Ludberga bis 23 95



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Im Entzündungspunkt jenes Lichts hinter der Stirn schiesst Wärme in bebenden Wellenschüben durch den Körper; man will nicht, dass diese je aufhören, klammert sich an das andere Ich, um den Moment festzuhalten, man möchte seine Identität mit dem anderen vertauschen, in ihm endgültig aufgehen. Und wenn die letzten Schübe durch den ermattenden Körper gejagt sind und sich ausebbend eine unendliche Friedlichkeit und Dankbarkeit übers Gemüt legt, man den anderen so unbändig liebt, dass man Tränen vergiessen könnte, fällt die Starre aus den Gliedern, lösen sich die Spasmen in leichtes Beben auf und die Muskelspannung hinterlässt zuweilen ein fröstelndes Zittern. Das erste Lächeln erscheint auf den Gesichtern, deren Augen und grosse Pupillen glänzen wie von arabischen Haremskünstlern gehöht. Geist und Witz kehren zurück, man ist wieder zu Scherzen aufgelegt, oder möchte nur selig im Arm des Andern ruhn, bis beide der Schlaf oder neue Unternehmungslust übermannen....
Sprachs in dozierendem Selbstgespräch Satan alias Luzifer alias Ophis usw., schon seit einer Weile in die wärmende Sonne geringelt, vor der Höhle des Sündenfalls; ironisch wie immer, hatte er den Faden dort aufgegriffen, wo unsere beiden in ihrem Liebesrausch versanken und ihn verzeihlicherweise verloren hatten; Ihr Glück wird man nie hinreichend ausdrücken können, weil es nur erlebt werden kann, um überhaupt zu existieren, aber gewisse hilfreiche Details auszuplaudern wird man ihm, dem fast alles Wissenden, nicht verargen wollen,

oder?
____ ____ ____



(134) Ludbreg, Montag 6.11.1995; 6.55

Nymph,

draussen stürmts furchterregend und auf den Dächern und Wiesen liegt noch der Schneezucker von gestern. Die Sonne ist rot aufgegangen, als entschuldige sie sich damit für die Eiseskälte, die durch die Strassenfluchten stiebt. Auf meinem Weg zum Schloss habe ich mich warmsputen müssen, da nicht einmal Ludbergens Heizung mit ‘Väterchen Mraz’ (was einen wohl ebenso schüttelt wie Frost!) fertig wird.

Gestern ass ich mit Radovan noch ein wenig Brot, um nicht völlig erschöpft ins Bett zu steigen. Die Tour war wohl etwas überzogen gewesen, aber ich bin froh, dass ich bis zuletzt durchhielt. Allerdings fiel mir bereits allerhand Ausgelassenes und Unausgekochtes auf, das es zu beschönigen gälte, wenn Du auch das Deinige an Einwänden eingibst.

17.00. Den Tag beim Arbeiten mit Wortklaubereien vertrödelt. Ich setzte eine Tafel Schokolade aus, für den, der ein Wort aus fünf Konsonanten fände. Das Kroatisch ist wirklich wunderlich; hier ein paar Kostproben von Worten, deren Übersetzung ich in eine lesbarere Ordnung gereiht habe, die wiederum aufs poetischste, wie man mir sagt, die gute Zvjezdana zusatze gebracht hat:
Auf einer Fichten-Lichtung von Krk liegt eine Art schwarzer Maulwurf im Blute.

SMRC KRC KRK RST CRN KRT KRV

NA KRKU, NAKRCEVINI SMRCA U KRVI NEKE VRSTI CRNI KRT LEZI.
Welch Krampf für’n Wurm, den Gipfel zu stürmen; übers Brücklein ging’s schneller.

GRC CRV VRH BRV BRZ

KOJI GRC ZA CRVA PREVALITI VRH, PREKO BRVI BRZE BI BILO.
Im Garten am Kap des Karstes lag ein hässlicher Windhund unterm Dorn-Busch.

VRT RT KRS GRD HRT TRN GRM

U VRTU NA RTU U KRSU RUZAN HRT POD TRNOVIM GRMOM LEZI.
Eines finsteren Schnurrbart-Serben Finger prüft den Grat an der Sichel.

MRK BRK SRB PRST HRPT SRP

MRKOG BRKATOG SRBA PRST HRBAT SRPA DIRA.
Ein Schluck aus zerbrochnem Krug vertreibt Sorge und Schauer vor hartem Tod.

