Ludberga bis 23 95



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und als Unionjack:



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S A N D N A S

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A A A

S S S



18.15. Ich wollte Dir schon immer ein Essay über die Eifersucht verehren, zumal ich mit Erstaunen entdeckte, dass ich von derlei Kinderei keineswegs verschont bin. Vielleicht gelingt es mir, mich gegen den dämonischen Wahn, der einen von ungefähr für viele schweisstreibende und peinvolle Stunden befallen kann, zu wappnen, indem ich ihn Dir schildere; vielleicht hast Du sogar etwas davon, das Dein Wissen über die Psyche der kopflosen Männer erweitert; wenn nicht, geh zur nächsten Seite über, wo ich das Dozieren wohl wieder für ein aufatmendes Weilchen lassen werde...
Eifersucht
Wie ich wohl schon mal sagte, soll Schleiermacher einen theatralen Soldatenausruf des Cervantes durch seine geniale Übersetzung geflügelt haben: O Eifersucht, du Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft.

Treffender kann man den kurzschlüssigen Gefühlszirkel nicht umschreiben, der jene dementia praecogitata am Leben erhält solange den Patienten nicht ein erlösender Beweis von seiner Falschmünzerei befreit.



Eifersucht setzt eine starke Liebesbeziehung voraus, die sich des Andern im Sturme der Gefühle zu bemächtigen versucht, sich an ihn klammert, ihn zum Besitztum erkürt. Man ist bereit, sich gänzlich auszuliefern um damit im Anderen ein Pfanddepot zu errichten, reziproke Abhängigkeiten zu schmieden.
Die Männer werden von klein auf noch heute auf die Besitzerrolle hin mehr getrimmt als Frauen, weil ihre Männlichkeitsrolle im Spiel ist; früher sagte man "Er nahm sich eine Frau..." war das Besitztum verbrieft, verschwand es unwiederbringlich im Harem, im Palazzo, im goldnen Käfig, im Familienclan und wurde durch entsprechende Kleidungsnormen, Sittenkodizes, religiöse Gebote und Verbote an der Teilnahme am allzu gesellschaftlichen und öffentlichen Leben gehindert. Eifersucht entzündete sich, wenn seitens der Frauen gewollte oder unbewusste Transgressionen geschahen: auch die harmlosesten Flirtereien, Blickwechsel, hier ein zu strahlendes Lächeln, dort ein zu enger Tanz gaben und geben zur Eifersucht Anlass, wo sich Männer noch lange mit weit anzüglicheren Aktivitäten glauben ungestraft tummeln zu dürfen. Warum?
Eifersucht ist so alt wie Besitz schlechthin. Mit Urbesitz ist in jeder patriarchalischen Gesellschaft, auch der biblischen, das Weib gemeint: der Akt der Besitznahme ist der Liebesvollzug, den der Mann apotheotisch in seiner Bedeutung übersteigerte und daraus alle Erbschaftsrechte abzuleiten suchte. Der Symbolkauf einer Prostituierten ist Demonstration von Besitz, selbst wenn er nur geleast oder gemietet ist. Eine Defloration war einst ein Husarenstück, weil der obligat sich zurückziehende Eroberer sich als besitzfähig, heute etwa als vielversprechender Unternehmer, erwiesen hatte. Sie hochträchtig, er niederträchtig, die übliche Tragödie. Die Entehrung war eine Wertminderung der Aktie, die man schleunigst abstossen musste. Des Weibchens Hingabe wurde im Handumdrehen als Charakterschwäche und künftige Unsicherheit verstanden.
Wenn es den Frauen gelang, durch Enthaltsamkeit, Raffinesse, Zögerlichkeit und Liebesgeiz einen Mann gefügig, liebestoll oder treu zu machen, ihm gar eine offiziöse Bindung verwehrte (Aretins “Giornate“ sind das beste Lehrstück für jene Praktiken), stand die Eifersucht wie ein drohendes Schemen stets hinter der Gardine: der Besitz war gefährdet. Der gegeizte Liebesakt erhielt Seltenheitscharakter, wurde vom Mann zelebriert, überhöht, sakralisiert: je seltener die Münze, um so teurer wird sie. Aber seltenes Gut erregt die Aufmerksamkeit Anderer; der Besitzer argwöhnt die höhere Kaufkraft von Konkurrenten, der Markt erhitzt sich, der Gezähmte beginnt an seiner Effizienz, seiner Erscheinung, seinem Erfolg zu zweifeln, sucht nach Gründen für die Sprödigkeit der Angebeteten in deren näherem Beziehungskreis. Er wird eifersuchtsfähig. Ihn befällt das Übel wie ein Schnupfen zuerst, dann wie eine Bronchitis, später wie eine chronische Pleuritis und endet in einer Tuberkulose. Oder besser in Gehirnerweichung, weil die rationalen Funktionen durch emotionale ersetzt werden und die Fähigkeit zur Selbstspiegelung abreisst. In seiner zunehmenden Introversion verliert er den Kontakt zur Umwelt, die ihn belehren könnte. Er glaubt, dass seine Minderwertigkeit über ihm zusammenschlage, während er im Triebsand des Argwohns, des Neides, der Missgunst, der Rache und der Verzweiflung untergeht. Diagnose: Eifersucht.

