Ludberga bis 23 95



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Onomasiologos Adam



Gott erinnerte sich – noch immer im besagten Schlafe – sehr wohl jenes sechsten Nachmittages, an dem er eigentlich schon hatte ruhn wollen (und nur die Juden sind ihm darin gefolgt bis sich auch die Schweizer Post und die Deutschen Lebensmittelläden dahin bequemten), an dem er belustigt Adam bei der Arbeit beobachtete (inzwischen eine mehr als italienische Gepflogenheit), welcher in geradezu wieselartiger Geschwindigkeit sein Namensgebungspensum abspulte, als sei's die dreihundertsechsundsechzigste Sure des Korans, pardon, die gesamte Thora von rückwärts. Er hatte sich im Sinne künftiger Biologen organisiert und fertigte die Tiere ganz professionell nach Spezies-, Gattungs- und Ordnungstabellen ab, ja, gab sich ganz als Berliner, indem er zeitsparend "Starabelster" ausrief statt wie anfänglich "Amsel, Drossel, Fink" oder gar wie Dällenbach Kari aus Bern mit seinem sprichwörtlichen "Hüänerfogu,...Äntefogu...." Er musste sich sputen, neigte sich doch die wenige Tage alte Sonne schon dem Westen von Eden zu und warteten noch unzählige hybride, amphibische, mythische, symbolistische und dadaistische Wesen ungeduldig mit Füssen und Flossen im Sande scharrend ihres Namens, obwohl sie schon im Morgengrauen eine Nummer hatten ziehen müssen. Wenn Gabriel nicht als Ausrufer eingesprungen wäre, dürfte das arme Einhorn wohl noch heutigen Tages sein trauriges Horn in der giftiggrünen Ursuppe rühren, war es doch Nr.37845222976540903761 und hatte indessen nie gelernt, über eins hinauszuzählen. Und dann kam ja noch die Schlange der Reklamanten, die entdeckt hatten, dass sie Opfer eines Versprechs, andere eines Verhörs waren, solche mit Doppel- , welche mit Halbnamheiten, jene, die wie das Huhn seinen Namen flugs wieder vergessen hatten, diese, die einen Änderungsantrag stellten, weil der Nachbar zu ähnlich hiess, weil eine Alliteration zu zungenbrecherisch im Halse kroatste, weil etwa der Eintagsfliegerich schon Mittags verstorben war und testamentarisch seinen Namen der Mitternachtigall vermachen wollte, manche, die ihren Namen unanständig, provokativ, zu langweilig, zu kurz oder zu lang fanden; kurz oder lang, eine Unmenge blieb zu tun, das anspruchsvolle stimmbegabte Getier zu bedienen. Adam war inzwischen fest entschlossen, alle Unzufriedenen an ein englisches Berufungsgericht zu verweisen. Wie schön und ruhig war's doch am Morgen gewesen, inmitten der petrographischen Sammlung, bei den Schmetterlingen, Fischen und Blumen. Und wie schnell und einfach ging's noch von der Hand ohne Seitenblick in Meyers Konversationslexikon Ausgabe 1886, ohne im Duden zu spicken oder in Brehms Tierleben. Jetzt nach Nr.37845222976540903762 beim amerikanischen S wie Dollar mühsam erschlichen im Langenscheidt: wie tut uns da die $chlange leid! ja, sie war wirklich die letzte gewesen, die zu ihrem Namen fand. Zwar war sie seit Stunden von einer Jubiläumsdelegation umstanden gewesen, die besagte Unzahl im Lotto hatte auswürfeln lassen, um dem Gewinner des prächtigen Namens zu gratulieren, aber just im Moment des Gabrielschen Ausrufers war das Einhorn auf die Idee gekommen, ein zweites Horn anzusetzen und alle rannten an die Gestade der Ursuppe, das Spektakel zu bestaunen. Aspis Aspis lag stumm und beleidigt mit beschlagener Brille im einsamen Sande und sagte nicht einmal Danke. Adam erhob sich ächzend, die Hand im Kreuz, von einem umgestürzten namenlosen Baumstamm und trollte sich, die unnütz gewordenen Lexika dem Moder der Zeiten überlassend. Unsere Schlange würde sich an ihm und der Welt rächen, schwor sie, die so schnöde Verachtete. WIE, das wusste sie noch nicht; auch Adam konnte es noch nicht ahnen, war doch Berta noch nicht den Traumdämpfen Gottes enttaucht und wollte er sich doch nun erstmal anderweitig als auf Aspis Aspis’ Wirbelsäule die Füsse vertreten...
Armer Nymph; Aspasia mia, wieder nix mit di Ewa! Aber ich werf das mal ein; vielleicht schreib ich noch a Bisserl weiter hier im Schloss...Faun Deiniger.

