Inhaltsverzeichnis Einleitung



Yüklə 2,08 Mb.
səhifə14/45
tarix26.07.2018
ölçüsü2,08 Mb.
#59660
1   ...   10   11   12   13   14   15   16   17   ...   45

Die Entwicklungsnische

Super und Harkness (1986) schlagen den Begriff der Entwicklungsnische vor, der Ansätze und Befunde von Ethnologen und Psychologen integrieren soll. Die Entwicklungsnische als Erklärungskonzept für soziokulturelle Entwicklung enthält drei Komponenten:



  1. physikalische und soziale Settings, in denen das Kind lebt,

  2. die kulturell bestimmten Erziehungspraktiken und

  3. die Psychologie der Betreuungspersonen.

Ad a) Setting Settings sind Orte mit spezifischen physikalischen (und biologischen) Eigenschaften, in denen die Teilnehmer in bestimmter Weise, in bestimmten Rollen und in bestimmten Zeitabschnitten aktiv sind. Ein typisches Setting ist die familiäre Wohnung. Ihre physikalischen Eigenschaften bestimmen sich durch die Größe, das Stockwerk, die Lage in der Stadt, die Beschaffenheit der Wände, Decken und Böden. Die Wohnung stellt genügend Sauerstoff zum Atmen zur Verfügung und hält einen gewissen Vorrat an Nahrungsmitteln bereit. In der Wohnung sind spezifische Verhaltensweisen bestimmend, wie Körperpflege, Toilettengang, Schlafen, Einnehmen von Mahlzeiten und für Kinder Hausaufgaben machen bzw. Computerspiele spielen. Die Rollenverteilung wird durch die Familienstruktur festgelegt: Vater, Mutter, ältere und jüngere Geschwister.

Das Setting passt sich an die klimatischen und sonstigen physikalischen Gegebenheiten der Umwelt an. Dies gilt vor allem für die frühe Kindheit. So unterscheidet Whiting (1981) verschiedene Typen von Kulturen hinsichtlich der Unterbringung von Babys. Westliche Kulturen, in denen die Babys wenig Hautkontakt mit der Mutter haben, kennzeichnet er als „packaged“ (eingepackt). Die in warmen Regionen oft übliche Form des Tragens auf dem Rücken oder auf der Hüfte bezeichnet er als „back and hip“-Kultur. Eine dritte Form der Unterbringung des Babys in Wiegen oder Bettchen, die häufiger in kälteren Regionen auftritt, kennzeichnet er als „crib and cradle“-Kultur. Hier wird deutlich, wie das Setting für das Überleben der Neugeboren sorgt und je nach Umweltbedingung variiert.



Ad b) Erziehungspraktiken Ein weiteres Merkmal der Entwicklungsnische sind die Erziehungspraktiken, die in Wechselbeziehung zu den physikalischen und sozialen GegebenheitenderUmweltstehen. SomachendieGefahreneinesSettingsKontrolleundÜberwachung des Kindes nötig. In Stammes- bzw. Dorfkulturen sind solche Gefahren etwa offenes Feuer, tiefes Wasser, auf Pfählen errichtete Häuser; in unserer Kultur z.B. der Verkehr sowie Geräte und Maschinen im Haushalt. Zu den Praktiken der Kinderbetreuung gehören auch Gewohnheiten des Tragens (z. B. im Tragetuch an der Brust oder auf dem Rücken), das Wiegen und Schaukeln des Kindes als Beruhigungsstrategie sowie Bewegungsspiele mit dem Kind. Eine detaillierte Analyse der Bewegungsanregung bei Bambara-Säuglingen stammt von Bril und Sabatier (1986). Sie konnten zeigen, dass aktive Lageveränderungen viel häufiger und systematischer als bei uns vorgenommen werden: das Strecken der Arme und Beine nach dem Bad, das Hängen an Armen oder Beinen, Massage, Vibrationen, das Stehen in den ersten 3 Monaten, das Sitzen und die Anregung der Greifreaktion.