Ein Eifersüchtiger sucht pausenlos nach Argumenten, Beweisen, Gründen, für sein zu nährendes Unglück. Dies ist so gefrässig, dass es die letzte anhangende Logik verschlingt, obwohl er glaubt, mit allem Scharfsinn zu urteilen. Er hascht nach den widersinnigsten Schlusssteinen in seinen abstrusen Denkgewölben, welche die Untreue der Geliebten überführen sollen; er verfängt sich selbst in einem Argumentierungsgespinst von falschen Schlüssen, die ihn immer wieder an den Anfang eines neuen Zweifels, Misstrauens, Verdachtes bringen. Es packt ihn Essunlust, Übelkeit, Schwindel, Schlaflosigkeit, Herzklopfen, Magengrimmen, Hitzewallungen, Schweisstrieb, Nacken- und Bauchdeckenstarre und Gliederzittern. Wenn kurz vor dem endgültigen Delirium tremens die Haustüre geht, ein beschwingter Schritt sich nähert, ein müde, aber strahlendes Weibchen auf das Elendbündel zufliegt und ruft: "Endlich Liebster, ich hatte den Zug verpasst, die Telefonkarte verloren und den letzten Pfennig für den Autobus hingeben müssen!" seufzt dieser, einer seligen Ohnmacht nahe, weil sich die Spannungen unvermittels lösen – und der Spuk ist vorbei.



