Historische Migrationsspuren in der eigenen Umgebung Einführung für Lehrpersonen



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Arbeitsblatt 3 (LP):

Historische Migrationsspuren in der eigenen Umgebung

Einführung für Lehrpersonen

Unsere Umgebung ist geprägt von Einflüssen verschiedenster Art und Herkunft. Oft sind uns diese kaum bewusst.


Wir haben sie in unseren Alltag integriert und betrachten sie als unserer Kultur zugehörig. Durch die Spurensuche sollen sich die Schülerinnen und Schüler dieser Einflüsse bewusster werden und durch die darauffolgende Reflexion sollte es ihnen möglich sein, sie in den historischen Kontext einzuordnen.
Ausgehend von den Informationen, die zu einem Gebäude, einem Strassen- oder Quartiernamen, einem Geschäft usw. gefunden werden, lässt sich die dahintersteckende regional oder national wichtige Migrationsgeschichte mit den Schülerinnen und Schülern erarbeiten. Oft können an einem Ort auch mehrere Beispiele für dasselbe Phänomen gefunden werden, z.B. mehrere Bauten von Rückwanderern oder im selben Zeitraum gegründete Unternehmen
von Migrantinnen und Migranten derselben Herkunft. In diesem Fall ist eine Einordnung in den historischen Kontext einfacher möglich.
Die Beschäftigung mit diesem Arbeitsfeld verfolgt folgende Ziele:

Die Schülerinnen und Schüler



  • werden sich bewusst, dass ihre Umgebung voller Migrationsspuren ist.

  • werden sich bewusst, dass viele dieser Spuren zu ihrem Alltag gehören
    und sie nicht mehr darauf verzichten möchten.

  • kennen Geschichten, Zusammenhänge und historische Fakten, die hinter den Spuren stecken.



Allgemeine didaktische Hinweise

  1. Die grosse Vielfalt an möglichen Objekten bietet eine grosse Auswahl an Recherchiermöglichkeiten:
    Befragungen, Recherchen im Internet und in Büchern, Nachfrage auf der Gemeindeverwaltung usw.

  2. Vor dem Projektstart sollte die Lehrperson abklären, ob ein präsentierbares Ergebnis in ihrer Gemeinde wahrscheinlich ist. Sie sollte überprüfen, mit welchen «Sehenswürdigkeiten» gerechnet werden kann und wie man Hintergrundinformationen dazu findet. Idealerweise stellt die Lehrperson auch schon geeignete Literatur und weitere Informationsquellen zusammen.

  3. Schon vor Beginn sollte die Klasse oder die Lehrperson klären, was für ein Produkt am Ende entstehen soll. So können bei der Recherche die passenden Medien gezielt eingesetzt werden. Mögliche Produkte wären beispielsweise:

  • ein Audioguide

  • ein realer Ortsrundgang

  • eine Dokumentation des realen Ortsrundgangs

  • eine Präsentation auf «Google Maps»

Einordnung der Resultate

Mit Hilfe historischer Quellen sollen die gesammelten Informationen in einen historischen Kontext gestellt werden.


Die Schülerinnen und Schüler sollten erkennen, in welchem Zusammenhang ihre «Protagonisten» in die Schweiz oder in ihre Gemeinde gekommen oder ausgewandert sind. Folgende Fragen können bei der weiteren Auswertung helfen:

  • Handelt es sich bei der untersuchten «Sehenswürdigkeit»
    um einen Einzelfall oder ist es ein Beispiel unter vielen?

  • Können im Vergleich der «Sehenswürdigkeiten» Gemeinsamkeiten festgestellt werden?
    Welche?

  • Welche Unterschiede fallen auf?

  • Aus welcher Zeit stammt die «Sehenswürdigkeit»?

  • Zu welchen Ländern oder Regionen stellt die «Sehenswürdigkeit» Bezüge her?

  • Was ist an dieser «Sehenswürdigkeit» speziell?