(31) Ludbreg, Freitag 10.3.1995; 7.00

Nymph, meinster,

stimmt nicht, es ist immer noch zehn nach zehn am Abend vorher. Ich wollte nur ein wenig vorarbeiten, damit ich wenigstens morgen auf die dritte Seite komme, dieweil ich heimlich hoffe, Du riefest nach Lesung des obigen noch mal an, um mir zu sagen, ob Du meine Allzu-Kurz-Geschichte gemocht hast. Eigentlich solltest Du ja nicht, wegen der Disziplin, aber ich bereue längstens, so kurz abgebunden zu haben, weil mir vor lauter Geschichte nichts mehr einfiel. Dein Stimmchen wirft mich jedesmal um, selbst nach bald vier Wochen Kennung und nun vier Jahren Trennung. Ich glaube, ich bin emotiv. Du verwirrst meine Sinne selbst auf 1111 Kilometer noch und das Phänomen scheint nicht nachzulassen, im Gegenteil. Nur rot werde ich nicht mehr, weil ich nichts vor Dir zu verbergen habe (das wäre ja auch eine Kunst, bei so viel Geschwätzigkeit) und weil ich auch bald nichts mehr an mir habe, wo ich etwas vor Dir verbergen könnte, wenn ich wollte: bald habe ich Dir die letzten Fasern meines Daseins beschrieben und eine Anfaserung Deiner Kolleginnen täte not, nun auch noch meine restliche Existenz zu beschreiben. Bald wirst Du mich wüst und leer finden wie eine alte Schachtel, pardon, Karton und mich zerlegt, gebündelt und verschnürt in die Monatspapiersammlung stapeln. Ich werde mir eine Schreibfastenzeit auferlegen, zur Abspeckung meiner Briefvolumina, damit ich Telefonmuffel, der nur noch Faxen im Kopf hat, Dir wieder schlank wie ein Telefondraht und begehrenswert wie eine Telefondirne erscheine.
Nymph, liebster Deinster – korrigiere bitte oben – ich strecke in sieben Minuten die Schreibwaffen, weil ich sonst vor Übermüdung, Hunger und Durst vom Stuhl falle 20.53 und Liebeshunger, Faun, schrecklichster Meiniger.
7.30; diesmal stimmt die Zeit. Gestern Abend klingelte mehrfach eines der Telefone, mit wirren kroatischen Stimmen und Störknistern im Hörer; hattest Du etwa noch versucht, durchzukommen? ich meinesteils, gesteh ich ja, da ich in meiner Sucht nicht widerstehen konnte, wurde aber mit einer stummen Linie bestraft...

Hier alles in Aufregung und Ordnungsgeschäftigkeit, die selbst mich erfasst hat: Halsschleife frisches Hemd und neuer Kittel; kommt doch nicht nur Besuch aus Zagreb sondern auch die kroatische TV (zum x-ten Mal). Der Tag wird mit fiktiven Schautätigkeiten, Herumstehen und ebenso überflüssigen Sitzungen vergehen; und vielleicht wird es so spät, dass ich zum Schreiben nicht mehr komme; desgleichen morgen, wenn Echterding für zwei Tage einfällt. Armer Nymph es wird dies Wochenende nur eine magere Ausbeute geben; aber wenigstens gibt es den unbeschriebenen Draht (und den unbescholtenen ausser Hauses, d.h. den von Dir zu mir, wenn ich ihn um neun bei Vladka anfunken sollte; sonst bin ich nach Möglichkeit im Elfenbeinschlossturm...)

(32) Ludbreg, Freitag 10.3.1995; 13.00

Nymph,

Es kommt mir vor, als habe ich von Dir schon seit Wochen nichts mehr gehört; meine Sucht scheint sich ins Pathologische zu steigern. Wie soll ich die nächsten Wochen hier durchhalten?!

Hier schwirren die Kameramänner herum und filmen unsere Leute an der Arbeit. Ausgestrahlt wird's im April in ganz Europa (Programmname: Alpen/Donau/Adria; eine mitteleuropäische, regelmässige Ausstrahlung). Sogar ich trat soeben auf, obwohl mich das geniert und ich mir wie ein Oberarzt in der Schwarzwaldklinik vorkomme. Genau das wollte der Regisseur als Auftakt, wobei sich dann die Patienten als unsere Altarlarven entpuppen sollten.
15.00. Langsam wird's hier ruhiger und ich kehre an mein Kistchen zurück. Der Regisseur ist ein Inseldalmate, spricht glänzend italienisch und hat viel Sinn für Kultur; ein Lichtblick, denn hier interessiert sich kaum jemand für geistigere Werte... Mal sehen was aus den 40 Minuten Film wird, wenn sie auf vier reduziert sind.
18.30. Endlich ziehen die Rauchschwaden zum Fenster hinaus und die Zagreber Delegation ist wieder abgezogen, um morgen wiederzukommen. Ein unentwegtes Geschwatze und sachtes gegenseitiges Abtasten, Abschätzen und Daraufachten, niemandem auf die Füsse zu treten. Manches wurde klarer, Manches konfuser. Morgen dann das Finale mit Echterding. Unsere Puzzle-Altäre sollen wir nicht zu Ende restaurieren, sondern nach einer akkuraten Konservierung ins 'Purgatorium' als Mahnmal künftiger Praktikanten stellen und vielleicht mal jemanden zur Strafe daran arbeiten lassen. Sprachs ironisch frozzelnd der Kunsthistoriker und Relativist Vrkalj; wohlmöglich hat er recht. In die angestammte Kirche kommen diese etwas grobschlächtigen Leichen vielleicht nie wieder...

