Die Beschwerdeführer legten ferner folgende Unterlagen bei:
* Schreiben eines Facharztes für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten vom 11. August 2015, wonach der Erstbeschwerdeführer an einer linksseitig vollkommenen Ertaubung und Resthörigkeit rechts leide, womit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 80 % bestehe
* Zwischenbericht des XXXX vom 8. Juli 2015, wonach der Erstbeschwerdeführer seit September 2013 den Deutschkurs für gehörlose Asylwerber besuche
* Unterstützungsschreiben des Unterkunftbetreuers vom 15. Juli 2015 betreffend den Erstbeschwerdeführer
* ACCORD-Anfragebeantwortung vom 1. Juli 2014 zur Situation von Personen, die Anhänger eines strengen sunnitischen Islams sind [a-8725-1]
In der fortgesetzten öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 21.09.2015 erklärten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin für sich und die Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer im Beisein und nach Rücksprache mit dem rechtsfreundlichen Vertreter die Beschwerden gegen die angefochtenen Bescheide hinsichtlich Spruchpunkt I. zurückzuziehen. Sofern sich die Beschwerden gegen Spruchpunkt II. und III. richten, wurden diese ausdrücklich aufrechterhalten. In Bezug auf Spruchpunkt II. verwies der Beschwerdeführervertreter auf die diagnostizierte Gehörlosigkeit des Erstbeschwerdeführers und die damit einhergehende eingeschränkte Erwerbstätigkeit, sodass die Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in eine ausweglose Situation geraten würden.
Befragung der Zweitbeschwerdeführerin:
Zu ihren persönlichen Verhältnissen gab die Zweitbeschwerdeführerin an, in Österreich sei sie bislang keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen und habe sich auch nicht ehrenamtlich engagiert, weil sie sich um den Haushalt und um die Kinder gekümmert habe. Der Erstbeschwerdeführer wolle arbeiten und besuche daher einen Kurs am Vorarlberger Landeszentrum für Gehörgeschädigte. Ihren Lebensunterhalt würden sie daher aus den Leistungen der Grundversorgung bestreiten. Da sie sich um die Kinder kümmere, habe sie bislang noch keinen Deutschkurs abgeschlossen. Die Drittbeschwerdeführerin besuche den Kindergarten und die Viertbeschwerdeführerin beginne nächstes Jahr mit dem Kindergarten. Nach Befragung der Zweitbeschwerdeführerin in deutscher Sprache, stellte der erkennende Richter fest, dass diese über geringfügige Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Zudem vermochten die Zweitbeschwerdeführerin und der Erstbeschwerdeführer im Rahmen einer diesbezüglichen Befragung auch Grundkenntnisse über die österreichische Geographie nachzuweisen.
Zudem wurden diverse medizinische Befunde betreffend den Erstbeschwerdeführer vorgelegt, welche den vorgelegten medizinischen Unterlagen im bisherigen Verfahren entsprechen.
Mit Faxeingaben vom 12. Oktober, 3. November und vom 16. November 2015 übermittelten die Beschwerdeführer folgende Unterlagen:
* Kindergartenbesuchsbestätigung vom 28. September 2015 betreffend die Drittbeschwerdeführerin
* Befundbericht des LKH XXXX vom 19. Oktober 2015 betreffend den Erstbeschwerdeführer mit der Diagnose Taubheit beidseitig mit einem minimalen Restgehör rechts, sodass er wenige Wörter auf Deutsch und auch Tschetschenisch sprechen könne; eine hörverbessernde Cochlea-Implantation wäre medizinische möglich, jedoch sei es fraglich, ob nach 22 Jahren Taubheit eine gute Sprachentwicklung zu erzielen sei
* Kopie des Behindertenpasses betreffend den Erstbeschwerdeführer, womit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 80 % festgestellt worden sei
* Arbeitszeugnis vom 13. November 2015, wonach der Erstbeschwerdeführer einige Stunden für das "Projekt Nachbarschaftshilfe" tätig geworden sei
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweisaufnahme und Ermittlungsverfahren
Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde in dem seitens des Bundesverwaltungsgerichtes angestrengten Ermittlungsverfahren Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den die Personen der Beschwerdeführer betreffenden Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie in die im vorangeführten Akt einliegenden Niederschriften, Einvernahmeprotokolle, EURODAC-, EKIS und AIS-Abfragen, Aktenvermerke, ferner durch Einvernahme des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin in der seitens des Bundesverwaltungsgerichtes am 14. Juli 2015 und am 21. September 2015 abgehaltenen öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung. Des Weiteren durch Einholung der dieser Entscheidung zu Grunde gelegten Länderinformationen auf Grundlage der bei diesen näher angeführten Quellen.