  • Welche Rolle spielt die «Sehenswürdigkeit» in unserem Alltag?
    Wie wäre es ohne diese «Sehenswürdigkeit»?

Die Endauswertung sollte im Klassengespräch erfolgen. Wichtige Erkenntnisse daraus können die Schülerinnen


und Schüler in ihrem Lernjournal oder in ihrem Beitrag zur «Sehenswürdigkeit» verarbeiten.

Produkte

Es muss genau geklärt werden, wie der Beitrag zu jeder «Sehenswürdigkeit» aussehen soll. Die Materialien werden diesbezüglich aufbereitet. Verschiedene Präsentationsformen machen den Ortsrundgang interessanter.


Audioguide

Wenn ein Audioguide hergestellt werden soll, müssen die Texte gut überarbeitet und in eine gut les- und sprechbare Vorlage gebracht werden. Zur Illustration können Ausschnitte aus einem professionellen Audioguide gezeigt werden. Zum Audioguide gehört ein Ortsplan, auf dem die „Sehenswürdigkeiten“ eingezeichnet sind.


Realer Ortsrundgang

Als öffentliche Schlussveranstaltung des Klassenprojekts ist ein realer Ortsrundgang denkbar. Vielleicht können dazu einzelne Informantinnen oder Informanten eingeladen werden, die an Ort und Stelle berichten. Zur weiteren Illustration kann auch aufbereitetes Bildmaterial verwendet werden. Die verwendeten Unterlagen können fürs Internet aufbereitet werden.



Mögliche «Sehenswürdigkeiten»
Bauten

In vielen Gemeinden finden sich Gebäude von Personen, die zugezogen oder ausgewandert sind. Die Erforschung der Geschichte, die hinter diesen Bauten steckt, kann zu regional wichtigen Phänomenen der Migrationsgeschichte hinführen, die in der Klasse vertieft werden können. So findet man beispielsweise in Chur das heutige Altersheim Rigahaus sowie Hinweise auf die 1969 abgebrochene Villa Kiew. Beide wurden von Bündnern, die im Russischen Reich als Zuckerbäcker, respektive Kaffeehausbesitzer erfolgreich waren, als Altersresidenz errichtet. Auch in vielen anderen Gemeinden Graubündens trifft man auf urban geprägte klassizistische Villen der im Ausland erfolgreichen Zuckerbäcker. Zu den Bündnern im Russischen Reich und zu den Bündner Zuckerbäckern gibt es reichhaltige Literatur.


Folgende Kriterien können auf Bauten, die von migrationshistorischem Interesse sein könnten, hinweisen.

  1. Grösse, Dimension

  2. Gebäudename

  3. ortsunübliche Architektur

  4. spezielle Verzierungen, Bemalungen und Symbole

  5. spezielle Baumaterialien

Stadt- oder Kunstführer, die «Kunstdenkmäler der Schweiz», das «Inventar der neueren Schweizer Architektur (INSA)» sowie das Internet (z.B. kantonale Denkmalpflege) können bei der Recherche nach der Geschichte der Gebäude weiterhelfen. Oft existieren auch Ortsbücher, lokale Gebäudeinventare oder ein Ortsmuseum. Wer dort nicht fündig wird, wendet sich an Fachleute aus der Gemeinde oder Region. Die aktuellen Bewohnerinnen und Bewohner des Gebäudes oder lokalhistorisch interessierte Personen aus der Gemeinde können vielleicht auch weiterhelfen. Dabei sollte aber berücksichtig werden, dass sie ihre eigene Sicht der Dinge darstellen werden. Möglicherweise entspricht diese nicht ganz den historischen Fakten.