Interessieren Dich eigentlich diese Dinge, Nymph, wo Du doch solche schon zum täglichen Brot hast?

Ich wüsste Dir ansonst über Alltägliches hinaus nicht einmal das Wetter zu beschreiben, das heute sommerlich warm gewesen sein soll; aber ich habe das Schloss noch nicht verlassen und auch keine Lust S. nachhause zu begleiten, mit ders ein unentwegtes Umrühren der gleichen Problemacciolis gewesen ist; langsam kann ich gewisse berufliche Stossseufzer nicht mehr hören. Ist es ein Leben wert, sich ausschliesslich in die Mikrowelt der Millimeterfarbschöllchen zu steigern und sie zu sehen wie Wagenräder? umspült von Sturzbächen zweiprozentigem Triammoniumcitrats, überwischt von Kumuluswolken auf Telegrafenmasten gerollt, die im styxgähnenden Rachen Gargantuas in Sintfluten schäumenden Speichels getaucht zum Entsetzen Pantagruels nach dem orkanartigen Hinwegschlürfen widerwärtiger Teerseen in die abgründigen Schlünde einer Mülldeponie versenkt werden?
Nymph, was immer Du einmal Konservieren solltest, konserviere Dein heiteres Wesen vor allem anderen. Der düsteren Parzen mit Schnippelmiene und Skalpex, Paranoid und Verstörleim gibt es genug, die den natürlichen Tod der Dinge durch einen qualvoll verlängerten ersetzen wollen.

Wichtiger ist, den Tod der Dinge zu sehen und im Rahmen ihrer Bedeutung und Aufgabe, ihrem Sein und Vergehen zu verstehen; erst dann, wenn nötig, berufstätig werden. Die Dinge sind Metaphern für unser eignes Leben. Der Beruf soll uns ans Leben heranführen, nicht das Leben zum Beruf.

Aber das weisst Du ja alles besser als ich.
Heute werde ich zu müde sein, eine Bettgeschichte zu erfinden; verzeihst Du mir? sie würde wohl ein wenig melancholisch und dem erlabenden Wochenende nicht gerecht. Dabei wollte ich Dich morgen nicht allzu früh zu Ei und Hefezopf mit einem briefenen Frühstückskuss beglücken, wie sich das gehört für ein noch schlaftrunknes in die Morgensonne blinzelndes nachthemdenes Kaffeenymphchen. Ein Königreich für eine Beamzelle...!

Ich hoffe, Dich am Ende der Seite wenigsten noch ans Ohr zu ziehen; in das Deine zu flüstern, wie sehr ich Dich l...pspspse!

Ansonst bin ich noch eine Weile da, auf ein Zeichen von Dir zu warten...

Ffff.

(33) Ludbreg, Samstag 11.3.1995; 7 oder 8

Nymph,

schon wieder gelogen, sitze doch noch immer (gestern) hier und warte auf neun, obiges Briefchen loszulassen; aber da es mir gefällt, schon den nächsten Schrieb vorzubereiten, der mich dann auch zwingt, ihn prompt zu Ende zu schreiben, weil das Datum wie ein Drohfinger darüber steht und mich an meine kafkasche Pflicht erinnert (wie lange hat der mit seinen Briefen an Milena durchgehalten? er schürt meine Kompetitionsinstinkte. schönes Wort hm?).
Ob ich wirklich schon zwischen sieben oder acht im Schloss anwanke, hängt ganz davon ab, wie lange Du mich auf die Drahtprobe stellst und wieviel Schreibstoff mir dann inzwischen einfällt. Da alles von, wie Du längst ersehen haben wirst, meinen ständig schwankenden Stimmungen abhängt, kann ich keine deutlichen Prognosen ausstellen; selbst eine Geschichte wäre vor langem Warten drin, was nicht heissen soll, dass Du mich bis Sankt Nimmerlein aushältst, meine gesammelten Werke und den Nachlass dazu auf einmal in den Schoss regnen zu lassen (immerhin müsstest Du ja hin und wieder zu meinem Verschnaufe Ersatzthermopapierrollen einkaufen gehen... Auch schönes Wort).

