Evangelisches Gemeindelexikon


Verheißung und Erfüllung im AT und



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Verheißung und Erfüllung im AT und

NT Biblische Theologie

Vernunft

  1. Allgemeine Definition

Vernunft ist ein Sammel- oder Oberbegriff und bezeichnet das menschliche Erkennt­nisvermögen, in dem der Mensch der Welt und anderen Menschen (auch sich selber) ge­genübertreten kann und in den Schritten: Wahrnehmen, ordnen, zusammensehen und Folgerungen ziehen, sich eine Meinung bil­det.

  1. Vernunft in biblischer Sicht

  1. DIE NATÜRLICHE VERNUNFT

Die Bibel bestreitet den Wert und die Nütz­lichkeit der V. nicht grundsätzlich (vgl. Spr 13,16; Pred 2,26; Spr 24,5; Dan 2,21; 2Tim

  1. , doch nennt sie nüchtern Grenzen der V. In Röm i,i8ff. setzt Paulus Erkenntnis Got­tes aus der Schöpfung voraus (V.19 und 20), doch sieht er die menschliche V. nicht neu­tral, sondern in der ständigen Auflehnung gegen Gott (V. 21 vgl. auch Gen 8,2r). Die menschliche V. und ihre Erkenntnisfähig­keit wird vom natürlichen Menschen zur Selbstrechtfertigung und zur Selbstbehaup­tung gegen Gott mißbraucht und richtet ihn daher selber.

Die V. ist verstockt für den Heilsplan Gottes (z.B. Israel 2Kor 3,14); sie ist blind (2Kor 11,3) und kann trotz aller Erkenntnis —» Jesus Christus nicht als den Heiland erkennen (vgl. Lk 6,ii; 24,25,45; Mk 6,52; 7,18; 8,17-21). Die Bibel wertet damit die V. je nach den Einflüssen, denen sie sich geöffnet hat und denen sie dient. Erst der -» Glaube befreit die V. und weist ihr den richtigen Platz zu. (Vgl. Joh 12,37-41; 1 Kor 2,12; ijoh

  1. . Die biblische Sicht der V. steht also im Gegensatz zu dem die griechische Philoso­phie kennzeichnenden unbedingten Ver­trauen in die V., die hier als höchster Seelen­teil und göttlich (Aristoteles) angesehen wird.

  1. VERNUNFT UND OFFENBARUNG

Der Glaube wird geweckt und ermöglicht durch Gottes Offenbarung. Erkenntnis des Glaubens ist deshalb immer zugleich Aner­kenntnis des sich selbst offenbarenden Got­tes und deshalb zum Gehorsam treibendes Vertrauen (vgl. Jes 1,3; Ps 46,11; Jes 43/1°; iKor 8,1-4). Es ist aber das Wesen der Of­fenbarung Gottes, daß sie eingeht in die —> Geschichte. —»Israels Gottesbekenntnis be­ruft sich auf die Heilstaten Gottes für Israel (Dtn 6,20-25). Auch das Glaubensbekennt­nis der christlichen Kirche beruft sich auf die geschichtliche Hcilstat Gottes in der Menschwerdung seines Sohnes Jesus Chri­stus (Hebr i,if; Gal 4,4; Joh 3,16). Die Inkar­nation (Fleischwerdung) ist fortgesetzt in der geschichtlichen Urkunde des Glaubens, der Bibel.

Gott kann deshalb mit den Mitteln der V. ein Stück weit gefaßt werden. Der Glaubensakt in Anerkenntnis und Vertrauen darf nicht getrennt werden vom Glaubensinhalt, von Einsicht und Kenntnis.



  1. PHILOSOPHIE UND GLAUBE Philosophie ist der methodisch reflektierte Gebrauch der V. zur Erkenntnis der Wahr­heit im umfassenden Sinn. So wenig V. not­wendig im Gegensatz zum Glauben steht, so wenig muß Philosophie unchristlich sein. Sie ist es nur dort, wo sie in blindem Ver­trauen sich von der natürlichen V. leiten läßt und so entweder in der Skepsis, im -» Atheismus oder in spekulativer Theologie endet. Christliche Philosophie ist Gebrauch der V., der durch Gottes Offenbarung die Augen zur Erkenntnis Gottes und der Welt als seiner Schöpfung geöffnet werden. Was hier von der Philosophie gesagt ist, gilt grundsätzlich entsprechend von allen ande­ren Wissenschaften.

