Evangelisches Gemeindelexikon



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Gemeinschaft

Christen sind von Gott »berufen zur G. mit seinem Sohn Jesus Christus« (iKor 1,9). Diese Christusgemeinschaft prägt ihr Leben (vgl. Röm 6,6.8; 8,17; Kol 2,12; 2Tim 2,11 f; 1 Pt 4,13). Sie wird auch verwirklicht und er­lebt im —> Abendmahl (iKor 10,16-21). Ihre volle Verwirklichung findet diese G. im —> Reiche Gottes. So wie die Glieder der Ge­meinde am Tisch des Herrn vereinigt sind, so werden sie in Ewigkeit beieinander sein (Offb 19,9).

Die G. mit dem Vater und dem Sohn begrün­det auch die G. der Gläubigen untereinander (1 Joh 1,3-7): —» Sünde zerstört G. Deshalb muß Sünde bekannt werden. Das kann in der —> Beichte geschehen. Beichte ist »der Durchbruch zur Gemeinschaft« (D. —» Bon- hoeffer). Die G. (griech. koinönia) ist nach dem NT nicht nur ein Anteilhaber?, sondern auch ein Anteilgeben (z.B. durch finanzielle Unterstützung, Röm 15,26; 2Kor 8,4; 9,13). Die ntl. G. ist die Einheit von Christusge­meinschaft im Glauben und Bruderschaft in der Liebe (vgl. Apg 2,42; 4,32-37): Der Hei­lige —» Geist verwandelt eigen-nützige Men­schen in gemein-nützige, ich-bezogene in gemeinschafts-fähige Menschen. Dabei läßt der Geist Gottes sie als einzelne leben und bewahrt sie doch vor dem Individualismus, er fügt sie zu einer G. zusammen und läßt sie doch nicht im Kollektiv versinken.

Lit.: Theol. Begriffslexikon zum NT, Bd. I, 1967, S.

Breymaier

Gemeinschaftsbewegung



I Wesen der G.

Mit G. wird der pietistische Neuaufbruch in den ev. Landeskirchen Deutschlands im



letzten Drittel des 19. Jh.s bezeichnet, in dem eine neue Verantwortung für die Ver­kündigung des Evangeliums vornehmlich für die vom pfarramtlich geordneten Dienst der Kirche nicht erreichten Menschen er­wachte und eine neue Form der Sammlung und Betreuung sowie des gemeinsamen Le­bens derer, die zum Glauben gekommen sind, sich ausprägte. Der größte Teil der nach Prägung und Geschichte sehr unter­schiedlichen innerkirchlichen G. schloß sich im »Deutschen Verband für Gemein­schaftspflege und Evangelisation« zusam­men, nach dem Ausgangsort der Gnadauer Konferenzen kurz —> Gnadauer Verband ge­nannt. Das kirchliche Leben im deutschen Protestantismus wurde von dieser Bewe­gung nachhaltig geprägt. Kennzeichnende Merkmale der G. sind: a) der Ruf zur —» Be­kehrung als der einmaligen Umkehr des Menschen aus dem Unglauben zum Glau­bensgehorsam aufgrund des Heilsangebotes im Evangelium, welche die tägliche Bußhal­tung nicht ausschließt, aber von ihr unter­schieden wird; b) die Lehre von der —> Wie­dergeburt als das Werk des Heiligen —> Gei­stes (nicht als besonderer Akt von der Bekeh­rung zu Gott abgehoben), durch das der Mensch in den Stand der Gotteskindschaft versetzt wird; c) die durch die Gotteskind­schaft begründete Bruderschaft der Glau­benden, die sich in gemeinsamer Schriftbe­trachtung, im Gebet und im Dienst des Zeugnisses und der Liebe betätigt; d) die Be­deutung des persönlichen und gemeinsamen —» Gebets; e) die Forderung des Bruchs mit der Vergangenheit und der Nachfolge im Gehorsam des Glaubens, der —» Heiligung, die im reformatorischen Sinn in schriftge­mäßer Beziehung zur -» Rechtfertigung ver­standen wird; f) die Beteiligung der Laien an der Wortverkündigung und die Aktivierung aller Glieder zum Einsatz in der Reichsgot­tesarbeit; g) Anerkennung der ganzen Heili­gen Schrift und der reformatorischen Be­kenntnisse ohne starre konfessionelle Ab­grenzung. I 1) die Heilige Schrift als Formalprinzip des Glaubens und Lebens (sola scriptura); 2) das Materialprinzip der Reformation: Rechtfer­tigung des Sünders aus Gnaden durch den Glauben [sola gratia, sola fiele); 3) die Beto­nung der —> Heilsgewißheit; 4) das —» Prie­stertum aller Gläubigen; 5) die 3. Weise des Gottesdienstes nach Luthers »Deutsche Messe und Ordnung des Gottesdienstes«: »Diejenigen, so mit Ernst Christen sein wol­len und das Evangelium mit Hand und Mund bekennen, müßten mit dem Namen sich einzeichnen und irgendwo in einem Haus allein sich versammeln zum Gebet, zu lesen, zu taufen, das Sakrament zu empfangen und andere christliche Werke zu üben . . .«. b) Mit der Bezeichnung der G. als »Neupie­tismus« wird ausgedrückt, daß die G. nicht nur im —»■ Pietismus wurzelt, sondern diesen in ihrer zeitgeschichtlichen Situation fort­setzt. In einigen Teilen Deutschlands haben Gemeinschaften aus der Zeit des Pietismus den Rationalismus überdauert und münde ten in die moderne G., besonders die —> »alt- pietistischen Gemeinschaften« in Würt­temberg. c) Als weitere Wurzel der G. ist die —> Erweckungsbewegung in der ersten Hälfte des 19. Jh.s zu nennen. Auch aus die­ser führten direkte Linien in die moderne G. hinein, d) Neben diesen deutschen Wurzeln der G. sind die Anregungen zu erwähnen, die sie aus dem englisch-amerikanischen Raum empfangen hat: v. a. die im amerikanischen —» Methodismus wurzelnde, u.a. durch —» Finney und -» Moody bestimmte —► Heili­gungsbewegung (Konferenzen in Oxford 1874 und Brighton 1875; Vortragsreise von

