Landtag Plenarprotokoll Nordrhein-Westfalen 16/11 16. Wahlperiode 07. 11. 2012 11. Sitzung



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Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Minister. – Herr Kollege Witzel hat eine Frage. Bitte.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich möchte zunächst einmal dem Finanzminister, Herrn Dr. Walter-Borjans, für die ausführliche Beantwortung danken. Ich sichere Ihnen zu, dass wir den Hinweis, den Sie uns zum Rating der EAA gegeben haben, durchaus aufgreifen und prüfen werden.

Dennoch ergibt sich für mich aufgrund Ihrer Beantwortung eine Frage. Denn ich gehe davon aus, dass Ihnen regelmäßig aktualisierte Abwicklungspläne für das WestLB-Erbe vorliegen. In Marktkreisen ist zu hören, dass es bezüglich der ökonomischen Erwartungen im Laufe der Jahre zur Verschlechterung gekommen sei und dementsprechend evidente Risiken aus dem Restrukturierungsprozess vorhanden sein sollen.

Sie haben eben selbst auf die Entwicklung in Peripheriestaaten und die Auswirkung auf die Wertigkeit der Papiere am Beispiel Griechenlands hingewiesen. Es gibt auch Papiere aus anderen Peripheriestaaten, die noch nicht in diesem Griechenlandschnitt inbegriffen waren.

Deshalb möchte ich Sie fragen: Wie genau haben sich die ökonomischen Erwartungen, also die Aussichten und Risiken, in den unterschiedlichen Abwicklungsplänen über die Jahre insgesamt entwickelt und insbesondere auch mit Blick auf die Nachbefüllung verändert? Was ist die Veränderung bei dem Expected Loss, der eigentlich die Risikogröße für die Ausfallrisiken im Kreditgeschäft ist?



Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ich kann Ihnen jetzt konkrete einzelne Zahlen nicht nennen. Ich bin gerne bereit, auch noch einmal aufzulisten, wie sich das über die Zeit mit den überprüften Abwicklungsplänen ergeben hat.

Ich kann Ihnen jetzt sagen, dass alle Beteiligten zum Zeitpunkt der Eckpunktevereinbarung zur WestLB in der Mitte des Jahres 2011 übereinstimmend davon ausgegangen sind, dass im Jahre 2027 die Erste Abwicklungsanstalt einen Überschuss haben würde, der zu den damaligen Bewertungen deutlich noch über 1 Milliarde gelegen hat.

Wir waren uns immer im Klaren darüber, dass man jetzt nicht mit diesem Geld schon wieder planen konnte, sondern dass das nur eine beruhigende Wirkung hatte, dass man weiß, der Puffer ist gegeben aus dem Eigenkapital und aus den eigenkapitalgleichen Sicherheiten innerhalb der EAA, sodass man sagen konnte: Damit werdet ihr klarkommen.

Das hat sich durch die Entwicklung in Griechenland verändert. Da muss man heute auch ganz klar sagen: Ich kann Ihnen nicht prognostizieren, was in der Eurozone, was in der Europäischen Union in den nächsten anderthalb Jahrzehnten passieren wird.

Das, was da passieren wird, ist aber auch völlig unabhängig von der Konstruktion, die wir gewählt haben. Das wäre mit einer weiter bestehenden WestLB und in anderen Landesbanken und in anderen Banken genau dasselbe, wie es jetzt mit der Konstruktion der EAA ist.

Die Risiken, die dort liegen und die im Falle des GAU, den Sie vielleicht gerne beschrieben haben möchten, natürlich Risiken sind, die uns alle treffen, kann ich jetzt wirklich nicht anders prognostizieren, als das immer mit den auch von der FMSA gebilligten Prognosen der EAA gemacht worden ist. Diese 1 bis 1,5 Milliarden ungefähr zur Mitte des Jahres 2011 sind durch die Ereignisse im Folgezeitraum abgeschmolzen. Sie sind kleiner. Sie sind aber nach wie vor nach dem letzten Kenntnisstand, den ich habe, noch positiv. Das ist das eine.