Adc)DiePsychologiederErziehungspersonen DiekulturelldeterminiertenErziehungspraktikenwerdendurchpersönlicheÜberzeugungenüberEntwicklungundErziehungderEltern (und Lehrer) geleitet. Solche Überzeugungen oder „Theorien“ sind Wissensbestandteile (Meme) der Kultur und werden daher auch Ethnotheorien genannt (Sigel 1994). Überzeugungen über Erziehung, Entwicklung und Lernen sind aber in komplexeren Kulturen nicht nur die Wiedergabe eines mündlich tradierten kulturellen Wissens, sondern auch Resultat von Bildung und Erziehung. Beispiele solcher Erziehungs- und Entwicklungstheorien werden wir in späteren Kapiteln diskutieren. In komplexen Gesellschaften wie der unsrigen wandelt sich die Entwicklungsnische mit fortschreitendem Alter (Elternhaus – Kindergarten – Schule – berufliches Setting – Arbeitsplatz im Ausland – ggf. Altersheim). Doch sorgen zentrale Werte einer Kultur für Kontinuität über den ökologischen Wechsel hinweg. Solche zentralen Werte sind in traditionellen Kulturen Verantwortung und Gehorsam, wie etwa in Schwarzafrika (Super und Harkness 1982), Indonesien (Kartodirdjo 1988; Oerter 1995) und China (Forgas und Bond 1985). In westlichen Kulturen bilden personale Autonomie, Leistung und Gleichheit des Menschen zentrale Werte, die frühzeitig sozialisiert werden.

6.9 Enkulturation und Akkulturation

Das Hineinwachsen des Individuums in eine Kultur, der Erwerb der Handlungsfähigkeit in ihr und die Konstruktion (bzw. Internalisierung) des nötigen kulturellen Wissens wird als Enkulturation bezeichnet. Dieser Begriff bezieht sich immer auf die ursprüngliche Entwicklung. Enkulturation beginnt also bei der Geburt bzw. schon vor der Geburt im Mutterleib. Demgegenüber versteht man unter Akkulturation die Anpassung an eine zweite oder dritte Kultur, wie sie bei Immigranten, Gastarbeitern oder Berufstätigen mit längerem Auslandsaufenthalt stattfindet. Berry und Cavalli-Sforza (in Berry et al. 1992) unterscheiden vertikale und diagonale Formen kultureller Transmission. Dabei geht es um die Frage: Wie wird kulturelles Wissen auf die nachfolgende Generation übertragen? Für die genetische Information gibt es bekanntlich nur einen Weg: den von der Elterngeneration auf die Kindergeneration. Mit Berry und Cavalli-Sforza kann man dies als vertikale Transmission (Übertragung) beschreiben. Abbildung 6.6 zeigt, dass es bei der kulturellen Übertragung aber drei Formen der Weitergabe gibt. Die vertikale Transmission von den Eltern auf die Kinder (in diesem Fall müssen es nicht die biologischen Eltern sein) be-


6.9 Enkulturation und Akkulturation



Abb. 6.6 Drei Formen kultureller Transmission. (Oerter, umgearbeitet nach Berry und CavalliSforza, in Berry et al. 1992)

werkstelligt die generelle Enkulturation, aber auch die spezifische Sozialisation. Letztere wird von den Autoren als intentionale und planvolle Einwirkung verstanden, während Enkulturation immer und überall stattfindet. Die diagonale Transmission erfolgt durch andere Erwachsene, z.B. durch die Lehrkräfte. Sofern diese anderen Erwachsenen der eigenen Gruppe (Kultur) angehören, handelt es sich weiterhin um Enkulturations- und Sozialisationsprozesse. Wenn aber diese Erwachsenen aus einer anderen Kultur stammen und deren Inhalte bzw. Verhaltensnormen vermitteln, spricht man von Akkulturation. Sind solche Beeinflussungs- bzw. Lehrprozesse planvoll und zielgerichtet, so werden sie zu Resozialisierungsvorgängen.

Schließlich gibt es auch eine horizontale Transmission bei der kulturellen Übertragung, nämlich die Enkulturation durch die Gleichaltrigen (Peers). Sie spielt spätestens ab Schuleintritt eine ganz zentrale Rolle, da eine Reihe von kulturellen Inhalten nur durch Gleichaltrige vermittelt wird. Heute haben wir es in größerem Umfange auch mit Akkulturationsprozessen bei Gleichaltrigen zu tun, nämlich dann, wenn Migrantenkinder bzw.

