Ludberga bis 23 95



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Die Wanderung wiewohl im Siebenmeilenschritt entlang der Ausläufer des Taurus, war auch für eine stählerne Natur wie Gottvater beschwerlich; die steinigen nichtendenwollenden Hänge mit zerklüfteten Einschnitten deren Grund man kaum erkennen mochte, unter einem gnadenlosen Himmel und noch ohne die geringste Fernsicht auf das grüne Eden, das hoch vom Firmament aus wie ein Smaragd geleuchtet haben dürfte inmitten so viel fahlgelber Trostlosigkeit, liessen sich nur in Etappen bewältigen, zwischen denen ein Schwatz, eine Ruhestunde im seltenen Schatten einer dürren Tamariske, ein Bad im engen Kessel einer Schlucht eingelegt waren. Längst hatte Luzifer die Bruthitze des Zylinders immer wieder gegen ein flinkes Kurven zwischen Felsbrocken und Steppengras getauscht, denn das holprige Getragenwerden wurde ihm zur grösseren Pein als der Zwang zur Siebenmeilenperistaltik...
"Noch vierzsehn Sstunden biss Buffalo –" keuchte Luzi – "Du irrst, mein Soh- äh, Sinn für Geographie täuscht mich selten; wenn Du den Van-See meinst, der liegt längst jenseits von Eden." – "– noch jensseitss von Gut und Bösse, Väterchen, die Berliner Mauer liegt fasst noch sso weit vor unss wie der Wohnturm am Babelssberger Platsz." – "Semiramis' hängende Gärten wären auch mir die amönere Bleibe; aber sie hängen noch ein Jahrtausend zu hoch..." und warf einen flachen Kiesel über die stauenden Wässer – " und ich führe lieber mit der Metro nach Babylon rataplan, rataplan..." und Luzi gab sich den Anschein einer Ficelle bien cuite. "Ssag mal Meisster, warum dass alless, diesse knochensschinderissche Müh, diesse Entfernungen, dass Gelände, dass Gelaufe, ssofern der Aussdruck auf mich passst?" – "Tja, Luzi diese Geschichte mit dem Sündenfall hat eine Eigendynamik entwickelt, der ich aus Neugier zu folgen gedenke; eine Art Generalprobe, ob das Doppelwesen Mensch lebensfähig, korrekturbedürftig oder abzuschaffen sei. Ich lebe mich in deren Zeit- und Ortsverständnis ein, um meine Urteilskraft zu schärfen –" – "Meinem Urteil könntesst Du wenigsstenss etwass weniger sscharfen Sschotter in den Weg legen, bin doch kein Sschienensstrang." – "Mitgehangen, mitgefangen, vom Galgenstrick hast Du Dich nie wesentlich unterschieden." – "Aus jedem Sschabernack hasst Du mir einen gedreht; und wie sseh ich sschon wieder auss; hab ich dass diessmal verdient?!" – "Du hast eine Leihgabe missbraucht und veruntreut." – "Ich sstand bei Dir in der Pflicht." – "Ich wusste, dass Du mir nicht gehorchst." – "Wenn Du ess wussstesst, warum hasst Du dass Verfahren nicht abgekürzst? Ich läge noch immer gemütlich unterm Baum der Erkenntniss, heiterer Dinge harrend..." – "Ich glaube an das Gute im Bösen, selbst wenn es Satan ist; ich gab Dir eine Chance, Du hast sie verspielt." – "Gib mir noch mal eine, – auf Pump, ich werde Dich nicht enttäusschen." – "Du wirst." – "Eine ganz kleine zu 18 Prozsent? Ich täte Dir jeden Gefallen; hm?" – "Wenn Du den Sündenfall fallgerecht über die Runden brächtest, liesse sich mit mir reden." – "Du würdest mich aus diesem schlauchigen Body befreien?" – "Du könntest Deinen Unfug in anderer Form weiterführen; aber es müsste unter uns bleiben; ein indiskretes Wort und Du bist wieder zu Schlauch." – "– glänzsend; könnten wir nicht sschon gleich ein wenig damit an –?" – "Bauernfänger!" – "Grossser Bauer, die letzsten 2s100 Meilen könnte ich zu Fusss –" – "Die Sonne sinkt, steig in den Zylinder. In drei Stunden sind wir am Ziel; ich habe die Sandalen aufs letzte Loch geriemt." – "Hm, Turbo-Injectsion, wass? Bei d e m Zylinderkopf, wenn der nur dichthält..."

