Präsident Ing. Penz: Ich eröffne die Debatte und erteile Frau Abgeordneter Adensamer das Wort.
Abg. Adensamer (ÖVP): Sehr geehrte Herren Präsidenten! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus!
Sie kennen sicher den kolumbianischen Literaturnobelpreisträger Gabriel García Márquez. Und vielleicht kennen Sie auch sein Werk „Chronik eines angekündigten Todes“. Beim Durchackern der Unterlagen und vor allem der Pressemeldungen der letzten Wochen und Monate ist mir dieses Werk eingefallen. Und ich erlaube mir frei nach diesem Roman meine heutige Rede unter das Motto „Chronik eines angekündigten bildungspolitischen Desasters“ zu nennen.
2008: Bundesministerin Schmied verspricht, die Vorbereitungen für die neue Zentralmatura abzuschließen, bevor die Schülerinnen und Schüler, für die sie erstmals gelten solle, in die Oberstufe eintreten.
Und ich weise darauf hin, dieser entsprechende Erlass des Ministeriums gilt auch noch heute. Dennoch legt die Frau Bundesministerin bald darauf den Maturatermin mit 2014 fest, bevor die Vorbereitungen abgeschlossen sind. Also fordert folgerichtig im Februar 2010 der Obmann des Landesverbandes der Wiener Elternvereine, der Wiener katholischen Elternvereine, aus diesem Grund eine Verschiebung der Zentralmatura. Und er beruft sich auf die Aussage von der Frau Ministerin von 2008.
Seit dieser Pressemeldung im Februar 2010 belegen mehr als 70 mediale Veröffentlichungen zur geforderten Verschiebung und davon mehr als 50 im bisher abgelaufenen Jahr, in den Monaten, dass dieses Thema unter den Fingernägeln brennt.
Sehr geehrte Damen und Herren! Sie werden mir bestätigen, dass es selten in der Schulpartnerschaft eine derartige Einigkeit gegeben hat zwischen Schülern, Schülerinnen, Eltern und Lehrerschaft, wie jetzt, wo sich die Schulpartner vehement für eine Verschiebung der schon 2014 angesetzten Zentralmatura bzw. für wesentliche Teile davon einsetzen. Und diese Forderungen geschehen ja nicht aus Jux und Tollerei! Sie sind auch nicht, wie behauptet wird, parteipolitisch motiviert. Es sind auch keine rückwärts gewandten, es sind auch keine unbeweglichen, der Vergangenheit verhafteten Blockierer und Verweigerer, die diese Verschiebung fordern, wie auch von mancher Seite immer wieder suggeriert wird.
Vielmehr handelt es sich um verunsicherte Schülerinnen und Schüler, die um ihre Zukunft bangen. Vielmehr sind es Eltern, die die Bildungslaufbahn ihrer Kinder gefährdet sehen. Und vielmehr sind es Pädagoginnen und Pädagogen mit klarer Sicht und mit Weitblick, die erkannt haben, dass unter den derzeit herrschenden Voraussetzungen eine faire gesamtösterreichische Matura in den Fächern Deutsch und Mathematik 2014 nicht gewährleistet ist. Niemand stellt allerdings die Einführung einer teilzentralen Matura generell in Frage.
Ich fahre also fort mit weiteren Ausschnitten aus der Chronik eines angekündigten bildungspolitischen Desasters: Juni 2011 - AHS-Professoren veröffentlichen ihre Zweifel zum Matura-Termin 2014. Da sind die erstmals betroffenen Schülerinnen und Schüler am Ende der 5. Klasse in der AHS. August 2011: Lehrervertreter urgieren die zugesagten neuen Lehrbücher und die Lehrplanreform. Knapp bevor die erstmals Betroffenen die 6. Klasse beginnen.
September 2011: Die 6. Klasse hat begonnen. Mit ÖVP-Bildungssprecher Amon, der ja gemeinsam, wie bekannt ist, mit SPÖ-Politikern die neue Matura geplant hat, stellt erstmals ein Politiker eine Verschiebung in den Raum. Weil er bei seinen Direktkontakten an Schulen festgestellt habe, dass es gravierende Probleme bei den Vorbereitungen auf die neue Deutsch- oder Mathematik-Matura gäbe. (O-Ton.)