Auf Grund des Ermittlungsverfahrens und der vorgenommenen Beweisaufnahme steht nachfolgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt fest:
1. Feststellungen:
Zur Person der beschwerdeführenden Partei:
Die Identitäten der Erst- bis Drittbeschwerdeführer sind nicht erwiesen. Soweit die Erst- bis Drittbeschwerdeführer namentlich genannt werden, dient dies ausschließlich der Individualisierung ihrer Person im gegenständlichen Verfahren. Die Identität der Viertbeschwerdeführerin ist als XXXX, geb. XXXX, erwiesen. Die Identität des Fünftbeschwerdeführers ist als XXXX, geb. XXXX, erwiesen.
Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Russischen Föderation und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig. Sie bekennen sich zum muslimischen Glauben.
Die Erst- bis Drittbeschwerdeführer gelangten illegal zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt auf österreichisches Bundesgebiet und stellten am 3. August 2012 die gegenständlichen Anträge auf Gewährung von internationalem Schutz und sind seither ununterbrochen im österreichischen Bundesgebiet aufhältig.
Die Viertbeschwerdeführerin und der Fünftbeschwerdeführer stellten durch ihre gesetzlichen Vertreter am 23. November 2012 bzw. am 21. Jänner 2015 die gegenständlichen Anträge auf Gewährung von internationalem Schutz. Die Viertbeschwerdeführerin und der Fünftbeschwerdeführer halten sich seit ihrer Geburt ununterbrochen im Bundesgebiet auf.
Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind seit dem Jahr 2009 standesamtlich verheiratet. Die minderjährigen Beschwerdeführer sind die gemeinsamen Kinder des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin. Sie leben mit ihren Eltern im gemeinsamen Haushalt.
In Österreich leben auch noch die Eltern und Geschwister der Zweitbeschwerdeführerin. Eine Schwester lebt als anerkannter Flüchtling im Bundesgebiet. Die Anträge der übrigen Familienmitglieder auf internationalen Schutz wurden rechtskräftig negativ beschieden und befinden sich diese derzeit im Verfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen.
Der Erstbeschwerdeführer geht keinerlei Erwerbstätigkeit nach und sichert seinen Lebensunterhalt durch die Leistungen im Rahmen der Grundversorgung. Er engagierte sich kurzzeitig ehrenamtlich im Rahmen eines Nachbarschaftprojektes und besucht derzeit einen Deutschkurs am Vorarlberger Landeszentrum für Hörgeschädigte.
Die Zweitbeschwerdeführerin ist gesund. Sie geht in Österreich weder einer Erwerbstätigkeit nach noch engagiert sie sich ehrenamtlich. Ihren Lebensunterhalt sichert sie durch die Leistungen aus der Grundversorgung. Sie hat bislang keinen Deutschkurs absolviert und verfügt lediglich über geringfügige Kenntnisse der deutschen Sprache.
Die Drittbeschwerdeführerin besucht den Kindergarten. Die Viertbeschwerdeführerin und der Fünftbeschwerdeführer sind im Bundesgebiet geboren. Die minderjährigen Beschwerdeführer beziehen ebenfalls Grundversorgung.
Die Erst- bis Drittbeschwerdeführer lebten bis zu ihrer Ausreise im gemeinsamen Haushalt mit der Mutter und dem Bruder des Erstbeschwerdeführers, von denen sie auch finanzielle Unterstützung erhielten; kurzzeitig nahmen sie auch Unterkunft bei der Großmutter des Erstbeschwerdeführers. Der Erstbeschwerdeführer bezog zudem eine staatliche Invaliditätsrente. Im Herkunftsstaat leben weiterhin die Mutter, Geschwister und Großmutter des Erstbeschwerdeführers sowie der Großvater, Tanten und ein Onkel der Zweitbeschwerdeführerin. Die Beschwerdeführer verfügen somit in Tschetschenien über ein soziales Netz und über Unterkunftsmöglichkeiten, sodass ihre Existenz im Falle ihrer Rückkehr gesichert ist. Die Existenz der Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer ist über ihre Eltern gesichert.
Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer - auch unter Berücksichtigung der vorgebrachten beidseitigen Taubheit mit minimalen Restgehör rechts - an dermaßen schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen leidet, welche eine Rückkehr in die Russische Föderation iSd Art. 3 EMRK unzulässig machen würden.
Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind strafrechtlich unbescholten.
Den Beschwerdeführern droht im Falle ihrer Rückkehr in die Russische Föderation weder unmenschliche Behandlung, Todesstrafe oder unverhältnismäßige Strafe bzw. sonstige (individuelle) Gefahr.
Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr in ihr Herkunftsland in eine existenzgefährdende Notlage geraten würden.
Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.
Zur Lage in der Russischen Föderation:
Politische Lage
Die Russische Föderation hat knapp 143 Millionen Einwohner (CIA 20.6.2014).
Sie ist eine föderale Republik mit präsidialem Regierungssystem. Das russische Parlament besteht aus zwei Kammern, der Staatsduma (Volksvertretung) und dem Föderationsrat (Vertretung der 83 Föderationssubjekte). Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Russischer Präsident ist seit dem 7. Mai 2012 Wladimir Wladimirowitsch Putin. Er wurde am 4. März 2012 (mit offiziell 63,6% der Stimmen) gewählt. Es handelt sich um seine dritte Amtszeit als Staatspräsident; zuvor war er auch 1999-2000 und 2008-2012 Ministerpräsident. Dmitri Anatoljewitsch Medwedew, seinerseits Staatspräsident 2008-2012, übernahm am 8. Mai 2012 erneut das Amt des Ministerpräsidenten. Bei der letzten Dumawahl im Dezember 2011 hat die auf Putin ausgerichtete Partei "Einiges Russland" ihre bisherige Zweidrittelmehrheit in der Staatsduma verloren, konnte jedoch eine absolute Mehrheit bewahren. Die drei weiteren in der Duma vertretenen Parteien (Kommunistische Partei, "Gerechtes Russland" und Liberal-Demokratische Partei Russlands) konnten ihre Stimmenanteile ausbauen. Wahlfälschungsvorwürfe bei den Dumawahlen waren ein wesentlicher Auslöser für Massenproteste im Dezember 2011 und Anfang 2012 (AA 6.2014).
Gegen Ende 2012 gab es weniger öffentliche Proteste, Meinungsumfragen zufolge nahm jedoch auch die Zustimmung der Bevölkerung zur politischen Führung ab (AI 23.5.2013).
Unter dem Eindruck der Ukrainekrise haben in Russland die meisten Regionen am 14.9.2014 neue Gouverneure und Kommunalparlamente gewählt. Auch die Halbinsel Krim war zum ersten Mal nach ihrer Annexion im März dabei. Die Ukraine sieht die Krim weiter als ihr Territorium an und verurteilt die Abstimmung deshalb als illegal. Auf der Krim gingen 70,47 Prozent der Stimmen an die Regierungspartei "Einiges Russland" (Standard 15.9.2014).
Die liberale russische Opposition beklagte am Sonntag Fälle von Wahlfälschung etwa in St. Petersburg, der Heimatstadt von Präsident Wladimir Putin. Die unabhängige Wahlbeobachterorganisation Golos listete Dutzende Verstöße auf. Die zentrale Wahlleitung in Moskau sprach dagegen von "unbedeutenden Vorfällen".
Insgesamt waren nach jüngsten Angaben rund 75 Millionen Menschen in weiten Teilen Russlands zur Abstimmung aufgerufen. Dabei wurden unter anderem 30 Gouverneure gewählt - allerdings gab es keinen einzigen Machtwechsel, wie Medien berichteten. Auf ganz Russland gesehen habe die Wahlbeteiligung bei durchschnittlich 46,25 Prozent gelegen (Zeit Online 15.9.2014, Kleine Zeitung 14.9.2014).
