Maßnahmen zur Re-Integration arbeitsloser



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Strukturelle Bedingungen


Die einleitenden Kapitel dienen der Entfaltung des sozialen Spannungsfeldes, in welchem die arbeitsmarkt-integrativen Maßnahmen situiert sind bzw. deren Akteure (inter)agieren. Dies scheint vorab insofern zweckmäßig, da die grundsätzlichen Ambivalenzen in gegenständlichen arbeitsmarktintegrativen Maßnahmen bzw. im Zusammenhang mit der konkreten Tätigkeit der „Inklusionsarbeiter“ zum Großteil bereits im Bedingungsgefüge, also auf der Makroebene des sozialen Systems, angelegt sind bzw. dort ihre Ausgangs- und Bezugspunkte finden.

Die Maßnahmen zur Integration (Langzeit)Arbeitsloser in den Arbeitsmarkt sind eine sozialpolitische „Antwort“ auf das Phänomen der anhaltenden, zunehmend dauerhaften, strukturellen8 Massenarbeitslosigkeit in postindustriellen „modernen, ausdifferenzierten Gesellschaften“ (vgl. LUHMANN. 1997)9 wie Österreich und Deutschland. Diese Form der Arbeitslosigkeit ist Auslöser anwachsender sozialer Exklusion und Marginalisierung einer stetig wachsenden Gruppe nicht mehr auf dem „regulären“ Arbeitsmarkt benötigter „Arbeitskräfte“, die angesichts der Ausrichtung des vorherrschenden Einkommenssystems jedoch mehr oder weniger ausschließlich auf diese Form gesellschaftlicher Teilhabe hochgradig angewiesen sind - sowohl materiell als auch ideell. Diese Teilhabe bleibt ihnen als nunmehr „Arbeitslose“, vorübergehend bis dauerhaft, verwehrt.

Arbeitslosigkeit begleitet den Kapitalismus bzw. kapitalistisch-marktwirtschaftlich ausgerichtete Gesellschafen zwar von Beginn weg, hat aber heute in den sozialstaatlich verfassten Ländern infolge der „Erosion der auf soziale Teilhabe gerichteten Substanz von Rechten“ (KRONAUER. 2002: 24) eine neue Qualität. Die über weite Strecken hinweg auch während Phasen von wirtschaftlicher Prosperität und Wachstum gestiegene Arbeitslosigkeit hat sich seit den 1980ern zunehmend vom wirtschaftlichen Zyklus abgekoppelt. Zudem ist eine wachsende Kluft zwischen den Betroffenen und den (noch) Beschäftigen im Sinne sozialer Ungleichheit zu konstatieren (ebd.). Diese Festsstellung gilt es zum Teil insofern zu relativieren, als unzureichend Qualifizierte als auch Arbeitsuchende unter Bedingungen der Marktsättigung generell zunehmend vor die Alternative gestellt werden, entweder durch bzw. trotz Arbeit (Phänomen „working poor“) oder infolge Arbeitslosigkeit zu verarmen. Die modernen Produktivkräfte brechen das Lohnarbeitsverhältnis zusehends auf und das Kapital beschränkt die Lebensmöglichkeiten der Menschen immer mehr, um sich selbst am Leben zu halten. Auf dem Boden der Lohnarbeit kann das menschliche Potenzial immer weniger ausgeschöpft werden, sodass, folgt man kritischen Exponenten der Sozialwissenschaften, in absehbarer Zeit „alle Staaten dieser Erde […]eine Alternative zur Erwerbsarbeit (Lohnarbeit) finden müssen“ (RIFKIN 2004: 218).

Das soziale Risiko von Arbeitslosigkeit, vor allem über einen längeren Zeitraum hinweg bis zur Verfestigung als Dauerzustand, ist sozial sehr ungleich verteilt. Die damit verbundene Form der Ausgrenzung ist dabei heute mehr denn je als eine „innerhalb“ der Gesellschaft (vgl. KRONAUER. 2002: 25) im Sinne SIMMELS Kategorie der „Gleichzeitigkeit von ‛Drinnen‛ und ‛Draußen‛ “ (KRONAUER: 1999: 9) zu begreifen.