Ich lechze nach einem schönen Wort von Dir...
Küsse würde ich komponieren, vom Winde verwehte, kopfstehende, solche mit lüsternen Perspektiven, Explosionsküsse, Implosionsschmatzer, punktförmige und lineare, nie endende, solche mit Herzen statt der Ü-Punkte, spiegelbildliche, solche in Hieroglyphen zum mit der Zunge Aufdröseln, Küsse mit Geschmack und solche oben ohne, zackige und geschniegelte, gerasterte und geröstete, geostete und gewestete, diwanische und divinische, Vertikal- und Horizontalküsse, DEN Kuss und manchen Andern... hélas, wenn ich nur nicht so dumm wäre! Wenn die Seite jetzt voll wäre, würde ich sie Dir auch noch schicken... Aber jetzt ist neun und mein Herz schlägt bis an die Kinnladen.
Es hat sich gelohnt!! Der Durchbruch ist gelungen! Zäpfchen und Speiseröhre reichen sich feierlich die Hand, man leuchtet sich gegenseitig in die geweiteten Räume, ruft Bergheil! Dieweil liegt es mir flatternd auf der Zunge, erschöpft, aber geschönt von der Röte der Anstrengung, ermattet wie ein eben geschlüpfter Falter, der schon seine Flügel zum Weiterfluge pulsen lässt, das Herz mein ich, das mir da vor Aufregung... Welche Bescherung! Von Aosta nach Aorta, von Systole nach Diapason ein Schlauchsalat, keine Klappe hält mehr am dichtigen Ort, alle Koronargefässe leergeliebt, Herzmuskelkater vom Katerliebeln, oder aus Herzschwäche für den Lymph. Typische Form von Angina peccatoris: zu Deutsch etwa: sündhafte Beklemmung. Was tun? Herzhaft hineinbeissen? oder Hand aufs Herz – wieder in den Untergrund hinabwürgen? Es herzen und dann vor Liebeshunger verschlingen – ist schliesslich Deiniges! Problemm, würde der ewig herzenbrechende aber magenkranke Darvin sagen und es an der nächsten Strassenkreuzung verlieren. Ist schliesslich Meiniges. Nach Heidelberg bringen? oder in die Schwarzwaldklinik? Bei Frankenstein reparieren lassen oder Nosferatu? Problemm. Ihm von einem Schrittmacher Beine machen lassen, damit es den Weg zurück von alleine fände? Es Dir mit der Post schicken und ein ruhigeres Transplantat benützen? Das Herzblut in eine Elixierampulle umfüllen, die Hülle vierfach falten, bei Vollmond an eine Linde spiessen und sehn obs bei Dir was nützt? Es, weil es stets den Schmerz im Kielwasser mitführt, im Rhein unweit der Loreley entsorgen, da wir ohnehin EIN Herz und eine Seele sind? Es einpökeln, sülzen, trockengefrieren, als Siedherz, Bratherz oder eingemacht servieren? Das Schwester- dem Bruderherz vermählen?
Herzchen mein,

nein:

ich legs Dir gar artig zu Füssen!!

(ums Brüfchen ganz einfach zu schlüssen.

Dein Fein.

(11.3.1995; 13.50)



Nuaf, retsniem

Endlich mal ein Minütchen Dir zu schreiben. Eigentlich wäre das der versprochene Donnerstagbrief, doch stattdessen bastelte ich an einem "Andy9-Referat" herum. Es ist jetzt kurz vor neun. Ich warte inständig auf Deinen Anruf und bin deshalb so kribbelig, dass i koan gschaaiten Sotz zamnbring, wie der Bayer sagt. A propos Bayer – bin ich etwas besorgt um Deinen Millet-Verkauf. Kannst Du so eine Sache überhaupt von Kroatien aus bewerkstelligen??

Ich höre gerade rumänische Volksmusik, die eine sonderbare Mischung aus orientalischem, ungarischem und südöstlichem in sich vereint. Bald seufzt die Geige wie ein Klageweib, bald zwitschert sie, wie eine Lerche. Dann bläst eine Sängerin auf einem Pflanzenblatt ein lüpfiges Tanzlied bis... das Telefon! endlich. Deine Stimme, als würdest Du nebenan sitzen und warten – was sonst? Mich interessiert alles, was Du denkst, siehst, erlebst, sagst, machst, vom Kleinsten bis zum Grössten, vom Nichtigsten bis zum Erhabendsten, vom Alltäglichsten bis zum Abenteuerlichsten. Du musst mir unbedingt auch über Deine, bzw. Eure Arbeit berichten. Alles will ich wissen, denn es gehört ja schliesslich auch zu Dir und mir. Und Ärgere Dich nicht über S., irgendwann wird sie sich abregen und nicht alles so tierisch ernst nehmen.

Soeben kam mir die Idee, ein Dia von Dir (das EINZIGSTE das ich besitze!) auf den Rand des Bildschirms zu lehnen: "Ctrl" – und schon lächelst Du mir zu, ist das nicht toll? Du äugst mir sozusagen direkt in den Schulkram – Professörchen!