...


(50) Ludbreg, Donnerstag 30.3.1995; 17.15

Nymph,

Als ich gestern endlich wieder Deine Stimme vernahm, war ich gerade erst aus einer Folklorevorstellung bosnischer Musiker und Volkstänzer entkommen, in die mich unsere Jungen einluden, die auf der Suche des einzigen hiesigen Kinos versehens an selbige geraten waren. Aus der disharmonischen Not eine ethnographische Tugend gemacht, amüsierte ich mich köstlich an pump- bis plumpbehosten Serailweibchen, die sich von bewamsten Stiefelträgern in begattungstänzerischen Verrenkungen mit gewedelten Taschentüchern verführen liessen; während zweier langer Stunden wechselten sich verschüchterte Hinterwäldlerinnen mit Banjo-Sängern, bärtigen Dichtern und mottenkuglig gestylten Ansagerinnen am Mikrophon ab, um in melancholisch-atonalen Litaneien ihr Heimweh, das bedrohte Heimatland und die Nationalhymne beklatschen zu lassen.
Heute stürmt es unentwegt und Elektrizität liegt in der Luft; Diskussionen ohne Ende; die Jungen sind geradezu rührend, wie sie mich mit Aufmerksamkeiten verwöhnen, als wollten sie sich für irgend etwas entschuldigen, sie lesen meine Texte, wollen mein Buch kaufen; sie werden sich in letzter Minute S.'s annehmen, ein Frauengespräch anzetteln, auch Venija habe ich in Stellung gebracht. Wenn's schief geht, bricht hier die Eiszeit an und ich möchte nicht in Sieglindens Haut stecken. Die Vorwürfe stapeln sich von spionistischer Neugier über unkompetente Einmischung bis zu Blackmailing, von arroganter Abkanzelung über Beleidigung zu Psychoterror. Da ich fürchte, dass sie z.Zt. einen Seelenschaden ausheilt, muss ich alles tun, sie vor einem Zusammenbruch zu bewahren; habe keine Lust, sie aus der Drava zu fischen.

Zu allem sind die aufwendigen Goldgrundfreilegungen mit dem Skalpell ein Reinfall, ja ein irreversibler Schaden gewesen, seit Till eine neue Abbeizpaste probierte, die uns das Gold erhält; Darvin hatte Recht behalten, was alles verschlimmert, weil er S.ens technologischem Können nicht mehr traut und jetzt mit Abbeizer überall unverantwortlich drauflosfuhrwerkt, auch wo es unratsam ist.

Ach, lassen wir den Kram! S'ist ja sowieso der letzte Brief vor Aranjuez! Ich geb Dir lieber ein wenig Gottessegen mit auf den Weg:
...

Es war ihr letzter Halt. Der Tigris war schmaler und eingeklüfteter geworden, die craquelierten Lehmschwemmlande ohne Horizont vergessen. Noch immer begnügten sich die Kamele mit einem spielerischen Nippen im quirlenden Gewässer, noch immer füllten sich die Brottaschen Ägyptens auf geheimnisvolle Weise.

Der Erste Mann flötete am Ufer auf einem Schilfrohr ein besinnliches Opus, dem die Meisterkorrekturen Tubalkains noch nicht angediehen waren, Eva stakte im Adamskostüm etwas misstrauisch in der blonden Flut. Adam musterte die Schwingung ihrer Schulterblätter, des Grates, der sich in die Zeichnung eines Ankers verzweigte, die geschwungenen Reflexe des Sonnenlichts, das zwischen Schenkeln und Waden aufblitzte, die anmutigen Ruderbewegungen der balancesuchenden Arme und das offene durchleuchtete Haar, das ein spätnachmittaglicher Zephyr bewegte, dies alles mit eitlem Wohlgefallen.