Bis zur nächsten Runde falschgedeuteter unkalkulierbarer Begebnisse.
Noch immer sind wir nicht am Grunde so sonderbaren Verhaltens eines Verliebten. Welchen Gegner beargwöhnt er, wer ist ihm denn so überlegen, welche unwiderstehlichen Vorzüge muss der haben, die Geliebte von ihm abzulenken, sie zu korrumpieren, ihre Neigung zu gewinnen?
Der Gehasste hat kein Gesicht. Zumindest selten eines. Wenn man eifersüchtig sein will, kennt man ihn besser gar nicht, weiss nur von ihm. Etwa ein Telefonphantom, eine blasse Photographie, ein geschäftliches Schreiben mit zu herzlichem Grusswort. Was er hat, ist Zeit, Humor, allerhand oder alles, was man sonst nicht besitzt. Und gewinnende, unverbrauchte, ungewohnte, frischentfaltete Männlichkeit. Und einen Schwanz. Pardon. Den fürchtet jeder Eifersüchtige am meisten; nicht als dingfestes Manufuckt etwa, sondern als Symbol, Metapher, Sinnbild der Versuchung. Warum? Die männliche Psyche ist selten fähig, sich in ihr weibliches Gegenstück zu versetzen. Sie verwechselt. Glaubt, dass Frauen wie Männer reagieren; wähnt also, dass sich eine Frau einen andern Mann n e h m e n könnte, als beiläufiges liederliches Husarenstück also, ohne die Konsequenzen von Schuldgefühl, Scham, oder Gewissen, etwa als Selbstbeweis der Potenz, aus Neugier oder Selbstbestätigung, ohne dass sein eigentliches vorherrschend monogames Liebesleben darunter litte. Überdies hat er nicht nur ein gespaltenes Verhältnis zu seinem kleineren Bruder, sondern ist gewohnt, ihn überzubelichten: sein Agieren wird geradezu sakral überstilisiert, der Akt wie Du sagtest, bombastisch überbewertet, verabsolutiert; dadurch ist er figürlich so oft unbrauchbar, weil überfordert, skizophren, widersprüchlich, widerborstig, ungezogen. Highlights werden deshalb memoriert, bleiben unvergesslich, werden mythisiert, weitererzählt, besungen... Der Eifersüchtige glaubt nun, der Seitensprung den er seiner Geliebten unterschiebt oder fürchtet, sei, wie er ihn sich meistens ja nur einbildet, nicht nur beiläufig, ungestraft, oberflächlich, raschentschlossen und von heiterer Nonchalance als Akt, sondern auch im selben Atemzug von jener Tiefe, Süsse und Absolutheit als Erleiden, bzw. Erfahrung, nach der er so schmachtet und die ihn ja selbst zum Treusten der Treuen zu domestizieren versteht! Als weiteres Motiv, die Eifersucht zu potenzieren kommt hinzu, dass Männer in ihrer Übersteigerung und Sakralisierung des kleinen Agitators diesen purifiziert sehen, jungfräulich-jungmännlich, aseptisch, verklärt; den jedes Rivalen jedoch als widerwärtig, unsauber, unschön, amoralisch, bedrohlich empfinden. Sich den Andern in Aktion vorzustellen, ist mehr von Abscheu als vom oftbeschworenen Neid gezeichnet und ihn in Bezug zur Geliebten zu bringen, ist fast tödliche Beunruhigung, Horror, Greuel und wird vor allem als Schändung erlebt. Die Tiefenpsychologie lehrt, dass jeder Begattungsakt als Initiation erlebt wird, dass ein Ur-Instinkt zur heilighaften Konservierung des Sperma treibt (anderseits dass dessen Verschütten, Austreiben, Präservieren die Sittenwächter auf den Plan rief und ruft, aber vom Männchen noch heute in der Tiefe seines Selbst als Mangel, Missachtung, Genierlichkeit, als bedauerlich, zurücksetzend oder störend empfunden wird). Nun, die hysterische Vorstellung des imaginären Nebenbuhlers als Substitut seiner Selbst unter der Summe aller genannter Ponderabilien kann ohne zu übertreiben alle aufgezählten psychophysischen Reaktionen auslösen und in krankhaften Hirnen gar zum Mord führen, wenn der Rasende seines Gegners habhaft würde. Der aber ist gottlob fast immer nur eingebildet und sein bedrohliches Bild verraucht im Momente der Wahrheit und der noch so hochwallende Zorn verebbt am Busen der mütterlichen Geliebten.
Und warum schliesslich macht das harmlose, doch so anmutige und heitere Flirten ihrer Begleiterinnen manche Männer zu innerlich schäumenden Irren? Gestalt- und Verhaltenspsychologie geben da so manche Antwort: Lachen mit offnem Munde, gewisse Lippenbewegungen, Überschlagen der Beine, Öffnen der Hände, Weiten der Knie, gewisse Tanzfiguren und Körperbewegungen, das Durchfahren der Haare, Selbstbetasten von Nacken und Kinn usw. lösen im Manne unbewusst urtümliche Reaktionen von Jagd-, Begattungs- und Koseinstinkten aus, die in Gegenwart eines Nebenbuhlers zu automatischen Aggressionshandlungen oder deren verräterische Anzeichen von Sublimation oder Verdrängung führen können. Jede auf den Rivalen gemünzte noch so beifällige Lockgeste seines Weibchens versinnbildlicht für ihn letztlich nichts anderes als ein heimliches animalisches Schenkelspreizen...
23.00. So, Nymph, in köstliche Pfühle Gebetteter, ich wähne Dich längst in Deiner monumentalen Luxuskoje im fernen Malmö, aber denke nicht, ich stellte mir nun einen galanten Beischläfer von der Bartheke vor (etwa wie in Bergmanns "Schweigen!"), der mich nun um die Nachtruhe und die seligen Träume von gemeinsamer Zweisamkeit brächte! Meine, an mir beobachtete Eifersucht ist um einiges subtiler und für ein angehimmeltes und bewundertes Weibchen wie Dich, nicht so despektierlich, wie oben ausgeführt. Aber davon ein andermal. Wie wär’s, wenn Du mir demnächst schildertest, was weibliche Eifersucht ist; ich bin von alters her ein Opfer dieser gewesen, ohne sie je verstanden zu haben. Faun