Samstagmittag:
Eben komme ich nach Hause, ja Du hast richtig gehört, ich meine, gelesen, ich war bereits in der Stadt, um Bücher zurückzubringen (2.- Fr. Strafgebühr...!) und Zutaten fürs Nähen zu besorgen. Vor lauter Stoffeaussuchen hatte ich gestern das Wichtigste, nämlich Faden und Reissverschluss vergessen. Ja, wers nicht im Kopf hat, hats in den Füssen... Und finde doch just wieder ein Briefchen von Dir vor. Wie machst Du das nur. Mein Gewissen ist bald so schlecht, wie das Deine angezüchtete, längst chronische "Schle-Gewi-Gefühl". Nach den paar lausigen, mickrigen Zeilen, die Du oben fandest, wollte ich Dir eigentlich eine Geschichte schreiben (die Idee dazu ist längst geschlüpft), nur liess mich die Muse schon nach den ersten drei Sätzen im Stich und ich musste die Waffen strecken. Armer, so musst Du Dich in der Zwischenzeit (nur bis heute abend, ...bzw. morgen früh, ich versprech's hoch und heilig) mit einem Verlegenheitsbriefchen begnügen.
Bezüglich des kürzlichen Anwurfs habe ich einen ersten Einspruch zu erheben: der Streichelbrief ist nämlich keineswegs längstvergessen, sondern oftgelesen; gemeinste Unterstellung, ich bitte das unbedingt zur Kenntnis zu nehmen und zu den belastenden Akten zu legen (frechster Faun!); die genaueren Konditionen und Ansprüche auf Schadenersatz sind zwar noch nicht ausgehandelt, es sei aber schon vorab angekündigt, dass es sich zur Sühne im günstigsten Falle um den Tribut einiger tausend Bussküsse oder Liebesbriefe (für letztere gelten Ablassbedingungen) drehen wird!

Gezeichnet Nymph.

(34) Ludbreg, Samstag 11.3.1995; 7.35

Nymphster Mein,

Ich staune über meine Disziplin, schon bin ich im Schloss, wo mir scheint, ich sei gerade erst weggegangen; das Datum ist nicht gemogelt, habe geduscht, Haare gewaschen und mich für den heutigen Tag passabelt, den über alles gezuckerten Morgenreif zum zwischgoldnen Sonnenaufgang gefrühstückt, den Quartierköter beschwichtigt, vergebens beim schlafenden Nachbarn die Miete bezahlen wollen, die frierenden Maurer auf kroatisch ermuntert und schon wieder ein Dutzend Zeilen in die Kiste gehämmert. Wenn man meine Energien für Nützlicheres umsetzen wollte, gäbe das etwa 4444 Joules pro Stunde, mit denen ich gratis zum Schloss fahren oder Dir unentgeltlich telefonaxen könnte.

Beim Überdenken meiner vergangenen Schreib-Clownerien kamen mir Bedenken, ob Du meine Aussagen zu Adam auch für wahr nimmst und mich nicht heimlich für einen Lügner hältst:
...

Beim Nachrechnen der Namensanwärter bis hinauf zum Einhorn, bzw. jetzt Zweihorn, benötigte ich in der Tat eine geraume Zeitspanne mehr, als Adam in einem Tage bewältigen konnte. Die Lösung des Enigmas liegt in der mir entgangenen Tatsache, dass der damalige Erdentag einiges länger dauerte als heute und erklären hilft, warum die biblischen Patriarchen alle so methusalemisch alt wurden. Bein Umrechnen mit dem Durchschnittsquotienten letzterer Lebenslänge kam ich auf elf drei zwölftel Jahre, einundsechzig Stunden, 25 Minuten und sechzehn Sekunden (Sekundenbruchteile verachte ich als erklärter Hochleistungssportfeind) pro Schöpfungstag. Adam konnte es also relativ gemütlich nehmen, zumal die Gestirne noch neu und nicht so geschmiert wie heute waren. Unsere zunehmende Hektik ist ein klarer Beweis für eine frühzeitlich langsamere Gangart der irdischen und siderischen Mechanismen...
(Schliesslich kommst auch Du erst gegen Mittag in die Dir adäquate Fahrt und wirst des Abends zur funkensprühenden Salamandrine. Phö-nixe oder Kribbelwassernymphe).

Auch sonst wirst Du in meinen Ergüssen so manche Undeutlichkeit, Unter- und Übertreibung, geo-, bio- ortho- ikono- historio- und topographische Ungereimtheit entdecken, denen ich mangels Konversationslexika nicht zu wehren vermag. Wisse, dass sie völlig unbeabsichtigt sind und nur im Falle mut- oder gar böswilligen Verschuldens gegen mich verwendet werden dürfen; überdies verspreche ich gegen Kaution von 21792 K., zu gegebener Zeit aufdringliche Irrtümer mittels entsprechender Recherchen ausmerzen zu wollen. Etwaig in ihrem Ansehen geschädigte natürliche oder übernatürliche Personen können bis ersten April gegenwärtigen Jahres Einspruch erheben und Schadensersatz einklagen, ansonst jedwelche Haftung innert Durchlauffrist einer geschlagenen Faxseite erlischt.
Nun da dank vorliegender Präliminarien Verhandlungsgrundlagen und Verträglichkeitskonditionen festliegen steht einer Dokumenteröffnung nichts entgegen. Da das Schriftstück unter Anwesenheit diverser Zeugen auf dem Körper des Entleibten gefunden worden war, besitzt es urkundlichen Charakter und verpflichtet die Erben, den Nachlass entweder vor der Lesung auszuschlagen, oder aber etwaige Konsequenzen in Kauf zu nehmen...
Du siehst, ich will es künftig genauer nehmen, zumal der Vorfall Adams mit Eva geradezu ein Prägnanz-Präzedenz-Rechtsphall war und ich dem Vorwurf linkischer Verdrehung nicht stattgeben mag. Ich werde also im nächsten Briefe wie versprochen von der Schöpfung Evas bzw. von ihrem göttlichen Konzept wahrheitsgetreu und unkonzeptionell bzw. antikonventionell berichten. Wenn Du mich in der Pholge nicht mehr lieben solltest, ist dies alleinig die Schuld der obig besagten Schlange, alias Luzi, alias Satan, der sich für meine eidesverbürgten Aussagen auf unkollegiale Art rächen will.

