24.04.2017
Gericht
BVwG
Entscheidungsdatum
24.04.2017
Geschäftszahl
W189 2116302-1
Spruch
W189 2116300-1/13E
W189 2116302-1/10E
W189 2116298-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerden 1.) von XXXX (BF1), geb. XXXX ;
2.) von XXXX (BF2), geb XXXX und 3.) von XXXX (BF3), geb. XXXX , alle StA. Ukraine, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.09.2015, Zlen. 1.) 1046799509-140232756, 2.) 1046799400-140232691 und 3.) 1046799705-140232586 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerden werden gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005,
§ 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 FPG,
§ 52 Abs. 9 FPG, § 46 FPG sowie § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.
II. In Erledigung der Beschwerde wird die spruchgemäße Erledigung zu § 55 AsylG 2005 gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Das Vorbringen der Beschwerdeführer ist untrennbar miteinander verknüpft bzw. beziehen sich die Beschwerdeführer auf dieselben Verfolgungsgründe, weshalb die Entscheidung unter Berücksichtigung der Vorbringen aller Beschwerdeführer abzuhandeln war. Die Beschwerdeführer werden in der Folge als BF1 bis BF3 und alle zusammen als die BF bezeichnet.
Die BF, Staatsangehörige der Ukraine, der armenischen Volksgruppe zugehörig und Christen (armenische Kirche), reisten am 01.02.2014 illegal in das Bundesgebiet ein, wo sie noch am selben Tag Anträge auf internationalen Schutz stellten und auch noch am selben Tag vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurden.
BF1 erklärte dabei, dass BF2 und BF3 ihre Eltern seien. Sie hätten den Herkunftsstaat mittels Schlepper illegal verlassen. Die Ausreise sei mittels verschiedener Kleinbusse erfolgt. Die Reisebewegung hätten sie von XXXX aus begonnen. Gewohnt habe sie mit ihren Eltern in XXXX und XXXX .
Ein Bruder halte sich in XXXX in Russland und eine Schwester in XXXX auf.
Die Reisedokumente hätten sie in XXXX verloren.
Nach dem Grund für das Verlassen des Herkunftsstaates befragt, erklärte sie, dass in ihrem Land Krieg herrsche. Die hörbaren Kampfhandlungen seien ungefähr zehn Kilometer von ihnen entfernt gewesen. Es sei allgemein davon ausgegangen worden, dass die Kriegshandlungen schlimmer werden würden, weshalb sie geflüchtet seien.
Nach Befürchtungen für den Fall einer Rückkehr befragt, meinte sie, dass sie nicht zurückgenommen werden würden. Es gebe in XXXX nichts mehr und in der Ukraine seien sie nicht willkommen, da sie aufgrund ihrer Herkunft aus XXXX als Separatisten angesehen würden.
BF2 erklärte im Zuge ihrer Befragung am selben Tag wie schon BF1, den Herkunftsstaat illegal mittels Kleinbus verlassen zu haben. Sie hätten ihre Reisebewegung in XXXX begonnen. Die Wohnsitzadresse im Herkunftsstaat sei in XXXX gewesen. Zum Aufenthalt ihrer Kinder tätigte sie dieselben Ausführungen wie BF1. Ihre Mutter halte sich in Armenien auf.
Wo sich ihre Reisedokumente befinden würden, wisse sie nicht, da die Dokumente ihr Mann gehabt habe.
Zum Grund für das Verlassen des Herkunftsstaates befragt, gab sie an, dass in der Ukraine Krieg herrsche und es nicht möglich gewesen sei, dort weiterhin zu leben. Es seien beliebig Bomben abgeworfen worden und sie habe Angst, dort weiterhin zu leben.
Für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat könne sie nicht angeben, welche Befürchtungen sie habe.
BF3 erklärte im Zuge seiner Erstbefragung, die Reisebewegung von XXXX begonnen zu haben, wobei diese schlepperunterstützt erfolgt sei. Er habe bei der Ausreise seinen Reisepass mit sich geführt, wisse jedoch nicht, wo sich dieser jetzt befinde. Seine Kinder würden in Russland und XXXX leben.