Analog COLEMANS „Logik der Selektion“ (vgl. ESSER 1993: 94 ff.) stellen diese strukturellen Bedingungen die Grundlagen des jeweiligen Handelns auf der Interaktionsebene der Maßnahmen in Form der vorgefundenen „institutionellen Strukturen“ sowie der diesbezüglichen normativen Erwartungsmuster dar.

Wandel von Arbeit und sozialer Sicherheit in der Arbeitsgesellschaft


Weil die gesellschaftlich bestimmte und vergütete Arbeit – auch für diejenigen, die sie suchen, sich auf sie vorbereiten oder ihrer ermangeln – den bei weitem wichtigsten Sozialisationsfaktor darstellt, begreift sich die Industriegesellschaft als eine “Arbeitsgesellschaft” und unterscheidet sich darin von allen vorangegangenen Gesellschaften” (GORZ. 2002: 27). Arbeitsgesellschaften knüpfen die soziale Zugehörigkeit an die Leistung eines Arbeitsbeitrages und definieren die gesellschaftliche Position einer Person wesentlich an der Bewertung des Ausmaßes ihres Beitrags zum Gemeinwohl durch ihre Arbeit (vgl. KREBS. 2002, S. 199).

Über den Beruf erlebt der Einzelne seinen Platz in der Gesellschaft, in ihm spiegelt sich seine Person, aus ihm bezieht er sein Selbstbild, erfährt er die Bewältigung von Realität und erlebt sowohl Solidarität als auch hierarchische Zwänge (vgl. WEYMANN. 2004: 38). Die “Welt des Arbeitens” als “Welt par excellence” (BERGER/LUCKMANN. 2000, S. 25) kommt im Falle eines kollektiven Schwundes bzw. individuellen Verlustes dieser “Arbeit”, wie dies in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten in unserer “postindustriellen” Gesellschaft zunehmend mit teilweise dramatischen individuellen Folgen festzustellen ist, deutlich zum Ausdruck.

Die für unsere Gegenwartsgesellschaft geläufige Bezeichnung „Arbeitsgesellschaft“ verweist nachdrücklich auf die dominante Stellung von Arbeit als zentraler Kategorie des individuellen und gesellschaftlichen Lebens (vgl. z.B., BECK, 1997 GORZ 2002, RIFKIN. 2004). Damit verbunden ist die Reduzierung von Arbeit auf die reine „Poiesis“ (vgl. ARENDT. 1981), also das Hervorbringen von Dingen sowie die weitere begriffliche Engführung menschlicher Arbeit auf lohnabhängige, fremdbestimmte, aus der Lebenswelt heraus gelöste und in der Rolle des „Arbeitenden“ institutionalisierte „Erwerbsarbeit“. Unter der Annahme dauerhafter Vollbeschäftigung geriet diese Arbeitsform zum zentralen, standardisierten Medium der Verteilung nahezu aller gesellschaftlichen Güter, vor allem des zur Bestreitung des Lebensunterhaltes erforderlichen Einkommens und der sozialen Absicherung. In „Arbeitsgesellschaften“ wie Österreich und Deutschland richtet sich die Sozialisation der (vornehmlich männlichen) Gesellschaftsmitglieder beinahe ausschließlich auf eine - in der Regel unselbständige und verberuflichte - Erwerbsarbeit aus, angelehnt an das normative Modell einer kontinuierlichen Erwerbsbiografie (vgl. KOHLI. 1989; HEINZ. 1995; LEMPERT. 2002). Zugleich bestimmen die mit einer derartigen Sozialisation verbundenen Leistungswerte zum einen soziale Anerkennung und legitimieren zum anderen soziale Ungleichheit.

In der Nachkriegsära der 1950er-Jahre generierten die im Zusammenhang des kriegsbedingten „Wiederaufbaus“ florierenden wirtschaftlichen Verhältnisse, die grundsätzlich allen arbeitsfähigen (männlichen) Gesellschaftsmitgliedern Arbeit boten, eine „Politik der Vollbeschäftigung“ (vgl. FÜLLSACK. 2002: 8). Mit der damit einhergehenden Ausbreitung legal strukturierter Arbeitsverhältnisse sowie sozialer Regulierungssysteme entstanden für die Integration der Arbeitenden in die kapitalistische Reproduktion sowie deren Lebensweisen und Konsummuster maßgebliche „Zonen sozialer Kohäsion“ (CASTEL. 2000: 13).

