Evangelisches Gemeindelexikon



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Religionsfreiheit

R. ist »das Recht einer Person und der Ge­meinschaften auf gesellschaftliche und bür­gerliche Freiheit in religiösen Dingen» (II. Vatikanisches Konzil). Sie basiert auf dem Bewußtsein, daß Fragen der Wahrheit und der Gottesverehrung nicht mit Gewalt durchgesetzt werden dürfen, sondern daß der Würde des Menschen die freie Entschei­dung in persönlicher Verantwortung ent­spricht. Diese Vorstellung widerspricht der noch heute in vielen Völkern vorhandenen Anschauung, daß Staat, Kultur und Religion bzw. Weltanschauung eine Einheit bilden. Auch in Deutschland ist diese Ansicht trotz zunehmender Gleichgültigkeit in religiösen Fragen noch nicht völlig überwunden, ob­wohl seit 1919 die Trennung von —> Kirche und Staat besteht. Bei uns entwickelte sich seit der —» Aufklärung lediglich eine gewisse —» Toleranz. Seit 1648 wurden im Deut­schen Reich zwar verschiedene Konfessio­nen anerkannt, doch in den Ländern be­stimmte der Landesfürst einheitlich die Re­ligion. Letztlich haben erst die Flüchtlings­ströme nach 1945 die grundlegende Verän­derung dieser Situation eingeleitet. Zur An­erkennung der R. durch die Römisch-Katho­lische Kirche kam es durch das II. Vatikani­sche Konzil (1962-65). Die im 19. Jh. ent­standenen —> Freikirchen sind wegen man­gelnder R. in Deutschland durch viele Lei­den hindurchgegangen. In England und

Nordamerika ist R. jedoch gerade von ihnen miterkämpft worden, weil sie das Staats- kirchentum aus der Erkenntnis ablehnten, daß die Kirche aus Menschen besteht, die eine persönliche —» Bekehrung erfahren ha­ben. Das erste baptistische Glaubensbe­kenntnis (1610) erklärt, daß der Herr Jesus »das Amt der weltlichen Regierung. . . nicht mit den Ämtern seiner Kirche verbun­den» hat. 1639 wurde in der Kolonie Rhode Islands als erstem Land der Welt echte R. garantiert. Vor allem —» Quäker und -» Bap­tisten setzten in der Verfassung der Verei­nigten Staaten Nordamerikas R. durch (1777). Die Ursprünge dieser Entwicklung liegen jedoch in den Kämpfen englischer Christen um religiöse Freiheit und im kon­tinentalen Täufertum (16. Jh.). Dessen Aus­rottung hatte auf unserem Kontinent zu­gleich diese biblische Erkenntnis erstickt. Daß hier R. vorwiegend philosophisch (Auf­klärung) und politisch (Französische Revo­lution) vertreten wurde, hat die Aufge­schlossenheit der Christen gegenüber R. er­schwert; sie gehört aber zur Befreiung durch das Evangelium. Darum können sich Chri­sten mit ihrer Verweigerung nicht abfinden, obwohl Gottes Gnade Menschen auch dort zur Entscheidung für ihn führen kann, wo die Gesellschaft die Freiheit dazu nicht ge­währt.

Lit.: M. S. Bates, Glaubensfreiheit, 1947 (grundle­gend z.T. überholt) -G. Westin, Die Baptisten und die Religionsfreiheit in »Die Kirchen der Welt», Band 2 »Die Baptisten», (hg. v. J. D. Hughey) - Die Erklärung über Religionsfreiheit des 2. Vatika­nums, Kleines Konzilskompendium, Herder-Bü­cherei 270, S. 65 5ff. (hg. v. Rahner/Vorgrimler) - Zeitschrift der Internationalen Vereinigung zur Verteidigung und Förderung der Religionsfreiheit, Bern - T. Lorenzen, Die theologische Basis der Re­ligionsfreiheit, Theologische Zeitschrift der Theo­logischen Fakultät der Universität Basel, Heft 4/1977

Thaut

Religionspädagogik



I. Die R. untersucht die Frage nach den In­halten und Methoden der Glaubensun­terweisung (GU) in der Kirche mit ihren Er- ziehungs- und Unterrichtsfeldern Kinder­gottesdienst, Konfirmandenunterricht, -» Jugendarbeit und Erwachsenenbildung so­wie in den privaten und staatlichen Bil­dungseinrichtungen ^-Kindergarten, Schule und Hochschule.