Da Du wohl, wie ich hoffe, bei strahlendem Frühstückswetter nun vor dem Fenster ein Frühlingsei verspeisen wirst, biete ich Dir diese rudimentären Zeilen lediglich als Pfefferkörnchen zum obligaten Salz.

Faun, notarischer.

(35) Ludbreg Samstag 11.3.1995; 11.00
...

Es war noch innert der ersten Morgenstunden des sechsten Schöpfungstages. Adam hatte gerade eine Coffeebreak-Pause (zwischen No. 529062118 und ...9 der Benennungsliste) eingelegt, d.h. zwei Kaffeebohnen der soeben benamten Staude mit einem Schluck Quellwasser aus dem dritten Paradiesrinnsal Gihon hinuntergespült, sich die Füsse im südlich besonnten Strawberryhill Edens (noch hatte er die deutsche Fassung der armstrongschen Lokalität nicht festgelegt) vertreten, als er auf dem Rückweg sich an einem ihm bisher unbekannten Strauch verfing. Sein behaarter linker Unterarm streifte über ein Blattbüschel hin in dem nur eine Knospe sich zu öffnen anschickte. Als sei's im Zorne über die Störung, zeigte das namenlose Wesen eine unregelmässige Zeile kleiner Dornen, und riss zur Warnung des Intrusen eine anfänglich unsichtbare Ritze in die jungmännliche Haut, aus der wenig später ein Band roter Perlen quoll. Adam schöpfte unverzüglich und ahnungslos das Wort "Blut", das der Welt noch so unsäglich viel Ärger bereiten sollte. Auch das spontane Wort "Au!" entfuhr ihm und er übersetzte es augenblicklich in "Autsch!", "Aiii!", "Ahije!", "Ohim!," "joj!", "jao!", "ow!", "ouch!" usw., dass eine graugetigerte Wildkatze, die gerade vorbeischlich, das bisan illegale Mausen heimlich zu erlernen, laut aufschreiend davonbuckelte. Adam wischte über das neuentdeckte Nass, schmeckte und befand es gut; ein wenig süsslich, mit metallischem Nachgeschmack, aber mit ein wenig Pfeffer, Ingwer und einer Prise Johannisbrotmehl liesse sich das aufbessern, sofern man den Rohstoff auf minder schmerzhafte Weise und anderwärtig erwerben könnte. Aber noch lag ja ein göttliches Verdikt auf freibeuterischen Unternehmungen und die Beugung des Gesetzes war noch nicht salonfähig geworden. Adam liess es dabei, sich die fülligste Knospe zu knicken und sie in Ermangelung einer Hemdbrust hinters Ohr zu klemmen, einer späteren Verwendung entgegensehend, sobald die Identitäts- und Einbürgerungsformalitäten wie Geburts-, Heimatschein und Aufenthaltgenehmigung für das neue Wesen erledigt sein würden. Sein Ordnungssinn verbat ihm, No. 529062119 über Gebühr warten zu lassen, eine entzückende tropische Orchidee mit verführerischem Stempelaufschlag, die ungeduldig auf ihrer trocknenden Zwiebel umherhüpfte und nach ihrem Namensgevatter forschte.
Das Tagwerk Adams verlief in der obengeschilderten Weise und der wenigweiterunten errechneten Zeitlichkeit ohne nennenswerte Störung, nur dass Gabriel hinundwieder durch Uriel abgelöst werden musste, weil ersterer imaginäre Schwangerschafts- beschwerden vorschützend andauernd austreten wollte.
Der sechste Schöpfungstag, war, wie wir gesehen haben, zu Ungunsten von Aspis Aspis, die sich eher die Errichtung eines ehernen Monumentes erhofft hatte, zu Ende gegangen. Adam suchte sich zwischen den noch rudimentären Bächen Hiddekel und Tigris ein Plätzchen nicht weit vom Baume der Erkenntnis und legte sein noch von den Myriaden exotischer Namen schwirrendes Haupt zwischen die zwei kühlenden Hügel einer gehälfteten Wassermelone (eine Lieblingsposition die Männer seither genetisch weitervererben) und überflog sein ansehnliches Tagwerk, bis ihn der Schlaf übermannte und ihn erst das xxxfingrige Morgenrot des aufziehenden Sonntags wieder weckte. Was