Gericht Asylgerichtshof Entscheidungsdatum 17. 08. 2011 Geschäftszahl



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Verwaltungsgerichtes Düsseldorf vom 18.06.2007, Az: 4 K 840/07.A;

Oberverwaltungsgericht Hamburg, Beschluss vom 16.04.2007, Az: 4 Bf 241/00.A; Verwaltungsgericht Berlin vom 23.06.2006, Az: VG 36 X 393.97; in ähnlicher Weise die Rechtsprechung des schweizerischen

Bundesverwaltungsgerichtes: Urteile vom 11. November 2009, D-5001/2002; vom 10. Februar 2009, D-916/2007, vom 11. Januar 2008, D-6507/2006 sowie vom 10. Juli 2008, E-1813/2008, vom 22. September 2008, E-3345/2006 sowie Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12. November 2008, E-3785/2006, vom 27. August 2008, D-4676/2006, vom 27.08.2008, D-4640/2008)
Aus den oa. Ausführungen ergibt sich im gegenständlichen Fall somit die Irrelevanz der Verpflichtung der Ableistung des Militärdienstes in der Türkei. Allein aus der Wehrdienstpflicht ist im Lichte der zitierten Judikatur vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen zum Militärdienst in der Türkei bei Berücksichtigung sämtlicher Tatsachen kein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK zu subsumierender Sachverhalt erblickbar.
(siehe auch die Ablehnungsbeschlüsse des VfGH vom 27.04.2009 Zahl: U 1060/09-3; vom 16.6.2009 Zahl: U 588-590/09-3; vom 01.07.2009 Zahl:

U 1426/09-5; vom 03.09.2009 Zahl: U 2217/09-3; vom 21.09.2009 Zahl:



U 2203/09-5; vom 21.09.09 Zahl: U 1459/09/7; vom 30.11.2009 Zahl: U 2421/09-6, vom 30.11.2009 Zahl: U 2799/09-6 sowie vom 08.06.2010 Zahl: U 1003/10-4).
Unter Berücksichtigung sämtlicher getroffener Ausführungen, welche sowohl im Einklang mit der Judikatur des VwGH als auch der jüngsten deutschen und schweizerischen Rechtssprechung stehen, kann die Nichtableistung des Wehrdienstes und allfälliger daraus resultierender Konsequenzen nicht zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an den Beschwerdeführer führen.
4.3.3. Vor diesem Hintergrund war daher dem Bundesasylamt zuzustimmen, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist ein Vorbringen zu erstatten, dem Asylrelevanz zukommt und war daher die Beschwerde gegen Spruchteil I des angefochtenen Bescheides abzuweisen.
4.4. Zur Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers gem. § 8 Abs 1 AsylG
4.4.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG hat die Behörde im Fall der Abweisung eines Asylantrages von Amtswegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.
Gemäß Artikel 5 § 1 des Fremdenrechtspaketes, BGBl I Nr. 100/2005, ist das Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden (Fremdengesetz 1997), BGBl I Nr. 75/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr. 151/2004, mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten. Gemäß § 126 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005, ist dieses mit 01.01.2006 in Kraft getreten.
Gemäß 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG 1997 verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Demnach ist die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG 1997 auf § 57 FrG nunmehr auf § 50 FPG zu beziehen.
Gemäß § 50 Abs. 1 FPG ist die Zurückweisung, Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§11 AsylG 2005).
Gemäß Abs. 4 leg. cit. ist die Abschiebung Fremder in einen Staat, in dem sie zwar im Sinne des Abs. 2, jedoch nicht im Sinne des Abs. 1 bedroht sind, nur zulässig, wenn sie aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik darstellen oder wenn sie von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden sind und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeuten (Art. 33 Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge).
Gemäß Abs. 6 leg. cit. ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Die Regelungsgehalte von § 57 FrG und § 50 FPG unterscheiden sich nicht in einer solchen Weise, dass es für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre. Die Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - mittelbar oder unmittelbar - auf § 57 FrG bezieht, lässt sich daher auf § 50 FPG übertragen.
4.4.2. Wie bereits oben ausgeführt, ist eine an asylrechtlich relevante Merkmale im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK anknüpfende Verfolgung nicht anzunehmen, so dass die Anwendbarkeit des § 57 Abs. 2 FrG ausscheidet.