SRK KRNJ VRC SKRB SRH TVRD SMRT

SRK S KRNJRG VRCA RAZGONI SKRB I SRH TVRDE SMRTI.
Am Platz von Triest hängt des geizigen Griechen Wappen mit Kreisel und Pumpe.

TRG TRST SKRT GRK GRB ZVRK SMRK

NA TRGU U TRSTU SKRTOG GRKA GRB SA ZVRKOM I SMRKOM VISI.
Aber Schluss mit dem einem etwa italienischen Ohr Zorn (SRDZBA) entzündenden und Hohn (SPRNJA) sprechenden Gegurgel (GRKLJAN); mein Hals (GRLO) tut mir schon weh beim Probieren dieser Wort-Delikatessen! Zvjezdana hat sich ihre Schokolade in Ehren verdient! (Dies ein Nachsatz von morgen, 16.20)
19.30. Stefan kam wie ein Lastesel bepackt aus Regensburg zurück mit Eindrücken von einer Reise durch völlig verschneite Lande. Gut, dass ich den Wagen in Mestre liess! Sonst war der Tag ereignislos, obwohl sich manches gute Gespräch mit unserer ewig ungekämmten Zagrebinerin Zvjezdana (auch so ein unmögliches Wort) entspann. Sie ist Schulkameradin Darvins und Velimirs, spricht gut Deutsch und ist für hiesige Verhältnisse überdurchschnittlich gescheit. Von Ivan und seinem Finger keine Spur.
Morgen wird mich Nofta mit Plänen für Ludbergas Promotion und den Mittelpunkt der Welt besuchen; die Idee eines Mosaiks von Petrac am Florianstor, vielleicht ein meerblauer Rundblick auf die Insel Antipodes, fand er verfolgenswert und auch die Unio mystica mit Florian sei nicht abwegig. Mal sehn, was er vorbringt; es ist erstaunlich, wie ernst er das alles nimmt und mit welcher Verve er die Ideen auch in die Tat zu setzen beabsichtigt! -heute bleibts bei einem armseligen Seitchen, mein Kopf brummt mir noch von gestern...

(6.11.1995; 19.24)



Lieber Faun, womit habe ich Dich verdient? Dein Brief ist so zärtlich, verständnisvoll und fröhlich. Nein, heiter ist wohl der bessere Ausdruck; so heiter wie man nur sein kann, wenn man liebt. Das rührt mich und macht mich gleichzeitig lächeln. Wie treffend beschreibst Du Adams wie Evas Gefühle und Gedanken;. Du eröffnest mir verschlüsselte Details über die ich selbst nichts wusste. Überhaupt scheinst Du viel mehr von uns zu wissen, als ich von Euch. Kennst meine Regungen, meine Neigungen, meine Bedürfnisse; bist rücksichtsvoll, mich diese auch ausleben zu lassen. Verzeihst mir mein Knurren, wenn ich lieber meiner morgendlichen Schlafsucht fröne, oder auch nur "ungestört" meinen Tagträumen nachhängen möchte. Schenkst mir Beachtung, streichelst und umgarnst mich, auch wenn ich scheinbar nicht antworte. Lässt mich still Deine Zärtlichkeiten hinnehmen und geniessen, ohne etwas dafür zu verlangen. Was gibt es schöneres. als sich Dir völlig zu überlassen, man fühlt sich geborgen, bestätigt. Zugleich lässt Du mich Dein Begehren spüren; gibt es schöneren Liebesbeweis für eine Frau? Begehrt zu sein (als ganze Person) ist ein Lebensmotor. Stärkt und bejaht das Selbstbewusstsein.