Nach einigen politischen Reformen in Reaktion auf die Proteste wird seit Mai 2012 eine stete Zunahme autoritärer Tendenzen beklagt. So wurden im Sommer 2012 das Versammlungsrecht und die Gesetzgebung über Nichtregierungsorganisationen erheblich verschärft, 2013 ein föderales Gesetz gegen "Propaganda von nicht traditionellen sexuellen Beziehungen" erlassen. Im Februar 2014 wurde die Extremismus-Gesetzgebung verschärft sowie Hürden für die Wahlteilnahme von Parteien und Kandidaten beschlossen, welche die Wahlchancen oppositioneller Kräfte verschlechtern (AA 6.2014).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (6.2014): Russische Föderation - Innenpolitik,
http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html, Zugriff 3.9.2014
- AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Report 2013 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Russische Föderation, http://www.ecoi.net/local_link/248036/374230_de.html, Zugriff 3.9.2014
- CIA - Central Intelligence Agency (20.6.2014): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 3.9.2014
- Kleine Zeitung (14.9.2014): Russland wählte unter Eindruck der Ukraine-Krise,
http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/politik/3739378/regionalwahlen-russland-begonnen.story, Zugriff 16.9.2014
- Standard (15.9.2014): "Geeintes Russland" festigt Position bei Regionalwahlen,
http://derstandard.at/2000005575660/Kremlpartei-Geeintes-Russland-festigt-Position-bei-Regionalwahlen, Zugriff 16.9.2014
- Zeit Online (15.9.2014): Kremlpartei gewinnt Kommunalwahl auf der Krim,
http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-09/russland-kommunalwahlen-krim-moskau, Zugriff 16.9.2014
Tschetschenien
Die Tschetschenische Republik ist eine der 21 Republiken der Russischen Föderation. Die Kennzahlen betreffend Fläche und Einwohnerzahl - 15.647 km2 und fast 1,3 Millionen Einwohner/innen (2010) - ist Tschetschenien mit der Steiermark vergleichbar. Etwa die Hälfte des tschetschenischen Territoriums besteht aus Ebenen im Norden und Zentrum der Republik. Gemäß der letzten offiziellen Volkszählung 2010 hat Tschetschenien 1,27 Millionen Einwohner/innen.
Heutzutage ist die Republik eine nahezu monoethnische: 95,3% der Bewohner/innen Tschetscheniens gaben 2010 an, ethnische Tschetschen/innen zu sein. Der Anteil ethnischer Russ/innen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 1,9%. Rund 1% sind ethnische Kumyk/innen, des Weiteren leben einige Awar/innen, Nogaier/innen, Tabasar/innen, Türk/innen, Inguschet/innen und Tatar/innen in der Republik (ÖIF/Rüdisser 11.2012).
Den Föderationssubjekten stehen Gouverneure vor. Gouverneur von Tschetschenien ist Ramsam Kadyrow. Er gilt als willkürlich herrschend. Russlands Präsident Putin lässt ihn aber walten, da er Tschetschenien "ruhig" hält. Tschetschenien wird überwiegend von Geldern der Zentralregierung finanziert. So erfolgte der Wiederaufbau von Tschetscheniens Hauptstadt Grosny vor allem mit Geldern aus Moskau (BAMF 10.2013).
Sowohl bei den gesamtrussischen Duma-Wahlen im Dezember 2011, als auch bei den Wahlen zum russischen Präsidenten im März 2012 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien bei über 99%. Die Zustimmung für die Regierungspartei "Einiges Russland" und für Präsidentschaftskandidat Wladimir Putin lag in der Republik ebenfalls bei jeweils über 99%. Bei beiden Wahlen war es zu Wahlfälschungsvorwürfen gekommen (Welt 5.3.2012, Ria Novosti 5.12.2012, vgl. auch ICG 6.9.2013).