R. P. Smith in Deutschland; —> Keswick- Konferenzen ab r 87 5). Diese Einflüsse haben neben der Stärkung des Einheitsbewußt­seins, mancher erneuernden Belebung und den Anstößen zur Massenevangelisation auch die perfektionistischen Abirrungen in der G. in den Jahren 1904-1909 im Gefolge gehabt. Von nachdrücklichem Einfluß auf die entstehende G. waren auch die Evangeli­sationen des Deutschamerikaners F. von —» Schlümbach in Deutschland (1882). e). Als Erbe der Reformation, des Pietismus und der Erweckungsbewegung hat die G. deren An­liegen in ihrer Zeitsituation aufgenommen. Diese war bestimmt durch die —> liberale Theologie, den Kulturprotestantismus und die Entkirchlichung der Masse der Indu­striearbeiter. Wegen unzureichender Er­kenntnis der sozialpolitischen Ursachen für die Entkirchlichung der Massen kam es trotz praktischer Berührungspunkte und Ge­meinsamkeit in der geistlich-theologischen Ausrichtung nicht zur Zusammenarbeit der



  1. mit den christlich-sozialen Bemühungen (A. —» Stoecker.)

i. ENTSTEHUNG UND GESTALTWERDUNG. Im letzten Drittel des 19. Jh.s erstarkte das Ge­meinschaftswesen in Deutschland und brei­tete sich rasch aus. a) Im Westen wirkten vor allem die —» Ev. Gesellschaft und Gemein­schaften Tersteegenschen Ursprungs, der re­formiert geprägte —» Reisepredigt, Verein für im Siegerland (T. Siebei, J. G. Siebei) sowie der Ev. Brüderverein und die Neukir- chener Mission, die auf Allianzebene arbei­teten. In Württemberg waren vor allem die Altpietisten in ihrer stillen, offenen Ge­meinschaftsarbeit rührig. Die —> Hahn'schen und Pregizerianer (—» Pregizer) lehnten, wie in Ostpreußen die aus dem li­tauischen Altpietismus stammenden Kuka- tianer (Ostpreußischer —» Gebetsverein), die neue Bewegung ab. In Berlin hat die Evange­lisationstätigkeit von Schlümbachs die G. angefacht. Es entstanden die Michaelsge­meinschaft unter Graf E. v. —> Pückler und der —* CVJM unter E. v. —> Rothkirch. Im Osten fand sie ein starkes Echo durch Th. —> Jellinghaus, durch die von —» Chrischona (C.