Zu prüfen bleibt, ob es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat Artikel 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würden oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.
Nach dem festgestellten Sachverhalt besteht kein Hinweis auf solch "außergewöhnliche Umstände", welche eine Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat unzulässig machen könnten. Weder auf der Grundlage der im gegenständlichen Verfahren herangezogenen Länderinformationen noch vor dem Hintergrund des persönlichen Vorbringens des Beschwerdeführers ist ersichtlich, dass er bei einer Rückführung in den Herkunftsstaat in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie etwa Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Gefährdung im Sinne des Artikel 2 oder 3 EMRK ausgesetzt wäre. Es ist nicht ersichtlich, warum dem Beschwerdeführer eine Existenzsicherung in seinem Heimatland nicht zumutbar sein sollte, zumal er auch vor seiner Ausreise in der Lage war, seinen Lebensunterhalt im Heimatland durch Nachgehen einer Erwerbstätigkeit zu bestreiten. Wenngleich der BF im Jahr 2003 psychische Probleme hatte, ist - zumal er seither im Asylverfahren keine gesundheitlichen Probleme mehr geltend machte - davon auszugehen, dass der BF gesund ist. Darüber hinaus ist - wie sich aus den getroffenen Länderfeststellungen ergibt - in der Türkei die Behandlung psychischer Erkrankungen gewährleistet. Der BF ist arbeitsfähig und es ist daher nicht erkennbar, warum er in eine aussichtslose Lage geraten sollte. Im Herkunftsstaat des BF ist zudem im Bedarfsfall die Grundversorgung gesichert. Der Beschwerdeführer verfügt im Falle seiner Rückkehr auch über ein familiäres und soziales Netz, in das er wieder Aufnahme finden könnte, halten sich doch seine Eltern und Geschwister im Heimatstaat des BF auf. Der Asylgerichtshof verkennt dabei nicht, dass die wirtschaftliche Lage des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat wahrscheinlich schlechter sein wird, als in Österreich; aus den getroffenen Ausführungen ergibt sich aber eindeutig, dass der Schutzbereich des Art. 3 EMRK nicht tangiert ist.
In Bezug auf die Verpflichtung der Ableistung des Militärdienstes ergibt sich aus den getroffenen Länderfeststellungen, dass für Personen, welche den Wehrdienst unentschuldigt nicht abgeleistet haben, die Möglichkeit besteht, dass diese im Falle einer Rückkehr in die Türkei mit einem Verfahren nach Art. 63 des türkischen Militärstrafrechts zu rechnen haben, und ihnen in diesem Verfahren eine dort genannte Gefängnisstrafe drohen könnte. Es ist daher möglich, dass er im Falle einer Rückkehr in die Türkei mit einem Verfahren vor einem türkischen Militärgericht nach Art. 63 des türkischen Militärstrafrechts zu rechnen hat, und ihn in diesem Verfahren eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren drohen könnte. Nachdem der Beschwerdeführer seine Haftstrafe abgebüßt hat, wird er seinen Wehrdienst ableisten müssen, ein Recht auf Wehrdienstverweigerung gibt es nicht. Dies alles ergibt sich aus den getroffenen Länderfeststellungen sowie dem Amtswissen. Dass die Haftstrafe in Vollstreckung einer (auch real drohenden) Haft zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führt, ist nicht zu erkennen, da sich dies aus den Länderberichten nicht hinreichend ergibt. Der Asylgerichtshof verkennt dabei nicht, dass es in der Türkei während der Ableistung des Wehrdienstes zu Menschenrechtsverletzungen kommen kann (vgl. etwa EGMR Ulke v Turkey), es ergibt sich jedoch aus den getroffenen Länderfeststellungen und dem Amtswissen, dass nur dann ein reales Risiko einer Verletzung von Art. 3 EMRK besteht, wenn bestimmte Faktoren in einer Gesamtbetrachtung für eine solche Verletzung sprechen. Dies wären eine (gegen die Streitkräfte gerichtet) oppositionelle Tätigkeit - etwa bei einer Friedensbewegung -, die öffentliche Vernichtung des Einberufungsbefehls oder eine andere vergleichbare Handlung, mehrere strafrechtliche Verfolgungen (soweit der Betreffende in dieser Zeit in der Türkei war) und daraus resultierend mehrere Bestrafungen, sich wiederholende und aufeinanderfolgende gleichartige Bestrafungen. Derartiges wurde vom Beschwerdeführer nicht dargetan. Insoweit ist aber dem