ihn zum Blinzeln zwang, war nicht die Neugier Apolls vom Gipfel des Ararat her, sondern ein prickliges Kitzeln im Triangel von Auge, Wange und Ohr. Die verruchte Fliege zu scheuchen, die gestern ihren surrenden Radau zum Ärger aller geduldig Wartenden aufgeführt hatte, um sich für den ihr unerwünschten Genus Musca cadaveris, Aasfliege zu rächen, da ihr die nachbarlichen Gerüche Muskat und Muguet, Maiglöckchen, sowie Musque oder Moschus nicht passten, führte zu nichts, denn die schlaftrunkene Hand fühlte einen namenlosen Zweig, der in unsere Knospe vom Vortag endete und bis unlängst noch das Ohr gehütet hatte.
Der Morgentau hatte das halbwelke Wesen zu neuem Leben erweckt; in einer unbändigen Aufwallung hatte die Knospe ihre verflochtenen Hüllen aufgerichtet, die harschen Sägekanten ihrer grünen Blätter um den Kelch geordnet, ja es schien als habe sie ihren letzten kleinen Dorn keck geschärft.
Adam staunte: je länger er auf das zartrötliche Wesen niederblickte, desto wohlgeformter erschien es ihm; es öffnete sich zunehmend, die blassen Hüllblättchen schienen sich mit einer geheimnisvollen Kraft zu füllen, spreizten sich, bogen ihre Rändchen auswärts, dass man die ummerklichen Äderchen wie violette Schattierungen sah, die sich ins Innerste des Kelches verstärkten und im Dunkel eines unsichtbaren Bodens verebbten. Noch standen auf den Rändern kleine Perlen des Taus, den die Knospe wie lebensspendenden Nektar umschlossen hatte und in den Tränen spiegelten sich die hundertäugigen Kopien eines Winzigparadieses. Mehr und mehr entriegelten sich die zarten Flügel einer vielfältigen Pforte und dem Kelch entströmte ein aromatischer Duft niegespürter, berauschender Süsse, aber auch Herbheit, die an wilden Honig, Moosflor oder gewisse Muscheln südlicher Meere gemahnte. Adam hielt gebannt das Werk göttlicher Perfektion an die Lippen, kostete, roch, fühlte das ledrigtrockene Laub des Blätterkranzes, fühlte am Stämmchen entlang den Knoten aus dem das Wunder erwuchs, senkte den Finger ins raschelnde Dunkel, spürte seine Sinne vom Duft die Konturen lösen, in wohliger Entbindung des Zeitlichen, kaum wusste er, wo er war und was er tat. Das Wort 'Rose' trat ihm auf die Lippen wie von selbst und mit dem Nennen des neuen Namens schien ihm ein Stück Selbst in die Rose und ein Stück Rose in sein Wesen überzugehen. Zum ersten Mal senkte sich Gefühl in das Gefüge seines fleischlichen Daseins und die Beseelung vollendete seine Existenz. Zum ersten Mal spürte Adam den Mangel eines Gegenübers, in dem er sich spiegeln, an dem und mit dem er sich messen konnte, für das er sein Selbstbewusstsein und wenn nur für die Momente unerfüllbaren Sehnens und seliger Vergessenheit opfern konnte.
Gott hatte ihn von weitem beobachtet, und mit Spannung den Erfolg seiner Therapie verfolgt. Die Seele hatte sich im Wesen Adams unlösbar eingenistet und wurde mehr und mehr dessen qualitätvollster Teil. Sein Menschsein war nun vom Prinzip her eitel Wohlgefallen und Gott fand, man könne seinen Prototyp getrost in ausgedehntere Produktion gehen lassen. Vielleicht ahnte er damals noch nicht, wie voreilig sein Optimismus gewesen war, aber für jenen Morgen des letzten Schöpfungstages schien jener vom Rausche der Schönheit und der beseligenden Süsse der Rose wiederermattete und entschlafene Adam ein Wesen absoluter Güte und Unschuld.

Und Gott wusste, dass er nun das Weib erschaffen musste, ja, dass er dessen Konzeption, seine ideale Beschaffenheit eigentlich schon vollendet hatte; der Rest war blosse göttliche Technologie...