-jugendliche die neue Kultur von Gleichaltrigen des Gastlandes erwerben.





Abb. 6.7 Das EKO-Modell als Wechselwirkung von Evolution, Kultur und Ontogenese. E: Evolution, K: Kultur, I: Individuum. (Urheberrecht beim Autor)

6.10 Das EKO-Modell: eine zweite Annäherung

Nun sind wir in der Lage, das EKO-Modell zu erweitern. Was an der ersten Annäherung noch nicht berücksichtig wurde, ist der Anteil des Individuums, des Einzelmenschen an dem Zusammenwirken von Kultur und Evolution. Wie ist die Ontogenese, die individuelle Entwicklung, an der Menschwerdung beteiligt? Vorläufig können wir darauf nur eine allgemeine Antwort geben, die in Abb. 6.7 veranschaulicht ist. Wie bereits das erste Modell zeigt, sind Kultur und Evolution untrennbar miteinander verbunden. Die Evolution gibt ihre Information in Form von Genen weiter, die Kultur in Gestalt der Meme. Das Individuum setzt sich nun im Laufe seiner Ontogenese (Entwicklung) mit Hilfe der evolutionären Ausstattung mit der Kultur auseinander. Die Aneignung kulturellen Wissens ist der Schritt, der der Weitergabe der genetischen Information auf der Seite der Kultur entspricht. Die Vergegenständlichung bedeutet den umgekehrten Vorgang: Das Individuum trägt mit seinen Ergebnissen (Vergegenständlichungen) zur Kultur bei, indem es diese entweder konserviert oder durch neue „Gegenstände“ weiterentwickelt. Bei beiden Prozessen, Aneignung und Vergegenständlichung, ist das Individuum konstruierend tätig, und bei beiden Prozessen erfolgt auch im Regelfall das Zusammenspiel von Individuum und Experten der Kultur in Form gemeinsamen Konstruierens, der Ko-Konstruktion. Wäh-

6.10 Das EKO-Modell: eine zweite Annäherung

rend Individuen Kulturen durch Aufbau neuer Meme relativ rasch verändern können, ist ihre Wirkung auf die Evolution in Form von Selektion und Anpassung unvergleichlich viel langsamer, weshalb wir in der Abbildung auf einen Pfeil vom Individuum zur Evolution verzichten.



Gespräch der Himmlischen

Apoll: Ein etwas merkwürdiges Verständnis von Kultur. Für mich hat Kultur in erster Linie mit Kunst, Literatur, Theater, Tanz und Musik zu tun.

Dionysos: Und mit Festen, auf denen man tanzt, singt und Theater spielt. Außerdem gehört zur Kultur ein guter Wein und gutes Essen, also Trink- und Esskultur. Aphrodite: Liebeskunst und Liebeskultur. Auch darüber haben die Menschen viele Bücher geschrieben.

Athene: Zur Kultur gehört aber mehr, nämlich alles, was sich der Mensch als Welt über die biologische Umwelt hinaus geschaffen hat. Vergesst nicht die vielen Gebote, Sitten, Gebräuche, schicklichen Verhaltensweisen, all das, was Kinder lernen, bis sie erwachsen sind.

Apoll: Aber wozu dann die Definition von Kultur als Universum von menschlich erzeugten Gegenständen?

Athene: Ich sehe zwei Gründe für diese zugegebener Maßen merkwürdige Definition. Erstens ist sie so allgemein, das alles hineinpasst, was zu dieser menschlichen Umwelt gehört. Gegenstände oder Objekte sind deine Lyra ebenso wie deine Gesänge und Dichtungen, sind die Trinkgefäße des Dionysos, die Waffen des Hepheistos, aber auch die Metaphysik unseres geliebten Aristoteles und seine Nikomachische Ethik. Dionysos: Haha, in diesem Sinne sind wir auch Gegenstände, die zur menschlichen Kultur gehören, die Götterwelt der Griechen.

Athene: Sowie sämtliche Götter, Dämonen und Geister, die sich der Mensch je ausgedacht hat.

Aphrodite: Immerhin gibt es uns schon seit fast dreitausend Jahren, während man viele andere berühmte Leute vergessen hat. Von Xerxes kennt man allenfalls das Largo aus der Oper von Händel, Alkibiades und Perikles sind vielleicht noch den altsprachlichen Gymnasiasten bekannt, nur die mythischen Figuren haben sich gehalten: Herakles, Ariadne, Medea, Achill.