In den letzten zehn Jahren vor der Ausreise sei er in XXXX gemeldet gewesen, gelebt habe er jedoch in einer Wohnung in XXXX .
Zur schlepperunterstützten Ausreise erklärte er, dass es in der Ukraine viele Menschen gebe, die gegen Barzahlung andere Personen aus der Kriegszone in der Ukraine rausbringen würden. Er habe so ein Taxi bis nach XXXX organisiert. Dort hätten sie bemerkt, dass ihre Pässe weg seien. Er habe dann einen Schlepper gefunden, der sie auch ohne Papiere weiter transportiert habe. Ihnen sei angeboten worden, sie in ein beliebiges europäisches Land zu bringen.
Zum Grund für das Verlassen des Herkunftsstaates befragt, erklärte er, die Ukraine verlassen zu haben, da dort Krieg herrsche. Jeden Moment könne dort eine Pistolenkugel kommen. Konkret bedroht seien er und seine Familie nicht geworden. Sie hätten fast sechs Monate lang das Haus nicht verlassen können.
Für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat befürchte er, als Verräter behandelt zu werden, da er aus der Ostukraine komme.
Die BF bevollmächtigten RA Dr. Benno WAGENEDER zur Vertretung im Verfahren (Bevollmächtigungsanzeige vom 08.05.2015).
Am 29.06.2015 wurden die BF vor dem BFA, RD OÖ, niederschriftlich einvernommen.
BF1 erklärte dabei, Inlandspass, Identifikationsnummer und Auslandsreisepass in XXXX im Zuge der Ausreise aus der Ukraine verloren zu haben.
Ein Mann habe sie nach XXXX gefahren. Aufgrund der Kriegshandlungen hätten sie immer wieder anhalten und sich unter den Bäumen verstecken müssen. In XXXX hätten sie dann festgestellt, dass sie ihre Dokumente nicht mehr haben würden. Die Dokumente seien in einer Mappe bei ihrem Vater gewesen.
Sie habe keinen Führerschein, ihre Zeugnisse und Unidiplome würden sich in der Mietwohnung in XXXX befinden.
Zur in der Erstbefragung weiter angegebenen Adresse in XXXX erklärte sie, dass es sich dabei um das Haus ihres Vaters handle. Sie seien vor Jahren nach XXXX gezogen, weil ihre Geschwister in XXXX studiert hätten.
Gesundheitlich gehe es ihr gut.
Sie spreche Deutsch und außer Armenisch noch Russisch, Ukrainisch und Englisch.
Sie erklärte sich mit Recherchen im Herkunftsstaat unter Einhaltung der asyl- und datenschutzrechtlichen Bestimmungen einverstanden.
Sie sei Staatsbürgerin der Ukraine, gehöre der Volksgruppe der Armenier an und gehöre dem armenischen Glauben an. Sie sei ledig und habe keine Kinder.
Sie sei in XXXX geboren worden und dort aufgewachsen. Ihre Eltern seien ukrainische Staatsbürger.
Sie könne keine Beweismittel vorlegen.
Im Herkunftsstaat würden sich noch ihre Zeugnisse in der letzten Wohnung in XXXX befinden. Alle anderen Dokumente habe sie verloren.
Sie habe im Herkunftsstaat die Ganztagsschule, eine allgemeinbildende höhere Schule und die Universität besucht und ihr Studium im Jahr 2010 abgeschlossen. Danach habe sie in einer Notariatskanzlei als Kanzleimitarbeiterin und Übersetzerin gearbeitet. Dies sei bis zum Kriegsausbruch gewesen und habe die Kanzlei Ende Juni 2014 geschlossen.
Nachdem der Krieg begonnen habe, habe sie nichts mehr gemacht, da es keine Arbeit gegeben habe. Sie hätten versucht, den Bomben zu entkommen.
