Evangelisches Gemeindelexikon



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Bonhoeffer, Dietrich,

  1. leben: Bonhoeffer, Dietrich, *4. 2. 1906 Breslau, f9. 4. 1945 Flossenbürg, studierte von 1923-28 Theologie in Tübingen und Berlin (A. v. Harnack). Beeinflußt insbeson­dere von der dialektischen Theologie K. Barths. 1930 während eines Studienaufent­halts am Union Theological Seminary, New York, kommt es zur Begegnung und Ausein­andersetzung mit den Ideen des Social Go­spel. 1931 Dozent an der Theol. Fakultät Berlin und Studentenpfarrer an der Techni­schen Hochschule. Kontakte zur —> ökume­nischen Bewegung (Jugendsekretär des Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kir­chen). Von Anfang an nahm B. entschieden gegen den Nationalsozialismus Stellung und gab zusammen mit M. Niemöller den An­stoß zur Gründung des Pfarremotbundes (—> Kirchenkampf). Von 1933-1935 versah B. ein Auslandspfarramt in London. B. wurde 1935 zum Leiter des Predigerseminars in Finkenwalde, einer Ausbildungsstätte der Bekennenden Kirche, ernannt. Er suchte hier theologisch-wissenschaftliches Arbei­ten und christliche Gemeinschaft unter den




Dietrich Bonhoeffer


Brüdern miteinander zu verbinden. (Schrift »Gemeinsames Leben«). Mit Übernahme dieses Amtes ging B. in die Illegalität. 1936 wurde ihm die Lehrbefugnis an der Universi­tät entzogen, 1937 das Predigerseminar Fin­kenwalde durch die Gestapo geschlossen; 1938 folgte ein Aufenthaltsverbot für B. in Berlin, 1940 erhielt er Rede-, 1941 auch Schreibverbot. 1939 hatten Freunde ihm eine Gastprofessur in USA vermittelt, doch kehrte er nach einem Monat nach Deutsch­land zurück, weil er die Emigration für sich bewußt ablehnte. Stattdessen trat er in enge Beziehung zur militärischen Abwehr und den dortigen Verschwörerkreisen gegen Hit­ler (Canaris/Oster). Am 5.4.1943 wurde B. verhaftet und auf persönlichen Befehl Hit­lers am 9.4.1945 zusammen mit anderen führenden Männern des Widerstandes im KZ Flossenbürg erhängt.



  1. Theologie: B. hat in der Theologie als viel­facher Anreger gewirkt. Besonders die unter dem Titel »Widerstand und Ergebung« ver­öffentlichten Briefe aus der Haft haben weltweites Echo gefunden. Der Grund für diese Wirkung liegt in der Verbindung von Theorie und Praxis in B.s Leben und Werk. Biographisch und zugleich theologisch be­deutsame Wendepunkte sind 1932 die Ab­kehr von der bloßen Theorie eines Schreib­tischtheologen (B.: »Abkehr vom Phraseolo­gischen«) hin zum Vollzug christlichen Le­bens, zur persönlichen Bibelmeditation, zur Einzelbeichte, zum Gebet, zum Pazifismus und zur Ethik der Bergpredigt, sowie r939 die Rückkehr aus den USA als bewußte Soli­darität mit den Brüdern in Deutschland und mit Deutschlands Schuld und Geschick. - Das Zentrum von B.s theologischem Bemü­hen ist die Frage nach Sichtbarkeit und Er- fahrbarkeit der Wirklichkeit Gottes in unse­rer heutigen Welt (= Offenbarungsfrage). Er hat die Überzeugung gelehrt und gelebt, daß die Gotteswirklichkeit in Christus in die Weltwirklichkeit eingegangen ist und darum in der -* Nachfolge Jesu die Realität der Offenbarung in ihrer ganzen »Diessei- tigkeit« geglaubt und erfahren werden kann.

Lit.: 1. Werke (u.a.): Nachfolge, 197110 - Gemein­sames Leben, 197715 - Ethik (hg. v. E. Bethge), 19667 - Widerstand und Ergebung, Neuausgabe, (hg. v. E. Bethge), 1970-Gesammelte Schriften Bd. 1-6 (hg. v. E. Bethge), i96s-r974-2.überD.B.: E. Feil, Die Theologie D.B.s, 1971 (kath.).-R. Mayer, Christuswirklichkeit, 1969 - E. Bethge, D.B., (Bio- graphie), 19703 Mayer

Boor de, Werner, *24.4.1899 Breslau, f 18.3.1976 Schwerin, Dr. theol., Oberkir­chenrat. Entstammte einer Gelehrtenfami­lie, wuchs in Marburg auf und begann als Su­chender das Theologiestudium (Marburg, Tübingen, Erlangen). W. Herrmanns Schrift »Der Verkehr des Christen mit Gott« bringt ihm die Größe Jesu nahe. Pfarrdienst in Thü-





ringen, Pommern und Mecklenburg. 1945 persönliche Erkenntnis von Schuld und Ver­lorenheit vor Gott, aber auch von Gnade und Errettung, 1946 Oberkirchenrat (u.a. für -> Volksmission) in Schwerin, 1953 landes- kirchl. —* Evangelist. Er ringt darum, daß die Notwendigkeit von -> Evangelisation und Bekehrungspredigt auch innerhalb der Lan­deskirche anerkannt wird. Als Vorsitzender der Evangelistenkonferenz der DDR, als geistlicher Leiter des Bruderkreises für Evangelisation in Mecklenburg und als Mit­glied des Blankenburger Allianzkomitees hat er die Evangelisation und biblische Zu­rüstung der Gläubigen in der DDR wesent­lich gefördert. Sein intensives Bibelstudium befähigte ihn zur Mitarbeit, später zur Her­ausgabe der Wuppertaler Studienbibel (10 Bände). Außerdem schrieb er viele Artikel und Kleinschriften.

Holmer

Boos, Martin, '2s.r2.r762 Huttenried, t 29.8.182s Sayn. Theologiestudium in Dil­lingen, u.a. bei -» Sailer, der ihm zeitlebens nahestand. 1787-98 Kaplan im Allgäu, wo durch seine Christus-Predigt die Allgäuer Erweckungsbewegung entstand. Vom bi­schöflichen Ordinariat Augsburg angeklagt, floh B. T799 nach Linz. Ab 1806 Pfarrer in-> Gallneukirchen, wo es wieder zu einer —> Erweckung und zur Spaltung der Gemeinde




Martin Boos


kam. B. wurde 1816 vorübergehend in Un­tersuchungshaft genommen, ging dann nach Preußen, wo er r8i7 als Religionslehrer in Düsseldorf und ab 1819 als Pfarrer in Sayn wirkte. B. vertrat einen Christozentrismus (»Christus für uns und in uns«), von wo die allmähliche Auflösung des kath. Glaubens-, Sakraments- und Kirchenbegriffs erfolgte. Lit.: G. Geiss, M.B., 1937

Redaktion




William Booth




Booth, William, *10.4.1829 Nottingham, t 20.8.1912 Hadley Wood, Begründer der Heilsarmee in über 50 Ländern und Kolo­nien. B. wirkte zunächst in der —» Methodi­stenkirche als —> Evangelist mit großen Er­folgen, gründete dann in den Elendsvierteln die Ostlondoner Mission (ab 1869 Christli­che Mission), die er 1877/78 in die Heilsar­mee umorganisierte, deren erster General er war. Von großer Tatkraft, gequält vom Elend des Industrieproletariats, verband er aggres­sive Evangelisation mit praktischer Hilfe zur Linderung der Not. Sein Buch »In Dar- kest England and the Way Out« (Nachdruck 1970) wurde grundlegend für die Arbeit der Heilsarmee.

Lit.: R. Collier, Der General Gottes W.B., 1965 Geldbach



Bräm, Andreas *30.4. 1797 Basel, fn. 1. 1882 Neukirchen. Sozialpädagoge und Volksmissionar. Unter der Verkündigung der Baronin J. v. —» Krüdener innere Umkehr. Studium der Theologie in Tübingen. Durch Schriften Pestalozzis und Begegnung mit Chr. H. —» Zeller in Beuggen gewann B. die Grunderkenntnis seiner Lebensarbeit: »Die christliche Familie muß Rettungsanstalt werden!« 1835 zum Pfarrer in -» Neukir­chen berufen, gründete er am 18.12.184 5 den »Verein zur Erziehung armer, verlassener und verwahrloster Kinder in Familien«. Der »Erziehungsverein«' bot heimatloser Jugend aus dem Industriegebiet in geeigneten Häu­sern Erziehungshilfe bis zur »Familienrei­fe« . - Als einer der ersten erkannte B. die Be­deutung erwecklichen Kleinschrifttums und einer christlichen Presse (»Korrespon­denzblatt« für die bibellesende Gemeinde, später Neukirchener Kalender).