  1. > Rappard) entsandten Brüder und durch den —> »Reichsbrüderbund« (1878 von J. —» Seitz und M. Blaich gegründet). In Pommern gewann J. —> Paul besondere Bedeutung für die Bewegung, in Westpreußen die Pastoren

  1. —» Blazejewski und Th. —» Krawielitzki. In Schlesien setzte sich Major v. d. Oelsnitz für die G. ein, ferner P. J. —> Lepsius und Prediger E. Edel. In Schleswig-Holstein arbeitete der Verein für Innere Mission unter tatkräftiger Leitung J. v. —» Oertzens in guter Verbindung zur Kirche. In Hamburg wurde die Arbeit v. Oertzens im CVJM zum Mittelpunkt sowie die Gemeinschaft unter J. —> Röschmann. Erst später gewann die Bewegung auch Raum in Westfalen (W. —» Michaelis, E. —» Lohmann, Budde, Dammann), Hannover (Graf M. v. -> Korff, P. Oehlkers, Gräfin Waldersee, L. Thimme) und in Mittel­deutschland, wo Sachsen (anfangs unter —> Dietrichs Einfluß) zu einem Musterland der

  2. wurde und in Thüringen die —> Blanken- burger Allianz-Konferenz für die G. beson­dere Bedeutung erhielt. — Gleichzeitig ent­faltete sich die Arbeit der —> Evangelisation.

Ihr Pionier in Deutschland war E. —> Schrenk. 1884 entstand in Bonn der Deut­sche -» Evangelisationsverein (Th. Christlieb, J. v. Oertzen, E. Schrenk), der 1886 die Evangelistenschule —> Johanneum in Bonn gründete (ab 1893 in Barmen). Als freie Evangelisten arbeiteten u.a. E. Schrenk,

  1. H. Rappard und die Pastoren Dammann, J. Paul, E. Lohmann, S. -> Keller, W. Michaelis und E. —» Modersohn. Anfang dieses Jh.s gründete J. -> Vetter die Deutsche -> Zelt­mission, die allerdings auf Allianzbasis ar­beitete. - Bis in die frühen Jahre reicht der Beginn der Gemeinschaftsdiakonie zurück. Schon bald wurden Schwestern- und Brü­derhäuser gegründet zur Ausbildung der Mitarbeiter in Gemeinschaftspflege, Evan­gelisation und —» Diakonie (vgl. Tabellen zu -» Gnadauer Verband), b) Das ausgeprägte Gemeinschaftsbewußtsein drängte auf Ver­bindung und Zusammenschluß. Schon früh bildeten sich provinziale Brüderräte, die zu Glaubenskonferenzen einluden. Die Ge­samtbewegung fand ihren Sammelpunkt in der »Gnadauer Pfingstkonferenz«, die zum ersten Mal 1888 nach Gnadau bei Magde­burg einberufen wurde und von 142 Teil­nehmern (68 Theologen und 74 Laien) be­sucht war. Aus ihr ging 1890 unter J. v. Oert­zen das »Deutsche Komitee für ev. Gemein­schaftspflege« hervor. 1894 wurde unter Einbeziehung der Evangelisation in die Ziel­setzung das »Deutsche Komitee für ev. Gemeinschaftspflege und Evangelisation« gegründet. Oktober 1897 fand dieser Zu­sammenschluß seine endgültige Form im »Deutschen Verband für ev. Gemein­schaftspflege und Evangelisation«. Die Sat­zung dieses Verbandes erkannte den ange­schlossenen Verbänden Selbständigkeit und Eigenverantwortung zu. Der Verzicht auf ein verfassungsmäßiges Führungsrecht der Verbandsleitung ermöglichte es, daß die G. trotz ihrer geschichtlich, kirchlich und in der Lehrbildung unterschiedlichen Zusam­mensetzung auch in kritischer Zeit nicht auseinanderbrach. Die Verhandlungsfüh­rung geschieht nicht in systematisch-theo­logischer Durchdringung der Fragen, son­dern in brüderlich-geistlicher Besprechung, in der Zeit für das —» Gebet bleibt und Min­derheiten nicht majorisiert werden sollen. Vorsitzende des Verbandes waren: bis 1904 E. v. Pückler, 1906-1911 und 1919-1953 D. W. Michaelis, 1911-1919 D. Th. —> Haar­beck, 1953-1971 H. Haarbeck, ab 1971 K. Heimbucher, Nürnberg, c) Die im Gnadauer Verband zusammengeschlossene G. hat seit ihrer Gründung ihren Standort in der Kirche eingenommen bei Wahrung voller Selbstän­digkeit. Durch Einflüsse der interdenomina- tionellen —> Heiligungsbewegung, durch darbystisches Gedankengut (-» Darby, —» Versammlung) durch die auf Allianzebene arbeitenden Werke und vor allem durch die von Wales ausgehende Erweckungsbewe­gung (R. A. —»Torrey, E. Roberts) kam man­cherlei Unsicherheit in die grundsätzlich innerkirchliche Stellung der Gnadauer G. Im Ganzen blieb die G. ihrer Haltung treu trotz praktischer Konflikte und theologi­scher sowie konfessioneller Gegensätze. Selten war die Abkehr einer Gemeinschaft von diesem Grundsatz; die bedeutendste war die Trennung der Gemeinschaft am Holstenwall, Hamburg, unter -» Heitmüller (1934), die sich den -» Freien ev. Gemeinden anschloß.