Athene: Und mein geliebter Odysseus.

Dionysos: Ich wette, dass manche Menschen den Ulysses von James Joyce besser kennen als deinen Odysseus.

Apoll: Und was ist der zweite Grund für diese merkwürdige Definition?

Athene: Zweitens wird durch die Definition von Kultur als Universum menschlich erzeugter Gegenstände die Brücke zur Evolution geschlagen, also zur Biologie des Menschen. Bislang gibt es großen Streit um das Thema Kultur. Die Kulturwissenschaften sprechen den Naturwissenschaften das Recht ab, überhaupt über Kultur zu reden. Die Naturwissenschaftler präferieren ein einheitliches Weltbild, in dem alles zusammenpasst und damit Kultur auch nicht etwas gänzlich anderes ist als die sonstigen Erscheinungen des Lebens. Der Gegenstandsbegriff verbindet konträre Ansichten. Die Evolution des Menschen ist auch eine Geschichte des Gegenstands. Der Mensch nutzt und verfeinert zunehmend seine Werkzeuge. Sie werden manchmal in wochen- und monatelanger planvoller Arbeit hergestellt.

Apoll: Und verziert.

Athene: Und verziert, das heißt, sie erhalten eine zusätzliche erhöhte Bedeutung, ebenso wie der Schmuck. Gegenstand heißt aber auch, dass er überdauert, im Gedächtnis und im Gebrauch längere Zeit oder gar für ewig erhalten bleibt. Ein Werkzeug, ein Kleidungsstück, einen Schmuck wirft man am nächsten Tag nicht weg.

Aphrodite: Und wir sind das beste Beispiel dafür, wie lange sich Gegenstände halten können.

Dionysos: Das ist die Meme, die sich als kulturelles Gedächtnis zu dem Gedächtnis der Gene gesellt. Mir gefällt an dem Kulturbegriff, dass er nicht so mentalistisch ist. Für viele ist Kultur etwas rein Geistiges: Wissen, Moral, Geschmack, eben etwas, das man lernen muss, wenn man Mitglied einer bestimmten Kultur werden will. Für mich gehört zur Kultur auch die Verfeinerung des Genusses, etwas, das Fleisch und Blut hat.

Aphrodite: Die Rede vom gemeinsamen Gegenstandsbezug erinnert mich, wie könnte es anders sein, an die Szene, wo Paris mir den goldenen Apfel als der Schönsten unter den drei Göttinnen gab.

Athene: An diese Szene erinnere ich mich nicht gern, sie brachte viel Unheil über die Menschen. Außerdem war ich Verliererin. Übrigens war nicht nur der goldene Apfel für dich und Paris der gemeinsame Gegenstandsbezug, sondern die Schönheit. Der Apfel, den du erhieltest, war das Symbol für den Preis der schönsten Göttin. Außerdem steckte schon damals bei der Preisverleihung als gemeinsamer Gegenstandsbezug die schönste Frau auf Erden dahinter: Helena. Viele Jahre bildete sie die Verbindung zwischen euch beiden.

Apoll: Ich hoffe nicht, dass ihr euch von neuem streitet. Ich möchte eure Aufmerksamkeit deshalb auf die vier Grundkomponenten menschlichen Handelns lenken, die auch auf uns zutreffen; denn der Mensch kann sich uns nicht anders denken, als er selbst ist: Aneignung, Vergegenständlichung, Subjektivierung und Objektivierung sind mein Revier, das Revier der Kunst, Musik, Literatur und des Theaters.

Athene: Sie sind dort besonders anschaulich gegeben, aber sie treffen für Technik und Wissenschaft genauso zu.

Dionysos: Und die Isomorphie? Für mich zu begrüßen, weil sie die Einheit von Mensch und Natur in den Vordergrund stellt.

Athene: Das hast du gründlich missverstanden. Es geht gerade nicht um die Einheit und Passung von Natur und Mensch, sondern um die Gleichheit und wechselseitige Abbildbarkeit von kultureller Struktur, also vom Menschen konstruierter Struktur, und individueller Wissensstruktur. Wer in die Kultur hineinwächst, muss ihre Strukturen isomorph übernehmen, und die kulturellen Strukturen stammen vom menschlichen Geist, deshalb sind sie isomorph zu menschlichem Denken und Konstruieren.

