Jugendarbeit In der J. (inzwischen wird i.d.R. von Kinder- und Jugendarbeit gesprochen, da auch Kinder zum Adressat/innenkreis dieses sozialpädagogischen Arbeitsfeldes zählen) haben Heranwachsende neben Familie, Schule und Berufsausbildung die Möglichkeit, Kompetenzen zu erwerben, etwas zu erleben, gemeinsam Erfahrungen zu sammeln, sich in Organisationen und Projekten zu engagieren oder in ihren besonderen Bedürfnis- und Problemlagen unterstützt zu werden. J. realisiert sich wesentlich in nichtkommerziellen Freizeiteinrichtungen, also in Kinder- und Jugendfreizeitzentren, Jugendhäusern, Jugendcafés, Freizeitstätten und Jugendzentren, und im Kontext der → Jugendverbände. Daneben sind aber weitere, quantitativ kleinere Handlungsfelder mit speziellen Schwerpunkten zur J. zu zählen, bspw. die soziale, politische, naturkundliche, gesundheitsorientierte und kulturelle → Jugendbildung in Jugendbildungs- und Jugendtagungsstätten, die Kinder- und Jugendarbeit in Erholungsstätten, Zeltlagern, Ferienfreizeiten und -aktionen, der Stadtranderholung, auf Abenteuer- und Bauspielplätzen, die ästhetisch-kulturelle Arbeit der Jugendkunst-, Mal- und Kreativitätsschulen, die Kinder- und Jugendarbeit in soziokulturellen Zentren und Kommunikationshäusern, die Kinder- und → Jugendberatung, die arbeitswelt-, und familienbezogene Jugendarbeit und -bildung sowie die schulbezogene Kinder- und → Jugendsozialarbeit. Und auch Formen der → internationalen J., der Straßensozial- und Fußballfangruppenarbeit, der aufsuchenden und niedrigschwelligen J. und sogar die berufsbezogene Jugendsozialarbeit sowie der → Kinder- und → Jugendschutz zeigen deutliche Schnittflächen mit der J.
Rechtsgrundlage für die J. bildet das → Sozialgesetzbuch (SGB) VIII (§§ 11, 12 und 13). Diese allgemeine juristische Grundlage wird in länderspezifischen Ausführungsgesetzen, bzw. Jugendbildungsgesetzen, konkretisiert und ergänzt. Träger der J. sind Jugendverbände, Gruppen und Initiativen, Gemeinden, Landkreise und Städte, Kirchen und Kirchengemeinden sowie im kleineren Umfang andere Verbände und Arbeitsgemeinschaften. J. wird über Projektförderungen und Förderpläne (Kinder- und Jugendhilfepläne, Kinder- und → Jugendhilfeplanung, → Landesjugendpläne) auf kommunaler Ebene, Länder- und Bundesebene sowie zunehmend, wenn auch noch im geringen Umfang, durch → Stiftungen und private Sponsoren finanziert.
J. ist Teil der → Kinder- und Jugendhilfe. Gegenwärtig existieren laut → Kinder- und Jugendhilfestatistik bundesweit cirka knapp 18000 Einrichtungen der J. In diesen arbeiten neben einer nicht zu quantifizierenden Anzahl von Ehrenamtlichen beruflich gut 40000 → Sozialarbeiter/innen und Sozialpädagog/innen, Dipl.-Pädagog/innen, → Erzieher/innen und Personen mit anderen Qualifikationen. Pro Jahr werden etwa 1,45 Mrd. EUR öffentliche Mittel für die J. – insbesondere von den Kommunen – aufgewendet.
Die J. stellt insgesamt ein sehr umfangreiches, komplexes und zugleich jedoch äußerst konfuses, sehr schwer zu systematisierendes sozialpädagogisches Arbeitsfeld dar. Unter Beachtung dieser Beobachtung bietet sich folgende Charakterisierung der Arbeitsfeldes an: Die J. umfasst alle außerschulischen und nicht ausschließlich berufsbildenden, mehr oder weniger pädagogisch gerahmten, nicht kommerziellen erlebnis- und erfahrungsbezogenen Sozialisationsfelder von → freien und → öffentlichen Trägern, Initiativen und Arbeitsgemeinschaften sowie einigen kommerziellen Veranstaltern. In diesen können Kinder und Jugendliche ab dem Schulalter selbstständig, mit Unterstützung oder in Begleitung von ehrenamtlichen und/oder beruflichen Mitarbeiter/innen individuell oder in Gleichaltrigengruppen zum Zweck der Freizeit, → Bildung und Erholung einmalig, sporadisch, über einen turnusmäßigen Zeitraum oder für eine längere, zusammenhängende Dauer zusammen kommen. Die J. hat trotz des Verblassens bzw. der Pluralisierung fester Angebotsstrukturen und Aufgaben, trotz der ökonomischen und kulturellen Potenz und Dynamik der kapitalistischen Märkte, die für Kinder und Jugendliche Unterhaltung und Bildung anbieten, für viele Heranwachsende als eigenständiger Entwicklungsraum und Sozialisationsfeld enorme Bedeutung, auch weil hier Kompetenzen zur Lebensbewältigung und -gestaltung erworben werden können, die an anderen gesellschaftlichen Orten nicht zu erwerben sind.
