tiven, Unterschwelligen. Damit eignet der Kunst wie allem in der Schöpfung eine Am­bivalenz; sie appelliert an das im Menschen Vorfindbare und wird in diesem Rahmen in­terpretiert und rezipiert.

II. Die Kunst in der Bibel Von der Schöpfung Gottes heißt es, daß sie gut war. Dieses »Gut« beinhaltet nicht nur das Element des Zweckmäßigen, sondern auch das Ästhetische des Schönen (C. We­stermann). In Gottes ursprünglicher Welt fiel das Gute und das Schöne zusammen. In einer von der —» Sünde zerrissenen Welt ist das nicht notwendigerweise der Fall. Nicht nur kann gerade die schöne Frau zur Verfüh­rerin werden (Spr. 6,25), sondern der allein Gute und Gott am nächsten Stehende hatte keine »Gestalt noch Schöne« (fes 53,1 ff.). Trotz dieses Konflikts besaß —» Israel eine hoch entwickelte darstellende und musika­lische Kunst für den gottesdienstlichen Be­reich (Stiftshütte und Tempel) und eine breit gefächerte literarische Kunst zur Beschrei­bung von Gottes Offenbarung in —» Ge­schichte und Schöpfung und zu seinem Lob­preis (Geschichtswerke, Psalmen). Ja, die Kunstschaffenden sind erfüllt mit dem »Geist Gottes, mit Weisheit und Verstand und Erkenntnis und mit aller Geschicklich­keit« (Ex 28,3; 3i/3)- »Aber das Schöne war für Israel nie etwas Absolutes, für sich Sei­endes, sondern der Welt von Gott her unab­lässig Zugewandtes, der Ausfluß von Gottes Handeln.« Deshalb war das Schöne etwas Geglaubtes, dessen letzte Offenbarwerdung in den Theophanien geahnt und für die eschatologische Vollendung erwartet wurde (v. Rad, Theol. d. A.T., I, S. 379).

Im NT findet sich seltsamerweise keine Auseinanderetzung mit dem griechischen Kunstideal. Jesus erfreut sich der Schönheit der Schöpfung (Mt 6,28ff.), das NT bedient sich der poetischen Sprache (Phil 2,5ff.) und die Gemeinde bezieht von Anfang an die Kunst in ihren Gottesdiensten ein (s. die got­tesdienstlichen Szenen in der Offenbarung).

Die Pflege des ästhetischen Empfindens ge­hört mit zur —» Heiligung (Phil 4,8f.). Wäh­rend aber in dieser Zeit die göttliche Herr­lichkeit nur unter der Verhüllung des Kreu­zes erscheint, verbindet sich der Inbegriff der offenbarten Schönheit mit der Vollendung (Off. 21+22). Das paulinische »Alles ist euer« (iKor 3,21,23) gilt auch bezüglich des Schönen und der Kunst, in ihrem Schaffen und in ihrem Gebrauch, solange wir Christi sind.


  1. Die Kunst und der christliche Glaube Soweit die Kunst einen Offenbarungs- oder Erlösungsanspmch erhebt, steht sie in Spannung mit dem —> Glauben. Der Offen­barungsanspruch findet sich bei Plato, für den das Gute schön und das Schöne gut ist und die Schönheit den Weg zur ewigen Welt bereitet. Auch für Beethoven kann nur die Kunst auf die Ebene Gottes erheben, denn »die Musik ist höhere Offenbarung als alle Religionen und Philosophie.« Die Moderne erklärt gar: »Alle wahre Kunst ist göttlich.« Bei Schiller wird der künstlerische Genuß zum Gottesdienst, der tüchtig macht, in die­ser unvollkommenen Welt für die Verwirk­lichung der hohen Ideale zu kämpfen. Auch nach Schopenhauer schenkt die Musik Au­genblicke der Erlösung. Hier erhebt die Kunst den Anspruch des Ewigen und Wah­ren und wird somit in Form des Ästhetizis­mus zur widergöttlichen Ersatzreligion. Eine weitere Gefahr ist, daß die Kunst dem realen Leben entrückt und in eine heile Scheinwelt versetzt, wo man das Häßliche, Böse und Leid der Realwelt ignoriert. Das trifft vor allem beim Ästhetizismus der Ro­mantik zu. Auch für Nietzsche versöhnt die Kunst mit dem Leben, indem sie Leiden ver­klärt und vergöttlicht, so daß es eine Form der Verzückung wird. Damit führt die Kunstreligion des Ästhetizismus zu einer ethischen Lähmung und Neutralität. Dem­gegenüber nimmt der Glaube von der Erlö­sung und der Vollendung her die Welt in ih­rem Gefallensein mit allem Häßlichen, Bö­sen und Leid ernst und läßt sich zu ethi­schem Einsatz rufen.

Obwohl der Glaube dem Ästhetizismus feind ist, darf nicht der Eindruck entstehen, als ob zwischen ihm und der Kunst nur Ge­gensätze bestünden. Der Mensch, geschaf­fen im Ebenbild des Schöpfers, hat Teil an dessen Kreativität und betätigt sie nirgends mehr als in seinem künstlerischen Schaffen, wo er seine Welt neu gestaltet. Die Kunst kann das Gemüt mit selbstloser Freude fül­len, Erquickung und Entspannung geben. Sie entdeckt in der Welt etwas von der Schön­heit und Herrlichkeit Gottes und leitet hin zu Gottesanbetung und Lobpreis. Sie kann das Gemüt aufschließen für das Evangelium und den Sinn zu Edlem, Reinem und Wah­rem hinlenken. Sie kann auch den Blick hin­lenken zu dem Elend einer gottlosen Welt, ja vermag sogar Erlösungssehnsucht zu schaf­fen — freilich keine Erlösung!