Kirchhoff






Andreas Bräm


Breklum

Unter den Satzungsentwurf der Schleswig- Holsteinischen Ev.-luth. Missionsgesell­schaft, den 1876 Christian —» Jensen ins Land hineinschickte, setzte er die Losung »Jesus allein«. Die Missionare, die Jensen schon im ersten Jahrzehnt nach Indien in das Jeypurland senden konnte - erst nach sei­nem Tod wurden von Breklum aus Missio­nare nach Ostafrika und China ehtsandt - hatten Heimat und Trägerschaft in den Pa- stor-Christian-Jensen-Anstalten für Innere Mission. 1878 eröffnete Jensen das Sonn­tagsblatthaus mit Druckerei, Buchhandlung und Verlag; 1879 die Brüderanstalt für Laienprediger und Evangelisten; 1882 das Predigerseminar für Pastoren in Nordameri­ka; 1883 das Gymnasium Martineum und in seinem Todesjahr 1900 das Krankenhaus.

—» Innere Mission und Äußere —»Mission waren für Christian Jensen eine unzertrenn­liche Einheit. Dabei behielten bis 1956 beide Zweige jeweils ihre eigene Leitung.

Die 1961 in Neu Delhi vollzogene Integra­tion von Kirche und Mission {—» ökumeni­sche Bewegung) führte 1970/71 zur Entste­hung des Nordelbischen Missionszentrums mit seinem Hauptsitz in Hamburg. In den leergewordenen Häusern in Breklum begann 1972 noch einmal unter eigener Leitung ein Werk der Inneren Mission. Der ursprüngli­che Gedanke des 1972 eröffneten Aktions­und Besinnungszentrums in Breklum war es, durch Evangelisation, Seelsorge und Ge­meindeaufbau an Voraussetzungen für einen neuen Missionsaufbruch unter der alten Lo­sung »Jesus allein« zu arbeiten.

Lit.: E. Henschen, 100 Jahre Mission unter der Lo­sung »Jesus allein«, 1976

Bräumer

Brockhaus, Carl, * 7.4.1822 Himmelmert bei Plettenberg, f 9. 5. 1899 Elberfeld, Volksschullehrer, später Verleger und gei­stiger Führer der -» Versammlung in Deutschland. Nach seiner Bekehrung als Lehrer in Breckerfeld bei Hagen (1845) be­gann B. sofort mit der Verkündigung des Evangeliums, was er unter Aufgabe seines Berufes seit 1850 als Sekretär des Ev. Brüder­vereins in Elberfeld fortsetzte. Seine Auffas­sung von der Vollkommenheit des Gläubi­gen in Christus führte zur Trennung vom Brüderverein (1852) und zur Verbindung mit den sich damals in Deutschland gerade bil­denden Brüderversammlungen. Seine Freundschaft mit J. N. —> Darby (seit 1854) und sein ausgedehnter Reisedienst führten zur Ausbreitung und Festigung der Brüder­versammlungen in ganz Deutschland. B. prägte ihr Gedankengut durch die Gründung eines Verlages und seit 1853 durch seine




Carl Brockhaus ^ ^ ü


Monatsschrift »Botschafter des Heils in Christo« (heute »Die Botschaft« im R. Brockhaus Verlag), die den Lehren Darbys viel Platz einräumte. Die —» Gottesdienste der Brüderversammlungen mit ihrem ausge­sprochenen Anbetungscharakter beein­flußte B. durch die Herausgabe der »Kleinen Sammlung Geistlicher Lieder«; von den 147 Liedern werden allein 62 ihm zugeschrie­ben. Mit Darby u.a. brachte B. die »Elberfel- der Übersetzung« der Bibel heraus (NT 1855; AT 1871), die in ihrer grundtextgemäßen Worttreue der kompromißlosen Achtung der »Brüder« vor der Autorität des Wortes Gottes entgegenkam. Trotz seines prägen­den Einflusses auf die deutschen Brüderver­sammlungen im Sinne von Darbys Lehren standen bei B. aber stets die frohe Botschaft des Heilsweges, die völlige Heiligung des Christen durch das vollkommene Erlö­sungswerk Jesu Christi und die Einheit aller Gläubigen im Mittelpunkt seiner Gedanken und seiner Verkündigung. Da demgegenüber Darbys Lehre der Absonderung bei ihm zu­rücktrat, ist es besonders B. zu verdanken, daß die deutsche »Brüderbewegung« nicht von den Spaltungen des englischen Darbys- mus erfaßt wurde.

Lit. von B.: Alles in Christo, 1859, 19S112 Lit. über B.: E. Eylenstein, Carl Brockhaus. In: ZKG 46, 1927, S. 275-312

Jordy


Brot für die Welt

Nachdem Deutschland in den Notjahren nach den beiden Weltkriegen die Hilfe ande­rer Christen vor allem aus Nordamerika, aber auch Skandinavien und der Schweiz er­fahren hatte, kam es 1959 zur Gründung von B.f.d.W. als einer »diakonischen Arbeitsge­meinschaft ev. Kirchen«. Die deutschen ev. Landes- und —» Freikirchen schlossen sich darin zu einer ständigen Hilfsaktion für Not­leidende, besonders in der dritten Weit, zu­sammen, die aus Spenden der Gemeinde­glieder finanziert wird. Alle Verwaltungsko­sten von B.f.d.W. werden durch Kirchen­steuermittel abgedeckt. Das Gegenstück für B.f.d.W. im kath. Raum ist die Aktion »Mi- sereor«. Von 14,5 Mill DM im Jahre 1959/60 stieg das Spendenaufkommen von B.f.d.W. auf45,6 MillDM beider 17. Aktion 1975/76. B.f.d.W. führt keine eigenen Projekte durch, sondern leistet bei Entwicklungsvorhaben finanzielle Hilfe ohne Ansehen von Reli­gion, Rasse oder Nationalität. Grundsätz­lich kann sich jede Gruppe an B.f.d.W. um Hilfe wenden. Die meisten Anträge laufen jedoch über Missionsgesellschaften, zwi­schenkirchliche Hilfen oder ökumenische Gruppen. Alle Projekte werden vom Vertei­lungsausschuß, dem Vertreter der Landes­und Freikirchen angehören, sorgfältig ge­prüft und nach Bewilligung durch B.f.d.W. bis zur Endabwicklung kontrolliert. Ferner steht B.f.d.W. in engster Zusammenarbeit mit der Ev. Zentralstelle für Entwicklungs­hilfe, dem Kirchlichen Entwicklungsdienst, dem Ev. Missionswerk und Dienste in Uber­see (Personalvermittlung). Darüber hinaus bestehen kooperative Beziehungen zu ande­ren kirchlichen Hilfswerken wie Christian Aid/Großbritannien und »Brot für Brüder« des HEKS/Schweiz. Wurden in den Anfangs­jahren mehr allgemeine Hilfsaktionen durchgeführt und Katastrophenfälle gelin­dert, so kam es bald zu schwerpunktmäßi­gen Einsätzen mit den Hauptbereichen: 1. Wirtschaft, Sozialeinrichtungen und Land­wirtschaft. 2. Gesundheitswesen. 3. Bil­dungswesen. Heute ist die Tendenz da, sich vor allem auf strukturelle Hilfsmaßnahmen zu konzentrieren. In diesem Falle dürfte sich die Kritik —» evangelikaler Kreise an B.f.d.W. verstärken, die eine zunehmende Politisie­rung befürchten, die starke Anbindung an ökumenische Organisationen mit Vorbehal­ten betrachten und eine stärkere Rückbe­sinnung auf die biblischen Grundlagen des

missionarisch-diakonischen Handelns der Kirche wünschen. Daß B.f.d.W. als ein Zei­chen christlicher Nächstenliebe Tausende vor dem Verhungern bewahrt und vielen Menschen neue Hoffnung gebracht hat, und daß ein solcher Dienst eine Verpflichtung für die reichen Kirchen in Deutschland dar­stellt, steht außer Frage.