Literatur



Dionysos: Das klingt für mich so selbstverständlich, dass man gar nicht darüber reden braucht.

Athene: Täusche dich nicht. 90 % der Psychologen sind anderer Ansicht. Sie pochen auf die Individualität und Einmaligkeit des Menschen und behaupten, dass für kein einziges Individuum Isomorphie zur Kultur besteht.

Apoll: Na, von dem individuellen Beitrag zu Selbstgestaltung und Gestaltung der Welt werden wir ja noch hören. Was mich merkwürdig dünkt, ist die Bemühung um Akkulturation. Einem Griechen und erst recht uns Göttern wäre es nicht eingefallen, fremde Kulturen zu übernehmen. Dort gibt es nur Barbaren.

Athene: Jetzt sind nicht mehr die Griechen gefragt, sondern die Menschheit als Ganzes. Sie ist so nahe miteinander verwandt, dass es nach heutigem Wissen keine Rassen gibt. Aphrodite: Ich kann mir gut vorstellen, mit einem Afrikaner oder Asiaten oder Indianer intime Beziehungen einzugehen.

Dionysos: Nur zu! Das ist sowieso die wichtigste Hilfe für menschliche Verbrüderung.

Athene: Habt ihr nichts anderes im Kopf als Sex? Aphrodite: Was gibt’s denn sonst noch da? – Alle: Nektar und Ambrosia!

Literatur

Baumert, J., Klieme, E., Neubrand, M., Prenzel, M., Schiefele, U., Schneider, W., Stanat, P., Tillmann, K.-J., & Weiß, M. (Hrsg.). (2002). PISA 2000. Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. Opladen: Leske + Budrich.

Berger, P. L., & Luckmann, T. (1970). Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Frankfurt a. M.: Fischer.

Berry, J. W., Poortinga, Y. H., Segall, M. H., & Dasen, P. R. (1992). Cross-cultural psychology: Theory, method and applications. Cambridge: Cambridge University Press.

Bril, B., & Sabatier (1986). The cultural context of motor development: Postural manipulations in the daily life of Bambara babies (Mali). International Journal of Behavioral Development, 9(No 4), 439–454.

Bruhn, H., & Oerter, R. (1998). Entwicklung grundlegender Fähigkeiten. In H. Bruhn & H. Rösing (Hrsg.), Musikwissenschaft: Ein Grundkurs (S. 313–329). Reinbek: Rowohlt.

Bruner, J. S. (1987). Wie das Kind sprechen lernt. Bern: Huber.

Camilleri, C. (1985). La psychologie culturelle. Psychologie francaise, 30, 147–151.

Cole, M. (1993). The development of children. Oxford: Freeman.

Cole, M.(1995). Cultureandcognitivedevelopment: Fromcross-culturalresearchtocreatingsystems of cultural mediating. Culture & Psychology, 1, 25–54.

Dawkins, R. (2009). Geschichte vom Ursprung des Lebens. Berlin: Ullstein.

Durkheim, É (1898). Représentations individuelles et représentations collectives. Revue de Metaphysique et de Morale, 6, 273–302.

Forgas, J. P., & Bond, M. H. (1985). Cultural influences on the perception of interaction episodes. Personality and social psychology bulletin, 11, 75–88.

Herskovits, M. J. (1948). Man and his works: The science of cultural anthropology. New York: Alfred Knopf.

Karpov, Y. V., & Haywood, H. C. (1998). Two ways to elaborate Vygotski’s concept of mediation: Implications for instruction. American Psychologist, 53, 27–36.

Kartodirdjo, S. (1988). Modern Indonesia, tradition & transformation: A socio-historical perspective. Yogyakarta: Gadjah Mada University Press.

Kummer, H. (1975). Sozialverhalten bei Primaten. Heidelberg: Springer.

Luhmann, N. (1990). Konstruktivistische Perspektiven. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Luhmann, N. (1993). „Was ist der Fall?“ und „Was steckt dahinter?“ Die zwei Soziologien und die Gesellschaftstheorie. Zeitschrift für Soziologie, 22, 245–260.