So hat die Kunst auch in der Kirche immer ihren Platz gehabt. Während der Katholi­zismus vom naturalistischen Ansatz der Scholastik her besonders kunstfreudig ist, blieb auch der Protestantismus für die Kunst nicht unfruchtbar. Im reformierten Bereich entwickelte sich vor allem die Malerei (Nie­derlande), die sich biblische Motive wählte, im lutherischen die Tonkunst (Bach u.a.), im anglikanischen die Literatur (Milton u.a.). Abgesehen von der Biographie hat der —»■ Pie­tismus in seinen verschiedenen Phasen di­rekt keine Kunst hervorgebracht. Während die letzten theologischen Motive noch zu er­forschen sind, haben das soziale Milieu, die erkannte Ambivalenz der Kunst, die einer klaren Entscheidung des Glaubens hinder­lich sein kann, sowie der gezielte Einsatz al­ler Kräfte auf dem Gebiet der sozialen Tat, der —» Evangelisation und der —» Mission si­cherlich mitgespielt. Doch Kunstfeindlich­keiten darf man zumindest dem Pietismus des Barock und der —» Erweckungsbewe­gung, aber auch der ostelbischen —> Gemein­schaftsbewegung nicht unterstellen.



Im christlichen —* Gottesdienst hat die Kunst ihren angestammten Platz. Hat die römisch —» katholische Kirche - doch auch die Kirche des Ostens - Musik, Zeremonien, Gewändern, und Malerei als suggestive Mit­tel weiten Raum gewährt, so stellte die -» Reformation Wort und Sakrament in den Mittelpunkt. Im reformierten Gottesdienst wollte man alle Kunst ausschließen. Im Luthertum zählt die Kunst im Gottesdienst zu den Mitteldingen, solange sie das Evange­lium nicht verdunkelt. Wo freilich die Kunst den Gottesdienst dominiert, kommt es zur Religion des Pantheismus und der Mystik. Wer meint, die Bachsche Musik erübrige die Predigt, da Gott hier absolut wirke und das sonst von Gott Unsagbare hörbar werde, vergißt, daß das von Gott Unsagbare soweit nötig im Wort und in der Person Christi so­wie im Zeugnis der Apostel gesagt, die Kunst als Symbol immer mißdeutbar ist, das Schöne für sich der Schleier des Bösen, sogar des Antichristlichen sein kann und daß die Feierlichkeit der Liturgie, des Oratoriums und der Messe in eine schöne, symbolhafte aber neutrale Situation führt, wo man ohne einer Aufdringlichkeit ausgesetzt zu sein, verweilen kann. Die Sündenerkenntnis kann nicht vom Ästhetischen geweckt, der ethische Imperativ nicht im Schönen ver­nommen, der Glaube nicht im Musenhaften gewiß werden. So ist im Gottesdienst gemäß dem ausdrücklichen Befehl Christi dem Wort der herrschende Platz einzuräumen. Die Kunst soll dienen, es unterstreichen, die Herzen aufschließen, damit das Wort kräftig herrsche. Als Mittel der Offenbarung und des Rufs zum Heil sind Kunst und Wort nicht gleichwertig, wenngleich der Gottes­dienst feierlich und schön sein darf.

  1. Auffallende Züge der Kunst der Ge­genwart

Christliche Kunst ist nicht an ausgespro­chen christliche Motive gebunden, sondern zeichnet sich dadurch aus, daß sie in irgend­einer Form auf den Schöpfer hinweist und seine Ordnung akzeptiert. In der Kunst der Gegenwart gibt es weite Bereiche, die sich den herkömmlichen ästhetischen Katego­rien nicht länger verpflichtet fühlen. Grund­sätzlich gilt auch hier: Kunst ist Wirklich­keit durch die Persönlichkeit des Künstlers. So reflektiert dieser Status der zeitgenössi­schen Künste den Zustand des Künstlers und seiner Welt. Wo der Mensch als Produkt des Zufalls verstanden wird, gibt es keine verbindlichen Normen und Ordnungen mehr, dominiert Ausweglosigkeit, Angst, Schuld - ja Verzweiflung. In einer total an­thropozentrischen und innerweltlich gefan­genen Kunst können das Häßliche, Grauen­hafte und die Orientierungslosigkeit zur Norm werden. Damit werden gerade diese sog. modernen Kunstwerke z.T. treffende Darstellungen dessen, was der Mensch in einer Welt ohne Gott empfindet; sie werden Anklage und Kampfschrei, sozialer und poli­tischer Protest. Auch diese Kunst hat ihre Bedeutung für den Christen. Bietet sie schon keine Hilfe, so beleuchtet sie ihm doch die menschliche Situation der Zeit.

Wo aber der Künstler Unsittlichkeit, Ver­brechen und Gottlosigkeit glorifiziert und propagandiert, mißbraucht er seine Gabe, handelt zerstörerisch und unethisch.

So kann die Kunst Lobpreis des Schöpfers, Hinweis auf Gott, Ruf nach Erlösung, Falschgott oder auch Schrei des Protestes und der Verzweiflung sein.

Lit.: E. Brunner, Das Gebot und die Ordnungen, 19784 - W. Lütgert, Die Ethik der Liebe, 1938 - E. Schiink, Das ethische Problem der Musik, 1945 - N. H. Soe, Christliche Ethik, 19573 - H. Vogel, Der Christ und das Schöne, 195 5 - F. Schaeffer, Gott ist keine Illusion, 1971

Egelkraut


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