Rott


Brotbrechen -» Abendmahl Bruder

  1. Jesus Christus hat der Menschheit Gott als Vater geoffenbart (Joh 14,24). Das ist eine der bedeutsamsten Aussagen des Neuen Te­staments, die jedoch stets streng christozen- trisch gefaßt wird: Denn wir kennen Gott in seiner ganzen Heilszuwendung nur als den Vater Jesu Christi; und allein durch Jesus kann heute der Mensch in die rettende Ver­bindung mit Gott, dem Vater, treten (Joh 14,6). Darum ist Jesus der wahre Gottes- Sohn, der stets betont von »meinem Vater« spricht und der in einem einmaligen Ver­hältnis zu Gott steht (Joh 1,14), während die Jünger im Glauben an Jesus die Gotteskind­schaft erlangen (Joh i,i2f.). Die Gewißheit dieser Gotteskindschaft verleiht der Hl. —» Geist inder —» Wiedergeburt (Röm 8,12 — 17). Die im Glauben an Jesus Christus durch den Hl. Geist Wiedergeborenen bilden nach neu- testamentlichem Verständnis die —> Ge­meinde als die Familie Gottes und sind des­halb Brüder und Schwestern.

Der christliche Bruderbegriff geht demnach nicht auf die allgemeine Zugehörigkeit zum Menschengeschlecht zurück, etwa im Sinne einer Abstammung aller Menschen von Adam, sondern auf die Neuschöpfung durch den Hl. Geist. Damit ist das neutestamentli- che Bruderverständnis scharf abgegrenzt ge­genüber der humanistisch-idealistischen Bruderschaftsidee. In der Gemeinde sind grundsätzlich sämtliche Unterschiede so­zialer, rassischer, bildungsmäßiger oder son­stiger Art im eschatologischen Sinne aufge­hoben (Gal 3,28). Das Zusammenleben und die Wahrnehmung der verschiedenen Auf­gaben in der Gemeinde werden bestimmt von der geistgewirkten, bruderschaftiichen Ordnung. I lerdings wird am Gebrauch des Bruder-Ti­tels auch die ganze Spannung zwischen ho­hem biblischem Anspruch und tatsächlicher Verwirklichung christlicher Bruderschaft in der Geschichte der Kirche deutlich. Mit dem konstantinischen Zeitalter hat nicht nur die Gemeinde eine Umwandlung zur Staatsreli­gion erfahren, sondern auch der neutesta- mentliche Bruderschaftsgedanke hat eine schwere Erschütterung durchgemacht. Die Anrede »Bruder« wurde nur noch von Ange­hörigen besonderer geistlicher Gemein­schaften und Stände beibehalten. Sie wurde dann aber auch zu einem Kennzeichen für alle christlichen Erneuerungs- und Erwek- kungsbewegungen. Von der Ausgestaltung eines verbindlichen neutestamentlichen Gemeinschaftsgedankens her lassen sich unter diesen Bewegungen drei Hauptformen unterscheiden:

  1. Christliche —> Bruderschaften, die prote­stantischen Diakonen- und Diakonissen­häuser, wie moderne ev. Kommunitäten, ar­beiten in der Regel im Bereich bestehender Kirchen auf konfessioneller oder auch auf ökumenischer Basis.

  2. Bruderschaftliche Bewegungen, wie sie der Pietismus und die —> Erweckungs- und die —> Gemeinschaftsbewegung hervorge­bracht haben, bleiben ebenfalls im Verband bestehender Kirchen, bilden jedoch »eccle- siolae in ecclesia« (= Kirchlein in der Kirche) für alle, die bewußt christliche Bruderschaft üben und mit Emst Christ sein wollen.

  3. Bruderschaftskirchen beruhen auf dem Gedanken, daß die Wiedergeborenen als Brüder und Schwestern in Christus die Ge­meinde bilden und diese auch der Ort ist, wo christliche Bruderschaft verwirklicht wer­den soll. Die Zugehörigkeit zur Gemeinde wird von einem persönlichen Bekenntnis des Glaubens an Jesus Christus abhängig gemacht. Die äußere Organisationsform ist in der Regel eine —> Freikirche. Gelegentlich kommt die Betonung der Bruderschaft schon im Namen zum Ausdruck, wie z.B. bei der Herrnhuter —» Brüdergemeine oder der Brü­der—» Versammlung. Man will in der Ge­meinde und durch die Gemeinde eine neute- stamentliche Bruderschaft gestalten, ohne den einzelnen aus seinem Beruf und Stand in der Welt und in der Familie herauszulösen. So verschiedenartig die Versuche der Ver­wirklichung christlicher Bruderschaft auch aussehen, gemeinsam bleibt ihnen das Be­mühen, das neue Leben in der Bruderschaft der Kinder Gottes (z.B. auch Ev.—» Allianz) und in der Liebe zum Nächsten (-» Diakonie und —> Mission) unter den Bedingungen und Herausforderungen der jeweiligen Gesell­schaftsordnung und Zeit zu bewähren.

Lit.: D. Bonhoeffer, Gemeinsames Leben, 195 s2 — S. Großmann, Christsein 70 und 73, 1971/72 - H. Penner, Weltweite Bruderschaft, 1972 -R. Riesner, Formen gemeinsamen Lebens im NT und heute,

Bruderschaft vom gemeinsamen Leben

B.v.g.L. ist laut Konstitution »ein Zusam­menschluß von Christen aller Bekenntnisse, die sich bei voller Würdigung und Wahrung der durch Abstammung oder Gewissens­überzeugung überkommenen konfessionel­len Zugehörigkeit und Unterschiede im Ge­horsam des Evangeliums genötigt wissen, die von Jesus Christus erbetene göttliche Einheit und Lebensgemeinschaft aller Chri­stusgläubigen im dreieinigen Gott zu bezeu­gen, ihr zu dienen und sichtbaren Ausdruck zu geben.« Dieser feierlichen Aussage ent­sprechend ist ihre Berufung nicht zuerst ein besonderes Tun, sondern vielmehr eins zu sein im dreieinigen Gott und so allen Men­schen Bruder zu werden. So versteht sie ihr Leben als Dienst in und an der einen Bruder­schaft und Kirche Christi, daher »ökumeni­scher Christusdienst«.

Zwei Diakone, Gotthilf Haug und Jakob Schelker, waren es, durch die 1905/06 in der Schweiz die B.v.g.L. gegründet wurde und Gestalt erhielt in bewußter Anknüpfung an Geist und Namen der mittelalterlichen Be­wegung. Sie wird heute gebildet von drei Zweigen: den ledigen Brüdern, den ledigen Schwestern und den Verheirateten. Die bei­den ersten Gruppen vor allem leben zumeist in Lebens- und Gütergemeinschaft, bleiben aber für gewöhnlich in ihren Berufen und Arbeitsverhältnissen im Sinn von Diakonie. Doch erstreckt sich ihr mehr verborgener Dienst in viele Bereiche der Kirchen, Ge­meinden und Bruderschaften. In Deutsch­land konstituierte sich die B.v.g.L. 1928 und nach ihrer Liquidierung durch das national­sozialistische Regime erneut 1947 als »Ver­einigung vgL im ökumenischen Christus­dienst« (VvgL). Sie ist eingeordnet in die »Christentumsgesellschaft in Deutschland« (in der Schweiz in den »Schweizerischen Diakonieverein«). Der Hauptsitz der VvgL ist z.Zt. in Ottmaring b. Augsburg. Außer­dem ist sie besonders vertreten im Raum um Nürnberg, Stuttgart, Dortmund u.a. Als Mitteilungsblatt erscheint vierteljährlich der »Quatemberbote« und »Sammlung, Dienst, Sendung«.