Das Zweite ist, dass die Zusatzbefüllung in Höhe von 100 Milliarden €, eben berechnet von der EAA, mit 480 Millionen € an Ausfallrisiko gegenfinanziert worden ist. Das mag bei diesem Riesenbetrag von 100 Milliarden schon zeigen, dass die EAA in ihren Berechnungen davon ausgegangen ist, dass die so gut wie verlustfrei abzuwickeln sind, weil 480 Millionen € bei 100 Milliarden € nun wirklich nicht ein hoher Prozentsatz sind.

Die sind dann auch dargestellt worden. Die sind wieder mit eingebracht worden. Das ist der gegenwärtige Stand.

Es ist allerdings so, dass im Augenblick die EAA wieder in der Bewertung ist und dass wir abwarten müssen, wie sich jetzt diese neue Bewertung auf den weiteren Abwicklungsplan niederschlägt.

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Minister. – Herr Witzel hat eine zweite Frage. Bitte schön.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Finanzminister, ich habe volles Verständnis dafür, dass Sie jetzt nicht alle Zahlen auswendig präsent haben, wie sich die Papiere für Peripheriestaaten in der Prognose entwickelt haben und was das für den Expected Loss bedeutet, kumuliert auch über die Zeiträume.

Sie haben aber zu Beginn dieser Fragerunde dankenswerterweise angeboten, dass Sie uns die entsprechenden Zahlen noch zur Verfügung stellen wollen. Deshalb wollte ich Sie fragen: Habe ich Sie dahin gehend richtig verstanden – weil Sie das ja nachliefern wollten –, dass Sie bereit sind, den Landtagsabgeordneten wenigstens im HFA die Abwicklungspläne der jeweiligen Jahre WestLB zur Verfügung zu stellen, woraus eben auch die Entwicklungen der prognostizierten Werte und der Risiken und der Expected Loss hervorgehen?



Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Ich kann Ihnen zusagen, dass ich über das, was ohne Risiko für diesen Abwicklungsplan öffentlich mitzuteilen ist bzw. auch in einem geschlossenen Kreis des HFA mitzuteilen ist, gerne Bericht erstatte.

Auf der anderen Seite: Ich habe gerade in den letzten Monaten immer wieder erlebt, wie aus Zahlen Informationen geworden sind, die das Abwicklungsgeschäft sowohl auf der Seite von Portigon als auch auf der Seite der Abwicklungsanstalt nicht vereinfachen, sondern erschweren. Deswegen sehen Sie es mir bitte nach, dass ich mir die Informationen dazu noch einmal im Einzelnen angucke.

Aber ich glaube schon, dass man Ihnen darstellen kann, dass es ausgehend von 2011, wo es vor den Turbulenzen im Euroraum zugegebenermaßen ein größeres Polster gab, bis heute eine Veränderung gegeben hat, aber dass wir in einem Bereich sind, in dem die Erste Abwicklungsanstalt davon ausgeht, dass das Konstrukt, so wie es da ist – im Übrigen ein Konstrukt, das Sie damals ja selbst in der Regierung gebildet haben –, trägt.

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Minister. – Frau Kollegin Schmitz hat eine Frage. Bitte schön, Frau Schmitz.

Ingola Schmitz (FDP): Sehr geehrter Herr Minister, erlauben Sie mir die folgende Nachfrage. Die aktuelle mittelfristige Finanzplanung sieht bis Ende 2015 noch neue WestLB-Lasten für den Landeshaushalt von 1,5 Milliarden € vor. Fraglich ist, ob diese Aufwendungen bis dahin ausreichen. Gehen Sie davon aus, dass die 1,5 Milliarden € bis 2015 ausreichend sind? Oder ist absehbar mit einer Änderung der mittelfristigen Finanzplanung in diesem Punkt zu rechnen?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Nein, es ist nicht damit zu rechnen.

Allerdings sage ich Ihnen auch genau voraus, dass das nicht das Ende der Fahnenstange ist, sondern dass dann, wenn wir jetzt die nächste mittelfristige Finanzplanung in Richtung 2016 vervollständigen, natürlich auch dabei noch Lasten sind.

Aber wir sollten, bevor Sie das jetzt mit dem Thema „WestLB“ in Verbindung bringen, noch einmal deutlich machen, worum es sich da handelt. Es handelt sich um Phoenix. Es handelt sich um einen Teil, um 23 Milliarden € der 77 Milliarden €, die in der ersten Stufe auf die Abwicklungsanstalt übertragen worden sind. Damals war klar: Die 23 Milliarden € sind wirklich die Portfolien, die man als toxisch oder als Schrott bezeichnen konnte und bei denen man davon ausgehen musste, dass ein erheblicher Anteil davon verlorengehen würde.