Wenn Frauen sich trotz aller Zärtlichkeiten nicht verführen lassen, soll man das nicht als Zeichen von Gleichgültigkeit oder Kälte missverstehen. Eine Zurückweisung bedeutet nicht – wie viele Männer meinen – dass man sie weniger liebe, vielmehr fühlt man sich wohlig und zutiefst zufrieden, dass man mehr gar nicht braucht. Das können die meisten Männer, von denen behauptet wird, dass sie 'immer was wollen', wahrscheinlich nicht begreifen und wird ihr ewiger Vorwurf gegenüber Frauen bleiben. Du dagegen verstehst mich, wenn ich nicht mehr als gekuschelt werden möchte. Du setzt mich nie unter Druck, wie das andere Männer auf die vielfältigste Weise mit ihren Frauen tun. Von offener Aggressivität bis zur stillen Enttäuschung ist die Palette reich an Möglichkeiten, einer Frau die Zurückweisung heimzuzahlen. Bis sie schliesslich, vom schlechten Gewissen getrieben, nachgibt und Verlangen vortäuscht, das sie nicht im geringsten fühlt. Auch aus Angst den Geliebten zu verlieren. Dass sie dabei aber mithilft die Grube zu vertiefen, in der die Liebe, verschüttet von Missverständnissen, schliesslich untergeht, wird erst viel zu spät erkannt (oder auch nie) – der Anfang vom Ende einer jeden Beziehung... Aber was erzähle ich Dir da, Meinster, kennst Du doch längst die zerstörerischen Mechanismen und haben wir doch auch schon darüber gehandelt. Einer Deiner grössten Vorzüge ist ja gerade, dass Du nichts von mir verlangst, was ich nicht auch möchte. Dass ich meine Wünsche ohne Ängste, Dich zu verstimmen, nennen darf.

Aber zurück zu Adams Abenteuer. Du hast mir damit ein exquisites Vergnügen bereitet. Diese sechs Seiten gehören zu denen, die ich immer wieder lesen werde. Deine Worte sind farbenreich, wendig, humorvoll und zugleich poetisch. Ich bewundere Deine treffenden Umschreibungen ohne je ernüchternde Namen zu nennen. Dies lässt den Text geniessen, ohne darüber zu erröten. Es muss schwierig sein, bei einem solchen Thema nicht unweigerlich ins Pornographische abzugleiten. Dergleichen Untiefen umschiffst Du meisterhaft. Trotzdem, oder gerade deswegen verspürt man ein Kribbeln und wünschte sich Dich in fassbarerer Nähe zu haben (wird nachgeholt!). Nur die Schluss-szene bzw. der "Höhepunkt" klingt mir zu bombastisch. Vielleicht erleben wir Frauen das Besagte eher stiller oder einfacher. Ich finde nicht die richtigen Worte, es zu beschreiben. Es ist und bleibt ein Mysterium; ist gleichzeitig aber auch das Natürlichste und Einfachste der Welt. Man sollte bestimmt darüber nachdenken und vielleicht auch einen Beschrieb versuchen, aber trotzdem ahnen, dass man es nie in seiner Gesamtheit und Vollendungt, wissensmässig nacherleben kann. Es ist eben nur erfühlbar. Was man im einen Augenblick sicher zu fassen glaubt, ist im nächsten schon so fern, dass es eben "unbeschreiblich" bleibt...

- in der Hoffnung auf ein baldiges Telefonküsschen Dein Nymph.
...

-oh! eben entdecke ich da noch Dein jüngstes Briefchen! war nur eben mal neugierig in Darvins Kabuff gewandert, ob da nicht... und ob da war! Ein entzückender Brief, an dem nun ich erröte, ob der Komplimente, die Du machst. So Nahes und Verständiges, so Herzhaftes und Lebenswichtiges hast Du mir noch nie anvertraut, ich bin ganz benommen davon und möchte am liebsten gleich mit Dir weiterplaudern. Aber vorerst mal dies: das überzogene Finale war übrigens auch mir etwas zu laut, ich liess es aber in Hinsicht auf die ’Einmaligkeit’ des ‘historischen’ Sündenfalls stehen und als ‘sportlichen’ Anreiz, ob man mit einiger Hingabe und ‘Arbeit’ über diese schwanken Schwellen , ohne zum Kitsch abzustürzen, vielleicht doch ungestraft balancieren könnte... Lass Dich küssen und bedanken, Nymph! Deinster Faun.