Ziel und Aufgabe aller ev. Unterweisung ist, die Lebensverbindung des (jungen) Men­sehen mit Jesus Christus herzustellen, d.h. die Befähigung, selbständig in Gebet, Schriftbetrachtung und Gemeinschaft der Gläubigen mit Jesus Christus zu leben und von daher alle Aufgaben des Lebens zu erfül­len (Mt 28,19f.). Dies ist ein Werk des Hl. -> Geistes, Erlösungswerk Jesu Christi selber. Der Erzieher ist dabei Werkzeug und Mitar­beiter Gottes.



n. Die Geschichte der GU als Religionsun­terricht (RU) in Kirche und Schule in Deutschland ist eng verbunden mit der Ent­wicklung des deutschen Bildungswesens und in Verbindung damit mit der Entwick­lung und Zusammenarbeit von -» Kirche und Staat in bezug auf Schule und RU. Wurde ursprünglich ausschließlich von der Kirche schulische Bildungsarbeit betrieben, so übernahm der Staat in wachsendem Maße die Bildung seiner Bürger selbst und baute ein eigenes Schulwesen auf. In diesem ge­schichtlichen Werdegang, der sich über 1 000 Jahre erstreckt, hat die GU als RU ih­ren Weg.

  1. DIE FRÜHE CHRISTENHEIT in NEUTESTAMENTLI- CHER und NACHNEUTESTAMENTLICHER ZEIT hat ihre Kinder im Familienverband und durch die Teilnahme an den Gemeindeversamm­lungen auf das Leben vorbereitet. Dabei ist zunächst das alttestamentliche Vorbild die Grundlage gewesen. Die Lehrer waren in neutestamentlicher Zeit vor allem Lehrer der Gemeinde.

  2. IN DER ZEIT DER ALTEN KIRCHE UND IM ->

Mittelalter erteilte die werdende Kirche Taufbewerbern Taufunterricht, während die GU sowie die Vorbereitung auf Beichte und Kommunion weiterhin dem Elternhaus Vor­behalten blieben. Die Unterweisung des Volkes geschah in der Sonn- und Feiertags­predigt, zu der die Kinder vom 7- Lebensjahr an mitgebracht wurden. Die Ausbreitung der christlichen Mission auf den west- und nordeuropäischen Raum ging Hand in Hand mit Klostcrgründungen. An den Klöstern be­standen für den kirchlichen Nachwuchs Schulen. Karl der Große (768-814) förderte die Einrichtung von Domschulen, Schulen bei Kirchen und in Gemeinden. Die Städte richteten Schulen für ihre Bürger ein (La­teinschulen), aus denen u.a. Geschäftsleute und Verwaltungsbeamte hervorgingen. Stadtschulen als Lese- und Schreibschulen und private Schulen für Lesen und Schreiben kamen hinzu. Vorrangig war es die Kirche, die Unterricht erteilte und die Aufsicht über die GU ausübte.

  1. DIE —► REFORMATION STELLTE DEN GEDANKEN DES -» PRIESTERTUMS ALLER GLÄUBIGEN NEU heraus. Martin Luthers Bibelübersetzung (—» Bibel), die durch die aufkommende Buch­druckerkunst rasche Verbreitung fand, und sein kleiner und großer Katechismus (1529) ermöglichten es, daß jeder selbst seinen Glaubensgrund in der Schrift suchen konnte und sollte. Daneben wurde die Unterwei­sung in den Häusern durch den Hausvater gefördert.