Deswegen haben damals das Land, die Landschaftsverbände und die Sparkassen eine Garantiesumme von 5 Milliarden € verabredet – ich habe es heute Morgen schon einmal gesagt –, interessanterweise von der schwarz-gelben Koalition so verabredet, dass die Sparkassen von den 5 Milliarden € 1 Milliarde € zu tragen haben, dass das Land rund 3,6 Milliarden € zu tragen hat und die Landschaftsverbände rund 400 Millionen €.

Dafür hat mein Vorgänger Helmut Linssen eine Vorsorge in Höhe von etwas mehr als 1 Milliarde € getroffen, obwohl alle Prognosen sagen: Diese 5 Milliarden € werden aller Voraussicht nach ziehen, die werden in Anspruch genommen.

Jetzt mindert sich langsam der Puffer. Wir wollten ihn im Nachtrag 2010 erhöhen, vergrößern. Das war nicht möglich. Und das bedeutet, dass diese Ausfälle in den nächsten Jahren kommen werden.

Nach den gegenwärtigen Berechnungen, die wir von PIMCO haben – auch das sind natürlich immer Prognosewerte –, ist damit zu rechnen, dass wir 2014 um etwa 900 Millionen € über den Puffer, der damals gebildet worden ist, hinausgehen müssen. Er reicht noch 2012 und 2013, aber 2014 wird er mit 900 Millionen € und 2015 nach gegenwärtigem Stand mit ungefähr 650 Millionen € zu Buche schlagen. Es wird auch 2016 noch einmal eine Tranche geben. Von diesen 3,6 Milliarden €, die das Land übernommen hat, werden nach den Berechnungen von PIMCO über die 1 Milliarde € hinaus, die damals in die Vorsorge gelegt worden ist, die anderen 2,6 Milliarden € irgendwann in den nächsten Jahren fällig.

Ich würde mir sehr wünschen, dass sich das weiter streckt und in der Größe nicht realisiert. Bislang aber sagen alle Experten: Diese Größenordnung wird sich möglicherweise am Anfang etwas abmildern und strecken, aber die Bugwelle schiebt sich zusammen, und es wird dann eben umso größer zu Buche schlagen.



Das hätte ich 2010 gern ein Stück vorweg abgemildert. Das war nicht möglich. Jetzt wird es in den nächsten Jahren Teil der mittelfristigen Finanzplanung und auch so ausgewiesen sein.

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke, Herr Minister. – Herr Dr. Stamp hat eine Frage. Bitte schön, Herr Dr. Stamp.

Dr. Joachim Stamp (FDP): Herr Minister, bisheriger öffentlicher Kenntnisstand ist gewesen, dass die EAA für vier Jahre über einen Kooperationsvertrag der Portigon AG deren Dienstleistungen als Portfolioverwalter abnimmt und so dort für geschäftliche Auslastung sorgt. Die aktuelle Homepage der EAA spricht nun nur noch von drei Jahren. Warum hat es da Änderungen gegeben?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Das war ein Vertrag, der ursprünglich von 2010 bis 2014 gelten sollte. Er ist jetzt erneuert worden und gilt bis zum Jahre 2016. Das hat damit zu tun, dass sich 2016 Veränderungen in der Eigentümerkonstellation ergeben, was Portigon angeht. Deswegen ist die Vertragszeit bis 2016 ausgedehnt worden.

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön. – Herr Kollege Wedel hat eine Frage. Bitte schön.

Dirk Wedel (FDP): Herr Minister, ich möchte auf das im Anfragetext wiedergegebene Zitat der EAA-Homepage zurückkommen. Die EAA sagt dort aus, dass sie im Zusammenhang mit der Nachbefüllung nur Lösungsvorschläge anbieten konnte, die Entscheidungen aber letztlich von den Eigentümern getroffen worden sind. Daran schließt sich für mich die Frage an: In welchen einzelnen Punkten sind die Eigentümer von den Lösungsvorschlägen der EAA oder von deren Bewertungsfragen abgewichen?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Die Eigentümer haben der EAA nichts oktroyiert, sondern es hat – immer zusammen mit der EAA – immer Verhandlungen zu diesen Fragen gegeben, die die EAA betrafen. An einer Reihe dieser Gespräche habe ich teilgenommen. Dabei hat es – ich habe es eben gesagt – natürlich Verhandlungen gegeben, weil natürlich auch eine EAA versucht, den Rahmen für ihr Handeln möglichst günstig auszulegen bzw. zu gestalten. Dazu hat es ein einvernehmliches Ergebnis gegeben, das wir am Schluss dann auch gemeinsam als solches präsentiert haben.