(158) Ludbreg, Mittwoch 17.1.1996; 6.25;

Nymph,

[...] 12.35. Die Situation hält uns so in Atem, dass ich nicht einmal zur Morgenmeditation komme! Stinko war anfänglich unauffindbar, schliesslich meldete er sich krank, kommt also kaum nach Ludbreg. Zum Glück wird Echterding nicht dadurch kompromittiert, da auch er, wie er mir in einem langen Gespräch mitteilte, nicht kommen kann. Die Theaterbombe kam jedoch aus unerwartetem Winkel: Xenia hat abgesagt! Sie habe es sich reiflich überlegt, sagte Sie mir, mit beunruhigend gequälter Stimme; ihr Museumsjob verlange von ihr unverzichtbare Opfer... Niemand weiss, ob ihr Entscheid unbeeinflusst war, oder ob man aus den Kulissen Druck auf sie geübt hat. In Kroatien scheint das recht üblich zu sein. Ich bin geschlagen und ohne Personalidee. Sancta mediocritas! alles wird beim alten bleiben, oder noch schlimmer werden; Velimir hat wieder Rückenwind, Zagreb die Oberhand, wir das fachliche und organisatorische Nachsehen. Stinkos Methoden sind abjekt, aber effizient. Mir fehlt langsam die Lust, mich in die kroatischen Imponiertänze einzumischen.
13.05. Neuer Paukenschlag: Mendel ruft mich an, fragt nach Echterding, sagt, er habe -siehe da! – Stinko gesprochen; dieser habe sich allerdings als krank bezeichnet; er, Mendel fände, man solle erst am 7.Februar zusammentreten, mit Echterding und dem Vertreter der Deutsch-kroatischen Gesellschaft, Meier. Mir ist’s recht, wir gewännen Zeit, die Personalfrage zu lösen und der diplomiertkranke V. würde aus seinem selbstgeschaufelten Grab erlöst.
13.50. Inzwischen riefen Vrkaljs Inquisitoren, Jurist Škerl und Fučić an, sie kämen ohne ihren Herrn, wenn es beliebe. Um Gotteswillen nicht! die haben mir noch gefehlt! Blagaj erkundigte sich besorgt nach seiner Milchkuh. Eben lässt der Bürgermeister ausrichten er wolle seine Sitzung retten, offenbar auch wenn niemand Prominenter mehr sitzt. Es sieht so aus, als treffen sich am Ende zum geselligen Slibovic nur noch die Ludberger unter sich: echtes Hornberger Schiessen! Seldwyla en nature. Wir lachen nur noch und harren von Minute zu Minute auf sensationelle Neuigkeiten aus der Tratschküche.