November 2011: Auf Bundesebene bilden Eltern-, Lehrer- und Schülervertreter aus den AHS eine breite Front gegen den oktroyierten Termin. Angeprangert werden nicht abgeschlossene Vorarbeiten, nicht vorhandene, noch fertige Unterlagen für Schülerinnen/Schüler und Lehrer/Lehrerinnen in Deutsch und Mathematik und damit keine Möglichkeit zu ausreichenden Vorbereitungen.
Die Schulpartner halten fest, dass es aber zum Beispiel in den Fremdsprachen sehr wohl möglich war, jahrelange Schulversuche zu machen. Und damit möglich war, notwendige Adaptierungen so zu machen, dass im heurigen Jahr in diesen Bereichen eine Zentralmatura ohne Probleme durchgeführt werden kann. Für Deutsch und Mathematik fehlen die Verordnungen, fehlen die entsprechenden Leistungsbeurteilungen. Und die Schulpartner sehen, dass die Schülerinnen und Schüler ohne Ziel und ohne Kompass durch den Nebel steuern. Die Schülerinnen und Schüler hingegen fühlen sich als Versuchskaninchen einer Baustelle Zentralmatura. Im Unterrichtsministerium stoßen sie alle nach wie vor auf vollstes Unverständnis.
21. Jänner 2012: Vom Chaos bei Testläufen für die Zentralmatura in Mathematik schreibt die „Kleine Zeitung“. Es hagelt Fünfer. Schüler und Schülerinnen beklagen zu wenig Infos. Aber dafür haben sie schon viel Angst. Auch etwas! Die Lehrerschaft ortet Verunsicherungen in allen Bereichen. Eltern fühlen sich zu wenig informiert. Kurz darauf überreichen die Bundesschülervertreter der Bundesministerin Schmied einen brennenden Hut und wollen damit drastisch ausdrücken, dass die Verschiebung der Zentralmatura höchst notwendig ist.
Februar 2012: Lehrer und Lehrerinnen monieren Unklarheiten im endlich erschienenen Verordnungsentwurf der Ministerin. Sie weisen wieder darauf hin, dass eine vollzentrale Matura, dem Unterricht an den teilweise sehr, sehr unterschiedlichen Schulformen nicht gerecht werden kann. Die Verwirrung sei groß. Keine Klarheit gibt es weiters bei Leistungsbeurteilungen der Klausurarbeiten.
Die betroffenen Schülerinnen und Schüler befinden sich mittlerweile im 2. Semester der 6. Klasse. Zwei Jahre vor dem oktroyierten Maturatermin. Tja, und der immer kürzer werdende Weg ist nach wie vor gepflastert mit riesigen Stolpersteinen: Fehlende Lehrpläne und –bücher, unklare Beurteilungskriterien. Und dazu kommt noch, dass laut Verordnungsentwurf die Vorbereitungswochen vor der mündlichen Matura fallen sollen. Herrlich! Das Chaos steigert sich. Elternvertreter drohen mittlerweile mit Klagen.
Als Tüpfelchen auf dem I verteilt das WIFI an die Schulen einen gesetzlich nicht gedeckten Beurteilungsraster für Schularbeiten, der sozusagen dem Beurteilungsraster bei der Zentralmatura vorausgreifen soll. Was passiert? Es gibt zu viele negative Beurteilungen, die jetzt revidiert werden müssen!
8. März 2012: Der Krisengipfel der Schulpartner mit Bundesministerin Schmied bleibt erfolglos. Ein Placebo sei es nach Ansicht der Schulpartner.
14. März 2012: Andreas Unterberger schreibt in den „Salzburger Nachrichten“: So wie die Unterrichtsministerin das Projekt durchpeitscht, geht es daneben. Damit ist aber gar nicht die bei jeder Änderung übliche Nervosität gemeint. Aber für ein seriöses Vorhaben, das unsere Kinder nicht als Versuchskaninchen missbraucht, wäre eines absolut notwendig: Schon am Beginn der Oberstufe müssten alle Regeln der neuen Matura ausgetestet, fixiert und kommuniziert sein. Einschließlich aller Lehrbücher und einer umfassenden Liste der Aufgaben. Das hat Claudia Schmieds Chaostruppe nur in Teilbereichen geschafft. Aber immerhin etwas. Zitat zu Ende.