Moscovici, S. (1988). Notes toward a description of social representation. European Journal of Social Psdychology, 18, 211–250.

Oerter, R. (1995). Persons’ conception of human nature: A cross-cultural comparison. In J. Valsiner (Hrsg.), Child development within culturally structured environments (Bd. 3, S. 210–242). Norwood: Ablex.

Perner, J. (1991). Understanding the representation of mind. Harvard: MIT Press.

Rogoff, B. (1990). Apprenticeship in thinking: Cognitive development in social context. New York: Oxford University Press.

Segall, M. H., Dasen, P. R., Berry, J. W., & Poortinga, Y. H. (1990). Human behavior in global perspective. New York: Pergamon Press.

Sigel, I. E. (1994). Elterliche Überzeugungen und deren Rolle bei der kognitiven Entwicklung von Kindern. Unterrichtswissenschaft, 22(Jg.)(2), 160–181.

Sodian, B. (2006). Theorie of mind. In W. Schneider & B. Sodian (Hrsg.), Kognitive Entwicklung. Encyklopädie der Psychologie (S. 495–608). Göttingen: Hogrefe.

Stadler-Elmer, S. (2005). Entwicklung des Singens. In R. Oerter & F. Stoffer (Hrsg.), Musikpsychologie Bd. 2 Enzyklopädie der Psychologie (S. 123–152). Göttingen: Hogrefe.

Super, C. & Harkness, S. (1986). The developmental niche: A conceptualization at the interface of society and the individual. International Journal of Behavioral Development, 9 (4), 545–570.

Trehub, S. (2005). Musikalische Entwicklung in der frühen Kindheit. In R. Oerter & F. Stoffer (Hrsg.), Musikpsychologie Bd. 2 Enzyklopädie der Psychologie (S. 33–56). Göttingen: Hogrefe.

Whiting, B. B. (1981). Culture and social behavior: A model for the development of social behavior. Ethos, 8, 95–116.

Wimmer, H., & Perner, J. (1983). Beliefs about beliefs: Representation ad constraining function of wrong beliefs in young children’s understanding of deception. Cognition, 13, 103–128.

Wundt, W. (1900–1920). Völkerpsychologie, 10 Bd. Leipzig: Engelmann.

Wygotski, L. (1978). Self, mind, and society. Cambridge: Harvard University Press.

Wygotski, L. (1987). Ausgewählte Schriften. Arbeiten zur psychischen Entwicklung der Persönlichkeit, Bd. 2. Berlin: Volk und Wissen.

Ziegler, J. (2005). Das Imperium der Schande. Gütersloh: Bertelsmann.
Kulturen wandeln sich und wir in ihnen 7

In unseren bisherigen Betrachtungen zeigte sich, dass Kulturen sehr lange unverändert bleiben können. Die Hackmesserkultur hat sich über eine Million Jahre gehalten. Die Yamanas auf Feuerland, die wir in anderem Zusammenhang schon erwähnt haben, bewahrten ihre Kultur unverändert über 5.000 Jahre, was man beispielsweise aus den Speeren und Schilfbooten ersehen kann, die sich über diesen Zeitraum kaum verändert haben. Jäger- und Sammlerkulturen, wie die Eipos auf Neu-Guinea oder die Buschmänner in der Kalahari-Steppe, haben ihre Lebensweise seit der Steinzeit beibehalten. Aber schließlich hat sich die Kultur in vielen Gegenden der Welt weiterentwickelt. Weiterentwicklung muss nicht gleichgesetzt werden mit Höherentwicklung, doch gibt es Kriterien, wie Komplexität der Gesellschaft, Wissensumfang, technisches Niveau, nach denen man Entwicklung bemessen oder einteilen kann.



7.1 Soziobiologie und Kultur

Kulturen können sich weit weg von der Evolution entwickeln und sogar evolutionär dysfunktional werden. Aber in vielen Fällen hat die Kultur Mechanismen entworfen, die unmittelbar der biologischen Evolution dienen. Mit dieser engsten Verflechtung von Kultur und Biologie befasst sich die Soziobiologie. Sie geht von dem Eigennutz des Individuums und dem Gen-Egoismus (Dawkins 1987) aus und versucht zu zeigen, dass unser Sozialverhalten und viele unserer kulturellen Normen der Evolution untergeordnet, also biologisch determiniert sind. Diese Position lässt sich am besten durch Fallbeispiele beleuchten.