Ihr Anderssein war ihm am Gängelband der verbotenen Droge von Tag zu Tag bewusster geworden. Zuerst nahm die Gewissheit des weiblichen Gegenübers all sein Sinnen in Anspruch, sickerte in die letzten Fasern seines Hirns, liess ihn noch unbeantwortbare Fragen stellen; dann eroberte das Gefühl verbindender Zweisamkeit die Brust, stellten sich Ängste, Widerstände und Regungen der Sorge um das eigne Ich ein; schliesslich verbreitete sich ein nieverspürtes Sehnen nach einem unbekannten Taumel zwillinghaften Vereinens über die erwachenden Lenden.

In Momenten von Geschäftigkeit und Zielbewusstheit losgelöster Kontemplation wie dieser, erfasste ihn ein Rühren, das in allen drei Zonen entsprang und sich zu einer einzigen Gewissheit verdichtete: SIE, diese Andere, müsste ihm in einer Weise erkennbar werden, die nur ahnbar, aber real sein musste, die ihn zur Gänze erfassen, überwältigen, wenn nicht auslöschen würde. Er witterte Eva wie eine süsse Gefahr, der man letztlich nicht zu entkommen sucht, weil man seine letzten Grenzen erfahren will, die Abgründe des Widerspruchs, die Lockungen des Chaos, das Lächeln des Todes.


Eva schritt auf ihn zu und lenkte Adams in ihren Nabel verlorenen Blick auf die Perlen der Nässe auf ihrem Arm. Der Apfel hatte ihre Sinne für die Mechanismen der Keuschheit geweckt, ihr Wissen um die Künste der Verführung geschärft, ihr ein Selbst verliehen, das sie ihrer eignen Formen innewerden liess, die sie als schön und erhaltenswert erkannte. Die Gefährlichkeit des Anderen war ihr nun so vertraut wie dessen Anziehung; die Waage zu halten zwischen Abweisen und Verlocken war ihr zum Gebot geworden. Ebenmass und Gleichgewicht, der Sinn für Ursprung und Gedeihen durchseelten sie und zeichneten auf ihre Lippen das Lächeln der Geburt.
"Morgen sind wir an der Pforte Edens? nicht wahr? Ich sahs in der Abendröte, ein kleiner violetter Fleck von den Kronen des Ararat überragt." meinte Eva und flocht ihre Haare zu einem nächtlichen Pflegezopf.
Adam blickte zu ihr auf. Ein blinder Schauer durchflutete ihn. Das Weibliche überwölbte ihn, umschloss ihn, begann ihn zu verzehren.

"Badest Du heute nicht?" fragte sie wie beiläufig. – Die Netzfalle aus funkelnden Zuckerfilamenten zerbrach. "Muss es denn sein?" es war schon keine Frage mehr, war dienstlich. Ihre sinnberaubenden Brüste ordneten sich zum Ornament zurück, aus Lockung wurde wieder die Gefälligkeit der Geometrien und Symmetrien, aus Verführung wurde Ästhetik. Aus Klang wurde Metrum. Und Adam ging baden...