Auswärtigen Amt zu folgen, das kein reales Risiko einer relevanten Menschenrechtsverletzung im Zusammenhang mit der Ableistung des Wehrdienstes gegeben ist. Es wird nicht verkannt, dass Personen, welchen aus Sicht des Militärs eine oppositionelle Gesinnung vorzuwerfen ist - etwa weil sie bei oppositionellen Gruppen tätig waren oder nicht hinreichend türkisch sprechen - durchaus in Gefahr schweben können, unmenschlich und erniedrigend behandelt zu werden; eine allgemeine Gefahr - als ein auch den Beschwerdeführer treffendes reales Risiko einer relevanten Verletzung der Rechte nach Art. 2 und 3 EMRK unterworfen zu werden - ist aber im gegebenen Fall nicht zu sehen. Bei Würdigung sämtlicher Umstände ist sohin ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten Rechte während einer wohl drohenden Haft wegen der Wehrdienstverweigerung oder während des Wehrdienstes im vorliegenden Fall nicht zu erkennen, das ergibt sich sowohl aus dem Amtswissen und den Länderdokumenten, denen der Beschwerdeführer nicht hinreichend entgegengetreten ist.
Ferner ist gemäß den Ausführungen von Dr. XXXX (Qualifikationsprofil liegt zur Einsichtnahme auf) im Rechercheergebnis vom 29.1.2009 zum Asylverfahren Zahl: 225.082 zur Strafverfolgungspraxis der türkischen Behörden auszuführen, dass dem Rückkehrer dann keine Strafe drohen würde, wenn er die Verzögerung der Ableistung des Militärdienstes bzw. der Musterung gut begründen kann. Obwohl im türkischen Militärgesetz § 63 die Verweigerung des Wehrdienstes mit schwerer Strafe bedroht, wird diese in den meisten Fällen nicht verhängt, es sei denn, es liegt ein weiterer qualifizierter Sachverhalt vor.
Letztlich ist festzustellen, dass weder aufgrund der Verpflichtung zur Ableistung des Militärdienstes noch aus der den Beschwerdeführer zu erwartenden Bestrafung wegen der bisherigen Weigerung der Ableistung des Militärdienstes ein im Lichte des § 8 AsylG bzw. § 50 FPG beachtlicher Sachverhalt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden kann.
Aufgrund der getroffenen Ausführungen ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nicht vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr im Sinne des § 8 AsylG ausgesetzt zu sein, weshalb die Gewährung von subsidiären Schutz ausscheidet.
Zum Entscheidungszeitpunkt sind auch keine Umstände notorisch, aus denen sich eine ernste Verschlechterung der allgemeinen Lage oder der wirtschaftlich-sozialen Lage im Herkunftsstaat des BF ergeben würde.
Bei Berücksichtigung aller bekannten Fakten deutet auch nichts darauf hin, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückverbringung in seinen Herkunftsstaat als Zivilperson der realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wäre.
4.4.3. Demnach war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen und insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
4.5. Zulässigkeit der Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 2 Asylgesetz 2005:
Gemäß der Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 8 AsylG 2005 ist § 10 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009 auf alle am oder nach dem 01.01.2010 anhängigen Verfahren nach dem AsylG 1997 mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Ausweisungsentscheidung nach dem AsylG 1997, die vor dem 01.01.2010 erlassen wurde, als eine Ausweisungsentscheidung nach § 10, die Zurückweisung eines Asylantrages nach dem AsylG 1997 als Zurückweisung nach § 10 Abs. 1 Z 1 und die Abweisung eines Asylantrages nach dem AsylG 1997, mit der festgestellt wurde, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, als Abweisung nach § 10 Abs. 1 Z 2 gilt.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt (Z 1) oder diese eine Verletzung des Art. 8 EMRK darstellen würden (Z 2). Gemäß Z 2 sind dabei insbesondere zu berücksichtigen:
die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;
das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
der Grad der Integration;
die Bindungen zum Herkunftsstaat des Fremden;
die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.
Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 ist die Durchführung einer Ausweisung für die notwendige Zeit aufzuschieben, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind.
Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
Gemäß § 10 Abs. 6 AsylG 2005 bleiben Ausweisungen nach Abs. 1 binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht.
4.5.1. Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern (vgl. VfGH 17.03.2005, G 78/04 ua.).
Bei dieser Ausweisungsentscheidung ist auf Art. 8 EMRK Bedacht zu nehmen (VfGH 15.10.2004, G 237/03 ua., VfGH 17.03.2005, G 78/04 ua.).
4.5.2. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.
4.5.2.1. Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00).
Der Begriff des Familienlebens ist jedoch nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua).
Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311), zwischen Eltern und erwachsenen Kindern und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Es kann eben nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. dazu EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981, 118; EKMR 14.3.1980, 8986/80, EuGRZ 1982, 311; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK - Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8 EMRK; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayr, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1, ebenso VwGH vom 26.1.2006, 2002/20/0423, vgl. auch VwGH vom 8.6.2006, Zl. 2003/01/0600-14, oder VwGH vom 26.1.2006, Zl.2002/20/0235-9, wo der VwGH im letztgenannten Erkenntnis feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).
4.5.2.2. Nach der Rechtssprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u. a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u. a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).
4.5.2.3. Eingriffe in die durch Art. 8 EMRK zu schützenden Rechte von Betroffenen sind iSd Judikatur des VfGH rechtswidrig, wenn u.a. eine Vollzugsbehörde bei Erlassung des Bescheides, mit dem ein solcher Eingriff bewirkt wird, eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hat. Dies ist etwa der Fall, wenn die Behörde der angewendeten Norm fälschlicher Weise einen dem Art. 8 Abs. 1 EMRK widersprechenden und durch dessen Abs. 2 nicht gedeckten, somit verfassungswidrigen Inhalt unterstellt.
4.5.3. Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen in diesem Sinne ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR und VfGH auf die besonderen Umstände des Einzelfalls im Detail einzugehen, wobei eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung vor allem im Bereich der fremdenrechtlichen bzw. aufenthaltsbeendenden Maßnahmen vorzunehmen ist.
Nach dem Urteil des EGMR im Fall Moustaquim ist eine Maßnahme dann in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, wenn sie einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht und zum verfolgten legitimen Ziel verhältnismäßig ist. Das bedeutet, dass die Interessen des Staates, insbesondere unter Berücksichtung der Souveränität hinsichtlich der Einwanderungs- und Niederlassungspolitik, gegen jene des Beschwerdeführers abzuwägen sind.
Der EGMR geht davon aus, dass die Konvention kein Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Staat garantiert. Der EGMR erkennt in stRsp weiters, dass die Konventionsstaaten nach völkerrechtlichen Bestimmungen berechtigt sind, Einreise, Ausweisung und Aufenthalt von Fremden ihrer Kontrolle zu unterwerfen, soweit ihre vertraglichen Verpflichtungen dem nicht entgegenstehen (vgl. uva. zB. Urteil Vilvarajah/GB, A/215 § 102 = NL 92/1/07 und NL 92/1/27f.).
Hinsichtlich der Abwägung der öffentlichen Interessen mit jenen des Asylwerbers ist der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, dass Asylwerber und sonstige Fremde nicht schlechthin gleichzusetzen sind. Asylwerber hätten idR ohne Geltendmachung von Asylgründen keine rechtliche Möglichkeit, legal nach Österreich einzureisen. Soweit die Einreise nicht ohnehin unter Umgehung der Grenzkontrolle oder mit einem Touristenvisum stattgefunden hat, ist Asylwerbern der Aufenthalt bloß erlaubt, weil sie einen Asylantrag gestellt und Asylgründe geltend gemacht haben. Sie dürfen zwar bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung weder zurückgewiesen, zurückgeschoben noch abgeschoben werden, ein über diesen faktischen Abschiebeschutz hinausgehendes Aufenthaltsrecht erlangen Asylwerber jedoch lediglich bei Zulassung ihres Asylverfahrens sowie bis zum rechtskräftigen Abschluss oder bis zur Einstellung des Verfahrens. Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern. Es kann dem Gesetzgeber nicht entgegen getreten werden, wenn er auf Grund dieser Besonderheit Asylwerber und andere Fremde unterschiedlich behandelt (VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 ua).

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