Arnold, Gottfried Pietismus Ulf
Askese
I. Askese
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A. bedeutet eigentlich »Training«, um durch Enthaltsamkeit ein als ideal gestecktes Ziel zu erreichen. Spuren von A. sind in fast allen Religionen zu finden, so auch in der Geschichte der Christenheit. Eine besondere Ausprägung erfuhr sie im Mönchtum und im Zölibat (Ehelosigkeit des römisch-katholischen Klerus). Doch auch ev. Reformbewegungen wie der Puritanismus in England und der -> Pietismus führten zu einer asketischen Lebensgestaltung. Die Frage jedoch, ob A. nach der Lehre der Bibel wirklich zu den Grundzügen christlicher Frömmigkeit gehört, erfordert eine doppelte Antwort: a) Es ist deutlich, daß schon seit der neutestamentlichen Zeit in die Gemeinde asketische Praktiken aus außerbiblischen Quellen eindrangen, die bereits von den Aposteln energisch zurückgewiesen wurden (iTim 4,2-5; Kol 2,16-22). b) Dennoch ist festzuhalten, daß zur -» Nachfolge Christi durchaus A. gehört, zumindest als Selbstverleugnung (Mt 16,24).
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Das Vorbild ist Jesu Lebensgestaltung, die allerdings im Unterschied zu der Johannes des Täufers deutlich werden läßt, daß Charakter, Beweggründe und Zielsetzung christlicher A. sich wesentlich von jeder nichtchristlichen unterscheiden; denn das NT geht davon aus, daß alles, was Gott geschaffen hat, gut ist (iTim4,4; Röm 14,14); Deshalb lebten Jesus und ebenso Paulus in einer großen Freiheit und übten nicht A. im üblichen Sinne. Von manchen Frommen ihrer Zeit wurden sie daher angegriffen (Mt
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Christliche A. hat ihre Begründung also nicht in einer Verneinung der Welt oder der Leiblichkeit; denn der Sündenfall hat die ganze Schöpfung dem Einfluß des Bösen ausgeliefert. Daher können wir Sünde nicht vermeiden, indem wir uns einzelnen Lebensbereichen entziehen. Dem entgegenstehende Anschauungen entstammen zumeist einem nicht-biblischen Menschenbild oder mißverstandenen biblischen Aussagen. So hat die platonische Philosophie, die den Leib als »Kerker der Seele« bezeichnete, seit früher Zeit auch in der Kirche zu einer leibfeindlichen Einstellung geführt. Diese Tradition ist auch in bestimmte Ausprägungen ev. Frömmigkeit eingedrungen. Ein Anlaß dazu ist oft, daß der paulinische Begriff »Fleisch« falsch gedeutet wird: er bezeichnet nämlich nicht speziell das leibliche Leben, sondern die Gottesferne des ganzen Menschen. Daher kann der Mensch durch Opfer oder Bußübungen nichts zur Überwindung der Schuld vor Gott beitragen oder auf diesem Weg den Zugang zur Gottesge-
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meinschaft gewinnen. So begründete A. haben schon die Reformatoren scharf bekämpft. Allein das Opfer des Sohnes Gottes erlöst von der Sündenschuld und öffnet den Weg zu Gott, n. Christliche A.
gewinnt ihre Bedeutung deshalb erst von diesem Ausgangspunkt her, der für außerchristliche A. das Ziel darstellt. Verzicht und Enthaltsamkeit des Christen erwachsen aus der Erfahrung der Gottesgemeinschaft. Sie sind Bestandteil der Christusnachfolge, vor allem aus folgenden Gründen:
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Für ein Leben in der Gemeinschaft mit Christus müssen Zeit und Stille gewonnen werden. Gewiß begleitet die Christusnähe auch durch Streß und Unruhe des Lebens hindurch, sie lebt aber von der Hinwendung zu ihm im Hören auf das Wort und den -» Geist Gottes und vom Gebet. Dafür muß auf anderes verzichtet werden, was sonst das Leben ausfüllt. Hier kann auch das Fasten hilfreich werden. Es wird in seinem Wert neu entdeckt, obwohl es nicht grundsätzlich zum Christsein gehört. Deshalb darf die zeitliche Begrenzung nicht außer Acht gelassen werden (iKor 7,5 + 6).
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A. ist Absage gegenüber allem, was die Gemeinschaft mit Christus durchkreuzt oder daran hindert, daß Jesus und der Einsatz für das —» Reich Gottes die Mitte des Lebens bilden. Daraus folgt, einem Leben nach eigenem Gutdünken abzusagen und auf das zu verzichten, was dem Gehorsam und einem Leben unter der Gottesherrschaft widerspricht (Zehn —> Gebote; Gal 5,19-21 —> Mitteldinge). Das kann auch Entsagung erfordern von dem, was persönlich bindet (Beispiel: Mt 19,16if.) oder, was für mich nicht dem Auftrag Gottes entspricht. Die persönliche und die geschichtliche Situation können hier zu ganz unterschiedlichen asketischen Folgerungen führen. Doch leider sind diese oft als allgemein-gültig festgehalten worden und haben zu einer gesetzlichen Frömmigkeit und A. geführt (z.B. Alkoholverbot).
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A. ist »«Training« im Kampf gegen das, was mich oder eine Gemeinschaft aufhält, Christi Auftrag zu erfüllen. Der natürliche Egoismus, auch der Gruppe, kann zumeist nicht ohne Übung in Verzichten und Enthaltsamkeit überwunden werden (iKor
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27). Zu echten Ergebnissen führt solches Training aber nur, wenn es unter der
Hinwendung zu der Gnade und Kraft Christi geschieht.
III. Da die Gottesgemeinschaft immer durch ein Leben in der —> Liebe Gestalt gewinnt, ist diese das wichtigste Motiv für christliche A.; denn Liebe kann nicht ohne persönliche Einschränkung und Selbstverleugnung praktiziert werden, weil sie Zeit und Kraft benötigt, damit Raum für Tat und persönliche Zuwendung gewonnen wird. Aber gerade auf diesem Feld ist A. nicht in Gesetze zu fassen, sondern kann ihre Gestalt nur von der jeweiligen Aufgabe her finden. Unsere heutige Situation kann aus ganz neuen Gründen (z.B. Luftverschmutzung, Umweltbelastung, Hungersnöte) asketische Lebensformen einer vergangenen Zeit erneut bedeutungsvoll werden lassen (z.B. Konsumeinschränkung, Verzicht auf Alkohol oder Nikotin). In diesem Zusammenhang wird vor allem seit Lausanne unter —> Evangelikalen nach einem neuen Lebensstil gefragt.
Lit.: A. Köberle, Der asketische Klang in der ur- christlichen Botschaft, in: Festschrift Wurm, 1948, S. 67-82 - A. Nordländer, Reich Gottes und Lebensstil, in: Stott/Runia, Das Himmelreich hat schon begonnen, T977, S. 77-95
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