Independent Labels


Konflikte – Freiheit der Information



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4.2 Konflikte – Freiheit der Information


Der entscheidende Konflikt zwischen Internet- und Independent-Kulturen verläuft anhand des Umgangs und der Verwertung von geistigem Eigentum. Wie dargestellt wurde, sind sowohl die Hacker-Kultur als auch die Independent-Strömung tendenziell anti-kommerziell, gehen aber durchaus von der Möglichkeit aus, mit dem Geleisteten einen Lebensunterhalt zu bestreiten, wenn auch eher als Notwendigkeit, denn als primäres Ziel. Die gemeinsame Idee ist, dass fair und direkt ohne weitere Hierarchien vergütet werden soll. Während die Open-Source-Szene die Verdienstmöglichkeiten im Service-Bereich ansiedelt, bleiben die Independent-Szenen jedoch um das Produkt, den Tonträger organisiert.

Die von einem wissenschaftlichen Hintergrund, dem freien Fluss von Information und dem Hacker-Ethos geprägten Gruppierungen schufen die Infrastruktur eines Computernetzes, in dem die dominierende Nutzerzahl selbstverständlich digitale Inhalte unentgeltlich kopiert und tauscht. Die Cracker- und MP3-Szenen, ihre Nutzer und schließlich die Tauschbörsenkultur sehen im Kopieren von digitalen Kulturprodukten keinen Raub, da das Original nicht verschwindet. Sie empfinden es in ihrer meist adoleszenten und mit geringen finanziellen Mitteln ausgestatteten Position als legitim, sich die Erzeugnisse einer in ihrer Wahrnehmung weit entfernten Großindustrie kostenlos anzueignen. Die „Generation Copy“ ist daran gewöhnt, einen Zugriff auf ein größeres Angebot von Gütern zu haben, als ihr Budget in Kaufvorgängen erlauben würde. Diese Einstellung betrifft auch Independent-Veröffentlichungen, deren potentielle Konsumenten auch in der „Generation Copy“ zu verorten sind.

Das Internet stellt für die Musikindustrie als die um den Tonträger organisierte Branche ein Problem dar, da es den Tonträger weitgehend obsolet werden lässt und durch die Trennung von Inhalten und Trägermedium keine Vergütung der Distribution in der bisherigen Form mehr zulässt.
Die originäre Internetkultur hat mit der Freien Software ein besonderes, ethisch hochstehendes Modell entwickelt, das einen Community-Gedanken, die Freiheit der Information, aber im Service-Bereich und über das Erwerben von Qualifikationen auch Verdienstmöglichkeiten einschließt.

Die Teilnehmer der Open-Source-Szene werden dadurch belohnt, dass sie einerseits als Teil einer Gemeinschaft auf gegenseitige Hilfe bei der Lösung von Programmier-Problemen zählen können, und andererseits Qualifikationen und Bekanntheit erreichen, die sie gewinnbringend in kommerziellen Zusammenhängen und im Servicebereich nutzen können. Auf die Musikszene übertragen sähe das Modell so aus, dass die Musiker/Urheber in den Aufnahmen/Soundfiles nur eine Qualifikation/Bekanntheit erwerben, und der direkte Verdienst aus Auftritten und Merchandising bezogen wird.

Verschiedene Modelle ähnlich der General Public License (GPL) für Software wurden auch für Musik entworfen, wie die Free Music Philosophy von Ram Samudrala (1994)317, die Open Audio License der Electronic Frontier Foundation (EFF) (2001)318 und die inzwischen auch von der EFF favorisierte Creative Commons Music Sharing License319.

Alle diese Lizenzen erlauben die Weitergabe von Musik-Files unter bestimmten Bedingungen, etwa der Angabe der Urheber oder nur zu unkommerziellen Zwecken. Als avanciertestes Modell reformuliert die Creative Commons-Lizenz in ihren partiell wählbaren Nutzungsbedingungen Teile vom Urheberrecht und die Intention, die viele Musiker sowieso schon verfolgen, indem sie einzelne Lieder zum kostenlosen Download anbieten: Die Musik soll sich verbreiten, kann weitergegeben werden, je nach Ausgestaltung der Optionen bearbeitet und aufgeführt werden, die kommerzielle Nutzung ermöglicht oder untersagt werden. Damit werden die in ihrer Intention schon legalen, von den Rechteinhabern selbst in Umlauf gebrachten Download-Files legalisiert, und die von der Musikindustrie prominent vorgetragene Einschätzung entkräftigt, dass jegliche Musik im Internet illegal sei.