"Du verschmutzt mir mein Trinkwasser“, sagte der Wolf zum bachabwärts trinkenden Lamm und frass es zur Strafe. Jetzt ist die nie versprochene, aber nun abgesagte Anreise Echterdings schuld am feigen Rückzug aller...
15.45. Langes Gespräch mit Varaždins Denkmalpfleger und Mitgründer des RZL Trstinjak, der morgen hätte mitreden und uns in seine Administration aufnehmen sollen, als alternative Oberleitung zu Zagreb. Er jammert von Überlastung, schwört, gute Worte einzulegen wo auch immer, aber... Nun, er hat beide Protagonisten am Hals, Mendel und Stinko, indem er für beide Frondienste leistet. Mit Ludbreg bekäme er einen Wechselbalg ins Bett. Einen Denkmalpflegefall mehr.

Denk mal, pflegliche Denkmalpfleger pflegen ungepflegte Denkmäler als pflegeleichte Denkmalfälle leichter als Denkmalämter ohne Pfleger jemals zu pflegen pflegten, zu pflegen. Wusstest Du von dieser Denkwürdigkeit? denkste.

16.00. Während die gefrorene Sonne kopfuntert, sitzt Du wohl schon im Rückflieger und die Stunde nähert sich, wo man Deiner wieder elektronisch habhaft wird; hoffentlich langweilen Dich unsere Stürme im Wasserglas nicht, worin die eine Meldung die andere dementiert und die Stimmungen wechseln wie das Wetter am euphemistischen Kap der (ungewollten?) Schwangerschaft.
17.45. Langes Telefon seitens Mendel, der sich zu einer morgigen Sitzung nun doch zu bequemen entschlossen hat und von mir allerhand Vertrauliches wissen wollte. Stinko will er beruhigen, Xenia in den nächsten Tagen selbst ansprechen, ob sie nicht doch noch... Ich hoffe, das Rondo ist nun durchgetanzt und am Programm wird nicht mehr gerüttelt. Der einzige Makel ist, dass Stinkos Inquisitoren wohl doch auftreten werden und wir in ihrer Gegenwart die Mängel auflisten müssen, die gerade sie verursachten.

Darvins Nachfolge ist weiterhin mein Kopfzerbrechen. Branco aus Split sagte mir prompt ab und sprach für alle Dalmatiner, die etwa in Frage kämen. Nach Ludbreg will man nicht, wie man nicht auf eine Gefängnisinsel will. Bleibt ein Denis Vokic unter Mario Braun, der allerhand Gutes verspricht, aber natürlich ein Kind der Kapitalen ist. Noch kenne ich ihn nicht und gehört er zu Stinkos Konkurrenz.

So jetzt habe ich den Haustratsch satt und schliesse das Kapitel.

Ich wünsch Dir eine anstrengende Lektüre, Nymphchen, als Begrüssung und Bettmümpferl. Träume nicht von Fučićen und Škerlen, geschweige eifersüchtigen Sandmännern, es lohnte kaum, noch streu ich genügend Sand in die Augen der Rivalenmännchen.

Ich sehe, dass da noch Sparplatz ist für was Füllseliges: Euer Winfried Berchem sandte mir, von meinem Vortrag in Bern ermuntert, ein perfektioniertes Faxblatt mit der Anfrage, im SS 96 in Ludbreg "die Zeit für eine individuelle Erfahrung im Rahmen seiner Ausbildung zu nutzen", weil er dank seines Wandkurses 93 nun freigestellt sei. Soll ich ihn auf unsere Schmierenbühne lassen? Lernt er da genug von uns, oder über uns? Vielleicht hat sich bis dahin alles geregelt; nur bin ich dann kaum noch regelmässig zugegen und er müsste sich allein durchschlagen oder an den Rockzipfeln Stefans schnitzeln. Mir wäre natürlich wichtig, dass wir ihm einen guten Eindruck hinterlassen; er würde das bei uns ohnehin, denk ich. Du kennst ihn ja besser als ich.

Und jetzt endgültig, endgültig Pause. Lass Dich küssen mit einem

s a n d k o r n (es soll darauf eine Welt Platz finden, sagte mal wer...!)