(135) Ludbreg Dienstag, 7.11.1995; 6.50



Nymph,

heute stand verwirrend am Horizont, unterhalb einer düsteren Wolkendecke eine blassrote Kugel, von der ich nicht wusste, ob es Mond oder Sonne sei; befremdend, da letztere in mein Fenster äugte, von dem ich noch immer nicht ganz weiss, in welche Richtung es blickt; da dies namenlose noch glanzlose Unding alsobald unter die schmerbäuchigen, schneeschwangeren Wolkendaunen schlüpfte, werde ich erst morgen mit Sicherheit erfahren, welches Gestirn es nun war!
Das Morgengrauen erlaubte mir, über Deinen schönen Brief nachzudenken; die "immer wollenden Männer" sind in der Tat ein Mythos, den weiterzuschüren diese selbst als erste sich bemühen. Die Gründe sind einfach; man hat sie gelehrt, sich bewähren zu müssen, auch wenn ihre manifeste Schwäche dies gar nicht erlaubt; da ihre Triebhaftigkeit etwas stärker ausgebildet ist und Frauen in ihrer Disponibilität von Natur her zyklisch eingeschränkt sind, sieht es nur so aus, als seien diese Männchen immer auf dem Sprung. Sie würden es nie zugeben wollen, unlustig zu sein, um nicht die geringste Chance zu verpassen, eine Lücke in der weiblichen Abwehr zu erspähen und sich die verschobene Rechnung aufgehen zu lassen; schon aus Selbstwertgefühl, das bei ihnen so anspruchsvoll und zugleich unendlich verwundbar ist. Auch sie könnten reine Zärtlichkeit geniessen, wenn in ihnen sich nicht immer der panische Bewährungszwang meldete. Nur eine lange offenherzige und aussprachereiche Beziehung öffnet ihnen den Mund zur Bekennung und den Willen zur passiv-wohligen Genügsamkeit. Alle ihre Komplexe stammen aus der Kastrationsangst, so absurd das ist.

Meine Übertreibung des ‘Höhepunktes’ ist auch so eine typische Männerphantasie, die es zu erklären gilt, weil sie zentralste Eigenheiten der Männer offenlegt. Das Erlebnis des Orgasmus erschüttert sie mehr, weil in ihnen alle aufgebauten Energien, mit denen sie mitunter zu protzen lieben, jäh zusammenbrechen und sie vor der Weiblichkeit wie geschlagen, besiegt niederknien; all die sonst gefürchtete Schwäche wird nun zum offnen Geheimnis, zum Selbstverständnis. Nur die Männer haben den Begriff vom Kleinen Tod, La petite mort geprägt, weil es in der Tat ein plötzliches dramatisches Ersterben ihrer Potenz, ihrer Lebensgeister, ihres Selbstwertes ist, den man an einen Andern hingibt, verschenkt, opfert. Nur die Grösse, Umsicht, Hingabe und Sorge einer Frau beschützt ihn in diesem Moment vor den fatalen Folgen dieses Eingeständnisses von Ohnmacht, das vielen Männern schon nach wenigen Augenblicken die Befriedigung raubt, sie flugs zum Vergessens- und Verdrängungsschlaf verleitet. Wenn eine Frau in jenen Momenten ihre Beherrschung, Zurückhaltung, oder gar verweigernde Unlust in allzu sichtlicher und überlegener Weise zeigt, ist die Katastrophe da und ER fühlt sich in einen Abgrund geworfen. Darum die verzweifelte, aber auch verzeihliche Hoffnung aller Männer, dass ihre Geliebten jenen letzten Schritt mitgehen und sich ebenso verschenken, damit sie nicht von jener Scham beschlichen werden, derer sie sich oft nicht erwehren können. Ungeschickte Frauen simulieren dann wohlmöglich Unerlebtes und Ungeliebtes und glauben, die Männer merkten es nicht. Aber die Sensibilität derer ist in jenen Augenblicken viel wacher als normalerweise und wenn sie die Falschheit eines Gefühls entdecken, würden sie (dank der Rüse ihres angeborenen Jagdinstinktes) nie zeigen, dass sie der Wahrheit, bzw. einer Lüge auf der Spur sind, weil sie sofort auf Rache sännen und sich einredeten den Ablauf der Mechanismen wieder selbst in die Hand nehmen zu können: – wie Du richtig beobachtest, der Anfang eines qualvollen und kläglichen Prozesses, der zum Ende jeder Beziehung führen muss.

Weil für einen Mann nun dieser Akt des Kataklysmus so bestimmend, endgültig, unverhüllbar ist, tendiert er dazu, ihn zu glorifizieren, zu übersteigern, wie ein Fischer seinen Fang, ein Krieger seine Heldentaten verbrämt, aufbauscht, 'megalomaniriert'. Es stirbt sich schliesslich besser in Ruhm und Ehren... Sein Hang zur Mystifizierung, Dramatisierung, zu Emphase und Extase, Rausch und Bausch hilft ihm dabei nicht wenig und Frauen finden das verständlicherweise unangepasst, unangebracht, übertrieben bis lächerlich, weil sie eine eher introvertierte, meditative, mehr empfangende denn unternehmerische Sicht auf ihren Körper und seine Regungen haben und naturhafter, realistischer, sensitiver empfinden. Männer sind nicht wie sie mit ihrem Körper im oftbeschworenen Einklang (mens sana in...): sie treiben ja auch mitunter gefährlichen Sport und builden body, um etwaigen Makel, oder den Hader mit ihrer körpergebundenen Psyche zu überwinden, sind zuweilen eitler als Frauen, wenn nicht überhaupt.