Faulmüller

Bruderschaften und Schwesternschaf­ten



  1. Nach dem 2. Weltkrieg entstanden unab­hängig voneinander im ev. Raum, in der Folge von Glaubensaufbrüchen und Erwek- kungen, B. u. S., zusammenfassend auch Kommunitäten genannt. Weltweite Auf­merksamkeit fand vor allem Taize (Frank­reich). Im deutschsprachigen Bereich haben die meisten ein mehr oder weniger starkes pietistisches Erbe. Am bekanntesten wur­den hier die Ev. —> Marienschwesternschaft und die —» Christusbruderschaft. In Analogie zu den Ordensgründungen der kath. Kirche sehen sie sich als Weckruf gegen Verweltli­chung und Verbürgerlichung der Kirche. Sie versuchen in der modernen, säkularisierten Welt zeichenhaft die lebenverwandelnde Kraft Jesu Christi anschaulich zu machen. Neben dem bürgerlichen Lebensstil der Großkirchen und dem Christuszeugnis in —> Familie und Beruf stellen sie eine verbindli­che Form des Christentums dar, das im Pro­test gegen Begehrlichkeit, Besitzstreben und Karrieredenken Ehelosigkeit, Armut und Gehorsam auf sich nimmt. Ihr Zusammen­leben regeln sie mit einem geistlichen Pro­blemlösungsmechanismus, der institutio­neil in den Tagesablauf eingefügt ist und die Momente der Offenheit untereinander, der gegenseitigen Vergebung und des immer neuen Ausräumens von Mißtrauen und Kränkungen beinhaltet. »Das Christentum muß seine Mission durch ansteckende Bei­spiele weitertragen. Im kommenden Zeital­ter der Machtgruppensünden werden neue Formen der Bruderschaft benötigt« (Rosen- stock-Huessy). Nach Hümmer (Lit.) ist die­sen Kommunitäten gemeinsam: Ernstnehmen des Rufes in die Nachfolge, Verwirklichung von Gemeinde in Form konkreter Bruderschaft, größere Verfügbar­keit für den Dienst, Ausgleich zwischen Ar­beit und Stille (actio und meditatio), Liebe zur Kirche. Sie können auf Grund ihrer Ver­fügbarkeit das außerordentliche Engage­ment wagen. Als Inspirationsvermittler können sie Antworten der Christenheit auf veränderte Verhältnisse geben und mit ihren weitgespannten Kontakten Begegnungs­zentren bilden. Ihre Gefährdung liegt in möglichem Machtmißbrauch, —» Gesetz­lichkeit, Hochmut und Unnüchternheit.

  2. Eine kommunitätsähnliche Form ge­meinsamen Lebens stellt die Großfamilie dar (z.B. —» Offensive junger Christen): Sie besteht im Kern aus mehreren Kleinfami­lien, die gemeinsam in einem Zentrum wohnen, eine gemeinsame Wirtschaftsfüh­rung und gemeinsamen Dienstauftrag ha­ben. Neben den Kleinfamilien, z.T. in sie in­tegriert, können auch Einzelpersonen zur Großfamilie gehören, etwa als ••Jahres­mannschaft« von vornherein auf begrenzte Zeit. Gelegentlich findet sich diese Form auch mit der der Kommunität Eheloser kombiniert (—»Jesusbruderschaft).

  3. Eine dritte Form stellen jene Bruderschaf­ten dar, die soziologisch weder als Kommu­nität noch als Großfamilie, sondern eher als Arbeitsgemeinschaft zu beschreiben wären, sich von dieser aber nicht nur durch größere, das ganze Leben einbeziehende Verbind­lichkeit (z.B. »Lebenslinien« in der -h» Pfar- rer-Gebets-Bruderschaft), sondern auch durch grundsätzlich lebenslange Zugehö­rigkeit unterscheiden. Sie sind entweder be­stimmten Sachaufgaben, z.B. der —» Evange­lisation (Gruppe 153 in -»Hermannsburg) oder Personengruppen, z.B. Pfarrern und Theologiestudenten (Pfarrer-Gebets-Bru- derschaft, Ahldener Bruderschaft) verpflich­tet. Die Freiheit von pluralistischen Zwän­gen, in denen die Großkirchen sich weithin befinden, ermöglicht es ihnen, bestimmte Initiativen von gesamtkirchlicher Bedeu­tung zu ergreifen, wie z.B. in der Arbeit unter Theologiestudenten. —» Bruderschaft vom gemeinsamen Leben, —» Casteller Ring, —» Christusträger, —» Fokolarini.

Lit.: L. Präger, Frei für Gott und die Menschen, 1959 - W. Dirks, Die Antwort der Mönche, 1968 - W. Hümmer, Neue Kirche in Sicht? 1970 - R. Reck, Gottes neue Avantgarde? 1970 - R. Riesner, For­men gemeinsamen Lebens im Neuen Testament und heute, 1977 - J. Halkenhäuser, Kirche und Kommunität 1978

Leuthner


Brüdergemeine

  1. Deutschsprachige Nachkommen der al­ten böhmischen Brüder wandern unter der Leitung von Christian David um ihres Glau­bens willen in das ev. Sachsen aus und erhal­ten von dem erweckten Grafen Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700-1760 -h» Pie- tismusf die Erlaubnis, sich auf Ländereien seines Gutes in Berthelsdorf/Oberlausitz ansiedeln zu dürfen. So entsteht seit 1722 die vor allem aus Handwerkern bestehende Ortschaft Herrnhut. Zu den mährischen Aussiedlern gesellen sich Erweckte aus allen Teilen Deutschlands (z.B. Martin Dober), die bald in Spannung zueinander geraten. Das intensive seelsorgerliche und organisatori­sche Bemühen des Grafen Zinzendorf führt die Gemeine zu der Erfahrung ihrer Einheit in Christus bei einer Abendmahlsfeier in B'erthelsdorf (13.8.1727) unter der Leitung des lutherischen Pfarrers Andreas Rothe.

Die junge lebendige Gemeine knüpft Kon­takt zu den erweckten Studenten der Uni­versität Jena, aus denen ihr später hervorra­gende Mitarbeiter erwachsen (August Gott­lieb Spangenberg, Gottfried Clemens u.a.). Boten der Gemeine besuchen die Kreise der Frommen und Inspirierten in ganz Deutsch­land, um eine »Kette« aller verstreuten Kin­der Gottes zu errichten. Hier liegen die er­sten Ansätze zu der 1732 eingeleiteten Mis­sionsarbeit sowie zu der im 19. Jh. groß ange­legten Diasporaarbeit. Die Gliederung der Gemeine in kleine Seelsorge-Gruppen (Ban­den, später: Chöre), ihre Ämterordnung und Amtsauffassung, ihre diakonische Praxis und Gemeindezucht fanden Freunde, aber auch Gegner außerhalb Herrnhuts.

Von 1743 bis 1749 gerieten die Gemeinden in der Wetterau (Herrnhaag, Marienborn) in eine Gefühlsfrömmigkeit mit einer die Kindlichkeit imitierenden Sprache, um naiv spielerisch das —» Heil in Christus auszule­ben. Zinzendorf erkannte die Gefahren erst spät, ging dann dagegen vor und sprach im Anschluß an Lk 22,31 von der »»Sichtungs­zeit« der Gemeine. Gegen den Willen Zin- zendorfs geben die Konzessionen des preußi­schen Königs Friedrich II. (1742, 1746 und 1763) für die Gründung der schlesischen Gemeinden den äußeren Anstoß zu einer selbständigen Brüderkirche. 1749 werden auch die Gemeinden in England und seinen Kolonien als selbständige Kirche anerkannt, während sie in Sachsen der lutherischen Landeskirche unterstellt bleiben. Nach Zin- zendorfs Tod 1760 entwickelt sich die B. un­ter der Leitung von Gottlieb August Span­genberg in weniger aufsehenerregenden, bi­blisch-lutherischen Bahnen als eine —» Frei-




Provinzen_der_Brüderunität'>Die Provinzen der Brüderunität




(Stand vom 31

. 12. 1974)







Provinz

gegründet

Gemeinden

Mitglieder

Europäisch-Festländisch










a) West: BRD. Dänemark,










Niederlande, Schweden, Schweiz

1722

14

9 468

b) Ost: DDR




10

3091

Östl.-westindische Inseln

1732

45

28419

Suriname

1735

55

67 950

Westl. Kap-Provinz in Südafrika

1737

31

43 372

Nördliche Provinz USA

1741

108

35 564

Großbritannien

1742

38

4 495

Südliche Provinz USA

1753

49

22 698

Jamaica

1754

51

13210

Labrador

1771

5

2 096

Östliche Provinz Südafrika

1828

30

30 656

Nicaragua

1849

115

32 117

Tschechoslowakei

1862

17

6445

Alaska

1885

25

4 278

Tanganyika-Südhochland

1891

60

67 058

Tanganyika-Unyamwesi

1897

20

33042

Honduras

1930

27

4 099

West-Himalaja




4

374

Guyana




8

1 313




kirche innerhalb der gegebenen Landeskir­che oder wie in England und Amerika neben anderen Denominationen.