Unter diesen einmaligen historischen Bedingungen etablierte sich ein, sowohl vorher als auch bereits ab Ende der 1950er Jahre alles andere als „normal“ zu betrachtendes Ideal eines auf diese außerordentlichen sozioökonomischen Verhältnisse abgestimmten (männlichen) „Normalarbeitsverhältnisses“. Dieses, seither folgerichtig und zusehends im Verschwinden begriffene, Modell fungiert im Zuge einer kollektiven „Interpretationen der Ausnahme als das Normale“ (BOLDER. 2004: 18) nach wie vor als für alle gültige normative Vorgabe im Sinne eines „interessengeleitet hergestellten, gesellschaftlichen Konstrukts“ (ebd.: 16).

Dem entgegen wurde die „Epoche der Vollbeschäftigung“ seitens der Sozialwissenschaften in Anerkennung der dahinter erkennbaren - zunehmend gegenläufigen - Realität als „kurzer Traum immerwährender Prosperität“ (LUTZ. 1984) schon bald in ihre Schranken verwiesen. Zumindest unter kritischen Vertretern der sozialwissenschaftlichen Zunft gelten Vollbeschäftigung und der sich darauf begründende Idealtypus des kontinuierlich „voll“ Erwerbstätigen spätestens seit Mitte der 1970er Jahre als in dieser Form unwiederbringliche Phänomene. Dies ist auch empirisch nachvollziehbar und zeigt sich seither in der durch diese Realität erzwungenen Konfrontation fast aller früh industrialisierten, marktwirtschaftlich organisierten Länder mit steigenden Arbeitslosenzahlen. Anfang 2005 schlug sich dies denn auch in den Arbeitslosenstatistiken Österreichs und Deutschlands nieder, welche den vorläufig jeweils höchsten Stand seit Ende des zweiten Weltkriegs verzeichneten. Dieses Faktum wird vorerst aber trotz nachweislicher dramatischer Entkoppelung von Konjunktur und Arbeit von großen Teilen „der Wirtschaft“ und „der Politik“ (in erster Linie durch die jeweils regierenden Parteien) – zumindest offiziell und nach außen hin - nach wie vor als ausschließlich konjunkturell bedingtes Phänomen interpretiert bzw. entsprechend ursächlich kaschiert.

Mitte bis Ende der 80er-Jahre des abgelaufenen Jahrhunderts häuften sich vor dem Hintergrund des seit Kriegsende erstmals wieder massenhaften Auftretens von Arbeitslosigkeit jedoch unübersehbar die Erkenntnisse, dass diese auf komplexeren Ursachen als nachlassender Konjunktur beruhen dürfte. Dies zog zwar eine erste Differenzierung der sich Ende der 1970er-Jahre als Reaktion auf die Arbeitslosigkeit etablierenden staatlichen Förderangebote zur Wiedereingliederung der Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt nach sich, bewirkte aber bezeichnenderweise keinerlei Veränderung am bestehenden Idealbild von Erwerbstätigkeit.

Spätestens seit der expliziten Thematisierung der „Krise der Arbeitsgesellschaft“ am 22. Deutschen Soziologentag (vgl. MATTHES 1983) ist dieses Phänomen weit über den sozialwissenschaftlichen Diskurs hinaus virulent, allein schon auf Grund erwähnter kontinuierlich steigender Erwerbslosenzahlen und des damit verbundenen offensichtlichen Versagens sämtlicher immer wieder vollmundig propagierter polit-ökonomischer Gegenstrategien. Zumindest wird seither unter eben dieser Chiffre auch das von den maßgeblichen polit-ökonomischen Exponenten offiziell nach wie vor als vorrangiges und alternativlos propagierte Ziel der Integration möglichst aller Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt in immer breiter werdenden Fachkreisen als ein durchaus fragwürdiges verhandelt. Mit dem immer noch zirkulierenden Etikett „Arbeitsgesellschaft“, der zwar „die Arbeit“ ausgehe, ist aber weiterhin die Suggestion verbunden, es handle es sich bei der Welt, in der wir leben nach wie vor um eine solche - trotz fundamentaler Veränderungen in der Arbeitssphäre, vor allem in Form des „Herausfallens“ von immer mehr Menschen aus den eingangs genannten „stabilisierten Zonen“ geregelter Lohnarbeitsverhältnisse in die „Zone der Vulnerabilität“ (vgl. CASTEL. 2000: 13f.).



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