_ _ _

(51) Ludbreg, Sonntag 23.4.1995; 10.50

Nymph, fernster,

Ich vermute Dich auf einem Vaporetto im frühsommerlichen V. wo Du die Stunden verbringst, auf Deinen Zug nach B. zu warten. Soeben bin ich ins Schloss "übergesiedelt" und komme mir an meinen Tasten ganz ungewohnt, ungelenk und fremd vor. Eigentlich sollte ich ‘Kram’ erledigen oder die herrliche Sonne draussen geniessen, doch ich fühle mich zu nichts Nützlichem berufen; also kurble ich mein altes Laster, das Schwatzen wieder an...
Über die wunderbaren Reisen und Erlebnisse mit Dir kann ich noch kein Wort verlieren, zu unmittelbar sind sie mir eingeprägt und zu lebendig, sie als Vergangenheit zu behandeln. Mich würde Trübsinn überfallen, aus ihnen ein noch so schönes Erinnerungsstück zu fabrizieren...
Es läge mir mehr daran, mich mit den Dingen diesseits von Eden zu befassen...


...

Cherub-A schlenderte nach einem Äon-Nickerchen im Schatten einer Taurus-Zeder zur Ostpforte zurück, gähnte, zog sein Flammenschwert aus der Asbestschatulle, prüfte seine sengende Schärfe auf einem Feuersteinkiesel und grüsste gelangweilt den türkisgefiederten Kollegen, der im Schneidersitz unter dem rotweissen Hebebaum sass und ein ‘Himmelundhölle’ en miniature in den Sand ritzte. "Was Neues?" – "Nichts Nennenswertes, – " meinte Cherub-W, Zeige- und Mittelfinger spreizend, ein Feld zurückspringend. " – in der letzten Chiliade hin und wieder ein Ausflug des Chefs; ein paar ausserdienstliche, wenn nicht zu sagen regelwidrige Flugbewegungen seines Zylinders, ein verängstigter Mungo, der nicht aussah, als käme er je wieder zurück. Ach ja, den Luzi, den brachte der Chef eben wieder herein – ausgemergelt wie eine Spiralfeder – " – "Der Chef?" – "Blödmann, der Luzi; er hatte einen Sonnenstich abbekommen und hütete den Diplomatenkoffer; fast hätte ich ihn nicht registriert, den Schlingel." – "Gab's ein neues Passwort?" – "Ja; Zyklothymie; was das auch immer heissen soll. Wir haben die Brittannica bald durch; von rückwärts machen wir noch mal 37000 Jahre, dann wird's problematisch." – "Bei so wenig Passierverkehr genügte auch ein Kartoffelstempel in die hohle Hand..." – "Die Nachtschattenseiten der Anden sind noch nicht entdeckt –" – "Musst Du immer mit Deinem faden Lexikonwissen kalauern?" – "Besser als Kreuzworträtseln oder Engel-ärgere-dich-nicht." Cherub-A setzte sich rittlings auf den Schlagbaum, schüttelte die vom Schlafen etwas verlegten rosa Federn zurecht und schlenkerte mit den Beinen "Ich hab die ewige Abwart- und Abwehrstellung satt, ich verweigere den Dienst und lass mich umstufen." – "Was willst Du denn, im Präkambrium schwammst Du mit den Blaualgen um die Wette, seit dem Karbon kannst Du im Schatten sitzen, im Trias gab's Saurier zu vertreiben und als sie zu lästig wurden, kamen sie von selbst in die Kreide. Ohne Tertiär könntest Du kein Hikebana betreiben und jetzt, im Antediluvium ist uns bei dem allgemeinen Gesäuge dieses Dings erwachsen, dieses Zweibein, das uns immer mehr ähnelt und uns infolgedessen zu schaffen geben wird." – "Ich will zu den Schutzengeln oder zum sanitären Ersatzdienst." – "Mit Deiner lausigen Moral bringst Du es nie zum Erzengel." – "Sieh mal da kommt wer!" – "Haaaltt! – Ausweispapiere und/oder Passwort!" – "Adam. Homo sapiens sapiens. Höheres Säugetier." – "Du und säugen? Da lachen ja die Hühner! Und Du da?" – "Berta; alias Eva. Hausfrau. Die bessere Hälfte Adams, wenn Sie so wollen." – "Wir wollen vorerst eine Aufenthaltsgenehmigung oder Visum einsehen, den Geburtsschein und eine eidesstattliche Erklärung hier nicht arbeiten zu wollen." – "Wir sind, bitte schön, eingeborene Bürger dieses Landes, offizielle Nutzniesser von Fauna und Flora desselben, Ebenbilder Gottes, Krönung seiner Schöpfung." – "Kann ja jeder sagen. Passwort?" – ["Eva, schnell, einen Dörrschnitz!! rechte Satteltasche, den kleinsten!"] – "Was gibt's da zu tuscheln?" – "Mmnichts; Mmnaugenblick – das Passwort mmja, Zyklothymie." – "Richtig, können Sie das nicht gleich sagen! – Etwas zu verzollen?" – "Wozu?" – "Sie wollen doch nicht behaupten, Sie seien Vierbeiner?!" – "Ach so, Sie meinen die Kamele?" – "Sie gehören zum Hausrat." – "Für Kamele besteht ein Einfuhrverbot, da wir schon zwei besitzen und ohne Zulassungsnummer, ohne Grüne Karte und Tüv-Nachweis kommen die sowieso nicht rein; eher geht ein Reicher – jupp! – durch ein Nadelöhr, als ein Kamel