ZEIT ONLINE
Landwirtschaft
Einmal öko und zurück
Bio boomt. Aber nicht bei den Bauern hierzulande. Mehr als 600 steigen jährlich wieder aus dem Ökolandbau aus. Hans Hatje ist einer der wenigen, die sich dazu bekennen. von Harald Willenbrock
23. Dezember 2013 15:15 Uhr 27 Kommentare
Der Bauernhof von Hans Hatje | © Jens Umbach
Der alte Mulcher ist noch da, einsatzbereit. Ein paar Säcke Bioland-Getreide für seine Pferde. Statt des Hackstriegels aber, mit dem er bis vergangenes Jahr chemikalienfrei das Unkraut aus dem Boden holte, parkt in Hatjes Maschinenhalle ein Spritzanhänger mit 24 Meter breiten Armen, aus denen er neuerdings wieder Schädlings- und Unkrautvernichter auf seine Felder regnen lässt. Gleich nebenan steht ein fabrikneuer Düngerstreuer, mit dem er jetzt erstmals seit mehr als zwei Jahrzehnten wieder synthetischen Dünger ausbringt. Seine Ernte: dreimal so viel Getreide wie früher – und jede Menge Diskussionen.
Hans Hinrich Hatje hat sich vom Acker gemacht.
Bis zum Herbst 2012 gehörte der Landwirt aus dem schleswig-holsteinischen Gothendorf zu den Öko-Pionieren seines Landes. 21 Jahre lang hatte er seine 170 Hektar sanft gewellte Felder nach strengen Bioland-Richtlinien beackert, auf Kunstdünger und Pestizide verzichtet, nach Abnehmern für sein Getreide gesucht – und auf Besserung gehofft. Dann aber war endgültig Schluss mit Öko. "Wir sind, was die Erträge betrifft, einfach total hinten runtergefallen", sagt der 56-jährige Agraringenieur mit leiser Stimme. Früher saß er für die Grünen im Gemeinderat, heute schreibt er in seiner Freizeit fürs Bauernblatt. Seine Frau ist Baumschulgärtnerin, die beiden Kinder sind aus dem Haus. Auf seinem Hof ist er sein einziger Angestellter, niemandem Rechenschaft schuldig, außer sich selbst. "Was nützt es denn, wenn man mit großem Aufwand die Umwelt schont", sagt er, "und der Hof dabei koppheister geht."
Und weil das so ist, zieht der Ex-Ökobauer wieder mit Agrochemie zu Felde. Hatje steht damit nicht allein. Aber in seltsamem Widerspruch zu jenem gewaltigen Trend, der in den vergangenen Jahren Kühlregale, Küchen und Köpfe verändert hat.
Dostları ilə paylaş: |