  1. An der Spitze der Brüder-Unität, dem Zu­sammenschluß aller Einzelgemeinden, steht heute die Unitätssynode (früher: Ge­neralsynode), die ca. alle 7 Jahre einberufen wird. Die zwischenzeitliche ständige Ver­tretung der Synode ist das »Unitätsdirekto- rium« (unity board, früher: Unitätsältesten- konferenz), das aus Vertretern der Provin­zialbehörden zusammengesetzt ist. Die Brüder-Unität ist in 18 Provinzen geteilt. Verantwortlich für die Ortsgemeinde ist der Ältestenrat. Jährlich mindestens einmal kommt der Gemeinrat zusammen, die Ver­

  2. sammlung der ganzen Gemeinde. Die Mit­arbeiter der Gemeine, Gemeindiener ge­nannt, gliedern sich in zwei Gruppen: die Akoluthen (Laienmitarbeiter) und Prediger (Diakonus und Presbyter). Aus den Presby­tern werden Bischöfe gewählt, deren wich­tigste Aufgabe —> Seelsorge und Ordination der —> Prediger ist. Die B. versteht sich als eine geistliche Theokratie, die durch ihren unsichtbaren Generalältesten —»Jesus Chri­stus geleitet wird. Die Wahl Jesu Christi zum Generalältesten am 16.9.1741 ist nicht als Ausdruck eines sektiererischen Erwäh­lungsbewußtseins, sondern als Absage an eine hierarchisch gegliederte Organisations­form der Kirchengemeinschaft zu verstehen.

Unter dem Haupt Jesus Christus sind alle Glieder untereinander Brüder.



  1. Die B. hat keine spezielle brüderische Theologie ausgebildet; ihre theologische Ei­genart liegt in ihrer praktischen Frömmig­keit (—> Geistliches Leben), ihren liturgi­schen Formen, ihrer missionarischen und pädagogischen Aktivität. Die Hochschät­zung der Schrift zeigt sich in ihrem An­dachtsbuch, den »Losungen«, die nicht auslegen und kommentieren, sondern Got­tes Wort selbst in die neue Situation hinein sprechen lassen. Seit Zinzendorf sieht die B. in der persönlichen Gemeinschaft mit dem lebendigen Christus und dem ständigen An­gewiesensein auf seinen Kreuzestod die Quelle für das persönliche Leben des Chri­sten und die verbindende Mitte, die ihre un­terschiedlichen Glieder zueinander führt. Dieser —> Biblizismus, Christozentrismus und die Wertschätzung der Gemeinschaft haben die B. sehr früh zu einem ökumeni­schen Modell gemacht. Ihre Mitarbeit in den Landeskirchen und der weitgehende Ver­zicht, Glieder zu werben, so daß ihre Mit­gliederzahl immer gering war, haben ihr ei­nen großen Kreis von Freunden und einen guten Kontakt zu anderen Kirchen ver­schafft (Brücke zwischen Kirchen und -» Freikirchen). Die Eigenart der brüderischen Frömmigkeit spiegelt sich heute am deut­lichsten in ihren Versammlungen: dem nicht aus dem Meßformular, sondern den li­turgischen Gebeten gestalteten —> Gottes­dienst, der »Singstunde« am Samstagabend, in der sich die Gemeinde ein Bibelwort durch die Auswahl von Liedversen selbst auslegt, dem »Liebesmahl«, einem Wechsel von Gesang und Bericht bei Tee und Bröt­chen, den Leseversammlungen während der Karwoche und der Ostermorgenfeier auf dem Gottesacker, der —» Abendmahlsfeier mit gemeinsamen Genuß des Brotes als Zei­chen des einen Leibes Christi mit Betonung der Realpräsenz und der Erwartung des Kommens (—> Wiederkunft) Christi.

Lit.: Heinz Renkewitz (Hg.), Die Brüder-Unität, 1965 - M. P. van Buijtenen u.a. (Hg.), Unitas Fra- tum. Herrnhuter Studien, T975 ..

' y'} Meyer



Brüderversammlung Versammlung, christliche

Brunner, Emil, ‘23.12.1889 Winterthur,

  1. Zürich, Theologieprofessor in Zü­rich, nach seiner Emeritierung drei Jahre an der International Christian University in Tokio. B. war neben K. —» Barth u.a. Mitbe­gründer der »Dialektischen Theologie«. Sein Werk ist von den Reformatoren ebenso wie von Pascal, -> Kierkegaard, —> Blum­hardt beeinflußt. Er wollte den Ursinn der Selbstoffenbarung Gottes in —» Jesus Chri­stus in neuer Kraft und Klarheit erfassen und diese dem weithin entchristlichten Men­schen in verständlicher Form sagen. Da­durch bekam seine Theologie ausgespro­chen missionarischen Charakter. In seinem Schleiermacherbuch »Die Mystik und das Wort« wandte er sich scharf gegen die an­thropozentrische Theologie der frommen Erfahrung. Die »andere Aufgabe der Theolo­gie« soll sich als »Eristik«, Auseinanderset­zung, den Problemen der Zeit entgegenstel­len. Für B. ist —» Gott im absoluten Sinne Person. Die Gottebenbildlichkeit des Men­schen zeigt sich in seinem Personsein, das er auch durch die —> Sünde nicht verloren hat, sondern in dem er sich als »Mensch im Wi­derspruch« gegen Gott stellt. In der persona­len Begegnung zwischen dem göttlichen Du und dem frei antwortenden Menschen, in der »Wahrheit als Begegnung«, wird der Sünder angesprochen auf seine Gotteben­bildlichkeit. Diese Ansprechbarkeit ist der von Barth kritisierte »Anknüpfungspunkt«. Glaube ist Paradox, Wunder; er entsteht ob­jektiv als Anruf Gottes und subjektiv als Antwort des Menschen. Im »Mittler« Jesus Christus ist die Selbsthinwendung und -hin- gabe Gottes an die Menschen vollzogen.

B.s Ethik der Ordnungen ist in der Schöpfung Gottes begründet. Die Sozialethik steht un­ter dem Leitgedanken der »Gerechtigkeit«. So galt sein Kampf dem Totalitarismus brauner und roter Prägung, weil dieser das —> Gewissen gegenüber wahrer Verantwort­lichkeit abstumpft. - Die institutionali­sierte Kirche empfand er als »Missverständ­nis der Kirche«, denn sie ist personale Ge­meinschaft, geschaffen durch die Kraft des -» Geistes und geprägt vom Grundgesetz der —> Liebe und ist reale Gemeinschaft mit Christus. — Das Leben des Menschen ist »Sein zum Tode«. Durch Christus wird der Tod Durchgang zu einer neuen Dimension. Im Kommen des Christus in Herrlichkeit wird im Vergehen dieser Welt die letzte Trennung von Gott aufgehoben. - Die ganze Theologie B.s ringt mit dem Problem »Of­fenbarung und Vernunft«. Die Vernunft wird vom Offenbarungsglauben in Dienst genommen: nötig ist ein glaubendes Denken und ein denkender Glaube.

Lit.: E. Brunner, Erlebnis, Erkenntnis, Glaube, 193 5S - Die Mystik und das Wort, 19282 - Der Mittler, 19373 - Das Gebot und die Ordnungen, !9393 - Natur und Gnade, 1935 - Der Mensch im Widerspruch, 19654 - Wahrheit als Begegnung, 19632 - Offenbarung als Vernunft, r 9612 - Gerech­tigkeit, 1943 - Dogmatik I—III 1946-1960 - Das Mißverständnis der Kirche, 1951 - Das Ewige als Zukunft und Gegenwart, 1953- Gott und sein Re­bell, 1958-R. Roessler, Person und Glaube, 1965 - H. Leipold, Missionarische Theologie, 1974

Bolliger

Bruns, Hans, *7. 10. 1895 Stade/Elbe, f8.3.T97i Marburg/Lahn. Studium in Tü­bingen (-» Schiatter), Göttingen (C. Stange,

P. Althaus), Berlin; 1923 Gemeindepfarrer in Hollen/Ostfriesland; seit 1934 Mitarbeiter im —> Deutschen Gemeinschafts-Diakonie­verband. B., der erst als schon im Gemeinde­dienst bewährter Pfarrer auf einer Tagung der Gruppenbewegung [—> Marburger Kreis) zur persönlichen —» Heilsgewißheit fand, wurde durch diese Erfahrung ein seelsorger- lich zupackender —> Evangelist in Wort und Schrift. Weite Verbreitung fand besonders seine Bibelübertragung mit erläuternden Anmerkungen (Auflage T975: 450000). Sei­nen Dienst verstand er zunehmend als »•Ge­burtshilfe“ zur —> Wiedergeburt. Im Zu­sammenhang seiner vielen Evangelisations-






Hans Bruns


reisen sah er einen wichtigen Auftrag auch in der Seelsorge an Pfarrern (—> Pfarrer-Ge- bets-Bruderschaft, der er aktiv angehörte). Lit.: C. Georgi, H. B. - sehr direkt, 1974

Pagel

Buchman, Frank N. D., * 4.6.1878 Penns­burg, PA, USA, f 7.8.1961 Freudenstadt, lu­therischer praktischer Theologe. 1921 grün­dete er die Oxford-Gruppenbewegung, ab 1938 Moralische Aufrüstung genannt. Gegen die Aufrüstung der Weltmächte am Vorabend des Zweiten Weltkrieges setzte er die moralische und geistliche Aufrüstung (moral and spiritual re-armament of the na- tions, Eph 6,nff). 1902 ordiniert, besuchte er 1904 v. Bodelschwingh, -> Stoecker und das Rauhe Haus in Hamburg, r 908 machte er auf der —» Keswick-Konferenz die Erfahrung der Wirklichkeit des Gekreuzigten, 1909 Be­rufung als —» CVJM-Studentensekretär durch J. —> Mott, T9T6-22 Dozent für Seel­sorge und wiederholte Reisen nach China, 1930-37 Oxford-Konferenzen, ab 1946 vom Weltkonferenz-Zentrum Caux/Schweiz aus Einsatz für Versöhnung und gerechtere Ord­nung in Europa, Asien und Afrika im Licht der Reich-Gottes-Hoffnung.