J. als sozialpädagogische Idee findet sich über unterschiedliche Theorien begründet. Neben den kaum noch als Bezugspunkt anzutreffenden sozialintegrativen, emanzipatorischen, antikapitalistischen, bedürfnisorientierten, sozialräumlichen, subjektorientierten Theorien der J. findet seit einigen Jahren insbesondere eine bildungstheoretische Rahmung der J. Zuspruch. Die bildungstheoretische Begründung der J. und ihre Charakterisierung als non-formale Lernwelt erlaubt zudem Inbeziehungsetzungen zu weiteren, bspw. zu bedürfnis- oder subjektbezogenen, Theorien. Bildungsprozesse werden in der J. i.d.R. nicht im Kontext von curricular ausbuchstabierten Lehr- und Lernszenarien initiiert, sondern durch die Heranwachsenden selbstgesteuert und situationsbezogen oder aber durch die ehrenamtlich Engagierten initiiert. Wenn die Bildungsanregungen durch professionelle Pädagog/innen im Zusammenhang mit institutionalisierten Angeboten und Maßnahmen erfolgen, zeichnen diese sich ebenfalls und vornehmlich durch ihren situativen Charakter aus, gleichwohl sie partiell, keinesfalls jedoch durchgängig, methodisch-didaktisch gerahmt sind. Die Herausforderung besteht in den pädagogisch-professionellen Freizeit- und Bildungsräumen für die Pädagog/innen insbes. darin, sparsam mit direktiven → Interventionen und Anregungen umzugehen und zugleich dennoch eine wahrnehmbare, pädagogische Präsenz zu kommunizieren (Cloos u. a.).
Die J. ist ein pädagogischer Ort, an dem sich die pädagogischen Intentionen – im Kontrast zur Schule – quasi versteckt auf der Hinterbühne verwirklichen. Spielen sich in den schulischen Bildungswelten die sozialen Platzierungskämpfe, Rivalitäten und Beziehungsauseinandersetzungen im Rücken des eigentlichen Lern-Lehr-Szenarios ab, so finden diese in den Einrichtungen und Projekten der J. quasi auf der Hauptbühne ihren Platz. Auch wenn die wünschenswerte Erweiterung der schulischen und vorschulischen Ganztagsangebote (→ Ganztagsschule) die bisherigen Angebotsformen der J. verändern und erweitern, wird sie weiterhin im Konzert der kommunalen Sozial- und Bildungslandschaft ihren Platz beanspruchen können. Kinder und Jugendliche suchen und wünschen soziale Kontexte, in denen sie sich – auch mit der Erwachsenengeneration – auseinandersetzen, aber auch ihren »Eigensinn« leben können. Kinder und Jugendliche wünschen und erwarten ihre Autonomie akzeptierende gesellschaftliche Netzwerke der Bildung und der Unterstützung. Sie wünschen und erwarten Anerkennung und Verständigungsformen sowie Respekt vor den von ihnen entwickelten Formen und Regularien der Selbstsozialisation. Schule hält für diese Interessen der Heranwachsenden keinen Ort bereit.
Bei allem rasanten Wandel bleibt die J. in modernen Gesellschaften unverzichtbares Feld und wichtige Verpflichtung des → Sozialstaates, für die jungen Generationen im Wandel von Lebensbedingungen und im Wachsen von Anforderungen Räume anzubieten, die ihnen erlauben, in den Prozessen des Aufwachsens positive Erfahrungen von Sozialität, Solidarität und Selbstbestimmung machen zu können. Angesichts dieser Aufgabenbestimmung kann sich eine moderne Bildungspolitik nur als Teil einer auf → soziale Gerechtigkeit setzenden → Sozialpolitik konzipieren – und die ist ohne eine in die regionalen Strukturen fest eingelagerte J. kaum vorstellbar.
Lit. Böhnisch u. a.: Jugendarbeit; Cloos u. a.: Kinder- und Jugendarbeit; Deinet u. a.: Handbuch; Kiesel u. a.: Jugendarbeit; Scherr: Jugendarbeit; Thole: Jugendarbeit.
Werner Schefold/Werner Thole
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