Im Herkunftsstaat habe sie gemeinsam mit ihren Eltern in XXXX gelebt, wobei sie auch ein Haus in XXXX gehabt hätten.
Ihr Vater sei Schuster und habe bis ca. Mitte Juni 2014 in XXXX eine Schusterwerkstatt betrieben. Ihr Vater habe Schuhe hergestellt und repariert. Die Werkstatt habe ihrem Vater gehört, der diese Mitte Juni 2014 geschlossen habe.
Ihr Bruder lebe in XXXX und ihre Schwester in XXXX . Ihr Bruder sei verheiratet und habe zwei Kinder. Er lebe dort von Gelegenheitsarbeit.
Ihre Schwester sei ebenso verheiratet und habe zwei Kinder. Ihre Schwester sei aktuell arbeitslos und auf Jobsuche.
Ihr Vater habe zwei Schwestern und zwei Brüder. Eine Schwester sei nicht verheiratet und kinderlos. Diese lebe im Dorf XXXX von der Unterstützung der Verwandten. Ein Bruder sei verstorben, ein Bruder sei verheiratet und habe sechs Kinder. Diese würden sich in Russland aufhalten, seit der Krieg in der Ukraine begonnen habe. Die zweite Schwester ihres Vaters sei verheiratet und habe zwei Söhne. Sie würden sich, wie die anderen auch, auf der Flucht in Russland befinden.
Ihre Mutter habe zwei Schwestern und drei Brüder. Die beiden Schwestern seien verheiratet, hätten Kinder und würden in Sibirien leben. Auch zwei Brüder seien verheiratet, hätten Kinder und würden in Sibirien leben. Ein Bruder ihrer Mutter sei bereits verstorben.
Das Haus in XXXX stehe leer. Es sei zerstört worden und fehle auf einer Seite die Mauer.
Die Ausreise sei nach Aufforderung ihres Vaters spontan und sogleich erfolgt. Sie hätten sich die letzte Nacht vor der Ausreise an der Adresse in XXXX aufgehalten. Sie hätten auch ein Haus in XXXX gehabt. Sie schilderte die schlepperunterstützte Ausreise über XXXX
.
Die US-$ 5.000 für die Ausreise seien mit Ersparnissen ihres Vaters finanziert worden.
Im Herkunftsstaat habe sie sich immer in XXXX aufgehalten, wobei sie auch eine Wohnung in XXXX gehabt hätten.
Sie sei im Herkunftsstaat nicht vorbestraft und auch nie vor Gericht gestanden. Sie sei auch nie inhaftiert worden und habe in der Ukraine keine Probleme mit den Behörden gehabt. Nach ihr werde auch seitens der staatlichen Behörden nicht gesucht oder gefahndet.
Sie sei nie politisch tätig und auch nicht Mitglied einer politischen Partei gewesen. Auch aufgrund ihres Religionsbekenntnisses habe sie im Herkunftsstaat keine Probleme gehabt.
Sie habe jedoch aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit im Herkunftsstaat Probleme gehabt. Probleme mit Privatpersonen verneinte sie. Sie habe im Heimatland auch an keinen bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen teilgenommen.
Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates befragt, erklärte sie, dass in der Ukraine Krieg herrsche und die Kampfhandlungen nicht enden würden, weshalb sie mit ihren Eltern geflüchtet sei. Sie hätten in der Ukraine um ihr Leben gefürchtet.
Am 12.05.2014 habe es in XXXX und XXXX ein Referendum gegeben, ob diese Regionen sich von der Ukraine abspalten sollten. Ihr Vater habe für den Verbleib der Region bei der Ukraine unterschrieben, wobei 95 % für die Abspaltung gestimmt hätten.
An einem nicht genau nennbaren Datum nach diesem Referendum seien unbekannte Bewaffnete zu ihrem Vater gekommen. Ihr Vater habe seine Werkstatt im Keller und sei ihr Vater davon in Kenntnis gesetzt worden, dass sein Geschäft als Luftschutzkeller dienen könnte und er sein Geschäft dafür zur Verfügung stellen möge.