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(36) Ludbreg, Sonntag 12.3.1995; 8.00

Sonntagnymph,

Gestern konnte ich gerade noch die konzeptionelle Geburt der Venus fabrizieren, als hier der Tumult aus Zagreb und München losging. Zuerst rief Echterding von der Grenze an, man liesse ihn mit seinem Material nicht durch Slowenien. Er musste den gesamten Inhalt seines Wagens in einem österreichischen Hotel zurücklassen; um ein Haar hätten sogar die Burgenländler Zoll von ihm verlangt. Wir alle, etwa 20 Mittäter, warteten bis in den tiefen Nachmittag mit knurrenden Mägen vor einer gedeckten Tafel im Schloss. Als E. mit Gemahlin dann endlich kam, traf das verheissene Mahl nicht ein und es wurde eine weitere kaltgeschlagene Stunde gekakelt, gekroakelt und getagelt. Vieles wurde klargestellt, Gelder versprochen, die Institutionen definiert; schliesslich getrunken, gegessen und gebechert, das Haus besichtigt, unter zehn, statt unter sechs Augen verhandelt. Ich hatte mich zwar schon morgens mit Vrkalj auf italienisch und mit Mendel auf französisch glänzend verstanden, aber aus ihren Worten ging klar hervor, dass in Zagreb über die Situation von S. und mir geschwatzt worden war, man Bedenken ob eines gleichberechtigten Duos hatte, weil die Mitarbeiter verunsichert würden. Darvin muss in Zagreb Dampf abgelassen haben, sonst hätte er S. nicht vor der Fahrt wieder ausgeladen und die Beleidigte in Ludbreg schmoren lassen. Ich bedaure das alles, weil sie eine zwar etwas unbesonnene, doch gute Kraft ist, die mich an vielen Qualifizierungen übertrifft. Heute früh werde ich mit E. wohl noch mal zu sprechen haben. Um 10 ein Frühstück bei Blagaj; Mittag irgendwo, abends fährt E. zurück (mit meinem Bild). Ich schliesse jetzt, lieber Nymph, da ich bald von allen Seiten gestört werde. Irgendwann rufe ich im Lauf des Tages an (gestern gegen elf erreichte ich Dich nicht mehr...).

Faun.

(37) Ludbreg, Sonntag 12.3.1995; 16.45

Nymph,

Alles ist wie ein Spuk vorbei, die letzten Nikotinrauchschwaden ziehen zum Fenster hinaus und lassen eine goldsilberne Abendsonne herein. Echterdings sind nach einer Mittagsorgie bei Blagaj – das Frühstück bei ihm lag uns noch schwer im Magen! – gen München gezogen; werden an der Grenze ihr Material mitnehmen und es über eine Passauer Firma wieder ins Land schmuggeln lassen. Über die Gespräche mag ich nicht mehr berichten, als ich Dir eben schon sagte; die Palaverei hat lange genug gedauert. Unsere Verträge umfassen jedenfalls nur sechs Monate, nachher ist alles offen. E. war über meinen Vorschlag erfreut, nach dem Sommer hintanzusetzen, was ich in Deinen Ferien fehlte, um das Fortdauern des Projektes besser zu gewährleisten. In der Zwischenzeit sollten Mittel gesucht werden, das ganze übrige Haus zu renovieren, da es ein so einmaliges Objekt ist; auch Zagreb scheint davon überzeugt... Unsere künftige Aufgabe ist: Darstellen, Populäres zu publizieren, Schaurestaurierungen zu machen, um die Geldgeber zu verführen; d.h. unsere drei Altäre als Fragmente zu behandeln und schnellstens evokativen Ersatz zu beschaffen. Wenn ich mich so offiziell hinter meine Schreibmaschine klemmen darf, ist’s mir auch recht, denn den ganzen archäologischen Schmuddelfummel können andere besser als ich!
17.30; die Spannungen legen sich; unser kleines Gespräch hat unendlich gut getan, die Aussicht auf ein winziges weiteres macht mich ganz wonnig. Ich habe Deine Nähe nötig wie ein Vitamin (seit V. bin ich immer noch vergrippt, huste, spucke, bin heiser und schlafe kaum mehr denn vier Stunden). Aber der Frühling wird die Schlacken aus mir herausschwitzen, wenn's so milde und schön bleibt wie heute. Der morgendliche Gang wird zunehmend lärmiger, dank der Vögel, die in den Bäumen quinquilieren, als gelte es, einen nationalen Sangeswettbewerb zu gewinnen; der Nachbarshund bellt melodischer, drei Hähne künden inzwischen drei verschiedene Tagesanfänge und selbst das röhrende Bullern des ewig leeren Dieselzuges, der alle zwei Stunden an Fussballplatz und Heiligblutkapelle vorbeidonnert, bekommt etwas Artikulierteres. Ein neues Haus sehe ich täglich höher aus dem Brachfelde wachsen und gegenüber überzieht sich zweitäglich eine der Gebetsvespasiennen mehr mit grauem Putz. Heute hatte ein voreiliger Priester sogar in Sichthüllen verpackte Passionsbuntdrucke an die vierzehn rohen Stationsfronten geheftet und betete sich mit einem Tross Ministranten und verzückten Hutzelweibchen durch den betonbunkernen Rosenkranz, um tapfer um Erlösung stapfend zwischen je zwei Tempelchen in der morastigen Pampa zu versinken...

Sicherlich zum Wohlgefallen Gottes.

Doch kehren wir ein halbes Dutzend Millennien zurück.


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