Befriedigung ist für eine Frau, wie Du so richtig beschreibst, viel ganzheitlicher, kosmischer und naturgebundener, ja gleichströmender, stiller, und damit wesenhafter und undefinierbarer, als das punktuellere, energiegeladene, explosive und nervösere Ausleben von Wechselspannung bei Männern.

Die den Männern nachgesagte Gier auf Orgasmus ist ein Märchen; den könnten sie sich auch ohne Frauen verschaffen, ein von angeblich gutmeinenden Fachbüchern heute hochgelobte Alternative, die aber an allen zentralen kulturellen, geistigen und seelischen Ponderabilien schlechtweg vorbeidriftet und Sinn und Schönheit des Erotischen, Grösse und Innigkeit von Liebe negiert und auf einen einsamen, traurigen Schmierenbühnenakt ohne Publikum herabwürdigt. Auch die feministische Literatur schaufelt da tüchtig mit und wirft Gräben auf, wo vorher Bodenwellen waren, die man mit sensiblerer Medienkunst hätte überwinden können. Auch die Stereotypie männlicher Höhepunkte wird mehr behauptet als bewiesen, dabei sind die Variationen des Empfindens ebenso gross wie bei Euch und können vom unmerklich Leisen bis zu orgiastischen Ekstasen oszillieren und die in sich selbst weder quantifiziert noch qualifiziert werden können, weil nur das jeweilige Mitklingen des Partners dem Erlebnis den abschätzbaren eigentlichen Wert erst beimisst. Wahr ist indessen, dass die Hingabe der wirklich und vorbehaltlos Geliebten weit höhere, längerwährende und tiefreichendere Gefühle auslöst, als das eigne, ach so ephemere Augenblicksglück. Ein Mann der sich seine Schwächen und Fehler eingestehen kann und sich als gleichgewichtiger Partner versteht, bezieht unendliche Wonnen und Stützen seines Selbstgefühls, wenn das ihm doch immer etwas fremde, unheimliche, mysteriöse und ihm als (sofern er ehrlich mit sich ist!) überlegen empfundene Wesen an seiner Seite bereit ist, sich ihm hinzugeben. Ist dies in den glücklichen Momenten der Harmonie, der Disposition und Konstellation zu seinem Entzücken geschehen, ohne dass ihn der Kleine Tod in der Betörung und Aufregung – wie so oft, hélàs, bereits ereilt hat, ist sein eignes Verschenken einer ungeahnten Steigerung möglich, die zuweilen an das grenzen kann (aber nicht muss), das ich so bombastisch beschrieben habe. Der Grund ist klar: alle Urängste sind nun gegenstandslos, die Selbstaufgabe reine Wonne, der Geliebten nachzufolgen in jene unbegreifliche unio mystica; die Schau ins Namenlose verliert alle Hektik und Zielbewusstheit, ja wird zwanglos, meditativ und gelöst. Man darf sich als Hermaphrodit fühlen, oder als geschlechtsloser Engel. Das Paradies kehrt auf die Erde zurück und jede Zweiheit wird zur Einheit. Dort ist auch die Stille angesiedelt, die Natürlichkeit und die Einfachheit, die Du so wunderbar richtig andeutetest. Sie gelten also auch für UNS, sofern die Männerhirne genügend Reife, echte Neigung, Wissen und Erfahrung angesammelt haben, was hélàs, offenbar in Dingen der Erotik nicht immer der Phall ist.