Vielen traditionellen Gesellschaften gelingt oder gelang es, ihre Population konstant zu halten, so den Yamana auf Feuerland, den Buschleuten in der Kalahari-Steppe, den Eipos auf Neuguinea und den Aborigines in Australien. Dadurch konnten sich diese Gesellschaf-

R. Oerter, Der Mensch, das wundersame Wesen, 139

DOI 10.1007/978-3-658-03322-4_7, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

ten lange Zeit in einer Umwelt mit begrenzten Ressourcen behaupten. Das evolutionäre Prinzip ist dabei nicht die unbegrenzte Vermehrung der Nachkommenschaft, sondern die Erhaltung und Weitergabe der genetischen Fitness. Das Ziel des Individuums besteht darin, eine optimale reproduktive Fitness zu erzielen. Das bedeutet eine Qualitätssteigerung anstelle einer Quantitätssteigerung.

Lee (1972) hat unter anderem die Familienplanung der Buschleute in der Kalahari studiert. Die Frauen heiraten vergleichsweise spät und gebären nur alle vier Jahre ein Kind. Diese Beschränkung hängt mit den knappen Ressourcen der Umwelt zusammen. Die Buschfrau muss alle zwei bis drei Tage Nahrung sammeln. Dazu nimmt sie ihr Kind bis zum Alter von zwei Jahren mit und trägt es, sodass zur Nahrungstraglast auch das Gewicht des Kindes hinzukommt. Würde der Geburtenabstand kürzer werden, würde sich der Nahrungsbedarf erhöhen, es müssten von der Mutter zwei Kinder beim Sammeln getragen werden und die tragbare Menge an Nahrung würde sich verringern. Blurton Jones und Sibly (1978) haben die Folgen einer Verkürzung und einer Verlängerung der Geburtenrate für die Traglast der Frau über das gesamte Erwachsenenalter hinweg berechnet und in einem Modell abgebildet. Dabei zeigte sich, dass in der Tat der Abstand von vier Jahren die günstigste Variante ist. Die Traglast ist niedriger als bei einer höheren Geburtenrate und bleibt über Jahrzehnte stabil. Die gesamte Traglast steigt bei Verkürzung des Geburtenabstands schlagartig an.

Näher an unserer Kultur ist das geschichtlich gewachsene System auf der griechischen Insel Karpathos. Die landwirtschaftliche Nutzbarkeit ist durch die kargen Böden begrenzt. Wirtschaftliches Wachstum ist oder war nicht möglich. Unter diesen Bedingungen ist eine starke soziale hierarchische Gliederung der Bevölkerung entstanden, an deren Spitze die Großbauern stehen. Sie haben eine Familienordnung entwickelt, die die Erhaltung des Grundbesitzes sicherstellt und jedes Zerteilen des Landes vermeidet. Es gibt ein bilaterales Erbrecht, die erstgeborene Tochter erbt das Vermögen ihrer Mutter, der erstgeborene Sohn das Vermögen des Vaters. Die nachgeborenen Geschwister tragen zum Erhalt des Vermögens durch ihre soziale und reproduktive Bescheidenheit bei. Sie arbeiten ohne Entgelt und unverheiratet in der Landwirtschaft mit und partizipieren auch nicht an dem Lebensstil des ältesten Geschwisters. Aus der Sicht der Soziobiologie dient dieses Ausbeutungssystem dem evolutionären Mechanismus der Verwandtenselektion. Die entrechteten Schwestern verhalten sich selektionsangepasst, weil sie die Gesamtfitness steigern und damit auch den eigenen Genen dienen, von denen ein Teil durch die ältesten Geschwister an die nächste Generation weitergegeben wird. Zu diesen Beispielen im Überblick siehe Vogel und Voland (1988).