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön. – Herr Dr. Stamp hat das Wort zu einer zweiten und letzten Frage. Bitte.

Dr. Joachim Stamp (FDP): Herr Minister, ich habe noch eine Frage. Durch die Nachbefüllung der EAA im Sommer 2012 mit der zweiten Tranche der WestLB hat sich die Zusammensetzung des Abwicklungsportfolios bei der EAA geändert. Wie haben sich durch die Nachbefüllung die Qualität des Portfolios und die Spreizung zwischen guten und schlechten Risiken verändert?

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Das habe ich eben schon gesagt. Die EAA besteht im Prinzip aus drei Tranchen. Die erste Tranche bestand aus den Phoenix-Portfolien. Es handelte sich um die 23 Milliarden €, die schon vor der Bildung der EAA ausgegliedert worden sind und die gemeinhin als Schrott-Portfolien mit der Erwartung dargestellt werden, dass bei einem Volumen von ungefähr 23 Milliarden € am Ende 5 Milliarden € Verlust eingefahren werden. Das ist der Teil, von dem wir jetzt gerade eben – noch einmal bezogen auf die mittelfristige Finanzplanung – gesprochen haben.

Der zweite Teil von 54 Milliarden €, der zusammen bei Gründung der EAA mit den 23 Milliarden € die 77 Milliarden € ergeben hat – aus denen die EAA dann bestand –, war auch schon damals eindeutig besser bewertet. Schon damals ist gesagt worden, es handele sich ganz wesentlich noch einmal um eine Nachbefüllung zwischenzeitlich als schwacher oder toxischer Portfolien erkannter Werte, gleichzeitig aber auch um Werte, die aus dem Grund ausgegliedert wurden, strategisch nicht notwendig zu sein, und nicht erwarten ließen, dass man nur mit Verlust verkaufen kann, sondern die schlicht und ergreifend nicht mehr zu dem Restgeschäft der WestLB gehören sollten.

Damit war die Abspaltung alles Problematischen erfolgt. Die 100 Milliarden €, die jetzt zu den von den ersten 77 Milliarden € noch verbliebenen 50 Milliarden € dazukommen, sind nicht aus Gründen irgendeines toxischen Gehalts oder irgendeines übergroßen Risikos ausgegliedert worden, sondern weil die Portigon kein Bankgeschäft mehr zu betreiben hat und weil alles, was nicht Verbundgeschäft ist und auf die Helaba übertragen wurde, und alles, was nicht verkauft wurde, absprachegemäß auf die EAA übertragen wurde und jetzt von der EAA vermarktet bzw. abgewickelt wird. Da ist gemeinhin die Überzeugung gewesen, dass die 100 Milliarden € mit einer Unterlegung von 480 Millionen € ausreichend abgesichert sind.

Das mag zeigen, für wie sicher bzw. risikoarm man diese Portfolien hält. Allerdings bleibt auch das immer eine Frage von Unsicherheit. Das wird sich in den nächsten Jahren noch ändern. Dann werden wir sehen, was auf den Märkten passiert. Dazu muss man aber immer wieder sagen: Das wären auch die Risiken gewesen, wenn die WestLB weiter bestanden hätte. Sie sind übertragen worden, und sie sind nach gegenwärtiger Rechnung mit 480 Millionen € ausreichend unterlegt.



Vizepräsident Oliver Keymis: Danke, Herr Minister. – Der Fragesteller stellt seine dritte und letzte Frage. Bitte, Herr Witzel.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. Auch vielen Dank, Herr Finanzminister, für Ihre bisherigen Antworten. – Sie haben zwei sehr richtige Dinge gesagt, die ich auch hier für die parlamentarische Debatte sehr wichtig finde und die wir auch gar nicht bestreiten. Dabei geht es erstens um die Konstruktion an sich der Bad Bank EAA. Das kommt ja auch noch aus schwarz-gelber Regierungszeit; wir haben das nicht zu kritisieren.