Da Männer oft in die Rolle der Verlangenden manövriert werden, sie sich dies angewöhnt oder angelernt haben, dies nur so erscheint, oder die Verhaltenheit der Frau ihre Unternehmungslust schürt, wird der Frauen sanfteres Verlangen zumeist überblendet vom aktiveren Rumoren der Männer. Oft führts dazu, dass sich die Stimme der Weiblichkeit nicht mehr durchsetzt, verzagt und schliesslich verstummt. Welch grösster Fehler! Männer sollten wach genug sein, oder ihr Gehör schulen, ihr Fingerspitzengefühl verfeinern, um die geheimeren Wünsche zu erkennen, auch wenn sie oft deren Sinn nicht gleich verstehen, weil sie allgemeiner bleiben, unpräziser, verwobener. Sie sollten sogar lernen, sie zu amplifizieren, herauszuschälen aus ihrer wattigen Gefühlsumgebung und sie zu konkreten Wünschen stilisieren zu wissen, um sie entsprechend erfüllen zu können: und das heisst eines Mannes ganze Aufmerksamkeit und Bezogenheit auf den Anderen, sogar mit der Notwendigkeit, sich selbst währenddessen zu vergessen. Erst dann ist das Gefühl, Wünsche erfüllen zu dürfen, ein wahrer Genuss: etwa wenn er aus einer kleinen Geste, einem Augenwink, einem Lächeln, einer verhaltenen Frage herausliest, was er und ob er tun oder lassen solle, nach dem sie begehrt, oder gar nur begehren könnte, vielleicht, vielleicht... Ungeschickte Männer sehen sofort überall Spiegelbilder ihrer eignen Lüste, Wünsche und Phantasien, schiessen übers Ziel hinaus und wollen eben immer eine Spanne zuviel und werden erst zärtlich, dann nachdrücklicher und schliesslich schroff abgewiesen. Nach einer Serie unglücklicher Erfahrungen zieht sich solcher Tölpel selbst aus dem Verkehr oder lebt nur noch den eigensten Vorstellungen, schilt die Frauen unverständig, kalt und lieblos; er sucht sich andere, um dann immer wieder gleicherweise zu scheitern.

Liebe soll man beiderseits nicht einfach als gegeben hinnehmen und die persönliche erotische Konstitution als angeboren oder autodidaktisch ein für allemal erworben ansehen. Lieben ist vektoriell, stets im Fluss; man erzieht, bereichert sich gegenseitig, steigert sich mit zunehmendem Verständnis des anderen, wird unter Abnahme der gegengeschlechtlichen Spannungen und Missverständnisse, die es ja immer geben wird, erlebnisreicher, erwartungsvoller, empfänglicher, unbefangener und wie Du sagst, von einer Heiterkeit erfüllt, die ungemein erfüllend wirkt. Lieben ist ein heiteres Befinden, Wollen und Tun. Die Lust ist deren sinnliches, fröhliches, ein wenig ungebändiges, ein wenig frivoles, aber zutiefst gutherziges Kind. Sollte es sein. Verführung ist immer eine Strecke weit Lehren und Lernen; und wie lernt es sich besser als unter der Heiterkeit der Sinne!
So, Nymph ich überrasche mich wieder mal beim Dozieren! Vielleicht überspringst Du das alles besser. Praxis ist unendlich erbauender, nicht wahr? und die eilt uns mit Siebenmeilenstiefeln entgegen.
19.45. Nach Stunden angeregten Gesprächs mit Nofta über Philosophie, Religion, Tourismusprospektion und dem Schicksal Ludbergas, des Weltmittelpunktes und Holyland, komme ich nun endlich dazu, mich Dir wieder zuzuwenden, nachdem wir kurz am Telefon plaudern konnten. Nofta riskiert zur Zeit seinen Kopf, weil er Korruptionsgeschichten um den Heiligen Sonntag auf die Spur gekommen ist und von seiten des monströsen Priesters, weil der wiederum entdeckt hat, dass er nicht getauft sei. Ich habe ihn immerhin ermutigen können, durchzuhalten, ist er doch der einzige intelligente und musische Ludbreger, den ich eingehender kennengelernt habe. Er gehört zu den in Kroatien höchst wichtigen Ludbreger Radioamateuren, die mit der ganzen Welt kommunizieren, ein Grund mehr für ihn, den Mittelpunkt der Welt ernst zu nehmen und deren Stammkarte mit einem neuen Logo zu versehen! Von Ludbregs Ausstrahlung um den Erdball hatte ich noch gar nicht gehört und wir planten sofort, jemanden die Insel Antipodes anpeilen zu lassen, wo doch zumindest jemand in einem Leuchtturm sitzen muss und sich langweilt! Nötigenfalls halt eine andere wohlmöglich noch präzisere Insel des Archipels. Faun.