Luther forderte den Staat auf, christliche Schulen einzurichten, und trat für eine all­gemeine Schulpflicht und die Unterweisung des Volkes im christlichen Glauben ein. Umfassende Bildungspläne wurden aufge­stellt. Hauptziel der Bildung war die Erzie­hung von Christenmenschen und die Befä­higung zur Teilnahme am kirchlichen Le­ben. Die Inhalte des RU wurden der Kleine Katechismus, Choräle, Gottesdienst (Sa­kramente). Methode: Auswendiglernen. Kü­ster wurden beauftragt, unter der Aufsicht der Ortspfarrer die Kinder zu unterweisen. Es entstanden katholische und protestanti­sche (reformierte) Schulen je nach der Kon­fession des Gebietes, in dem sie sich befan­den.

4- Rationalismus und Pietismus. Der —> Pie­tismus führte zu einer Erweckung kirchli­chen Lebens. Sein Vorläufer J. A. Comenius (15 97 -1670) faßte das Ziel der -> Erziehung als Erziehung zu Frömmigkeit und Sittlich­keit. Er nahm Bibelsprüche und biblische Geschichten in den Lehrplan auf (erstes Re­ligionsbuch als bebilderte Schulauswahlbi­bel). Der RU wurde Lehrfach. Ph. J. Spener (1630-1705) und A. H. Francke (1663-1727) belebten neu den Katechismusunterricht, verstärkten den kirchlichen Unterricht (Konfirmandenunterricht) und erweiterten die Methodik durch das Gespräch und Ver­stehen, die neben das Auswendiglernen tra­ten. Die Hauptaufgabe der Schulbildung sa­hen sie in der Anleitung zum Lob Gottes, zur Frömmigkeit und zur Unterordnung des ei­genen Willens unter den Willen Gottes. Kir­chengeschichtlicher Unterricht und die Er­klärung der Sonntagspredigt traten zu den Inhalten des Lehrplans hinzu.

Die —> Aufklärung brachte den ersten großen Angriff auf die Christlichkeit des RU. Aber

der kirchliche Einfluß war stark genug, den Angriff abzuwehren. Der RU blieb Lehrfach der Schulen, allerdings unter zunehmender Aufsicht des Staates.

5. IN DER ZEIT DER WEIMARER REPUBLIK (1918-1933) wird die kirchliche Schulauf­sicht abgeschafft, die Freiheit des Lehrers zur Erteilung oder Nichterteilung von RU, sowie die Abmeldemöglichkeit für Schüler vom RU werden gesetzlich verankert. Es taucht zum erstenmal die Frage nach dem Ersatzunterricht auf. Man spricht von Ethik oder Lebenskunde. Die Inhalte des RU blei­ben erhalten, Schulanfangs- und Schlußan­dachten und die Unterrichtung über gottes­dienstliche Bräuche treten hinzu. Die Me­thoden des Auswendiglernens und des Un­terrichtsgesprächs werden ergänzt durch die arbeitsunterrichtlichen Verfahren (O. Eber­hard).

IIL Der RU heute

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (1949) begründet den heutigen Rechtsstand des RU an Schulen, indem es die gesetzlichen Bestimmungen der Weima­rer Verfassung (1919) aufnimmt und weiter­führt: Artikel 7 GG formuliert: »(1) Das ge­samte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates. (2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am RU in den öffentlichen Schulen zu bestimmen. (3) Der RU ist in den öffentli­chen Schulen mit Ausnahme der bekennt­nisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichts­rechts wird der RU in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaf­ten erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, RU zu erteilen«. Die Länderverfassungen nach 1945 nehmen diese Grundsätze auf und behandeln die Frage des Ersatzunterrichts in je eigener Weise. Die Kirchen behalten das Recht, bei der Aufstellung der Lehrpläne und Beurtei­lung der Lehrbücher mitzuwirken und den Unterricht zu sehen. Die Bevollmächtigung der Lehrer zur Erteilung von RU handhaben die Kirchen der einzelnen Länder verschie­den.

