Stoecker, Adolf, *11.12.1835, 17.2.1909, ev. Theologe und Politiker. 1874 als Hof- und Domprediger nach Berlin berufen, übernahm er seit 1877 mit großer Tatkraft auch die Leitung der -* Berliner Stadtmission. Mit der Eiskeller-Versammlung am 3.1.1878 begann sein gegen Sozialdemokratie, Liberalismus und Judentum gerichtetes politisches Wirken. Die Gründung einer christlich-sozialen Arbeiterpartei erwies sich als Fehlschlag. Lange Jahre gehörte S. dem Preußischen Landtag und dem Reichstag an. Die Feindschaft —» Bismarcks und Kaiser Wilhelms II. führte 1890 zu seinem Ausscheiden aus dem Hofpredigeramt. Seither an der Spitze des Ev.-sozialen Kongresses, geriet S. in Gegensatz zu den »Jungen« um F. Naumann. Nach seinem Ausschluß aus der konservativen Partei deklarierte Wilhelm II.: »S. hat geendigt. Politische Pastoren sind ein Unding. Christlich-sozial ist Unsinn. Die Herren Pastoren sollen sich um die Seelen ihrer Gemeinden kümmern, aber die Politik aus dem Spiele lassen.« S. arbeitete weiter in der Berliner Stadtmission und seit r897 in der Freien kirchl.-sozialen Konferenz. Seine durch über drei Jahrzehnte veröffentlichten, wöchentlichen Pfennigspredigten wurden zuletzt in 130000 Exemplaren verbreitet. - S. war zeitlebens heftig umstritten. Sein politisches Konzept war konservativ, seine Theologie nicht nur wegen seines Antisemitismus unzureichend. Er wollte durch Sozialreformen die »abgefallenen« Massen zu Kirche und Monarchie zurückführen. Die tieferen Probleme des industriellen Zeitalters hat er nicht wahrzunehmen vermocht. Seine Größe aber liegt darin, daß er die Notwendigkeit eines politischen Engagements in der sozialen Frage begriffen hatte. Angesichts der Nöte seiner Zeit ist S. mutig »in den Abgrund gesprungen, ohne die Tiefe zu ermessen«.
—» Sozialismus, religiöser
Lit.: Christi.-sozial. 18902 - Reden u. Aufsätze, 1913 - W. Frank, Hofprediger A.S. 19352 - K. Ku- pisch, A.S., 1970
Rohkrämer
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