(136) Ludbreg Mittwoch, 8.11.1995; 6.45

Nymph,

Könntest Du doch die überwältigenden Lichtschauspiele sehen die derzeit in Ludbreg über die landschaftliche Bühne gehen! Der Himmel erwachte in einem tieflila Kleid, von dem sich die entlaubten Bäume abhoben wie Scherenschnitte. Dann stiessen türkisfarbene Pfeile in den sich nach orange hin hellenden Horizontstreifen, aus dem sich dann ein gleissender Messingball schwang, seinen Lauf alsbald wieder hinter den Wolken fortzusetzen, die von unten aprikosig graulila angestrahlt erschienen und sich bis nach Westen in ein tiefes Blauschwarz vertinteten. Die letzten Birkenblätter leuchteten golden und mit gelben Streiflichtern schienen die Wiesen wie aquarelliert. Gestern abend schon tauchte ein brennendes Abendrot die kahlen Bäume im echten Mittelpunkt der Welt in so tiefes Rot, dass die Äste gegen den Himmel zu glühen schienen, als wäre in ihrer Rinde ein Glimmfeuer aufgestiegen. Und ob der Gestirnskugel von gestern morgen versicherte mir Zvejezdana, die sie auch gesehen hatte, es sei der Mond gewesen, der dann in den Stadtrandgärten abgetaucht sei, als ich längst im Schlosse war. Diese Zvjezdana ist ein recht schöpferisches Wesen; sie malt grosse wildgefuchtelte Ölbilder wie Darvin, aber mit mehr kontemplativem und spiritualem Hintergrund. Sie hat über zwölf Einzelaustellungen, auch in Deutschland und Gruppenbeteiligungen an acht anderen hinter sich, publiziert laufend Kurzgeschichten, deren drei auf englisch übersetzte (Uta von Naumburg, Simonetta Vespucci und Circe) ich gestern zu lesen bekam: kurze Frauenporträts seit antiken Mythen bis in die literarische Moderne, mit Witz, Spott, Ironie und einer leicht feministischen Schnoddrigkeit. Restaurieren ist für sie wohl nur eine vorübergehende Rettung an ein beruflich sichereres Ufer. Die Künstler haben hier schwerste Zeiten, weil sich niemand für sie erwärmt.
Stefan, der hier hätte Leute ausbilden sollen, fühlt sich etwas nutzlos, weil die bestellten Schüler nicht kamen, die neuen hier alle nicht schnitzen und Ivans Finger seinen Besitzer zuhause behält. So entdeckt man Stefan zuweilen in der Küche einsam Gitarre spielend, wenn er nicht gerade irgendwelche ergänzten aber ihm nicht genehmen Puttenglieder wieder absägt und umplaziert. Vielleicht schnitzt er uns eine Ludberga, deren Modell ich in einer Zeitung abgebildet fand: eine schöne moderne Version der Zagreber Stadtpatronin aus dem Mittelalter, ähnlich der ‘Giulia’ in Verona und ihrem Münchner Gegenstück.

Nofta wusste, als er von meinen Wortspielen erfuhr, einen beliebten Zungenbrechhexameter des Dichters Vladimir Nazor35, der onomatopoetisch bzw. lautmalerisch in der ersten Strophe seiner "Hymne an die Sonne" das Zirpen der Grillen imitierte, wie ich Dir das Quaken der Frösche in einem lateinischen Vers sicherlich schon mal zitiert hatte (Quamvis sint sub aqua, sub aqua maledicere tentant = selbst im Wasser noch hören sie nicht auf, mit ihrem verleumderischen Gequake; womit natürlich zeitgenössische römische Politiker gemeint waren):
I CVRCI CVRCI CVRCAK

NA CVORU CRNE SMRCE

SVOJ TROHEJ ZAGUSLJIVI

SVOJ ZVUCNI TESKI JAMB.


zu deutsch in meiner Übersetzung:
Zirp, zirp, Dein Zirpen Zikade,

Im Dämmern der knorrigen Fichte;

Betäubend singst Du Trochäen

Und klagender Jamben Laut.


16.45. Nymph, bester, eigentlich wollte ich Dir hier ein Kroatisches Lexikon anfügen, das unter dem Gelächter aller gestern bei Tisch entstand, von Wörtern, die aus dem Deutschen stammen, um zu beweisen, wie einfach das Hrvatski zu lernen sei. Doch wächst die Arbeit inzwischen in unverantwortbare Längen und ich sehe noch nicht, wie ich’s vernünftig redigieren soll. Deshalb nur bis hierher mal Faun.