Voland, wohl der bedeutendste Vertreter der Soziobiologie in Deutschland, hat Tausende von Familien anhand von Pfarrbüchern analysiert und dabei Zusammenhänge gefunden, die er ebenfalls soziobiologisch deutet (Voland 2007). Er und seine Mitarbeiter fanden deutliche Unterschiede des Geschlechterverhältnisses bei der Kinderzahl in sechs Dorfbevölkerungen Norddeutschlands. In der Region Krummhörn überlebten zwischen 1720 und 1874 deutlich mehr Mädchen, in Ditfurt am Harz deutlich mehr Jungen. Nach Voland könnte dies mit der Verfügbarkeit von neuen landwirtschaftlichen Flächen zu-

7.2 Kulturelle Entwicklung: Formen der Vergesellschaftung

sammenhängen. In Krummhörn gab es kein neues bebaubares Land mehr, weitere Söhne waren überflüssig. In Ditfurt konnte noch Landbesitz hinzugewonnen werden, daher waren weitere Söhne erwünscht. In Krummhörn stieg die Sterblichkeit von Bauernsöhnen mit der Anzahl älterer Brüder. Es gab sogar eine Korrelation zwischen der Anzahl der Taufpaten und der Säuglingssterblichkeit. Kinder, die das erste Lebensjahr vollendeten, hatten im Mittel mehr Paten. Dass die Erhaltung des Besitzes (Krummhörn) bzw. seine Erweiterung (Ditfurt) ausschlaggebend war, zeigen Vergleiche mit Arbeiterfamilien. Dort gab es keine geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Geburtenrate und keine erhöhte Sterblichkeit mit zunehmender Kinderzahl. Die Befunde liegen ähnlich wie bei den Grundbesitzern auf Karpathos. Das Fitnessmerkmal ist nicht die Zahl der Nachkommen, sondern die Sicherung einer hohen Qualität für die Nachkommenschaft. Voland scheint eine andere Wurzel dieses Anpassungsverhaltens nicht in Erwägung zu ziehen, nämlich die Erhaltung und Vergrößerung des Besitzes, und damit zugleich die Erhaltung und Vergrößerung des eigenen Lebensreviers. Das Streben nach Besitz – in obigen Beispielen nach Landbesitz – muss eine evolutionäre Wurzel haben, sonst wäre die irrationale Anhäufung von Vermögen nicht verständlich. Was in Literatur (der Geizige von Molière), Kunst (Allegorien über Habsucht) und im moralischen Alltagsverständnis („Raffke“) als verwerflich und unsympathisch gilt, beherrscht die Motivation der Menschen dennoch in hohem Maße. So erstaunt es die Öffentlichkeit umso mehr, wenn einige Milliardäre die Hälfte ihres Vermögens, wie jüngst geschehen, für wohltätige Zwecke zur Verfügung stellen. Unterstellt man, dass Besitzvermehrung, sei es in Form von Grundbesitz oder Geldvermögen, evolutionäre Wurzeln hat, so lässt sich auch besser verstehen, warum der Kapitalismus seinen Siegeszug angetreten hat. Im Kapitalismus verselbständigt sich das Motiv der Besitzvermehrung. Kapital wird unabhängig von individuellen Bedürfnissen und in Produktionsstätten oder Finanzmärkten investiert. Letztlich ist dieses System, das sich verselbständigt hat, irrational.

Der soziobiologische Ansatz will nicht alles an der Entstehung und Entwicklung kultureller Ordnungen erklären, damit wäre er überfordert. Aber er macht auf erstaunliche Korrespondenzen zwischen Kultur und Evolution aufmerksam. In isolierten Kulturen, die ganz auf die Möglichkeiten und Ressourcen der Umwelt angewiesen sind, müssen sich kulturelle Ordnungen entwickeln, die sich in Übereinstimmung mit den Selektionsmechanismen der Evolution befinden. Als bizarres Beispiel in einer Hochkultur könnte man die Geschwisterehe der Pharaonen anführen. Da Geschwister 50% des Erbgutes gemeinsam haben, ergibt sich für die Nachkommen die höchste Vererbungsquote. Der Vorteil der maximalen genetischen Weitergabe wird allerdings durch die Nachteile der Inzucht wieder zunichte gemacht.



Yüklə 2,08 Mb.

Dostları ilə paylaş:
1   ...   10   11   12   13   14   15   16   17   ...   45




Verilənlər bazası müəlliflik hüququ ilə müdafiə olunur ©muhaz.org 2024
rəhbərliyinə müraciət

gir | qeydiyyatdan keç
    Ana səhifə


yükləyin