Sie haben ein Zweites gesagt, was sehr richtig ist, nämlich dass es eine ganz beachtliche Herausforderung ist, im Rahmen der Nachbefüllung ein weiteres Portfolio von 100 Milliarden € Nominalwert mit nur wenigen 100 Millionen € als Kapitalausstattung und Puffer abzubauen.

Deshalb möchte ich meine letzte Nachfrage zu dem Komplex stellen, weil der Zwischenbericht der EAA zum 30. Juni 2012 erschienen ist. Ab Seite 11 wird im Teil Risikobericht und Kreditrisiken darauf hingewiesen, dass ein signifikanter Teil auch in mittleren oder unteren Ratingklassen liegt. Dazu möchte ich Sie fragen, ob es von der Inanspruchnahme des Eigenkapitals, das von der EAA zum 30.06. mit 600 Millionen € ausgewiesen ist, bislang weitere Aufzehrungen gegeben hat oder sich Verluste durch bilanzielle Maßnahmen bei der EAA-Vorsorge für Liquiditätsnotwendigkeiten neu ergeben können.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Nein, die sind mir nicht bekannt. Ich kann Ihnen nur noch einmal sagen, dass die EAA gerade wieder dabei ist, den Abwicklungsplan zu aktualisieren und dann das Verfahren einzuhalten, das ich eben beschrieben habe. Es wird am Ende auch der FMSA wieder vorgelegt, und dann werden wir wieder genau wissen, wie zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Situation aussieht. Ansonsten kann ich nur dabei bleiben, dass sich das Verfahren und auch die Abwicklung im Rahmen des Erwarteten gehalten haben.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Walter-Borjans. – Ich habe keine weitere Frage zur Mündlichen Anfrage 5 vorliegen.

Ich rufe auf die

Mündliche Anfrage 6

der Abgeordneten Ingola Schmitz, FDP-Fraktion:



Wie bewertet die Landesregierung die Ergebnisse einer Studie, wonach stärkere Verbindlichkeit der Grundschulempfehlungen offenbar Ungleichheiten aufgrund der sozialen Herkunft im nordrhein-westfälischen Schulsystem entgegenwirkt hat?

In der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie wurde unlängst der Artikel „Verbindliche und unverbindliche Grundschulempfehlungen und soziale Ungleichheiten am ersten Bildungsübergang“ veröffentlicht. In der zugrundeliegenden Studie hat Dr. Jörg Dollmann vom Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung an der Universität Mannheim eine Analyse der Übergänge von Kölner Grundschulen an weiterführende Schulen vor und nach der Einführung einer stärkeren Verbindlichkeit der Grundschulempfehlungen im Jahr 2006 durchgeführt. Die Ergebnisse liefern Hinweise darauf, dass durch eine stärkere Verbindlichkeit der Grundschulempfehlungen soziale Ungleichheiten einen geringeren Stellenwert beim Übergang in die weiterführenden Schulen einnehmen.

Die Studie verweist einerseits auf den bekannten Effekt, dass Familien mit einem „höheren Status“ im Sinne des Bildungsabschlusses eine verstärkte Zugangsmöglichkeit durch entsprechende Empfehlungen „für eine anspruchsvollere Schulart“ erhalten. Andererseits werden die Ergebnisse von Untersuchungen angeführt, wonach „die Bildungsentscheidungen der Eltern noch deutlicher von der sozialen Schicht abhängen als die Übergangsempfehlungen der Lehrkräfte, da letztere stärker an den Leistungen der Kinder orientiert sind“. Dollmann führt an anderer Stelle aus, es könne davon ausgegangen werden, dass die Bedeutung der schulischen Leistungen bei verbindlichen Übergangsregelungen zunähmen und unrealistische Bildungsaspirationen der Eltern an Einfluss verlören. Tatsächlich scheinen die vorliegenden Daten diese Einschätzung zu stützen. Dies scheint sich jedoch nicht nur bezüglich hoher familiärer Bildungsaspirationen im Verhältnis zur Leistung widerzuspiegeln. Dollmann erklärt darüber hinaus: „Grundsätzlich andere Ergebnisse zeigen sich für Kinder, bei denen der Hauptschulabschluss der höchste erreichte Schulabschluss in der Familie darstellt. Diese Kinder weisen in einem Kontext mit einer unverbindlichen Regelung gerade bei überdurchschnittlichen Leistungen deutliche geringere Übergangswahrscheinlichkeiten auf das Gymnasium auf, als das in einem verbindlichen Kontext der Fall ist. Durch eine verbindliche Regelung werden leistungsstarke Kinder aus bildungsfernen Schichten eher zum Gymnasium hingezogen, obwohl in einem verbindlichen Kontext eine Abweichung von der Bildungsempfehlung nach „unten“ weiterhin problemlos möglich wäre.“ Auch kommt Dollmann zu dem Schluss, dass in einem verbindlichen Kontext objektive Entscheidungskriterien (schulische Leistungen) zunehmen, elterliche Bildungsaspirationen durch verbindliches Lehrerurteil reduziert werden.