Dafür übersetze ich Dir im folgenden die Rechnung eines Meister Herman Kralec, in kajkavischem Dialekt 1662 ausgefertigt, zuhanden von Malermeister Stefan Cubrila, der in einer Michaelskirche von St.Blasien das Restaurieren verübt haben soll (Dokument im ethnographischen Museum Zagreb; Diktion von mir dem skurrilen Idiom angenähert):

Rechnung [RACUN]


1. Dem Hl. Michajl Feder reparirt. 8 Kreuzer

2. Sein Drachenschwanz kürzet und ein Menge lakirt. 40 Kreuzer

3. Postament neufärbelt [pofarbal]. 12 Kreuzer

4. Das Jingste Gricht auffrischt [sprefriskal]. 30 Kreuzer

5. Den Himel breiter macht, neue Stern macht

und Mäusdrek [misje dreke] wegputzert. 40 Kreuzer

6. Faraos Dochter ser lebendig malt und

an sein Underhos neu Spizen [nove spice] setzt. 1 Forint

7. Rots Mer von Vogeldrek [pticjega dreka] putzet. 19 Kreuzer

8. Mariae Rok bürstet und Stiefel reparirt. 83 Kreuzer

9. Hl. Andrei Mantel kürzt um eine Spann. 85 Kreuzer

10. Hl Magdalenae beid Knie färbelt und neu Gürtel macht. 70 Kreuzer

11. Finf Jungfrau neufärbt hinten und forn und neu gstelt in Reih. 80 Kreuzer

12. Rechten Räuberi Schnauz stuzet [postucal] und Nabel bessert. 10 Kreuzer

Macht Summa 6 Forint und 77 Kreuzer.

STEF CUBRILA, mestar moler"



So heiter war die Repariererei! Gegen Meister Stef, Faktotum, Butler, Kosmetiker und Raumpfleger zugleich, ist unser schnitzelnder Stefan ein fachidiotischer Fingerhüter und Prot(h)estant, Nägelbeizer und Nasenlifterant!

18.05. Geradezu bedrohliche Präsenz der Zagreber Administration, unsere Bauvorhaben zum x-ten Mal nachzukontrollieren. Das Abnabeln wird uns allen zum Evangelium. Überdies sind die Neuen ausnahmslose Zuträger der üblen Zustände im RZH, was uns alle um so ärgerlicher macht.

Unter den jetzigen Umständen scheint es unangebracht, Darvin nach Deutschland zu schicken. Die Zagreber bekämen völlig die Überhand und eine Ablösung rückte in ferne Zukunft. Ich muss dies Echterding schmackhaft machen und hoffe, dass nicht alles schon eingerührt ist. Ich versuche ihn seit Tagen zu erwischen.

Morgen will also Marcin K. kommen; ich muss ihn an der Grenze abholen. Er hat allerdings vorläufig wenige Chancen, von den Bayern auf absehbare Zeit durchgefüttert zu werden; und die Zagreber werden seine Kompetenz fürchten.

Die neuen Räume sind endlich fertig verputzt und gemalt, die Heizung macht Bündnerfleisch aus uns und die Werkstätten sind eingerichtet. Jetzt wird man endlich mal arbeiten können! Allerdings wohl die nächste Zeit ohne mich, wenn ich an Frankfurt und Köln auch noch San Michele anhängen muss, um die Oliven zu pflücken...

Morgen früh ziehe ich aus Ludbergen aus und lasse mein Gepäck im Schloss. Ich bin schon ganz fiebrig ob des Ende des morgigen Tages, wenn ich im Zug sitze und mich von den Zöllnern drangsalieren lasse, statt selig den nächsten Tagen entgegenzudämmern. Meinen Vortrag für Völkle habe ich inzwischen völlig vergessen und werde mich morgen früh wieder dransetzen, statt Dir die Morgenzeilen zu komponieren; verzeihst Du mir? Und packen muss ich auch noch...

Nun lass Dich küssen und im Sinne der literarischen Experimente in den Schlaf streicheln. Ganz Deinster, Faun.

7.05. Was ich Dir schon immer durchreichen wollte zur Vorbereitung auf künftige Kroatienreisen; so schwer scheint diese Sprache doch nicht zu sein, oder? (Auf die unmöglichen Akzente habe ich allerdings verzichtet; die meisten "c"s sprechen sich wie unser "z").

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