Lit.: Th. Spoerri, Dynamik aus der Stille, 19712



  1. K. Hofmann

Buddeberg, Emst, *11.9.1873 Köln, t 9.1.1949 Bad Liebenzell. Student bei M. Kähler und A. Schiatter. Lehrer am —»Jo- hanneum; 1901 Pfarrer der ref. Gemeinde Heiligenhaus (Velbert); T908 Inspektor der —» Ev. Gesellschaft für Deutschland; 1914 Pfarrer der luth. Gemeinde Elberfeld;

1934-1946 Leiter der -» Liebenzeller Mis­sion. Verwurzelt im rheinischen Pietismus, geprägt von der Glaubensruhe des älteren -» Pietismus, betonte er vor allem die objekti­ven Grundlagen des Heils. In der Abgren­zung gegen die Pfingstbewegung leistete er durch das Referat »Wo fängt die Schwär­merei an?« (Gnadauer Konferenz 1910) ei­nen wesentlichen Beitrag. Verfasser zahlrei­cher Kleinschriften zur Vertiefung des Glaubenslebens.

Lit.: H. v. Sauberzweig, Er der Meister, wir die Brü­der, 19772 - A. Pagel, Sie wiesen auf Jesus, 1975.

Egelkraut

Büchsei, Carl, *2. 5. 1803 Schönfeld (Uk- kermark), 114.8.1889 Berlin, ev. Theologe. B. studierte in Berlin, vor allem bei —> Nean-

der und —> Hengstenberg. 1840 Superinten­dent in Brüssow, wo eine Erweckung ent­stand. 1846 Pfarrer an der Matthäuskirche in Berlin. 1853 General-Superintendent der Neumark. B. war ein eindrucksvoller und mutiger Prediger. Seine »Erinnerungen aus dem Leben eines Landgeistlichen« (1861) haben quellenkundlichen Wert. Außerdem wurden sie vielen Pfarrern eine Hilfe für eine am Evangelium ausgerichtete Amtspraxis.

Lit.: Erinnerungen eines Landgeistlichen, Neuaus­gabe 1966.

Rothenberg



Bülow, Gertrud von, *3.11.1880 Gnaden­berg bei Bunzlau (Schlesien), +26.5.1968 Remscheid. Nachdem B. anläßlich einer -» Evangelisation durch G. von -» Viebahn eine klare Entscheidung für Christus getroffen hatte, wußte sie: »Gott will mein Leben in seinem Dienst gebrauchen.« Sie begann mit einer Sonntagsschule. Die Familie verzog nach Rostock. Dort hatte Margarete von Oertzen, eine Verwandte der Bülows, eine umfangreiche Reichgottesarbeit für Kinder, junge Leute, Frauen und Familien aufgebaut. B. fand hier ein reiches Betätigungsfeld. Die­ses erweiterte sich noch, als sie in die Mitar­beit des —» Deutschen Frauenmissions-Ge- betsbundes gerufen wurde. Nach dem Tode von v. Oertzen wurde sie 1934 »Bundesmut­ter«. Viele Missionarinnen draußen und hunderte von Gebetskreisen in der Heimat hatte sie zu betreuen. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die Arbeit in der Bundes­republik wieder aufgebaut werden. So oft wie möglich, besuchte die Bundesmutter die Kreise in Westdeutschland. Auf einer sol­chen Reise ist sie heimgegangen.

Lit.: A. Pagel, Sie wiesen auf Jesus, 19783

Pagel

Bultmann, Rudolf, *20.8.1884 Wiefelste- de/Oldenburg, +30.7.1976 Marburg. Von der —> liberalen Theologie (W. Herrmann) her­kommend, schloß B. sich früh der dialekti­schen Theologie (K. -h> Barth) an. Seit 1921 war er Professor für NT in Marburg. Zu­sammen mit M. Dibelius (1883-1947) wurde er Begründer der »Formgeschichtli­chen Schule« (—> Bibel) in der Evangelienfor­schung. Weltweites Echo und harte kirchli­che Auseinandersetzungen (-» Bekenntnis­bewegung) rief sein 1941 formuliertes Pro­gramm der Entmythologisierung des NT hervor. Schüler B.s sind u.a. H. Braun






Rudolf Buhmann


(*1903), E. Fuchs (*1903), E. Käsemann (*1906), G. Ebeling (*1912), H. Conzelmann (*1915), W. Marxsen (*1919).



I. Theologie

  1. DAS VERHÄLTNIS DER HISTORISCHEN FOR­SCHUNG ZUR GLAUBENSERKENNTNIS: B. setzt die historische Forschung nicht wie die Li­beralen in ein geradliniges, sondern mit —> Kierkegaard in ein dialektisches Verhältnis zur Glaubenserkenntnis. Und er sieht nicht wie diese im Leben, sondern im Tod Jesu das Heilsgeschehen. Im Unterschied zum einfa­chen Gläubigen trennt er historische Wahr­heit und Glaubenswahrheit bis auf einen schmalen Rest: Das »Daß« des Gekommen­seins Jesu und seines Kreuzestodes muß hi­storisch sein. Das Wie und Was seines Le­bens und Sterbens ist dagegen für den Glau­ben unwichtig. Forschung und Glaube tre­ten auseinander. Erstere soll vor allem dem Glauben falsche Stützen nehmen. Histori­sche Sicherheit als Glaubensgrundlage wäre genau so verwerflich wie kath. Werkgerech­tigkeit.

  2. DAS HEILSGESCHEHEN AM KREUZ: B. sieht im Tode Jesu nicht Opfer und Sühne, sondern das befreiende Gericht Gottes über alle menschliche Eigenmächtigkeit. Ans Kreuz glauben heißt, seine Sicherheiten fahren las­sen und fortan aus dem Unverfügbaren, aus der göttlichen Gnade und Vergebung leben.

Es heißt, sich selber und der Welt sterben und so das Kreuz Jesu als das eigene über­nehmen.

  1. die ENTMYTHOLOGisiERUNC.: B.s 1941 er­schienener Aufsatz »Neues Testament und Mythologie« stand viele Jahre im Vorder­grund der deutschen theologischen Diskus­sion (vgl. die Bände Kerygma und Mythos, hg. von H. W. Bartsch). B. behauptet hier, die Heilsbotschaft werde im NT in mythischem Gewand vorgetragen und müsse heute neu interpretiert werden. Mythologisch nennt er eine Redeweise, in der Jenseitig-Göttliches als Diesseitig-Menschliches erscheint. Wie die darin auf Kant zurückgehende liberale Theologie bestreitet er ein im Raum der Welt und der Geschichte erkennbares Got­teshandeln.

  2. die existentiale Interpretation: In der ge­forderten Neuinterpretation des Evange­liums greift B. auf Gedanken des Philoso­phen Martin Heidegger (1889-1976) zu­rück: Zur menschlichen Existenz gehören bestimmte Grundbefindlichkeiten, sog. Exi­stentialien: Man weiß um seine Existenz, um ihre Verantwortung und Gefährdung. Man muß sich entscheiden, man kennt Sor­ge, Angst und Tod. Man kann sich selbst ver­lieren oder auch gewinnen. Das Evangelium ist nun so auf diese Existentialien hin auszu­legen, daß der Mensch von Christus her sich und seine Situation neu verstehen lernt. Im konkreten Fall wird dabei die existentiale Auslegung zur existentiellen.