ins Paradies." – "Sie können mich doch nicht um mein Eigentum, um meine künftige Erwerbsquelle bringen!" – "Aha, erwerben wollen Sie hier also doch! Wir möchten Sie und wenn nötig unhöflichst bitten, auf direktestem Wege dorthin zurückzukehren, woher sie gekommen sind!" – "Das tun wir doch gerade!" – "Wenn Du frech werden willst, Zweibein, scheuen wir nicht vor Gewaltanwendung zurück!" – "Wir werden uns beschweren! Und wenn's zu Fuss sein muss. Zyklotomie!" – "Ha! druckgefehlt! Cherub-A, das Flammenschwert, schnell, ein Rundschlag und das Natterngezücht ist hinw– ja, was ist da schon wieder! Noch so ein..." – "Psst, Cherub-W, der Chef! (aber der war doch schon –)" – "Halt! oh Gott der Herr–" – "Salam!" – "Shalom! verzeihen Sie unsere Verwirrung. In diesem Aufzug – pardon, Kostüm, haben wir Sie nicht erkannt. Und dann diese neoglotte Aussprache..." – "Gut Freund, meine Lieben, lasst die beiden ein, auf meine Verantwortung." – " Sofort, Herr, aber die Kamele?" Zum fassungslosen Staunen aller zog der vermeintliche Jahve, alias Allah, eine Nadel aus seinem Turban, lächelte, schwang sie in Richtung der braven Wüstenschiffe und schwups, waren sie durchs Öhr gedriftet, sublimiert, entsubstantialisiert... (Leider wimmelt es seither im Himmel von Neureichen!).
Adam seufzte dem jäh versiegten Born seines erträumten Wohlstandes nach, liess sich jedoch mit Eva am Arme widerspruchslos von Allah in den Garten Eden komplimentieren, dieweil Cherub-A und Cherub-W ungläubig die Gewichte am rheumatischen Barrierepfosten niederhielten und das Flammenschwert sich langsam in den Sandboden schmolz...
Mit sichtlichem Wohlgefallen war Gott – der Richtige – inzwischen in sein Wintergartenhaus zurückgekehrt, hatte sich vom Staube der Reise befreit, einen mächtigen Schluck Ambrosia kaltstellen und Myrrhen auf die noch glühenden Kohlen streuen lassen, Luzi aus seinem Koffer gescheucht, den Zylinder in Reparatur gegeben und die Erzengel zum Rapport gebeten, bevor er seinen geflochtenen Armsessel an jenes Fenster rückte, das den Ausblick auf das Vierstromfleckchen unter dem Obsthain freigab. Das Menschenpaar musste nach seinem Kalkül in absehbarer Zeit erscheinen und man würde nach einer ebenso absehbaren Geduldspanne erkennen können, ob sich Luzifer bewährt hatte...
Der göttlichen Weitsicht war indessen – wohl weil von zweitrangiger Memorabilität – entgangen, dass weitere Gäste ins Haus standen; und nicht der Unwürdigsten einige. Angefangen von Allah, der soeben anklopfend sich tief mit gekreuzten Armen unter der Pergola verneigte und flugs seinen roten Perser auszubreiten begann. "Bruderherz, Salam, möge Dein Wohlgefallen dem meinen gleichkommen, unser Wiedersehen mit der Vorfreude auf die Erfolge unserer gemeinsamen Absichten krönen zu dürfen." – "Bester, hätte ich Deine Ankunft auch nur geahnt, meine Hallelujah-Gossip-Singers hätten Dir an der Pforte Edens ein verdientes Ständchen gebracht – a propos, wie haben Dich meine Wach- und Schliess-Cheruben eingelassen?!" – "Der Glanz Deiner vielgestaltigen Allgegenwart, ehrwürdigster Bruder, hatte ihre Sperberaugen geblendet. Ausserdem hatte Adam die beglückende Freundlichkeit, mich Namenlosen vorzustellen" – "Hm. Das Pärchen ist also auch schon eingetroffen... Es freut mich, Dich dem Akte dessen langersehnter Vervollkommnung beiwohnen zu sehen; ein fundamentaler Teil deren künftiger Nachkommenschaft wird schliesslich Deiner Einflusssphäre anheimfallen. Die Probleme, die auf uns zukommen, sind nahezu von identischer Unlösbarkeit und der uferlosen Vermehrung des Genus werden wir dieselben systeminhärenten Mechanismen entgegensetzen müssen, selbst mit dem Risiko, dass sich die Meinen mit den Deinen um die Wette und gegenseitig dezimieren werden. Unser Mäuseexperiment hat dies eindeutig erwiesen. Ambrosia light?" – "Danke, un ombretta, caro, noch ist Ramadan; aber darf ich dem Myrrhendufte zur Weihe unseres Unternehmens eine Handvoll besten Hanfes beisteuern? Auf das Gelingen der Künste Luzifers!" und wie abgesprochen griffen die beiden ehrwürdigen Greise in ihre weisen Bärte und unzählige Lachfältchen umrandeten die lebhaften Augen...
Luzi, der es sich inzwischen wieder um seinen Stammast herum bequem gemacht hatte, züngelte geniesserisch nach dem gepantschten Räuchlein, das da unfern dem Atelierkamin entquirlte. Wie feurig heuer die Äpfel aus ihren Blätterbüscheln leuchteten!

