Forschungsgegenstand Stadtbücher
Als Stadtbücher (libri civitatis) werden im Folgenden vorerst ganz allgemein buchförmige Archivalien bezeichnet, die seit dem 13. Jahrhundert in städtischen Kanzleien zu Verwaltungszwecken geführt wurden. Je nach Verwendungsdauer und Aufzeichnungsumfang entstanden starke Bände oder schmale Hefte. Als Beschreibstoffe begegnen uns vor allem Pergament und Papier, seltener Wachs. Sie dienten, vergleichbar den Urbaren, dazu, Privilegien und Normen festzuschreiben, Rechts- und Verwaltungsakte, Gerichtsbarkeit, Haushaltsführung des Stadtrates, Immobilien- und Finanzgeschäfte sowie Erbschaften und Vermächtnisse der Bürger zu dokumentieren und zu bezeugen und damit soziale Beziehungen darzustellen und zu bewahren, Verfahren zu sichern und Glaubwürdigkeit herzustellen, zu ordnen und zu organisieren, Traditionen zu (re)konstruieren und mit Geschichte Legitimierungsargumente zu liefern. Konrad Beyerle beschrieb Stadtbücher mit den allgemeinen aber zutreffenden Worten: „Stadtbücher sind in Buchform geordnete schriftliche Aufzeichnungen städtischer Behörden seit dem Mittelalter. Sie stehen in Gegensatz zur losen Aktenführung der Neuzeit wie zu der Einzelurkunde. Ihr Inhalt ist ein sehr mannigfaltiger. Er hat sich mit der Entwicklung des städtischen Kanzleiwesens immer mehr differenziert.“1
Stadtbücher gestatten einen der ergiebigsten Einblicke in das Leben mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Städte. Sie waren weit mehr als nur ein Hilfsmittel zur Wirtschaftsführung, Rechtssicherung und Verwaltungsorganisation, sie waren ein zentraler Bezugspunkt der sozialen Beziehungen innerhalb einer Stadt. Gleichwohl gehören sie zu den am wenigsten erforschten Quellen. Die Überlieferung ist extrem breit gestreut und dadurch für die Forschung schwer zugänglich und kaum zu überblicken. Besonders das Material aus kleineren Kommunen, die die Masse der vormodernen Städte darstellten, ist bisher kaum bekannt. Daraus ergibt sich die bislang nicht bewältigte Aufgabe, jene bisher wenig beachteten Stadtbuchbestände überhaupt erst einmal zu erfassen und zu untersuchen. Denn solange nicht einmal Klarheit über die materielle Überlieferungssituation in mittleren und kleineren Kommunen herrscht, die die Mehrheit der Städte des Deutschen Reiches bildeten, können die diesbezüglichen Forschungsergebnisse auch nicht als repräsentativ erachtet werden bzw. ist deren Erklärungs- und Deutungshorizont beschränkt. Die für eine systematische und vergleichende Stadtbuchforschung unabdingbare Voraussetzung eines zentralen und frei zugänglichen detaillierten Verzeichnisses der Stadtbuchbestände, wird nun mit dem „Index Librorum Civitatum“ seit dem Frühjahr 2011 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in Angriff genommen werden.
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