Abschließend kommt Dollmann zu folgender Bewertung: „Ein verbindliches Lehrerurteil reduziert den Einfluss der sozialen Herkunft auf das Übergangsverhalten am Ende der Grundschulzeit. Dieser, den schichtspezifischen Aspirationen entgegenwirkende Effekt findet sich bei den Kindern, die zwischen der Realschule und dem Gymnasium wählen. Für diesen Kontrast kann gezeigt werden, dass sich der Einfluss sekundärer Herkunftseffekte je nach Vergleich der Herkunftsgruppen vollständig reduziert. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Leistungen bei der Frage nach der besuchten Schulform in der Sekundarstufe an Bedeutung gewinnen, während die spezifischen Aspirationen der verschiedenen Bildungsgruppen ausgehebelt werden. Dieser Befund und insbesondere die positive Wirkung einer verbindlichen – und damit einer eventuell ermutigenden – Übergangsempfehlung auf Kinder aus den unteren sozialen Schichten deutet darauf hin, dass ein verbindliches Lehrerurteil ein Instrument darstellen könnte, um den Einfluss der sozialen Herkunft auf den Schulerfolg zu reduzieren.“ Die vorliegende Untersuchung würde letztlich bedeuten, dass die Abschaffung jeglicher Verbindlichkeit von Grundschulempfehlungen besonders Schülern aus Familien mit „niedrigerem Status“ schadet und Rot-Grün, statt einer verstärkten Leistungsorientierung durch eine Lehrereinschätzung, eher die soziale Ungleichheit im Bildungssystem befördert.

Wie bewertet die Landesregierung die Ergebnisse einer Studie, wonach stärkere Verbindlichkeit der Grundschulempfehlungen offenbar Ungleichheiten aufgrund der sozialen Herkunft im nordrhein-westfälischen Schulsystem entgegenwirkt hat?

Für die Beantwortung ist die Schulministerin zuständig. Bitte schön, Frau Löhrmann.

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die von Ihnen erwähnte Studie wurde bereits im November des letzten Jahres veröffentlicht. Sie ist daher nicht unlängst erschienen. Die geschilderten Erkenntnisse sind nicht neu. Bereits 2010 wurde über vergleichbare wissenschaftliche Befunde berichtet.

Prof. Baumert hat in einer Veröffentlichung „Bildungsentscheidungen und soziale Ungleichheit“ auf folgenden Zusammenhang hingewiesen. Ich zitiere:

„So zeigten sich für alle Schülerinnen und Schüler geringere Chancen, auf das Gymnasium zu wechseln, sofern sie in Bundesländern leben, in denen die Empfehlung bindend ist – und zwar unabhängig von der erhaltenen Übergangsempfehlung. Das heißt, orientiert man sich an den Befunden in den vorgestellten Modellen, wechseln in Bundesländern mit bindenden Empfehlungen insgesamt weniger Schüler auf das Gymnasium – unabhängig von der Empfehlung und unabhängig von dem sozioökonomischen Hintergrund der Schülerinnen und Schüler.“

Ich zitiere weiter:

„Doch auch wenn die Befunde andeuten, dass soziale Disparitäten in Ländern mit freigegebenem Elternwillen verstärkt werden, darf nicht vernachlässigt werden, dass die sozialen Disparitäten in der Bildungsbeteiligung insgesamt in Bundesländern mit bindenden Empfehlungen deutlich stärker ausgeprägt sind als in Bundesländern, in denen Eltern frei entscheiden können.“

Die Studie von Dr. Dollmann führt im Übrigen aus, dass unklar sei, ob ein optimistischeres Übergangsverhalten der unteren sozialen Schichten in Verbindung mit einer verbindlichen Regelung auch dauerhaft bestehen bleiben würde. Er berücksichtigt nicht die in Nordrhein-Westfalen beschlossenen Änderungen des Übergangsverfahrens.