April 2012: Eine von der Bundesschülervertretung durchgeführte Befragung der Schüler der 5. und 6. Klassen AHS ergibt ein alarmierendes Ergebnis. Nur 14 Prozent der zukünftigen Maturantinnen und Maturanten fühlen sich gut auf die neue Zentralmatura vorbereitet. 14 Prozent! Und was tut die Frau Ministerin? Sie ignoriert weiterhin die Ängste und Sorgen der Schülerinnen und Schüler!
Daraufhin bringt die Bundesschülervertretung eine parlamentarische Bürgerinitiative zur teilweisen Verschiebung der Zentralmatura ein. Und ich lade alle hier im Saal ein, dieser Bürgerinitiative auf der Homepage des Parlaments zuzustimmen. In den vergangenen Wochen haben auch verschiedene und zahlreiche politische Vertreterinnen/Vertreter sowie Gremien österreichweit die Forderung nach der Verschiebung der Zentralmatura unterstützt. Bis heute vergebens.
Tja, sehr geehrte Damen und Herren, und die Schülerinnen und Schüler, die es betreffen wird als erste, die sitzen jetzt am Ende der 6. Klasse, genau zwei Jahre vor der Matura. Sie würden sich gern bestens auf das Neue vorbereiten, doch die Voraussetzungen fehlen noch immer. Und die Zeit läuft ihnen in riesen Schritten davon! Ängste und Verunsicherungen wachsen. Sie wissen, dass sie in zwei Jahren Ballspielen müssen. Aber sie wissen nicht, ob Fußball, ob Handball oder gar Tennis oder Tischtennis.
Schmieds Beharren wird immer mehr als Verhöhnung der Betroffenen wahrgenommen. Schmieds stures Beharren signalisiert einen Zynismus, den wir bei Politikern im Bildungsbereich bisher nicht gekannt haben. Ebenso signalisiert dieses sture Beharren eine Kaltblütigkeit, die uns eigentlich höchste Sorge bereiten sollte, für die Zukunft unseres Bildungswesens nämlich.
Und letztendlich passt dazu auch die gestrige Aussage zu den AHS bzw. zur Nicht-Unterstützung in Zukunft von AHS. Die verbalen und schriftlichen Ohrfeigen, die sie austeilt, sehr geehrte Damen und Herren, lösen bittere Erinnerungen an die finstere Zeit der schwarzen Pädagogik aus. Ich kann und will es einfach nicht glauben, dass die Ministerin das wirklich will!
Deshalb bringen wir heute diesen Resolutionsantrag zur teilweisen Verschiebung der Zentralmatura ein. Auch wenn es nach wie vor gebetsmühlenartig aus dem Unterrichtsministerium tönt: Die Zentralmatura ist auf Schiene. Und ich frage Sie: Übersieht die Frau Ministerin wirklich, übersieht sie es wirklich, dass die Schülerinnen und Schüler auf dieser Schiene liegen?
Und daher stelle ich jetzt die Frage: Wie soll bitte der Zentralbahnhof aussehen, der Zielbahnhof, an dem dieser Zug Zentralmatura ankommen soll? Einen Zeitplan ohne Rücksicht einhalten und dafür überrollte Schüler als Verluste? Oder den Zeitplan bedarfsgerecht ausdehnen und erfolgreiche Schüler?
Sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt ist Frau Ministerin Schmied am Zug! Und jetzt kann sie beweisen, dass sie auch ein pädagogisches Herz hat. Jetzt kann sie beweisen, dass für sie die Schülerinnen und Schüler über ihren politischen, parteipolitischen, ideologischen Zielen stehen. Und jetzt kann sie beweisen, dass ihr Menschen wichtiger sind als stur eingehaltene Zeitpläne. Daher ersuche ich Sie um Zustimmung zum Antrag. (Beifall bei der ÖVP.)
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