  1. Orientierungshilfen

r) GLAUBE OHNE V.?

Von Tertullian stammt der Programmsatz: Credo, quia absurdum (ich glaube, weil es ungereimt ist). Dabei werden aber 3 große Gefahren deutlich: a) Solcher Glaube führt leicht in die Verneinung der Welt und des Menschen, b) er führt in ein Ghetto, in die vereinsamende Abgrenzung, und c) solcher Glaube ist leicht verführbar, weil nicht nachprüf- oder aufweisbar. Der Verlust an Wirklichkeit durch diesen Glauben wider die V. bedeutet das Ende der —» Mission.



  1. ) SAGBARER GLAUBE

Besser beschreibt Anselm von Canterbury (1033-1109) die missionarische Bewegung des Glaubens mit seinem Satz: Credo, ut in- tellegam (ich glaube, damit ich erkenne). Auch hier geht Glaube als persönliche Be­gegnung voraus,- dann aber will dieser Glaube in vernünftigem Denken die Wirk­lichkeit der Welt und des Lebens ausleuch­ten. Solches Denken der V. aus Glauben dient aber zur Mission, zur Sagbarkeit des Glaubens, zur Glauben weckenden Lehre und Verkündigung (vgl. Mt 2 8,i9f.: »leh­ret«).

Die Schwäche dieses Satzes ist allerdings, daß er dazu verleiten könnte, in der Ver­nunfterkenntnis das eigentliche Ziel des Glaubens zu sehen, daß er außerdem wirkli­che Mission gerade unmöglich macht, wenn er im Sinne einer grundsätzlichen Reihen­folge zu verstehen wäre und von der Er­kenntnis einen »blinden« Glauben forderte.



  1. RATIONALISMUS

Der Formel Anselms entgegengesetzt ist die Abaelards (1079-1142): intelligout credam (ich erkenne, um zu glauben). Sofern hier die Vernunfterkenntnis ihre Maßstäbe in sich selbst trägt und sich die unbedingte Voll­macht zuschreibt, über die Wahrheit zu ur­teilen, kann man von Rationalismus spre­chen. Der Vorwurf des Rationalismus wurde später vor allem gegenüber der —> Aufklä­rung des 18. Jh.s (z.B. von A. —»Tholuck) und neuerdings der des Neorationalismus (z.B. von G. Bergmann) gegenüber der sog. -» mo­dernen Theologie (R. —> Bultmann) erhoben. In der Auseinandersetzung mit dem Ratio­nalismus wird aber darauf zu achten sein, daß sein bloßes Gegenteil, der Irrationalis­mus, nicht weniger dem biblischen Ver­nunftverständnis zuwiderläuft. So haben F. Flückiger (Existenz und Glaube) und F. Schaeffer herausgearbeitet, daß die -» mo­derne Theologie gerade in ihrem Gottesver­ständnis gleicherweise von Rationalismus und Irrationalismus getragen ist.

  1. -GETAUFTE» V.

Der Glaube ist nicht ohne V., aber auch nicht der V. unterworfen. Die V. bedarf der Erneuerung im Heiligen —» Geist. Erst dann kann der Mensch wirklich »vernünftig« (= wort-gemäß) denken und handeln (Röm 12,1). Wie in der —> Taufe der alte Mensch stirbt und in der Neuschöpfung durch das Wort Gottes erneuert wird, so muß auch seine V. das Scheitern ihrer Möglichkeiten erleben, bevor sie als erneuerte V. den »neuen Menschen« zu sachlichem und nüchternem Denken befähigen kann.

—>Ideologie

Lit.: H. J. Iwand, Glauben und Wissen, 1962 -G. v. Rad, Weisheit in Israel, 1975 - F. Schaeffer, Und er schweigt nicht, 1975 - H. Thielicke, Mensch wer­den, 1976 rr ■

' ' Krimmer


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