Dann sei alles aus der Werkstatt weggebracht worden, womit ihr Vater den Arbeitsplatz verloren habe. Sie könne aber nicht genau sagen, wann dies gewesen sei. Ihr Vater habe den Vorfall nämlich verheimlicht.
Auf Vorhalt, dass sie zu Beginn gesagt habe, dass ihr Vater bis Mitte Juni in XXXX eine Schusterwerkstatt betrieben habe, bejahte sie dies, meinte aber, dies nicht genau sagen zu können. Sie ergänzte, dass ihr Vater, nachdem dieser die Werkstatt aufgegeben habe, immer wieder den Verletzten geholfen habe und immer wieder die Wohnung beschossen worden sei.
Ihr Vater sei öfter bedroht worden. Er wisse aber nicht wann und wie oft. Ihr Vater habe erzählt, er wäre aufgefordert worden, zu kämpfen. Ihr Vater habe auch gemeint, dass man BF1 in die Einheit der Frauen mitnehmen habe wollen, da sie viele Sprachen spreche. Niemand sei jedoch an sie persönlich herangetreten.
Befragt, welche konkreten persönlichen Probleme sie aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Armenier gehabt habe, meinte sie, dass es bei Kriegsausbruch viele Armenier unter den Separatisten gegeben habe. Persönlich habe sie keine Probleme aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit gehabt.
Befragt, ob es noch andere Verfolgungshandlungen gegeben habe, verneinte sie und meinte, dass sie meistens zuhause gewesen sei.
Auf Nachfrage, wer ihren Vater verfolgt habe, meinte sie, dass es bewaffnete Leute, Russen, Tschetschenen – unbekannte Leute – gewesen seien.
Nach XXXX könnten sie nicht zurückkehren, da dort die Separatisten ihren Vater und ihre Familie verfolgen würden.
In die Ukraine könnten sie nicht zurückkehren, da alle, die aus XXXX und XXXX stammen, verfolgt werden würden. Es gebe in der Regierung radikale Nationalisten, welche alle Menschen, die aus XXXX und XXXX stammen, als Verräter bezeichnen. Diese Politiker würden auch behaupten, dass die Armenier die Einstellung der Bevölkerung von XXXX und XXXX unterstützen würden.
In Österreich lebe sie mit ihren Eltern zusammen, darüber hinaus habe sie hier keine Verwandten.
Sie habe hier keine privaten Interessen. Sie sei auch in keinen Vereinen tätig. Sie besuche vier Mal in der Woche einen Deutschkurs. Sie habe auch einen Wifi-Kurs besucht.
Sie lebe von Leistungen aus der Grundversorgung. Sie arbeite nicht. Sie habe viele Freunde.
Sie sei hier unbescholten und wolle sie sich in Österreich eine Zukunft aufbauen und einem Beruf nachgehen.
BF2 erklärte im Zuge ihrer Befragung am selben Tag, dass sie keine Identitätsdokumente habe, da sie diese in der Ukraine verloren habe. Heirats- und Geburtsurkunde hätten sie in der Wohnung in XXXX einfach zurückgelassen, da sie die Wohnung fluchtartig verlassen hätten.
Ihr Mann habe die Inlands- und Auslandspässe der BF in der Ukraine verloren.
Gesundheitlich gehe es ihr sehr gut und stehe sie weder in ärztlicher Behandlung noch nehme sie Medikamente.
Abgesehen von Armenisch spreche sie auch Russisch.
Sie erklärte sich mit Recherchen im Herkunftsstaat unter Einhaltung der asyl- und datenschutzrechtlichen Bestimmungen ausdrücklich einverstanden.
Sie sei Staatsbürgerin der Ukraine, gehöre der Volksgruppe der Armenier und dem armenischen Glauben an. Sie sei verheiratet und habe drei Kinder, wobei eine Tochter (BF1) sie nach Österreich begleitet habe.
Ihr Sohn lebe in XXXX und arbeite als Grillmeister. Dieser sei verheiratet und habe zwei Kinder. Ihr Sohn habe die Ukraine im Mai 2014 verlassen.