Quellen:
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013):
Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg
- ICG - International Crisis Group (6.9.2013): The North Caucasus:
The Challenges of Integration (III), Governance, Elections, Rule of Law,
http://www.ecoi.net/file_upload/1002_1379094096_the-north-caucasus-the-challenges-of-integration-iii-226-the-north-caucasus-the-challenges-of-integration-iii-governance-elections-rule-of-law.pdf, Zugriff 2.9.2014
- ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation
- Ria Novosti (5.12.2012): United Russia gets over 99 percent of votes in Chechnya,
http://en.rian.ru/society/20111205/169358392.html, Zugriff 2.9.2014
- ÖIF/Rüdisser, V. (2012): Russische Föderation/Tschetschenische Republik. In: Länderinformation n°15, Österreichischer Integrationsfonds,
http://www.integrationsfonds.at/laenderinformation/laenderinformation_russiche_foederationtschetschenische_republik/, Zugriff 2.9.2014
- Die Welt (5.3.2012): In Tschetschenien stimmen 99,76 Prozent für Putin,
http://www.welt.de/politik/ausland/article13903750/In-Tschetschenien-stimmen-99-76-Prozent-fuer-Putin.html, Zugriff 2.9.2014
Sicherheitslage
Wie verschiedene Anschläge gezeigt haben, kann es in Russland auch außerhalb der Kaukasus-Region jederzeit zu Attentaten kommen. Zuletzt forderten Terroranschläge in Wolgograd (am 21.10.2013 und 30.12.2013 in Linienbussen, am 29.12.2013 im Eingangsbereich des Hauptbahnhofs) zahlreiche Todesopfer und Verletzte. Ein Terroranschlag auf dem Moskauer Flughafen Domodedowo forderte am 24. Januar 2011 Dutzende Menschenleben, über 100 wurden verletzt. Am 29. März 2010 ereigneten sich in der Moskauer Metro zwei Sprengstoffexplosionen, dabei wurden Dutzende Menschen getötet (AA 15.9.2014).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (15.9.2014): Russische Föderation - Reise- und Sicherheitshinweise,
http://www.auswaertiges-amt.de/sid_93DF338D07240C852A755BB27CDFE343/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/RussischeFoederationSicherheit_node.html, Zugriff 15.9.2014
Nordkaukasus
In den Regionen des Nordkaukasus (Inguschetien, Tschetschenien, Dagestan, Nordossetien und Kabardino-Balkarien) besteht aufgrund von Anschlägen, bewaffneten Auseinandersetzungen, Entführungsfällen und Gewaltkriminalität ein hohes Sicherheitsrisiko (AA 8.9.2014).
Seit einigen Jahren schon breitet sich die Gewalt über die Grenzen der russischen Teilrepublik Tschetschenien aus und infiziert den gesamten Nordkaukasus. Betroffen ist vor allem der östliche Teil des Nordkaukasus - neben Tschetschenien besonders Dagestan und Inguschetien. Dabei konzentriert sich die Gewalt hauptsächlich auf Dagestan, die größte russische Teilrepublik im Nordkaukasus. Mit der Begründung, die verfassungsmäßige Ordnung in Tschetschenien wiederherzustellen und den islamistischen Terrorismus zu bekämpfen, wurde eine Politik legitimiert, die darauf zielte, die Rebellen physisch zu vernichten. Zwischen unbeteiligter Bevölkerung und nichtstaatlichen Gewaltakteuren wurde nicht unterschieden, Rechtsbrüche nicht geahndet. All dies schürte eine Atmosphäre der Willkür und Rechtlosigkeit, die die Bevölkerung in Ohnmacht und Wut versetzte. Angesichts der Rücksichtslosigkeit der russischen Sicherheitsorgane im "Kampf gegen den Terrorismus" wächst innerhalb der Bevölkerung des Nordkaukasus die Sympathie für gewaltsame Formen des Widerstands. Wegen der allgemeinen Perspektivlosigkeit erhöht sich, insbesondere unter jungen Menschen, die Bereitschaft, sich den islamistischen Gruppen anzuschließen. Die Strategie Moskaus ist offenkundig kontraproduktiv; sie erreicht das Gegenteil dessen, was sie beabsichtigt. Eine weitere Ursache für die Gewalt sind die zunehmenden Spannungen und Scharmützel zwischen den verschiedenen islamistischen Fraktionen in der Region (BpB 6.1.2014, vgl. ÖB 9.2013).
Im Sicherheitsbereich ist ein Trend zu beobachten, der auf eine Stabilisierung Tschetscheniens bei gleichzeitiger Verschlechterung der Lage in Dagestan hinausläuft. In manchen Regionen konstatieren Beobachter auch ein Übergreifen der Gewalt auf bisher ruhige Gebiete. Mit der Schaffung des "Nord-Kaukasus Distrikts", der Annahme eines umfangreichen Programmes für die sozioökonomische Entwicklung und der Betrauung von Wirtschaftsfachleuten mit hohen politischen Funktionen in der Region verfolgte Moskau seit Anfang 2010 einen neuen, umfassenderen Ansatz zur Stabilisierung der nordkaukasischen Republiken (ÖB Moskau 9.2013). Mittlerweile ist Alexander Khloponin, der von Putin als Repräsentant des Nord-Kaukasus-Distrikts eingesetzt war, zurückgetreten und wird von Sergei Melikov, seines Zeichens Kommandeur der Truppen des russischen Innenministeriums im Nordkaukasus, ersetzt. Er ist dadurch für alle Anti-terroristischen Operationen im Nordkaukasus verantwortlich. Dies kann als Zeichen dafür gesehen werden, dass der früheren Strategie, die Gewalt im Nordkaukasus mittels einer sozio-ökonomischen Entwicklung einzudämmen, der Nachrang gegenüber einer erneuten Offensive im Sicherheitsbereich gegeben wird. Da Melikovs Karriere hauptsächlich auf seine Erfahrung im Kampf gegen die militanten Aufständischen im Nordkaukasus fußt, liegt die Vermutung nahe, dass seine einzige Aufgabe als Gesandter des russischen Präsidenten im Nordkaukasus der Kampf gegen die bewaffneten Untergrundbewegungen ist (Jamestown 23.5.2014).