Deshalb ist der von Ihnen, verehrte Frau Schmitz, gezogene Schluss schlichtweg falsch, dass – ich zitiere –

„die Abschaffung jeglicher Verbindlichkeit von Grundschulempfehlungen besonders Schülern aus Familien mit ‚niedrigem Status‘ schadet und Rot-Grün, statt einer verstärkten Leistungsorientierung durch eine Lehrereinschätzung, eher die soziale Ungleichheit im Bildungssystem fördert.“

Bereits im Zusammenhang mit der parlamentarischen Diskussion um die Aufhebung der Verbindlichkeit ist über die hohe Qualität der Grundschulempfehlung ausgiebig diskutiert worden.

Aber bei aller Wertschätzung für die Arbeit in den Grundschulen bleibt doch auch die Erkenntnis, dass die Lehrerinnen und Lehrer zum Übergangszeitpunkt eine verlässliche Prognose kaum abgeben können.

Dr. Rösner hat in der Anhörung, die damals stattgefunden hat und deren Nachlesen sich wirklich lohnt, von staatlich verordneter Hellseherei gesprochen, weil Begabung ja nicht statisch ist. Damit fehlt für die Verbindlichkeit jede Rechtfertigung. Wenn die Schule in das Elternrecht auf freie Schulwahl eingreift, muss sie dazu auch durch valide Daten legitimiert sein. Staatliche Bevormundung kann nicht die Antwort sein, wenn wir sicher wissen, dass wir eine Prognosegenauigkeit gar nicht garantieren können.

Wir reden im Übrigen nicht darüber, dass die Grundschulempfehlung keine Bedeutung mehr hat. Insgesamt ist auch nach Aufhebung der Verbindlichkeit die Grundschulempfehlung eine wichtige Orientierung für die Eltern. Den Eltern wird in hohem Maße vertraut, und sie folgen auch weitgehend der Grundschulempfehlung, und es kommt zu einem einvernehmlichen Entscheidungsprozess, zumindest überwiegend. Insofern haben die Empfehlungen weiterhin einen Steuerungscharakter.

Die Konsequenz aus den wissenschaftlichen Studien kann deshalb keineswegs sein, erneut in das Elternrecht einzugreifen. Damit würden doch die sozialen Ungerechtigkeiten nicht wirklich beseitigt. Wir wissen nicht einmal, ob sie dadurch verringert werden. Die Erhöhung sozialer Gerechtigkeit im Bildungswesen können wir nur erreichen, wenn wir eine frühe Festlegung vermeiden und die Bildungswege für die Kinder möglichst lange offen halten.

Die Entscheidung der Landesregierung für ein längeres gemeinsames Lernen in Sekundarschulen oder Schulen im Schulversuch PRIMUS weisen in diese Richtung. Bereits jetzt wechseln viele Schülerinnen und Schüler aus sozial schwachen Schichten in Nordrhein-Westfalen in die Gesamtschule und legen dort erfolgreich das Abitur ab. Die Gründung neuer Gesamt- und Sekundarschulen ist also der richtige Weg.

Meine Damen und Herren, es bleibt unser Auftrag, die sozialen Ungerechtigkeiten in unserem Schulsystem zu mildern. Die Antwort auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse der von Ihnen zitierten Studie muss deshalb sein, die demografischen und bildungspolitischen Herausforderungen anzunehmen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass vor Ort flexible Lösungen gefunden werden können, die allen Schülerinnen und Schülern gute Bildungschancen eröffnen. Das setzt auf die durchgehende individuelle Förderung in allen Schulformen und allen Schulstufen. Ich lade Sie deshalb herzlich ein, den gemeinsamen Weg des Schulkonsenses in Nordrhein-Westfalen mitzugehen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)



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