Strassen- und Quartiernamen

Strassen- oder Quartiernamen können auf den Einfluss zugezogener Personen oder Personen mit einem besondern Bezug zum Ort oder der Region hinweisen. Möglich sind auch Bezüge zu Zielorten von Auswanderern. Bei Personennamen können Lexika, das Internet (z.B. das Historische Lexikon der Schweiz http://www.hls-dhs-dss.ch/index.php) sowie Stadt- oder Kunstführer oder eventuell lokale «Experten» weiterhelfen.


Die Rohanstrasse in Chur beispielsweise verdankt ihren Namen dem französischen Feldherrn Henri Duc de Rohan, der 1634 im Auftrag von Louis XIII zusammen mit dem Bündner «Nationalhelden» Jürg Jenatsch die Spanier und Österreicher aus dem Veltlin vertrieb. In Graubünden finden sich verschiedene Bauten von in ausländischen Kriegsdiensten stehenden Einheimischen oder Zugezogenen.
Das «Spaniola»-Quartier in Poschiavo stellt ein beeindruckendes Beispiel der bündnerischen Rückwanderer-Architektur dar. Einheimische, die nach 1850 nach Spanien emigriert waren, investierten ihr dort verdientes Geld in Häuser maurischen Baustils mit grossen Gärten.

Gedenktafeln

An Gebäuden angebrachte Gedenktafeln können auf berühmte Personen hinweisen, die im Ort geboren oder in diesen Ort zugezogen sind. Oft findet man schon auf den Tafeln Informationen zum Leben der Person. Sonst helfen Lexiken oder das Internet (s.o.) weiter.



Beispiel

Angelika Kauffmann (1741-1807), Reichsgasse 57, Chur

Geburtshaus der bekannten Malerin, Tochter des Bregenzerwälders Johann Kauffmann und der Churerin Cleofea Lutz. Sie reiste mit ihrem Vater durch Europa und knüpfte Kontakte mit einflussreichen Familien in der Schweiz, Österreich, Deutschland, Italien und vor allem in England. Sie liess sich in London nieder. Ihre Bilder waren nach 1770 international sehr gefragt. 1782 zog sie nach Rom um.



Friedhöfe

Auf Friedhöfen finden sich manchmal historisch interessante Grabmäler von einheimischen oder zugewanderten Persönlichkeiten. Aufgrund der Namen kann die Geschichte dieser Person erforscht und in den historischen Kontext gestellt werden. Zur Recherche bieten sich wieder Lexiken oder das Internet an.


Auf dem Daleu-Friedhof in Chur finden sich beispielsweise verschiedene Grabmäler von Bündnern, die in fremden Heeren gedient hatten.
Gewerbe- und Industriebetriebe

Migrantinnen und Migranten beeinflussten und beeinflussen mit ihren Betrieben das wirtschaftliche Leben der Gemeinden. Gut sichtbar sind heute kleinere und mittlere Betriebe wie beispielsweise Coiffeur- und Schuhmachergeschäfte, Autogaragen, Baufirmen und verschiedene Handwerksbetriebe. Aber auch grössere Industriebetriebe wurden oder werden von auswärtigen Personen gegründet und sind für die Regionen wichtige Arbeitgeber.


Bei der Suche nach solchen Betrieben kann man sich an Besitzer- oder evt. auch Geschäftsnamen orientieren.
Nicht jeder fremdsprachige Geschäftsname weist aber auf einen Inhaber mit ausländischen Wurzeln hin. Auch die angebotenen Produkte und Dienstleistungen können auf Migrationsspuren hinweisen. Hilfreich ist die Suche im Branchenverzeichnis (Telefonbuch).
Für erste Hinweise zum Betrieb ist oft das Internet hilfreich. Um aber die Geschichten zu erfahren, die hinter den Betrieben stecken, lohnt es sich, mit den Betreibern ein Gespräch zu führen. Interessant ist auch eine Untersuchung der angebotenen Produkte, Spezialitäten usw. oder die Meinung von Kunden einzuholen.
Möglicherweise finden sich an einem Ort mehrere Unternehmen, die von Einwanderern gleicher Herkunft im selben Zeitraum gegründet wurden. So findet man in Chur verschiedene Geschäfte italienischer Einwanderer, die in den 1950er oder 1960er Jahren gegründet wurden und somit exemplarisch für die damalige Einwanderungswelle aus Italien stehen. Es bietet sich in diesem Fall an, in der Klasse die Gründe für dieses Phänomen näher zu betrachten.