Als Konkurrenzzone vieler politischer Kräfte, die ihre Positionen im Bereich des Schwarzen und Kaspischen Meeres zu festigen suchen, ist der Nord-Kaukasus eine für Russland wichtige Region. Seit einiger Zeit gibt es im Nord-Kaukasus positive Entwicklungen:
??die Einsicht über die Notwendigkeit einer Strategie zur Lösung vieler örtlicher Probleme
??die Abnahme der Zahl zwischenethnischer Konflikte
??die Stabilisierung sozio-ökonomischer Bedingungen (IOM 6.2014)
Dennoch bleibt die Situation im Nordkaukasus in bestimmten Gebieten angespannt. Dies ist auf eine Kombination unterschiedlicher Faktoren zurückzuführen: niedriger Grad wirtschaftlicher Entwicklung, verlorenes Vertrauen in die Politik Moskaus sowie ethnische Rivalitäten. Hinzu kommen noch regional spezifische Strukturen und Probleme. Im Nordkaukasus herrscht ein kompliziertes Beziehungsgeflecht zwischen russischen Truppen, kremltreuen lokalen Einheiten, islamistischen Rebellen und kriminellen Banden. Russische Menschenrechtler beklagen, dass die Staatsmacht im Nordkaukasus schwach ist und alle möglichen Gruppierungen in dieses Vakuum vorstoßen (ÖB Moskau 9.2013).
Laut der monatlichen Statistik zu Opfern des Konflikts im Nordkaukasus wurden im ersten Halbjahr 2014 insgesamt 271 Opfer gezählt, davon 179 Todesopfer und 92 Verwundete (Caucasian Knot 2014a,b,c,d,e,f).
Russlands Staatsfeind Nummer Eins, Doku Umarow (Kampfname Dokku Abu Usman), der selbsternannte "Emir" des "Kaukasus Emirats", ist tot. Zu dessen Nachfolger wurde Scheich Ali Abu Muhammad (auch Ali Abu Muhammad al Dagestani) ernannt. Zum Zeitpunkt und den genauen Umständen von Umarows Tods wurden keine Angaben gemacht (Standard 18.3.2014, Kurier 18.3.2014, Kavkaz Center 18.3.2014).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (8.9.2014): Russische Föderation - Reise- und Sicherheitshinweise,
http://www.auswaertiges-amt.de/sid_93DF338D07240C852A755BB27CDFE343/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/RussischeFoederationSicherheit_node.html, Zugriff 8.9.2014
- Bundeszentrale für politische Bildung (6.1.2014): Nordkaukasus, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54672/nordkaukasus, Zugriff 8.9.2014
- Caucasian Knot (28.2.2014a): Infographics. Statistics of victims in Northern Caucasus in January 2014 under the data of the Caucasian Knot, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/27405/, Zugriff 8.9.2014
- Caucasian Knot (22.3.2014b): Infographics. Statistics of victims in Northern Caucasus in February 2014 under the data of the Caucasian Knot, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/27624/, Zugriff 8.9.2014
- Caucasian Knot (23.4.2014c): Infographics. Statistics of victims in Northern Caucasus in March 2014 under the data of the Caucasian Knot, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/27919/, Zugriff 8.9.2014
- Caucasian Knot (14.5.2014d): Infographics. Statistics of victims in Northern Caucasus in April 2014 under the data of the Caucasian Knot, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/28124/, Zugriff 8.9.2014
- Caucasian Knot (30.6.2014e): Infographics. Statistics of victims in Northern Caucasus in May 2014 under the data of the Caucasian Knot, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/28567/, Zugriff 8.9.2014
Dostları ilə paylaş: |