Faun.
18.40. Obiges ging über die Welle, ohne dass Du am Ende aus der Faxwalze antwortetest! Wohl ist das Fliegen im Winter nicht immer pünktlich und so werde ich noch ein bisschen weiterklimpern. Vor mir sitzt eine freundliche und tüchtige taubstumme Kollegin Editas, die fernsieht ohne Ton, während Ivan in der nachtdunklen Küche einsam auf der Harmonika säuselt. Ich werde ihm ein wenig Gesellschaft leisten, zumal die Wogen hier oft über ihn wegrollten und seine Mentorrolle nicht immer ernst genommen wurde, weil er zu einseitig hinter allen Geschehnissen und Entwicklungen die Machenschaften böswilliger Machtspiele wittert. Vjezdana rief soeben wegen ihres Stipendiums in München an, das Echterding absegnen sollte und erzählte eine hübsche Begebenheit über Sand: Vor zwei Jahren fand eines der jährlichen Künstlersymposien auf der Insel Mljet nahe Dubrovnik statt, an dem acht bis zehn Leute, mitunter solche der Künstlergruppe aus Venedigs Biennale, teilnahmen. Kriegeshalber trafen die Arbeitsmaterialien nicht ein und die Künstler begannen unruhig zu werden. Ein paar entschlossen sich schliesslich, am Strande mit Sand, Kieseln und Strandgut Objekte zu formen und blieben so tagelang schöpferisch, bis ein Seesturm alle ihre Werke wieder auslöschte. Ich liess nach etwaigen Photographien forschen, um Dir die Anekdote weiterzugeben: Künstlertum im Urzustand...
20.35. Langsam mache ich mir Sorgen über Deinen Verbleib; ob Du das Flugzeug verpasst hast oder umgeleitet wurdest? oder hat’s Dich in ein Restaurant verschlagen? ha, da bist Du ja! ich bin erlöst; die erste Eingebung war die richtige: Du hattest Schiff mit Luftschiff verwechselt, statt die erste leere Badewanne über den Sund zu nehmen... Eigenartig, wie sich Unruhe steigert, wenn sie einmal anhebt: kein Überlegen ist fähig, die Hysterie zu bremsen, die Visionen zu dämpfen, die eingebildeten Gefahren wegzudividieren, in denen man das umbangte Wesen zu schweben wähnt! Ich muss wohl in meinem Gefängniskasten besonders anfällig für die Überreizung meiner Phantasie geworden sein, da ich ja unablässig nur mit Dir kommuniziere und wenn selbst der liebe Gott am Draht hinge: reisst die Nabelschnur aus irgend einem Grunde, fange ich an zu delirieren, wie ein Tiger auf und ab zuwandern und alle Viertelstunden zum Telefon zu rennen. Ich habe solches Verhalten früher nur in seltenen Stadien übertriebener Sentimentalität ausgestanden. Aus der Ferne glaubt man, sein Schnuckelputz sei aus Porzellan und könne jederzeit zerschellen, gesammelt, versteigert, geklaut oder verschenkt werden oder in einer Vitrine ersticken.

21.25. Ich troll mich jetzt und nutze obiges für morgen, wo wohl wenig aus dem Kistchen kommen wird, wegen des Trubels um mich herum.

(159) Ludbreg, Donnerstag 18.1.1996; 6.50.

Nymph, Meinster,

das wird ein Tag! Ich muss heute eine stark gekürzte Operette dirigieren ohne erste Geige, ohne den Starsopran, vor einem unmusikalischen Publikum, das eigentlich ein Schauspiel hatte sehen wollen.

Ein klirrender Morgen hebt sich rosa und violett über die bereiften Bednja-Auen und das schwarze Astwerk wirkt krauser denn je. Die Sonne blinzelt schon merklich früher über den Horizont und man beginnt sich auf Frühlingszeiten zu freuen, auch wenn für die Ludberger der Winter sich noch für eine Ewigkeit in ihren Gehirnen eingenistet zu haben scheint. Nur die Maulwürfe spüren offenbar das Nahen des Karnevals und verwüsten die Matten ums Schloss...
8.10. Der Bürgermeister richtet Velimir aus, er habe die Sitzung abgeblasen! Sie fände am 7. Februar statt. Wer hatte sich heute früh nicht schon die Haare gewaschen, ein neues Hemd unter die Krawatte gezogen und die Feldherrenunterlippe vor dem Spiegel geübt!