Ihre in der Ukraine verbliebene Tochter sei ebenso verheiratet und habe zwei Kinder. Diese lebe in XXXX . Ihre Tochter habe an der Universität gearbeitet, aus ihr nicht bekannten Gründen jedoch im Frühling gekündigt. In XXXX würde sie mit der Schwiegermutter und dem Schwager zusammenleben. Der Schwager sei Jurist in einer Bank gewesen, wisse sie jedoch nicht, was dieser gerade mache.
Sie sei in Armenien geboren worden und dort aufgewachsen. Ihre Eltern seien armenische Staatsangehörige, wobei ihr Vater bereits verstorben sein. Ihre Mutter lebe mit ihrem Bruder in XXXX . Sie würden dort schon seit zwei Jahren leben, jedoch immer wieder nach Armenien zurückkehren.
Sie könne keinerlei Beweismittel vorlegen. Ihr ukrainischer Auslandspass sei ihr im Jahr 2007 ausgestellt worden. In XXXX in der letzten Wohnung würden sich ihre Heirats- und Geburtsurkunde befinden. Alle anderen Dokumente seien verlorengegangen.
Sie habe in Armenien die Grundschule besucht und die Berufsschule für Elektrotechnik absolviert. Sie habe nie – bzw. nur drei Jahre lang – gearbeitet und sei immer Hausfrau gewesen. Ihre Tochter sei als Übersetzerin tätig gewesen. Bis zur Ausreise habe sie immer mit ihrer Tochter und ihrem Mann zusammengelebt. Sie hätten in XXXX in Mietwohnungen gelebt, hätten jedoch in XXXX ein ebenerdiges Haus gehabt. Seit der Übersiedlung nach XXXX hätten sie immer wieder in XXXX (über den Sommer) gelebt. Während des Krieges sei eine Wand des Hauses zerstört worden.
Ihr Mann (BF3) sei Schuster und habe ungefähr bis Mitte Juni in XXXX eine Schusterwerkstatt betrieben. Die Werkstatt ihres Mannes sei seit Beginn des Krieges geschlossen. Ihr Mann habe seither nicht mehr als Schuster gearbeitet, wobei sie nicht genau sagen könne, wann der Krieg begonnen habe.
Auf Vorhalt erklärte sie, es sei glaublich im Juni oder August 2014 zu ersten Kampfhandlungen in XXXX gekommen.
Sie habe fünf Geschwister, von denen vier verheiratet seien und Kinder hätten. Ein Bruder sei bereits verstorben. Alle würden in der Russischen Föderation leben, wobei sich drei Geschwister in XXXX niedergelassen hätten.
Sie habe nie daran gedacht, den Herkunftsstaat zu verlassen. Die letzte Nacht vor der Ausreise habe sie in XXXX verbracht. Sie hätten aber in ihrem Haus in XXXX gelebt.
Sie hätten genug Geld für die Schleppung gehabt.
In den letzten drei Jahren vor der Ausreise sei sie immer in XXXX aufhältig gewesen. Sie hätten – wie bereits mehrfach erwähnt – auch ein Haus in XXXX gehabt.
Sie sei im Herkunftsstaat nicht vorbestraft, nicht politisch tätig gewesen und habe auch keine wie immer gearteten Probleme mit den staatlichen Behörden oder einer Privatperson gehabt. Sie verneinte auch, Probleme aufgrund ihres Religionsbekenntnisses oder ihrer Volksgruppenzugehörigkeit gehabt zu haben.
Sie habe im Herkunftsstaat auch nicht an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen teilgenommen.
Zu den Gründen für das Verlassen des Heimatlandes befragt, erklärte sie, keine eigenen Fluchtgründe zu haben. Sie sei lediglich ausgereist, da ihr Mann Probleme habe, wobei die Probleme ihres Mannes auch ihre Probleme seien.
Konkret seien ihrem Mann Werkstatt und Auto weggenommen worden, wobei sie keinen konkreten Zeitpunkt angeben könne.