II. Würdigung

Zu 1. B. hat darin Recht, daß der Glaube nicht aus historischen Beweisen entsteht. Aber anderseits baut er auf ein in der —» Ge­schichte verwurzeltes Wort. Darum kann historische Arbeit sehr wohl den Glauben festigen, klären und vertiefen, stand doch Je­sus als profilierte Gestalt in der Geschichte eines profilierten Volkes. Eine Sicht, die sich mit dem »Daß« begnügt, droht selber unge­schichtlich zu 'werden.

Zu 2. B. kann das Kreuz nicht verständlich machen. Das »Gericht« ergeht täglich über­all in der Welt, und der Mensch kann sich auch in einer philosophischen Bekehrung entschließen, aus dem Unverfügbaren und aus der »Gnade« zu leben. Im NT handelt es sich am Kreuz um die Sühne, die dieser eine Mensch, Jesus, für alle geleistet hat (Röm 4,25). Wie zum Gekreuzigten so findet B.

auch zum Auferstandenen kein eigentliches Verhältnis. Seine Formel, Jesus sei ins Wort der Predigt auferstanden, ist ganz unzutref­fend (-* Auferstehung).

Zu 3. B.s. Begriff des Mythos stammt aus der religionsgeschichtlichen Forschung, für die alles Jenseitig-Göttliche unter dieselbe Ka­tegorie fällt. Der Gott der Bibel aber kann da nicht untergebracht werden. Sein Handeln ist Wirklichkeit im Himmel und auf Erden. Deshalb muß man nicht nur die Entmytho- logisierung, sondern B.s Mythosbegriff überhaupt ablehnen.

Zu 4. Existentialien wie Schuld, Sorge, Ent­scheidungssituation können zum Verstehen des Evangeliums helfen. Sie können aber auch zu Mißverständnissen führen oder für die Botschaft überhaupt verschließen. Die Fixierung auf das Selbstverständnis des ein­zelnen bringt zugleich eine Verengung mit sich, die den Blick für die soziale und kosmi­sche Dimension der biblischen Botschaft verschließt.

Lit.: B., Glauben und Verstehen, Bd I - IV, 1933-65 - Uber B.: W. Schmithals, Die Theologie R.B.s., 19672 — K. Barth, R.B., Ein Versuch, ihn zu verste­hen, 1953 - O. Rodenberg, Um die Wahrheit der Hl. Schrift, 19664 - F. Flückiger, Existenz und Glaube, 1966 - K. Bockmühl, Atheismus in der Christen­heit, 1969

H Schmid


Bunsen, Christian Carl Josias, Freiherr von, *25.8.1791 Korbach, f20.11.1860 Bonn, preußischer Diplomat in Rom, Bern und London mit vielen wissenschaftlichen Interessengebieten, Laientheologe. B. schuf für die von ihm gegründete ev. Gemeinde in Rom die Liturgie und später nach engli­schem Vorbild das »Allgemeine ev. Gesang- und Gebetbuch«. Als Vertrauter —> Friedrich Wilhelms IV (Briefwechsel hg.v.L. Ranke) brachte er 1841 in Verhandlungen mit Eng­land das preußisch-englische Bistum von Je­rusalem zustande. Er trat für Gewissens­und Glaubensfreiheit ein und verteidigte ge­genüber Stahl die Preußische Union. Statt einer »Geistlichkeits-« wollte er eine »Ge­meindekirche«. Die Konferenz der ev. —» Al­lianz in Berlin 1857 unterstützte er sehr. Seine letzte Arbeitskraft widmete er dem von ihm geplanten »Bibelwerk für die Ge­meinde«.

Lit.: E. Geldbach, Reform der Kirche, Zeitschr. f. Religions- und Geistesgeschichte, 27, 1975, S. 153 -165

Geldbach

Busch, Johannes, *11.3.1905 Wuppertal, i 14.4.1956. Aufgewachsen in Frankfurt/M. Theologiestudium in Bethel, Tübingen, Ba­sel, Münster. 1930 Pfarrer in Witten/Ruhr. 1933 aktives Mitglied der »Bekennenden Kirche« (—* Kirchenkampf). Seitdem auch Landesjugendpfarrer von Westfalen und Bundeswart des Westdeutschen Jungmän­nerbundes (—> CVJM). Er wirkte auf zahllo­sen Reisen im In- und Ausland durch Predig­ten, Vorträge, Evangelisationen, Rüstzeiten besonders unter den Jugendlichen. Entspre­chend seiner Herkunft aus dem —> Pietismus war für seine Verkündigung charakteri­stisch: der »Respekt vor der Bibel«, das Be­kenntnis zum »Sünderheiland«, eine Hal­tung, die sich selbst in Zucht nimmt, dem Bruder aber Erbarmen zeigt, das »allgemeine —» Priestertum der Gläubigen« und »bren­nender missionarischer Eifer«. Auf einer Dienstfahrt tödlich verunglückt.

Werke: Ausländer auf Befehl, 1953 - »Stille Ge­spräche«, 19769

Über B.: Wilhelm Busch, J. B. Ein Botschafter Jesu Christi, 1956

Busch


Busch, Wilhelm, *27.3.1897 Elberfeld,

  1. Lübeck (Bruder des vorigen). Geistliche Wurzeln (über den Vater Dr. W. Busch) im rheinischen und (über die Mutter) im schwäbischen —» Pietismus. Im 1. Welt­krieg Kriegsfreiwilliger. Durchbruch zur persönlichen —» Heilsgewißheit. Nach dem Krieg Theologiestudium in Tübingen (A. —> Schiatter, K. -^Heim). Von 1924-62 Pfarrer in Essen, zunächst in einer Bergarbeiterge­meinde, seit 1930 als Jugendpfarrer im Weiglehaus. Im 3. Reich wurde B. wegen seines kompromißlosen Einsatzes für seine Jugendarbeit verfolgt (dreimal inhaftiert). Seit 1948 gab er dem Pietismus eine kämpfe­rische Stimme als Schriftleiter des weitver­breiteten Monatsblattes »Licht und Leben«, leitete die —» Tersteegen-Konferenz, hielt im In- und Ausland Evangelisationen und wurde vor allem als Schriftsteller bekannt. Er veröffentlichte noch heute immer wieder neu aufgelegte Andachtsbücher, Bibelarbei­ten und Predigten, und schrieb Erzählungen und Biographien, darunter besonders origi­nell die autobiographischen »Plaudereien in meinem Studierzimmer«. Sein Leben war geprägt von dem mit Leidenschaft ergriffe­nen Auftrag, Menschen mit Jesus bekannt




Wilhelm Busch


zu machen. B. starb auf der Rückreise von einem evangelistischen Dienst in der DDR.

Lit.: W. B., Verkündigung im Angriff. Gesammelte Aufsätze über Jugendarbeit, Kirche, Theologie und Pietismus, 1968 -

Über B.: U. Parzany, Im Einsatz für Jesus. Pro­gramm und Praxis des Pfarrers W. B., 1973

Lipps

Buß- und Bettag -> Feste Buße -» Bekehrung, -» Beichte

Bussemer, Konrad, *19. 3. 1874 Eber- bach/Neckar, t 16. 12. 1944 Wuppertal, Pre­diger, Theologischer Lehrer. Obwohl er während seiner Schulzeit im Gymnasium vom christlichen Glauben nichts wissen wollte, fand er kurz vor dem Abitur während einer Verkündigungswoche zur persönli­chen Christusnachfolge. Seine theologische Ausbildung erhielt er an der Ev. Prediger­schule Basel. Er war Prediger der —> Freien ev. Gemeinden in Homberg/Niederrhein, Langendreer, Lüdenscheid und Köln. Durch seine Lehrtätigkeit an der Predigerschule Vohwinkel (1929-1939), seine Vortragstä­tigkeit, theologische Artikel und sonstige Publikationen hatte er wesentlichen Einfluß auf die neuere Geschichte der Freien ev. Gemeinden.