...
(52) Ludbreg, Montag 24.4.1995; 6.40



Nymph,

Gestern Mittag war ich, wie ich Dir bereits im sehnsüchtig erwarteten Ankunfttelefon am Abend vorher mitteilen konnte, überraschend bei Željko eingeladen. In der winzigen Viertstockwohnung eines hässlichen Blocks unweit des Schlosses hausen in offensichtlicher Harmonie, wohlbestallter Bibliothek und teilweise selbstgebautem Mobiliar der Alleskönner und Hausmeister, seine einfühlsame und nicht ungebildete Lehrersfrau, die beiden koryphäischen Söhne (ein Musiker und ein Mathematiker in spe) sowie ein schrulliger achtjähriger Papagei, der nur bei bester Laune singt und jeden Mittag zwischen zwei und vier ein Schläfchen unter einer angestammten gelben Fransendecke halten muss. Das vorzügliche Essen – beide haben aus Kochbüchern gemeinsam Kochen gelernt – war unterhaltsam, da sich Ž. für einmal alles dolmetschen lassen konnte und seine Frau ohnehin sehr gesprächslustig ist. Am Abend trudelte dann Ivan leicht angetrunken ins Schloss, um mir neuen Wein zu bringen, nachdem er zwei anstrengende Tage im Weinberg verbracht hatte, wo ihm die gesamte Familie in sommerlicher Hitze half, die 600 Stöcke aufzubinden...
So, Nymph, Dienstag 25.4 und schon 7 Uhr, nachdem ich seit einer halbe Stunde obiges aus der Kiste zurück zu zaubern versucht hatte, aber es schliesslich doch noch handkopieren musste.