Befragt, ab wann ihr Mann nicht mehr zur Arbeit gegangen sei, meinte sie, es nicht zu wissen. Ihr Mann habe das Haus immer verlassen.
Befragt, was sie über ein Referendum zu berichten habe, an dem ihr Mann teilgenommen haben soll, meinte sie, sich an Derartiges nicht erinnern zu können. Sie könne sich kein Datum merken. Auf die Frage, ob sie sich erinnern könne, dass ihr Mann bedroht worden sei, erklärte sie, sich an Derartiges nicht erinnern zu können. Ihr Mann habe davon zuhause nichts erzählt, sondern erst hier in Österreich. Hier habe ihr Mann erzählt, dass ihm sein Auto und sein Arbeitsplatz weggenommen worden seien.
Die ukrainische Staatsbürgerschaft sei BF2 im Jahr 1991 oder 1992 verliehen worden.
Wer ihren Mann verfolgt habe, wisse sie nicht.
Sie selbst habe keine Verfolgungshandlungen zu gewärtigen gehabt, sondern sei meistens zuhause gewesen.
Für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat würden sie von der Ukraine nicht akzeptiert werden. Separatisten seien gegen ihren Mann, da dieser für die Unversehrtheit der Ukraine gestimmt habe. Die Separatisten hätten eine Befragung gemacht und ihr Mann habe den Pass mitnehmen müssen.
Sie lebe in Österreich mit ihrer Familie zusammen, habe hier darüber hinaus aber keine Verwandten. Sie sei in keinen Vereinen tätig, besuche einen Deutschkurs und lebe von der Grundversorgung. Sie sei nicht berufstätig. Sie sei unbescholten und beschäftige sich mit Deutschlernen. Konkrete Zukunftspläne für Österreich habe sie keine.
Weiters wurde BF3 am 29.06.2015 befragt. Dieser erklärte im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme, seine Identitätsdokumente auf der Flucht verloren zu haben. Sowohl die Inlandspässe als auch die Auslandspässe der BF seien verlorengegangen.
Die anderen Dokumente (Zeugnisse, Diplome seiner Tochter, seiner Frau, die Autopapiere) hätten sie in XXXX in ihrer Wohnung zurückgelassen. Sein Auto sei ihm von Separatisten bzw. der Volksmiliz im August 2014 weggenommen worden.
Gesundheitlich gehe es ihm schlecht. Er habe manchmal hohen Blutdruck, habe jedoch noch keine Medikamente verordnet bekommen.
Er spreche Armenisch und Russisch.
Er erklärte sich ausdrücklich mit Recherchen im Herkunftsstaat unter Einhaltung der asyl- und datenschutzrechtlichen Bestimmungen einverstanden.
Er sei Staatsbürger der Ukraine, gehöre der armenischen Volksgruppe an und sei armenischen Glaubens. Er sei verheiratet, habe drei Kinder, wobei ihn eine Tochter (BF1) nach Österreich begleitet habe. Eine weitere Tochter lebe mit deren Familie in XXXX . Diese habe dort an der Universität gearbeitet, sei aber gekündigt worden oder habe selbst gekündigt. Er wisse es nicht. Deren Ehemann habe früher in einer juristischen Abteilung einer Bank gearbeitet. Sein Sohn sei zwei Monate vor Kriegsausbruch nach XXXX gegangen. Sein Sohn habe zwei Uni-Abschlüsse und arbeite in Sibirien als Grill-Meister.
Er sei im in Armenien geboren worden und dort aufgewachsen. Er habe dort keinen Besitz mehr. In Armenien halte sich nach wie vor seine Schwester auf. Seine Eltern, armenische Staatsangehörige, seien bereits verstorben.
Er legte seinen ukrainischen Führerschein vor. Im Herkunftsstaat würde sich noch seine Geburtsurkunde befinden.