9.00. Der Telefonreigen geht weiter: Xenia will wissen, was geht und uns die Daumen halten; Križanić sagt nochmals ab; Trstinjak bestätigt die Absage und will mich vor dem 7. sehen; Mendel erbittet bis dahin eine schriftliche Struktur- und Fehleranalyse unseres Hauses sowie einen konkreten Vorschlag zur Lösung aller (!) Probleme von mir; ich liess Echterding zur Klausur in Zagreb am 7.2. vergattern; Blagaj will am Samstag wieder im Weinberg Klatschöhrchen beköcheln und taktische Würstchen braten(!);

17.30. Seit Stunden schreibe ich an einem Weissbuch über unsere Missstände und die Vorschläge für deren Überwindung auf Wunsch Mendels. Soeben lauschte ich ein Weilchen zur Aufmunterung den steinerweichenden russischen Weisen Ivans in der Küche, die aber nicht geeignet sind, einen Zipfel der Melancholie zu lüften, die sich über uns alle gebreitet hat. Wozu all das Palavern, Hadern, Rechtfertigen, Gründesuchen und Utopieren, wenn ein wirklicher Wille zur Überwindung der Resignation fehlt. Ich fühle mich am falschen Platze; als Narr. Als eingebürgerter Ludberger sozusagen. Ich lerne hier nichts als die menschlichen Schwächen kennen, als ob ich die nicht schon kennte! Ich schiebe einen überladenen Karren auf Schlammpfaden voran, wo sich über mir eine Autobahnbrücke schwingt. Ich erleide die Not der mies behandelten Kollegen gleich zweimal: hie aus Mitleid dort aus Wut und in der Gewissheit der Ohnmacht. Augen zu und weg? wäre es feige oder schurkisch? der guotä oldä hoiligä Franz würde seine Pension verteilen, um sein gutes Gewissen zu behalten; aber bin ich der Franz? Dea is im Himmi und pflückt Privi- und Florilegien, ich aber schmorgle in der Ludbreger Vorhölle. Ich will ja nicht ins Paradies, nur, was allerdings fast gleichbedeutend ist, an Deinen Hals.
18.35. Wie lang ist’s noch bis neune! ein Wetterwechsel kündet sich mit meinem Brummkopf an. Im Haus ist’s totenstill; selbst Graf Batthyány geht auf Zehenspitzen. Eigentlich sollte ich heute unsere Tontorte mit Ludbergas anmutigen Hüften beritzen, um den Auftakt für unseren Bronzeguss zu schwingen, aber mir fehlt die Lust auf derartige Weibereien, so fern vom Urmodell.

Morgen beginnt schon bald wieder ein Wochenende, zu dem Du mir unbedingt einen Anstoss geben musst, was Heiteres oder Besinnliches von mir zu geben, sonst verliere ich mich in Nörgeleien und Trauerspiegeleien. Gib mir einen festen Punkt, Nymph, damit die die Welt ein wenig aus den Angeln heble. Oder frag mich nach den Sitten in Antipodien, lass mich Ludbergas apokryphe Abenteuer ausgraben, oder empfehle mir ein Rendezvous mit Hermes Ass.Inc. zur Ausbeulung so manchen Blechs, das ich in diesen bisher 317 Seiten breitgewalzt habe. Bitte mich um irgend was, das Du magst, oder wissen willst, ich werde fliegends eilen, Deine entlegensten Wünsche zu erfüllen; vorausgesetzt, dass Du Deine Bitte schriftlich eingibst. Und wenn’s eine numerierte Liste ist mit Sternchen für die Präferenzen, von eins bis vier oder gekreuztes Besteck, ein Hotelbett-Logo, ein lachendes MS-Dösköpfchen oder ein zerbrechliches Glas, damit Du nicht zu viel Schreiben musst. Vieler wäre mir natürlich lieber.