Diese Lizenz-Konzeptionen verweisen aber auch auf eine veränderte Sichtweise auf Musik; der abgeschlossene Werk-Charakter tritt zugunsten einer Anschlusskommunikation in den Hintergrund320. Sie sollen dem Umstand gerecht werden, dass auch neue musikalische Werke immer auf einen Pool von vorhergehenden Veröffentlichungen und kulturellen Entwicklungen aufbauen, und damit auch eine Verpflichtung der Künstler gegenüber der Öffentlichkeit besteht.
Im Gegensatz zu Software, insbesondere im Open Source-Modell, tritt uns Popmusik schon immer warenförmig gegenüber. Auch in den Indie-Szenen werden Musikstücke als abgeschlossene Werke wahrgenommen, die stärker als Kompositionen des Klassik-Segments als rechtmäßiges Eigentum der Urheber gesehen werden.

Während Software gemeinhin zu Erfüllung von Aufgaben genutzt wird, verkörpert das Musikfile in dieser Sichtweise das Ende an sich. „Der Wert eines Programms ergibt sich aus dem Gebrauchswert im jeweiligen Kontext“321, Programme werden aber ständig weiterentwickelt und aktualisiert.

Für die erste digitalisierte Branche, die Softwareindustrie, gesteht sogar der Vordenker der „Trusted Systems“, Mark Stefik, zu, dass „Raubkopien“ einen Nutzen im Diffusionsvorgang haben. „Ironischerweise haben die Verleger von Werken, die regelmäßig aktualisiert werden müssen, wie Computersoftware, festgestellt, dass eine gewisse Durchlässigkeit ihren Kundenstamm erweitert, selbst wenn oft berichtet wird, dass mehr unauthorisierte [sic!] Kopien eines Programms im Einsatz sind als authorisierte [sic!]. Softwareverleger haben entschieden, dass die Einnahmenverluste durch illegales Kopieren tragbar sind, auch wenn sie zu einer unfairen Gebührenstruktur führen“322.

Man könnte argumentieren, dass auch Musiker über einen größeren Zeitraum durch neue Veröffentlichungen „aktualisiert“ werden. Ihr wichtigstes Kapital ist ihre Bekanntheit und die Bindung von Publika, die sich in Konzertbesuchen und späteren Tonträgerkäufen niederschlägt.

Daher richten sich die Vorschläge einer Open-Audio-Lizenz vornehmlich an Künstler, und nicht direkt an Labels - bzw. an die Teilgruppe der Musiker, die nicht von ökonomischem Erfolg abhängig ist, sondern im Hobby-Bereich agiert.
Die Umorientierung von Labels auf Dienstleistungen, die nur noch vermittelt mit dem Verkauf von Musik zu tun haben, findet zwar mehr und mehr statt, wie etwa bei der Independent-Plattform sourcemusic.biz, die Musik für Filme und Werbung vermittelt. Sie können allerdings das zentrale Geschäftsfeld der Indie-Labels nicht ersetzen.

Auch Independent-Szenen mit ihren Labels, Vertrieben, Läden, Musikern gruppieren sich bisher selbstverständlich um den Tonträger. Während viele Kosten für Equipment, Proberaum etc. als im selbstverwirklichenden Hobby-Bereich angesehen werden, sind die Studio-Kosten bei Aufnahmen und die körperliche Produktion konkret an die Wiedereinspielung durch Tonträgerkäufe geknüpft. Während viele idealistisch und politisch orientierte Indies auch die Freiheit der Musik vertreten323, besteht in den meisten Indie-Szenen doch ein recht orthodoxes Gerechtigkeitsgefühl, das eine Vergütung für das Geleistete, für den Tonträger, als angemessen empfindet.

Das Modell von Freier Software ist nur im Hobby-Bereich auf Musik umzusetzen. Für die Independent Labels und Künstler, die von ihrer Musik leben, betrifft die kostenlose Weitergabe im Internet den Kern des Verwertungskonzepts.


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