Er habe in Armenien die Grundschule besucht und abgeschlossen und lebe seit dem Jahr 1972 in der Ukraine. In den letzten drei Jahren vor der Ausreise habe er seine Schuhwerkstatt betrieben, wobei er diese auch noch während des Kriegsausbruches gehabt habe. Danach habe seine Werkstatt als Luftschutzkeller – konkret seit Anfang Juli 2014 – gedient. Er habe die Werkstatt zu Beginn freiwillig zur Verfügung gestellt, diese sei ihm dann jedoch weggenommen worden. Befragt, von wem ihm die Werkstatt weggenommen worden sei, meinte er, von den Separatisten bzw. der Volksmiliz, was Ansichtssache sei.
Er habe zwei Schwestern und zwei Brüder, wobei er zu deren Verbleib im Wesentlichen die Ausführungen seiner Tochter bestätigte.
An das Verlassen des Herkunftsstaates habe er einerseits nicht, andererseits schon manchmal gedacht. Er habe geglaubt, er und seine Familie müssten weg, irgendwohin nach Russland. Sein Problem sei gewesen, dass er beim Referendum Mitte Mai 2014 für den Verbleib der Region bei der Ukraine gestimmt habe. Sein Abstimmungsverhalten sei bekannt geworden, weshalb er als Verräter gegolten habe.
Auf Nachfrage, wie dies bekannt geworden sei, meinte er, dass das Referendum in der Schule stattgefunden habe. Die Vertreter der Volksmiliz seien dort gestanden und es habe keine Beobachter gegeben. Beim Verlassen der Schule nach Abgabe seiner Unterschrift habe er gesagt, dass er für die Unversehrtheit der Ukraine sei. Darüber habe er kein Geheimnis gemacht. Er sei auch gegen die Abspaltung der Krim gewesen. Seine Meinung habe er immer und überall gesagt. Er habe dies bei allen Gesprächen im Bekanntenkreis gemacht.
In der Nacht vor der Ausreise sei er in XXXX aufhältig gewesen, wobei sie auch ein Haus in XXXX gehabt hätten.
Sie seien schlepperunterstützt nach Österreich eingereist. Die Route habe sie über XXXX geführt. Dort seien Tausende, die in derselben Situation wie die BF gewesen seien, registriert worden, hätten sie jedoch ihre Personaldokumente verloren. Er habe dann einen Schlepper organisiert, der sie ohne Dokumente mit wechselnden Autos nach Österreich gebracht habe. Die Schleppung habe US-$ 5.000 gekostet. Das Geld habe er von seinem Bankkonto, wo er nach wie vor Geld habe.
In den letzten drei Jahren vor der Ausreise habe er immer in XXXX gelebt, wobei sie auch eine Wohnung in XXXX gehabt hätten. Das Haus sei auf einer Seite zerstört, aber noch immer im Besitz von BF3.
Er sei im Herkunftsstaat nicht vorbestraft und auch nie vor Gericht gestanden. Auch werde er sonst nicht von den staatlichen Behörden gesucht. Er sei nie politisch tätig und auch kein Mitglied einer politischen Partei gewesen.
Er habe auch keine Probleme aufgrund seines Religionsbekenntnisses gehabt.
Im Zusammenhang mit seiner Volksgruppenzugehörigkeit habe es bis zu Beginn des Krieges keine Probleme gegeben. Während des Krieges habe man ihm gesagt, dass er kein Russe sei. Man habe ihn gefragt, was er in der Region suchen würde.
Gröbere Probleme mit Privatpersonen habe er nicht gehabt und im Herkunftsstaat an keinen bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen teilgenommen.
Zu den Gründen, weshalb er seinen Herkunftsstaat verlassen habe, befragt, gab er an, dass aufgrund des Krieges in der Ukraine sein Leben und das Leben seiner Familie in Gefahr gewesen sei. Für den Fall einer Rückkehr in die Ukraine würde er von beiden Seiten als Verräter angesehen werden. Die Ukrainer würden ihn für einen Separatisten halten und die anderen würden ihn ohnehin für einen XXXX -Anhänger halten.
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