Seit dem Sommer 2015 sind in der Stadt Leipzig einige Tausend neue Asylsuchende unterschiedlicher Herkunft angekommen. Welche Geschichten verbergen sich hinter dieser Zahl? Woher kommen diese Menschen, und was erhoffen sie sich hier und jetzt?
Auszüge
Krieg und Flucht – zerbombte Städte, orangene Rettungswesten an der Ägäis, Stacheldraht entlang der Balkanroute. Diese Fernsehbilder werden den Biografien der Menschen, die in Deutschland Schutz suchen, kaum gerecht. Mohammed* hat das syrische Aleppo als Wirtschaftsanwalt verlassen. Jahrzehntelang organisierte er Verträge zwischen internationalen Unternehmen – in Leipzig kam er als Notleidender an, lebt in der Notunterkunft des Deutschen Roten Kreuzes an der Leipziger Messe. „Vor dem Krieg war alles gut“, sagt der 64-Jährige, „Politik geht uns nichts an.“ Ganz anders sieht das ein junger Mann, der ebenfalls aus Aleppo kommt. Der 21-Jährige ging gegen das Assad-Regime auf die Straße, obwohl seine Eltern verzweifelt versuchten, ihn davon abzuhalten. „Ich habe gesagt: Nein! Ich will meine Meinung sagen“, erzählt er heute. Er glaubte an die Revolution, sammelte Spenden für Familien, die durch Assads Bomben alles verloren hatten. Dann holte ihn eines Nachts die Polizei und er verschwand für Monate in Foltergefängnissen. Hosam*, Softwareprogrammierer aus Mossul im Irak, hatte ein perfektes Leben. „Jeden Morgen habe ich mit meiner Familie gefrühstückt“, erzählt der 30-Jährige. „Wir haben Ausflüge gemacht, hatten ein ruhiges, bequemes Leben.“ Bis die Sicherheitslage immer unberechenbarer wurde und er alles zurückließ, um seine Familie zu retten. Als mitten auf dem Meer der Bootsmotor kaputtging, hat er seine drei kleinen Töchter fest an sich gedrückt. „Natürlich hatte ich Angst um meine Kinder“, sagt Hosam, der ebenfalls an der Leipziger Messe untergebracht war. „Aber es gab einfach keinen anderen Weg.“ In sechs Kurzporträts von Johanna Hemkentokrax erzählen Menschen aus Syrien und dem Irak, die mittlerweile in Leipzig leben, vom Alltag in ihrer Heimat und ihrem Blick auf Krieg und Vertreibung. Ihre Stimmen sind während der Buchmesse an Hörstationen in der Magnolienallee der Glashalle zu hören. Die Kurzporträts sind in Zusammenarbeit mit dem Kulturradio MDR FIGARO und mit Unterstützung vom DRK Landesverband Sachsen e.V. und dem Initiativkreis: Menschen.Würdig. entstanden.