In der inneren Entwicklung des RU seit 194 5 bis zur gegenwärtigen Lage heben sich drei Phasen ab:


  1. Phase: 1945 - etwa i960.

In dieser Phase ist der in der Lehrerbildung tätige Theologe Helmuth Kittel mit seinem religionspädagogischen Ansatz Repräsen­tant. Kittel arbeitete aus, was vor 1933 von

  1. Bohne (Das Wort Gottes und der Unter­richt, 1929) als Ertrag der theologischen Neubesinnung nach dem 1. Weltkrieg in die R. eingebracht und von M. Rang (Handbuch des Biblischen Unterrichts, 1934) sowie O. Hammelsbeck (Der kirchliche Unterricht, 1947) weitergeführt worden war. In seiner programmatischen These formuliert er, was RU seinem Wesen nach ist: »Evangelische Unterweisung (EU) heißt die neue uns ge­stellte Aufgabe - nie wieder RU!«* Und: »EU ist Unterweisung im rechten Umgang mit dem Evangelium«. (Kittel, Vom RU zur EU 1947).

  1. Phase etwa 1960-1970

Die zweite Phase leitet den gegenwärtig noch laufenden Prozeß der Veränderung in R. und RU ein: Von seiten der Theologie drangen die Erkenntnisse der historisch-kri­tischen Forschung in R. und RU ein. Dazu kam Martin Stallmanns These (in: Christen­tum und Schule, 1958), daß der RU losgelöst von der Kirche zu sehen sei. Nur vom Bil­dungsauftrag der Schule, der das Christliche nicht ausschließen darf, ist der RU zu recht- fertigen (Stallmann, Otto, Th. Wilhelm). Damit war eine Diskussion um Begründung des RU und seiner Inhalte und Methoden in Gang gekommen, die bis heute anhält.

  1. Phase ab 1970

Eine neue Theorie der Bildung und des Lehr­plans, die sog. Curriculum-Theorie, mar­kiert den Beginn der dritten Phase. Die Ent­wicklung des Lehrplans vom stofforientier­ten zum lernzielorientierten Plan führte beim RU dazu, daß Ausgangspunkt der Un­terrichtsthemen die Schülerfrage, das indi­viduelle und gesellschaftliche Problem des Schülers ist (thematischer oder problem­orientierter RU). Eine Fülle von neuen Grundlegungsversuchen aus schulischem Bildungszusammenhang und von den ge­sellschaftlichen Aufgaben her schlug sich in einer Flut von neuen Lehrbüchern, Unter­richtsmodellen und neuen Lehrplänen oder Rahmenrichtlinien nieder. Dabei hat sich die Anbindung biblisch-geistlicher Aussa­gen an schüler- und lebensbestimmte Fragen bisher als sehr schwierig, oft sogar als ausge­schlossen erwiesen, so daß der RU heute sein ureigenstes Thema, das Thema des christlichen Glaubens, wieder suchen muß.

Biblische Texte treten zumeist funktional, d.h. als Mittel (Medien) zur Erreichung be­stimmter, vorgegebener Lernziele auf. Hier setzen Versuche ein, in facheigenen Lehr­gängen kirchengeschichtliche und biblische Inhalte zu vermitteln, die sich in ihrer Ei­genart nicht allgemein schulisch gesetzten Themen unterordnen lassen.

Ergebnis: Die GU ruhte ursprünglich aus­schließlich im Schoß der —» Familie und der —> Gemeinde Jesu, wurde während der Zeit des Zusammengehens von Kirche und Staat (die bis heute anhält) durch kirchliche und staatliche Bildungs- und Erziehungseinrich­tungen mit übernommen, wobei die fami­liäre und gemeindliche GU durchgehend er­halten blieb, und sie scheint heute bei der Abspaltung des staatlichen und weithin auch des kirchlichen RU von der GU wieder in den Schoß der Familie und der Gemeinde Jesu zurückgenommen zu werden.

Lit.: K. Fror, Grundriß der Religionspädagogik, 1975 - Geserich/Velten, Evangelium und Unter­richt, 1975 - K. Knoke, Wuppertaler Jugendbibel, Bd. 1-3, ABCteam, Sonderreihe »Werkbücher»

Knoke


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