v Krisen der G. a) 1907 kam die -* Pfingstbe- wegung über Norwegen nach Deutschland und führte die G. in eine schwere Krise. Die radikalen Konsequenzen der —» Heiligungs­bewegung (-» Perfektionisinus, -» Geistes­taufe), die Erweckung von Wales und das vorangegangene Abdrängen der Herausfor­derung zu stärkerer theologischer Verant­wortung (—> Lepsius, Eisenacher Bund) bahn­ten den Weg zur Aufnahme und raschen Ausbreitung der Pfingstbewegung besonders im Osten und in der jüngeren G. Dagegen stellten sich vor allem die altpietistischen Gruppen. Die Auseinandersetzung mit der Pfingstbewegung und ihre Abwehr erfolgte zögernd, weil man sich nur schwer von den Brüdern trennen konnte und noch eine »Ge­sundung« der Bewegung erhoffte. Eine starke neutrale Gruppe verhinderte die schnelle Abgrenzung. Erst im Juli 1909 wurde in einer durch Michaelis, v. —> Vie- bahn, Seitz, Wittekindt und —> Stockmayer einberufenen Sitzung verantwortlicher Gnadauer und maßgeblicher Brüder der —> Allianz mit der sog. -» »Berliner Erklärung« (I) (56 Unterschriften) die Ablehnung der Pfingstbewegung ausgesprochen. In Gnadau wurde 1910 die Trennung von der Pfingst­bewegung beschlossen. Die »Neutralen« trennten sich nach weiteren Vermittlungs­versuchen im Januar 1911 von der Pfingst­bewegung. Dieser Schnitt brachte empfind­liche Verluste, andererseits wirkte er sich klärend in der Gnadauer G. aus. - Seit der Trennung, zunehmend nach dem 2. Welt­krieg, wurde der Gnadauer Verband seitens der Pfingstbewegung zur Revision seiner Stellungnahme aufgefordert, ohne daß seine Haltung dadurch erweicht wurde. Eine An­näherung zwischen Gnadau und der gemä­ßigten »Mülheimer Richtung« scheiterte daran, daß Gnadau an der konsequenten Verwerfung der Weltpfingstbewegung fest­hielt, während der Mülheimer Verband es ablehnte, sich von dieser zu trennen. Seit der Aufnahme von Pfingstkirchen in den Oekumenischen Rat (-> ökumenische Be­wegung) und durch den wachsenden Einfluß der Pfingstler im —> evangelikalen Raum ge­rät der Gnadauer-Verband in seiner Stel­lungnahme zur Pfingstbewegung mehr und mehr in eine Minderheit und unter wach­senden Druck. Er schreibt jedoch seinen in der Geschichte gewonnenen Erkenntnissen über die Pfingstbewegung bleibende Bedeu­tung für die Gegenwart zu. b) Eine weitere Krise kam über die G. durch die kirchenpolitischen Maßnahmen des Na­tionalsozialismus. Die Aufforderung zum Anschluß der G. an die Glaubensbewegung Deutscher Christen (—» Kirchenkampf) wurde bereits im Juni 1933 abgewiesen. Im Dezember 1933 konnte Michaelis den Gna­dauer Vorstand nach grundsätzlich-theolo­gischer Auseinandersetzung mit der Glau­bensbewegung zur eindeutigen Stellung­nahme gegen diese bewegen. Infolge des Vorstandsbeschlusses vom Nov. 1934, nach dem eine andere Haltung »mit der Mitglied­schaft im Gnadauer-Verband nicht verein­bar ist«, trennten sich ein großer und ein kleiner Gemeinschaftsverband von Gnadau. Viele Gemeinschaften bes. im Rheinland und die ostpreußischen Verbände arbeiteten eng mit der Bekennenden Kirche zusam­men. Gnadau schloß sich im Nov. 1934 der »Arbeitsgemeinschaft der missionarischen und diakonischen Werke und Verbände in der DEK« an, die unter Fr. v. Bodel- schwingh d.J. in der Bekenntnisfront stand.