Wenn Du mir einen Film beschreibst, darft Du sogar ins Kino gehen und in die Beiz nachher; bin ich nicht ein generöser Erpresser? Gott, könnte ich doch mal wieder ins Kino gehen; mit Dir, nicht mit Gott.

Grüss Dich Gott soeben, ah, wie das guttut, Deine fröhliche Stimme im Ohr klimpern zu hören! -

Schon wieder ein Telefon... Diesmal Xenia, um zu wissen, was alles heute ging; eben nichts. Aber sie versicherte, in ihrer Entscheidung von niemandem beeinflusst worden zu sein; von Stinko fällt jeder Verdacht. Besser so. Ins Gespräch hinein rief Echterding über den anderen Apparat. Huh! Ich versprach ihm das Weissbuch bis morgen mittag, wenn er verspräche, am 7. dazusein. Er versprach. Ein Stein fällt mir von der Seele; die Operette wird stattfinden, auch wenn der Dirigent am Ende tot umfällt, der Sopran den Primadonno heiratet, Ballerina nicht mal einen Sommer mehr tanzt, die Fee in die Kulissen entfleucht, Ritter Heriberts Pferd das Publikum veräppelt, sich Ludberga mit Heiligblutstropfen, Spätlese besäuft und Nachbars Schäferpudel den Bürgermeister holt.

So, jetzt geht’s mir besser; aber das ist nur Deine Gegenwart an der Ohrmuschel, die es auslöst, auch wenn mich heiliger Schreck packte, was Dich das Telefonieren kostet. Soll ich Dir einen unheiligen Scheck schicken, damit Dir die Tele-Lust nach dem Schock nicht vergeht? Teures Nachtleben hinter den schwedischen Hotelgardinen! Verarmter Nymph, ich wollt, ich könnte dafür sorgen, dass das Faxen überflüssig wird; gleich nach dem ominösen 7. gewiss.

Nymph, nun ist das Seitchen doch noch ohne geistige Havarien zuendegetickert und ich kann Dir mit gutem Gewissen Millionen von Kü. nachwerfen! Faun.

(160) Ludbreg, Freitag 19.1.1996; 6.16

Nymph, Bester,

traf mit Ivan vor der Tür zusammen: der kam zu Fuss, weil sein Tank durchlöchert ist und sein Bauch beängstigend geschwollen. Herrliche Kälte draussen, zum Anbeissen und Festfrieren.

Hatte einen sonderbaren Traum: wir beide fuhren die amalfitanische Küste entlang, als vor uns Fr. mit A. voranfuhren. Ich umkehren, erste Abzweigung rechts und nochmal rechts ist eins. Im ersten Dorf ein Spazierhalt, weil Trödelmarkt ist. Da: in der Menge ein Plätzchen mit am Boden ausgelegten Lumpenspitzchen und etwas ärmlichen Antiquitäten; inmitten Fr. in schwarzem Häkelschal und langem Rock über rhombischen, altmodischen Schuhen, ihre Ware anpreisend und uns mit trauriger Miene erkennend; ich streichle flüchtig eine erfreute A. und wir entfernen uns mit Fahrrädern über vereiste Firne einen steilen Hang hinab; mein Rad endet in einem Fluss, aus dem ich es mit Mühe fische, während Du am Horizont davongefahren bist.
12.25. Mein Weissbuch von vier Seiten fertiggestellt, vor den Mitarbeitern von Edita übersetzen lassen, und, als keine Kritik kam, an Echterding gefaxt. Mal sehn, wie die Bombe in Zagreb einschlägt. Die Autonomieforderung nicht offen ausgesprochen, aber als logische Folge behandelt.
15.35. Zur Abwechslung mal ein Kosenamen-Alphabet aus Adams Archiv geklaut, leider nur für männliche Verbraucher:
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