Der gestrige Tag war wie erwartet von Darvins 33. Geburtstag ausgefüllt, begann schon um elf mit fettschwelenden Bratereien am Küchenfester und den Harmonikagesängen Ivans, die uns bis in die Nacht begleiten sollten, ja selbst im Auto auf dem Weg nach Varaždin, wohin D. uns zehn inzwischen tüchtig beschwipste Mitstreiter entführte, rissen die emphatischen Melodien seines Hundertschaftrepertoires nicht ab. Man endete in der neuen, noch kaum wohnlich gemachten Behausung Velimirs, dessen Monotypien ich bewundern durfte und wo ich mit S. in tiefgründelnde Gespräche über unser aller Verhältnis verwickelt wurde (Ob der Generalaufwasch im Nebel der Alkoholika von Nutzen war, wird sich erst später zeigen...!). Vorerst aber:
...

"Gott, ist mir übel!" stöhnte Adam, gegen einen zen-gestylten weidenüberhangenen Felsbrocken der Gihonquelle gelehnt, während Eva ihm Mooskompressen auf die Stirne drückte. "Geradezu unerträglich so viel Erkenntnis!" – "Musstest Du auch den ganzen Apfelschnitz verschlingen, Du Tollpatsch! Wegen eines kindischen Losungswortes hast Du den Lernstoff einer Enzyklopädie oder einer vierjährigen Berufsausbildung verbraten! Zuviel Wissen ist ebenso ungesund wie zuwenig. Obwohl Du das Mass aller Dinge sein willst, bist Du in allem unmässig. Hätten wir uns mit einem Kamel begnügt, wären wir kaum um beide gekommen, hätten Milch, Wolle, Brennmaterial und ein Transportmittel für den Fall, dass es uns hier wieder zu langweilig wird und Ferien würde ich schliesslich auch hin und wieder machen wollen; im Nildelta, weisst Du noch, unter den wehenden Palmen –" – "Kannst Du nicht eine Sekunde still sein! Ich bekomme eine Enzephalitis galloppans meninghisti, wenn Du so weitermachst."