4.dieg. nach 1945. Der Zusammenbruch 1945 brachte der G. große Verluste im Osten. An­dererseits bewirkte die Umschichtung der Bevölkerung durch Flucht und Evakuierung vielerorts Neubelebung und Gemein­schaftsneugründungen. Nach der Bedrük- kung im 3. Reich blühte die G. neu auf. - Die

  1. sieht sich in jüngster Zeit umgeben von einer wachsenden Zahl geistesverwandter neuer Erweckungsträger, die jedoch wenig oder gar keine Verbindung zur G. suchen. Der Deutschen Ev. Allianz gehören Ver­antwortungsträger der Gnadauer G. als Mit­glieder an. Die G. arbeitet in deren evangeli- stischen Aktionen aktiv mit. Doch muß sie diesen gegenüber zunehmend ihr Selbstver­ständnis als imierkirchliche G. behaupten. Ihr Verhältnis zur Kirche wird erschwert durch die Entwicklung in Theologie und Verkündigung innerhalb der ev. Kirchen, durch den Weg der Oekumene und den Strukturwandel in der Mission. Infolge der hierdurch bedingten Auseinandersetzungen erwachsen der G. im Blick auf ihre inner­kirchliche Stellung auch intern Probleme. Wegen ihrer intensiven betreuenden Arbeit in Verkündigung und -»Seelsorge (Gemein­schaftspflege) und ihres opferbereiten Ein­satzes in missionarischen Aktivitäten (Evangelisation) bleibt die innerkirchliche

  1. ein wesentlicher Faktor in den ev. Lan­deskirchen.

Lit.: P. Fleisch, Die moderne G. in Deutschland, I,3 1912, II/13 1914 - A. Roth, 50 Jahre Gnadauer Ge­meinschafts-Konferenz, 1938 - W. Michaelis, Er­kenntnisse und Erfahrungen aus sojährigem Dienst am Evangelium, 1949 - P. Fleisch, Die Pfingstbewegung in Deutschland, 1957 - H. v. Sauberzweig, Er der Meister - wir die Brüder, Ge­schichte der Gnadauer G. 1959 (Lit.) - H. Haar­beck/A. Pagel, Eine offene Tür, 1963 - H. Haar­beck, Laß dir an meiner Gnade genügen, 1965 - E. Beyreuther, Kirche in Bewegung, Geschichte der Evangelisation und Volksmission, 1968 - E. G. Rüppel, DieG. im Dritten Reich, 1969 (Lit.)-J. Oh- lemacher, Die G. in Deutschland, Quellen zu ihrer Geschichte 1887-1914, 1977 -D. Lange, Eine Be­wegung bricht sich Bahn, r979 Paschko

Gemeinschaftswerk der Ev. Publizistik

Gegründet 1973 von —» EKD, VELKD, —» EKU, 15 Landeskirchen, 5 kirchlichen Wer­ken und Verbänden (»Väter«: Rudolf Wee- ber, Robert Geisendörfer, Eberhard Stamm­ler) zur Wahrnehmung und Förderung pu­blizistischer Aufgaben im Bereich der EKD Arbeitszentrum in Frankfurt (90 Mitarbei­ter, Etat 1978: 9 Millionen DM, Direktor: Dr. Norbert Schneider) mit 7 Fachbereichen:


  1. > Ev. Pressedienst/epd (Nachrichten­agentur, Informations- und Artikeldienste, Dokumentation), 2. Ausbildung und Perso­nalplanung (Christliche Presse-Akademie),

  1. Hörfunk und Fernsehen (Kontakt zu Sen­deanstalten), 4. Film, Bild, Ton (AV-Medien- arbeit), 5. Zeitschriften (kirchliche Presse),

  1. Buch (Verlags- und Büchereiwesen), 7. Werbung und Public Relations. Organe: Mitgliederversammlung, Vorstand (15 Mit­glieder, Vorsitz: D. Hans Thimme), epd- Kuratorium, sechs Hauptausschüsse.

Schilling

Gemeinschaftswerke -> Gnadauer Ver band (Tabelle)

Gericht

Das Gericht Gottes ist Ausdruck der Ge­rechtigkeit des souveränen biblischen Got­tes, der sein Ebenbild unentrinnbar auf seine Verantwortung ihm gegenüber behaftet. Es überwiegt der Gedanke des Strafgerichtes. Die empörerische Menschheit erfährt in ih­rer Auslieferung an die Verderbensmächte die Heiligkeit Gottes als seinen Zorn (Röm i,i8ff.). Das Gericht ergeht zunächst über Gottes auserwähltes Volk Israel, dann über alle Völker wie schließlich über jeden ein­zelnen Menschen. Im AT geschieht Gottes


  1. in Heil und Strafe zunächst in der Zeit im Erziehungs- und Geschichtshandeln Gottes an Israel. Zugleich wird aber seit Arnos der Tag Jahwes als Vollstreckung des Völkerge­richtes angekündigt und in der endge­schichtlichen Schau Daniels ins Überwelt­liche ausgeweitet. So bringt der heilige Gott seine Herrschaft über die ganze abtrünnige und schließlich neu geschaffene Welt zur Vollendung. Im NT empfangen die bibli­schen Gerichtsaussagen eine christologi- sche Verankerung. Im Kommen Jesu ist der Tag des Gerichtes genaht. Schon die innere Herzenseinstellung entscheidet über ewiges Leben und ewige Verdammnis (Mt 5,17 -47). Doch der eigentliche Sinn seiner Sendung ist der, am Kreuz selber das Strafgericht anstelle der Sünder auf sich zu nehmen (Röm 8,3) und den an ihn Glaubenden zu ermöglichen, dem kommenden Gericht zu entfliehen (Joh 3,17)- So entscheidet über Freispruch zum ewigen Leben bzw. das Verdammungsurteil schon die Antwort auf das Evangelium (Mk

  1. . - Das NT verkündigt Christus selber als den von Gott eingesetzten kommenden Weltenrichter (Joh 5,22; Apg 10,42). Bei sei­ner —> Wiederkunft werden alle Menschen vor seinem Throne versammelt werden und nach ihren Werken gerichtet werden (Mt 2 5,34ff). Auch die Christen werden-obwohl gerechtfertigt allein durch den Glauben - Lohn und Strafe abgestuft nach ihren Taten empfangen (Röm i4,iof.). Zwar gibt es für





Karl Gerok Geschichte

die in Christus Lebenden keine Verdammnis fRöm 8; i), weil er für sie zugleich der Anwalt im Gericht ist (Röm 8,34). Aber durch Abfall und vorsätzliche Sünde können auch Beru­fene ewig verloren gehen (Hebr 10,26-31). —» Universalismus Lit.: P. Althaus, Die letzten Dinge, 19649

Beyerhaus



Gerlach, Gebrüder von

  1. Leopold, *17.9.1790 Berlin, tio.1.1861 Sanssouci, preußischer Politiker und Gene­ral.

  2. ernst Ludwig, *7.3.1795 Berlin, 118.2.1877 ebda., preußischer Politiker;

3.otto, *12.4.1801 Berlin, 124.10.1849 ebda, ev. Theologe.