Lit.: Die Gemeinde Jesu Christi, 19051, 19686

Hörster

c


Calvin —> Reformation Campingmission -> Volksmission II Campus für Christus -> Studentenarb. IV

Casteller Ring

Die Communität Casteller Ring (CCR), 1950 von Christel Schmid und Maria Pfister in Castell/Unterfranken gegründet, gehört zu den neueren ev. -» Bruder- und Schwe­sternschaften. Das geistliche Zentrum ist seit 1957 Schloß Schwanberg bei Rödelsee. Die CCR versteht sich bewußt als Glied der —> Volkskirche und zugleich - nach dem Ni- caenum - als Teil der »Einen, Heiligen, Ka­tholischen und Apostolischen Kirche«-. »Frei für Gott und das Kommen Seines Rei­ches und für den Dienst in der Welt«« ist der Grundgedanke allen Lebens und Arbeitens. So lebt die CCR nach Apg 2,42 aus dem täg­lichen Umgang mit dem Wort Gottes und dem häufigen Empfang des —> Abendmahls. Das viermalige Stundengebet und die per­sönliche stille Zeit ordnen den Tag in Lob und Anbetung Gottes; daneben steht der re­gelmäßige Dienst der Fürbitte für Kirche und Welt. Die CCR lebt nach den 3 ev. Rä­ten: Sie versteht die Gütergemeinschaft um­fassend als Gemeinschaft des Teilens aller materiellen, geistigen und geistlichen Gü­ter; die frei gewählte Ehelosigkeit, die die Freiheit zur größeren Verfügbarkeit gibt, ist praktizierbar, weil im DU Christi die Erfül­lung erfahren wird; der mündige Gehorsam schließt die Bereitschaft ein, den eigenen Willen unter den Willen Gottes zu stellen und die Gemeinschaft der Schwestern als gottgewiesenen Ort christlicher Existenz­verwirklichung bleibend zu bejahen. Die CCR will damit eine Möglichkeit der Chri­stusnachfolge verwirklichen und sieht in diesem Weg eine volle Lebenserfüllung. Aufgaben: 1. Die Tagungsstätte Schloß Schwanberg, 2. Das Vorseminar für Soziale Frauenberufe mit Schule und Internat, 3. Konfirmandentage und -Wochenenden, Schüler- und Jugendtreffen, 4. Meditations­tagungen, Tage der Besinnung, Einzelretrai- ten und Familienferien, 5. Außenstationen in einem Kindergarten, in der Jugend- und

Mütterarbeit umliegender Pfarreien, in einer Sozialstation und im Krankenhaus.

Lit.: Joh. Halkenhäuser, Kirche und Kommunität, 1978 - Schwanbergbrief (zweimonatlich)

Meili


Chalmers, Thomas *17.3.1780 Anstru- ther, f31.5.1847 Edinburgh. Durch Bibellek­türe und die Schriften von Butler und Wilberforce zum Christentum bekehrt, be­kämpfte er als machtvoller Prediger in Glas­gow die der Industrialisierung folgende Ar­mut durch ein System der Selbsthilfe von einzelnen, Familien und Gemeinden und belebte so die alte reformierte Sozialpraxis. Er wirkte auch auf die christliche Liebestä­tigkeit in Preußen ein (—► Bunsen, —► Wi­ehern, —» Fliedner). Sein reformerischer Eifer stand aber im Schatten von sozialen Utopi­sten (Robert Owen). C. wurde 1813 Professor der Ethik und Theologie in St. Andrews und 1827 in Edinburgh, wo die Freiheit der Ge­meinden sein zweites bedeutendes Anliegen war. Als der seit 1834 geführte Kampf um das Recht der Patronatsgemeinden auf Pfarrwahl aussichtslos erschien, verließ C. 1843 mit 203 Synodalen die Generalsynode und gründete die schottische —> Freikirche. Er sorgte tatkräftig für ihre wirtschaftliche Sicherung und gründete das New College in Edinburgh, dessen Rektor er wurde.

Lit.: Orig. Works, 25 Bd., 1848/49 - Posthumous Works, 9 Bde., o. J., - Memoirs of T.C., 4 Bde., 1848-52 - Uber C.: K. Holl, Gesammelte Aufsät­ze: Der Westen 1928,404-436 - H. Watt, T.C. and the Disruption, 1943

Obendiek

Charismatische Bewegung



  1. Die C.B. wird so genannt, weil sie die —> Charismen (GnadengabenJ wie —» Zungen­reden, —> Prophetie und —» Krankenheilung übt und in den historischen Kirchen zu de­ren Wiederentdeckung anleiten will. Sie wird deshalb auch charismatische Erneue­rung, gelegentlich auch Neo-Pfingstbewe- gung, genannt.

  2. Geschichte. Der Ursprung der C.B. ist dem Einfluß der —» Pfingstbewegung auf die traditionellen Kirchen zuzuschreiben. Ge­

burtsdatum und -ort: 3.4.1960 in Van Nuys (Kalifornien), wo Episkopal-Rektor Dennis Bennett in einer Predigt bezeugte, er habe die —» Geistestaufe mit der Gabe des Zungenre­dens erhalten. Nach ihm wurden 700 Ge­meindeglieder »im Hl. —» Geist getauft» und erhielten »Wundergaben«. Time, News­week und Fernsehen verbreiteten die Nach­richt. In der luth. Kirche machte Larry Chri- stenson die gleiche Erfahrung. Die Bewe­gung verbreitete sich rasch in den anglikani­schen, luth. und ref. Kirchen der ganzen Welt. 1966 sprang sie auf die —» kath. Kirche über, als Professoren und Studenten in Pitts­burgh die Bücher von Sherrill und Wilkerson entdeckten. Der Papst, etliche Kardinale und viele Bischöfe befürworteten sie damals. In Deutschland wurde sie nach 1963 inner­halb der ev. Kirche durch Pfr. A. Bittlinger verbreitet (Schloß Craheim in Bayern).

  1. Merkmale. Schwerpunkt der Bewegung ist die Geistausgießung, die man normaler­weise durch —» Handauflegung in einer Ge­betsversammlung erhält, und die von Zun­genreden begleitet wird. Nach katholischer Auffassung »befreit und aktualisiert sie die Kraft des Hl. Geistes, der schon seit der —» Taufe in uns wohnt«. Die meisten angel­sächsischen Theologen der C.B. übernah­men die pfingstkirchliche Lehre von der —> Geistestaufe als erstmaligem Empfang des Hl. Geistes - oder der Geistesgaben, oder Geistesfülle - nach der —» Bekehrung. Sie wirkt Gebetsfreudigkeit, Liebe zur Hl. Schrift (—» Bibel), Bindung an die Kirche, Missionseifer und verleiht Geistesgaben (Zungenreden, Prophetie, Geisterunter­scheidung, Heilung). Die C.B. unterscheidet sich von der Pfingstbewegung durch weniger festgefügte Lehre und Verzicht auf Bildung eigener Gemeinden: die Anhänger der C.B. werden aufgefordert, in ihrer Kirche zu blei­ben.

  2. positive Aspekte a) Bekehrungen in Krei­sen, die der evangelikalen —> Evangelisation in der Regel unzugänglich waren (kath. Kle­rus, traditionelle Kirchen), b) Eingliederung in eine Gemeinschaft, in welcher der Neu­bekehrte betreut wird und durch gemeinsa­mes —> Gebet, Bibellesen, Belehrung und Dienst wachsen kann, c) Pflege des christo- zentrischen Gebets und Lobpreises, d) Wechselseitige Bereicherung von Christen aus verschiedenen kirchlichen Traditionen,

  1. Zeugnisbereitschaft, durch die die C.B.

schnell anwuchs. f) Evangelikale Schat­tierung der Theologie der C.B. »auf Jesus hin orientiert« (Kard. Suenens), sowie auf eine persönliche Beziehung mit ihm und ein Emstnehmen des Wortes Gottes, g) Wieder­entdeckung vergessener Werte: Vertrauen auf den Hl. Geist und alle seine Gaben.

5. schwächen und gefahren a) Erfahrungs- theologie, die mehr auf dem Erlebnis als auf der Schrift fußt, b) Vielfach: Pfingstkirchli­che Lehre der Geistestaufe als zweite — durch Zungenreden gekennzeichnete - Heils-Erfahrung, c) Überbewertung der Wundergaben, besonders des Zungenredens.

  1. Unterschätzung der biblischen Lehre durch Gleichbewertung der unterschiedli­chen kath. und protestantischen Dogmen.

  2. Unklare Ekklesiologie durch Einfügung der C.B. in das volkskirchliche Gemeinde­bild. f) Isolationismus der »Geistesgetauf- ten«. g) Spaltungen in Kirchen und Gemein­den. h) Gefühlsüberschwang in vielen Gruppen.

Trotz aller Schwächen und Gefahren bleibt die C.B. eine Herausforderung an Kirche und Gemeinschaft und zwingt zur Neubesin­nung auf die biblischen Grundlagen der Lehre vom Hl. Geist.

Lit.: S. Großmann, Haushalter der Gnade Gottes. Von der charismatischen Bewegung zur charisma­tischen Erneuerung, 1977—A. Kuen, Die charisma­tische Bewegung, 1976

Kuen


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