"Hallooo, meine Lieben, sss!" – "Iiiii! – eine Schlange, Adam, die spricht! Du hast doch nicht etwa Apfelreste in der Gegend herumliegen lassen?" – "Unsinn, Vipern sind keine Vegetarier; Du hast Dich verhört. Weil nicht sein darf, was nicht sein kann." – "Wir reden schliesslich auch. Ich fände es prima, wenn ein paar Wesen mehr hier reden könnten; Du tust es ja nur sporadisch und dann immer zu barem Eigennutzen." – "Schweigen ist Gold." – "Materialist." – "Kinderchen haut Euch! ess entkrampft." – "Sie spricht!" – "Goldrichtig! Hast Du’s endlich auch gemerkt?" – "Asspiss Asspiss diabolicuss oder bessser: Ophiss mephisstophelicuss Ophiriss auss dem Goldland, mit Verlaub. Hab ich mit Eva und Adam die Ehre?" – "Mit wem sonst." – "Sei nicht so muffig, Ady! Dieser Ophis ist höflich und galant; wie man sich das bei Männern wünschen würde." – "Zsüngel die Hand, Madam." – "Auch noch flirten, wie? dass ich nicht lache; fass Dich kurz Wurm, wenn Du schon unbedingt sprechen musst und dann kusch Dich –" – "Kussch die Hand Madam; Hin-Du-Kussch, her-Du-Kussch, bin Euer schamstes Kusssscheltier..!" – "Verfl–!" – "tritt nicht nach dem netten Ophis, Du Trampel" – "Spasss beisseite, meine Jungvermählten; ich sehe, dass in Eurer Bezsiehung bereitss der Wurm isst; verzseiht meine Provokation, ich wollte euch nur die Probe aufss Exsempel setzen. Eure Ehe isst ernsstlich in Gefahr, zu sscheitern." – "Woher willst Du, frecher Winzling, so Folgenschweres über uns wissen?" – "Allwisssend bin ich nicht; doch viel isst mir bewussst." – "Und wenn schon; Faust I, ‘Studierzimmer’; bin doch nicht blöd." – "Na alsso, werden wir ssachlich:" – "Wollt ihr nicht noch ein wenig warten, mit der Neuen Sachlichkeit? es wurde doch grade so schön spannend, ja geradezu expressionistisch zwischen euch zwein!" – "Tja Madam, in bessseren Umsständen hätte ich mir liebend gern ein wenig mehr Zseit gelasssen, für Ssie inssbessondere; allein die Zseit, – ssie isst dess Mensschen Engel –" – "‘Wallensteins Tod’ V,11!" – "– Richtig mein Junge, und sie drängt, Gottess Abssichten, nicht die meinen, in die Tat zu ssetzsen." – "Was hat er denn schon wieder vor?!" – "Nur eine kleine pssychossomatissche Korrektur, die Euch nur zum bessten gereichen könnte." – "Was ist denn an mir verkehrt?! Was hat er an mir auszusetzen?" – "Nicht dass geringsste, Madam, nicht am WASS, sondern am WIE soll operiert werden." – "Oh." – "Könntest Du Mac Hundertripper, Dich etwas luzider ausdrücken, oder eine Fussssnote beifügen?" – "Um ess mit meinen privaten Worten zu artikulieren: Euer Zsussammenleben ermangelt der Erotik und um ess sschonungssloss ausszsussprechen: Euch fehlt der SsEXs." – "Hm. Und das wäre?" – "Euer bissherigess Wisssen reicht nicht auss, darüber Klarheit zu bekommen; die isst auch nicht gefragt. Aber ne tolle Ssache isst ess sschon; DIE Ssache!" – "Du machst mich langsam neugierig." – "Ists was zum Essen?" – "Nein, eher wass für danach." – "Was Anzuziehen?" – "Eher auss-." – "Ist's ein Haustier?" – "animalissch sschon." – "Kuschelig?" – "Heissser." – "Aufregend?" – "Noch heissser." – "Hat man es, oder tut man's?" – "Beidess." – "Gemeinsam oder allein?" – "Vorzsugssweisse dass ersstere. Aber Ihr nerft mich zsunehmend und kommt doch nicht drauf. Ohne Beihilfe." – "Dann hilf uns doch, statt da rumzuorakeln." – "Ok. Ihr habtss sso gewollt. Dann treffen wir unss in einer Sstunde beim verbotenen Baum; ihr wissst sschon, der mit den kitsschigroten Bernerrossen." – sprachs und war im Unterholz verschlängelt...


(53) Ludbreg, Mittwoch 26.4.1995; 7.10

Nymph,

Der unablässige Regen lässt mich verschlafen. Man hat das Gefühl, das Laub, das überall aus den Ästen schiesst und unser Schloss schon fast ganz umwattet hat, saugt die feuchten Energien aus der Luft, dass man selbst zu ersticken droht. Ein fast unanständiges Balzen, Blühen, Räkeln, Dehnen, Strotzen und Säfteverschwenden geht durch die Natur und magert meine alten Hüllen! Vor dem Fenster zieht ein Uhu drei kleine Uhi auf, die nachts einen furchterregenden Lärm machen und allerhand anderes quasselnde, flunkernde und quinquilierende Kleinzeug scheint morgens dreinreden zu wollen, wenn man sich mit müden staunenden Augen anschickt, ins Nest zurückzuwatscheln; die Komik hat uns alle zu Adoptiveltern gemacht und man hängt immer wieder kommentierend über der Fensterbrüstung...

Aber lass sehen, was sich weiter südlich tut:
...

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