Die Gebrüder waren von der Berliner —> Er­weckungsbewegung beeinflußt (E.L.G. von seinem Schwager A. v. —» Thadden, O. G. von -^Tholuck), kamen dann aber, bes. L. G. und E. L. G., zu einem hierarchisch-ortho­doxen Kirchenbegriff und zu einer gegen die Revolution von 1848 gerichteten und für die Hl. Allianz eingestellten politisch-konser­vativen Haltung. Während O. G. neue Wege in der sozialen Seelsorge durch Hausbesuche in einem Berliner Arbeiterviertel beschritt und einen ev. Jünglingsverein gründete, ge­hörten L. G. und E. L. G. als enge Berater —» Friedrich Wilhelm IV. zur sog. Camarilla, vertraten die ständische Ordnung und den »christlichen Staat« F. J. Stahls. E. L. G. war Mitbegründer der Konservativen Partei und der Kreuzzeitung. Mehr noch als L. G. war er von unerbittlicher Konsequenzmacherei be­seelt. Kurz nach dem Tod des Königs starb L.



  1. ; in der Zeit —> Bismarcks verfügte E. L. G. besonders nach seinem Anschluß an die Zentrumspartei über keinen polit. Einfluß mehr.

Lit.: H.-J. Schoeps, Das Andere Preußen, 19744

Geldbach


Gerok, Karl, *30.1.1815 Vaihingen/Enz, 114.1.1890 Stuttgart. 1844 Pfarrer in Böblin­gen, 1849 in Stuttgart, 1868 Prälat und Oberhofprediger. Bibelnaher Theologe, Pre­diger und Schriftsteller. Vom Geist der Ro­mantik beeinflußt, von der Frömmigkeit der —> Erweckung geprägt, schuf G. Lieder und fromme Lyrik. Auch als Hymnologe trat er hervor.

Werke: Palmblätter, 1856 - Blumen und Sterne, 1868 - Deutsche Ostern, 1871

Rothenberg

1. begriff. G. bedeutet ursprünglich ein Ein­zelereignis (aus althochdeutsch giskith = Geschehen), mit der Zeit erfährt der Begriff aber eine Ausweitung im Sinne der Summe alles in der Vergangenheit Geschehenen bzw. alles Geschehens überhaupt, die Zu­kunft eingeschlossen. G. wird aber auch für den Bericht von Geschehenem gebraucht. Umgekehrt bedeutet das aus der griechi­schen Sprache entlehnte Wort Historie ur­sprünglich »Erkundung« ganz allgemein, die Naturbeobachtung eingeschlossen, wurde dann auf die Erforschung und zusammen­hängende Darstellung vergangener Ereig­nisse eingeschränkt und konnte schließlich auch mit diesen gleichgesetzt werden, so daß die Begriffe G. und Historie weithin aus­tauschbar wurden (wie ja auch z.B. die engl, und franz. Sprache nur das eine letztere Wort kennen). Dabei bezeichnet allerdings Histo­rie stärker die mit wissenschaftlichen Mit­teln erreichte Kenntnis der Vergangenheit bzw. diese selbst, sofern sie wissenschaftli­chem Zugriff erreichbar ist, während G. mehr die ganze Fülle des oft undurchschau­baren Geschehens meint bzw. den nicht in jeder Hinsicht nachprüfbaren Bericht von ihm. Diese Unterscheidung rechtfertigt al­lerdings nicht eine prinzipielle Trennung, etwa entsprechend der idealistischen Tren­nung von Natur und Geist, wobei dann Ge­schichte auf das zwischenmenschliche Ge­

schehen beschränkt wäre oder gar (wie im philosophischen und theologischen Existen­tialismus) auf seinen jeweiligen Vollzug. G. ist vielmehr der Ereignisaspekt der Ge­samtwirklichkeit.

So gehört es zwar zur Geschichtserfahrung speziell des Menschen, daß er sich zu ver­antwortlichem und insofern freiem Handeln herausgefordert weiß. Aber seine Geschicht­lichkeit geht nicht in diesem Aspekt auf. Vielmehr gehört zu ihr seine Verwurzelung in Gegebenheiten wie -» Familie, Volk und durch vergangene Ereignisse unaufhebbar bedingte Situation wesentlich dazu. Das heißt aber nicht, daß der Mensch in fatalisti­schem Sinne von der Vergangenheit abhän­gig wäre. Die geschichtlich bedingte Situa­tion fordert ihn zu eigenem Handeln auf. Dies kann aber verantwortlich nur mit der


  1. geschehen, nicht ohne sie und das Wissen um sie.