Dienstleistungsbetriebe

Im Dienstleistungssektor fallen vor allem Betriebe aus der Gastronomie und der Hotellerie auf. Interessant sind aber auch neuere Betriebe im Gesundheits- oder Transportbereich. Es lohnt sich, sich bei den Anbietern von alternativen Heilmethoden oder bei Reisebüros und Taxibetrieben umzusehen.


Vereine

Für viele Migrantinnen und Migranten stellen Vereine wichtige Institutionen dar, wo sie sich mit Menschen aus ihrem Herkunftsland treffen können. Das Vereinslokal dient als Treffpunkt, wo man sich austauscht, isst, Feste feiert usw. Daneben organisieren sich Migrantinnen und Migranten auch in nach Interessengebieten unterschiedlichen Vereinen (Sport, Bildung und Erziehung, Kultur, Religion usw.). Solche Vereine sind oft nicht nach Herkunftsländern unterteilt.


Um von der Existenz solcher Vereine zu erfahren, werden am besten Migrantinnen oder Migranten danach gefragt.
Denn oft sind die Lokale eher versteckt, existieren keine Internetseiten und keine Einträge im Telefonbuch.
Übersicht historische Migrationsspuren in der eigenen Umgebung


Vorgeschlagene Objekte


Vorgehensweisen



Materialien, Unterlagen


Ergebnisse sichern
und sichtbar machen



Kommentar


Bauten

Fotografieren, Informationen sammeln (Literaturrecherche, Interviews) und darstellen

Merkblatt „Bauten“, Stadt- und Kunstführer, Internet

Berichte, eigene Aufnahmen (Bilder, Ton-, Filmdokumente)

Interessant ist die Suche nach mehreren Bauten aus derselben Epoche

Strassen- und Quartiernamen

Fotografieren, Informationen sammeln (Literaturrecherche, Interviews) und darstellen

Merkblatt „Strassen- und Quartiernamen“, Lexiken, Internet

s.o.

Strassen- und Quartiernamen verweisen oft auf weit zurückliegende Zeiten

Gedenktafeln

Fotografieren, Informationen sammeln (Literaturrecherche und Umfragen) und darstellen

Merkblatt „Gedenktafeln“, Stadt- und Kunstführer Lexiken, Internet

s.o.




Friedhöfe

Fotografieren, Informationen sammeln (Literaturrecherche, Interviews) und darstellen

Merkblatt „Friedhöfe“, Stadt- und Kunstführer Lexiken, Internet

s.o.




Gewerbe- und Industriebetriebe

Fotografieren, Informationen sammeln (Interviews mit Besitzern und Kundschaft, Internet) und darstellen

Merkblatt „Gewerbe-Industrie- und Dienstleistungsbetriebe“, Websites der Betriebe

s.o.

Durch Interviews mit der Kundschaft kann der Stellenwert des Betriebs in der ansässigen Gesellschaft ermittelt werden.

Dienstleistungs-betriebe

Fotografieren, Informationen sammeln (Interviews mit Besitzern und Kundschaft, Internet) und darstellen

Merkblatt „Gewerbe-Industrie- und Dienstleistungsbetriebe“, Websites der Betriebe

s.o.

s.o.

Vereine

Fotografieren, Informationen sammeln (Interviews mit Mitgliedern) und darstellen

Merkblatt „Vereine“, Websites der Vereine

s.o.







Arbeitsblatt 3 (LP): Migrationsspuren vor Ort – Historische Migrationsspuren in der eigenen Umgebung

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