2. geschichtsVerständnis. Die Frage nach dem Geschichtsverständnis versucht, über die Beschreibung des Begriffs G. und seiner Reichweite hinaus inhaltlich nach der Be­deutung von G. zu suchen. In der Antike wurde die G. unter dem Eindruck des sich ständig wiederholenden Lebens in Tages­und Jahreszeiten und im Kommen und Ge­hen der Generationen vornehmlich im Bilde des Kreislaufs gedacht. In der Frage nach ih­rem Sinn wurde sie so zum Gleichnis für die zeitlose Wahrheit der Ideen (Plato). Heutiges Geschichtsdenken ist dagegen stärker von dem auf den griechischen Philosophen He- raklit (um 500 v. Chr.) zurückgeführten Bild vom stetig in einer Richtung fließenden Strom geprägt. Dieses Bild entspricht grund­sätzlich auch der biblischen Auffassung von der Wirklichkeit. Die —> Bibel ist wesentlich Geschichtsbuch im Sinne der Wiedergabe miteinander zusammenhängender, fortlau­fender Ereignisse.

Damit stellt sich neu die Frage nach der Be­deutung von G. über das jeweilige Ereignis hinaus. Wo diese Frage nicht grundsätzlich negativ beantwortet wird (weil alles im Fluß ist, kann es auch nichts Bleibendes, mithin auch nicht so etwas wie Sinn geben), gibt es vor allem zwei positive Antworten:



  1. Man sucht nach mehr oder weniger blei­benden Regeln im Fluß des Geschehens (Er­fahrungsweisheit);

  2. Man deutet den Geschichtsprozeß anhand der Kategorien Verfall (so schon im Welt­zeitaltermythos Hesiods, um 700 v. Chr.) oder Fortschritt (z.B. in Lessings »Erziehung des Menschengeschlechts« oder im —► Mar­xismus).

Im biblischen Geschichtsdenken sind alle diese Aspekte - in jeweils charakteristischer Variation - enthalten: die Erfahrungsweis­heit dient der Konkretion biblischer —» Ethik; dem Verfallsschema entspricht die zunehmende Erkenntnis der Verfallenheit des Menschen an die -» Sünde und das Rechnen mit —» Gerichten Gottes; dem Fortschrittsschema der glaubende Rück­blick auf vergangenes und der hoffende Aus­blick auf künftiges Heilshandeln Gottes (—» Heilsgeschichte).

Dabei kennt das biblische Geschichtsden­ken noch einen Aspekt von G., der sich sonst kaum findet: In den bisher beschriebenen Konzeptionen hat das einzelne Ereignis nur insofern über sich hinausweisende Bedeu­tung, als es eine allgemeine Wahrheit her­gibt oder Element einer fortgehenden Wir­kungsgeschichte ist (seine Bedeutung ist mit seiner unmittelbaren Nachwirkung iden­tisch), nirgends aber hat es als vergangenes Ereignis bleibende Bedeutung. Dies ist erst da möglich, wo - wie Gott nach bibli­schem Zeugnis - den Ereignissen eine alle umfassende Instanz gegenübertritt: Hier wird die schuldhafte Tat zur bleibenden, vom Menschen durch nichts auszulöschen­den Schuldlast. Auch die verborgene Tat der Barmherzigkeit behält ihr Gewicht (Mt 25,31 ff.). Vor allem aber wird von hier her deutlich, daß die von der Bibel bezeugten Heilstaten wie insbesondere Tod und -» Auferstehung Jesu ihre bleibende Bedeutung nicht allein in ihren unmittelbaren Nach­wirkungen (z.B. in Jesu sich hier offenbaren­der Liebe) haben, sondern als Ereignisse, die vor Gott eine besondere, bleibende Gültig­keit haben, die sozusagen unauslöschliche Momente seiner eigenen, die gesamte G. umfassenden G. sind.

Lit.: O. Michel, Heilsercignis und Wortgeschchen, in Br. Handreichung Folge 29 (1963) S. 3-13 - H. Staudinger, Gott: Fehlanzeige? Überlegungen ei­nes Historikers zu Grenzfragen seiner Wissen­schaft, 1968 -G. Scholtz, Art. Geschichte, in Hist. Wörterbuch der Philosophie Bd 3, Sp. 344-398, 1974

Burkhardt



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