Ludberga bis 23 95



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Hippokid klopfte bei untergehender Sonne, die sein feuriges Lockenhaar und den Nacken noch tiefer röteten als gewöhnlich, etwas verlegen an die windschiefe Brettertür. In gestrecktem Galopp war er die staubige Strecke durchflogen, sich der Wegbeschreibung erinnernd, die ihm Polydoor gegeben, als er ihn nach der nächstgelegenen homöopathischen Pharmazie gefragt hatte.

Heraus trat Beffana, vorgebückt ins Abendrot blinzelnd und heischte Auskunft, ob er Freier, Ratsucher oder nur Verirrter sei. Das Monument könne man erst morgen wieder von 9.30 bis 17.00 besichtigen. Andenken, Tinkturen und Elixiere aber auch jetzt noch erstehen. Hippokid stotterte verlegen und trat von einem Bein auf das übernächste, was Beffana nicht zu verwundern schien, noch wesentlich kümmerte. Freier hatten öfters einen merkwürdigen Habitus.

"Ich bin fremd hier, Madame" zögerte er, " – ich seh, mein Junge. Was kann ich für Dich tun?" – "Man hat mir Ihre Adresse zugesteckt, wegen so Pillen, die man bei Ihnen bekommen könne." – "So. So weisse, runde, mit Schlitz? nicht wahr?" – "Jaja, vielleicht, ich weiss nicht ganz – hm, was gegen die Pickel..." – "Mein Junge, Aspirin würde Dir wenig helfen. Ich sehe schon, Du brauchst einen Theriak gegen Schüchternheit, Nachhilfestunden in Genitalbiologie und ein Weib. Hm, oder eine Stute."

Hippokid glaubte im Boden zu versinken, ob so viel burschikoser Offenheit; nach dem Blutschwall auf Ohren und Wangen atmete er tief durch, fühlte sich aber schon bedeutend besser: hier machte man Nägel mit Köpfen, das tat gut.

"Madame, im Vertrauen... könnten Sie mir helfen?" – "Aber ja, mein Küken, dafür bin ich in dieser Welt, die nicht die beste ist, aber die wir nach Kräften zu ändern versuchen. Komm rein, aber bück Dich und streif die Hufe ab; Oh, Gerbdula! wie wirst Du, Junge, sein, wenn Du mal gross bist."

Die Kate erschütterte und Kater Antipas machte den grössten Buckel seines Lebens. Gemütlich war’s in dieser Alchemistenbude, die Küche, Labor, Schlaf-, Ess- und Wohnzimmer zugleich war. Spinnweben erübrigten die Gardinen, aber sonst hatte ein gewisser Ordnungssinn das Chaos bezwungen. Hippokid stellte sich artig namentlich und herkunftsmässig vor und nahm erst zum zweiten Mal aufgefordert, auf dem Rand des riesigen robusten Doppelbetts hinterhändig Platz und kreuzte verlegen die Vorderläufe.



"Na, Du warst wohl noch nie bei ner Frau, hm?" – "hatte nicht die Ehre, Madame." Beffana lachte auf ihrem Zahn. "Wär ich zwanzig Jahr jünger, mein Lieber, wir hätten unsern Heidenspass gehabt und Du Deine Psychotherapie." – "Sicher, Madame." – "Beffana!" – "Beffana... ich war damals zwei." – "Was, zweiundzwanzig Lenze und noch ein Kind, ein Kindskopf! da wird’s aber Zeit, Dich ins Heft zu nehmen." – "Bei Kentauren summiert sich die Pferde- mit der Kindsentwicklung; dafür sind wir so gut wie unsterblich." – "Beneidenswert, junger Mann. Seh mich an, alle meine Künste versagen im Eigenversuch. Selbst das sagenhafte effiziente Tetanusserum habe ich probiert; ... Kentaurenblut allerdings noch nicht. Hm. Wie wär’s mit einem Verjüngungsversuch, Goldkind, meinerseits mein' ich?" – "Ich kam eigentlich in eignem Anliegen, Madame." – "Was hast Du gegen Beffana? Ich wäre für einen Deal: Do ut des. Wir medizieren uns gegenseitig zum Nulltarif, ganz ohne Garantieansprüche, auf je eigne Verantwortung; topp? – "Im Falle eines Gelingens machen Sie den besseren Deal; ich riskiere meine Verunstaltung und zwei Existenzen." – "Du bist ein schlauer Kopf, mein Hippy; aber Du vergisst, dass Du neben einem Pfirsichteint auch m i c h gewinnen könntest, blutjung, knackig und bildhübsch, ein Los entlegenster Träume. Aber nur mutige Spieler gewinnen." – "Ich könnte die Zähne zusammenbeissen, Beffana." – "So ist’s gut, Kleiner. Dann also ein kleiner Aderlass, ist sowieso gut gegen Hippotonie und Hippoämie, Hippokrisie, Hippotrichose, -chondrie, -daktylie-und -trophie – reich mir mal den Tiegel dort. Und Du wirst das Gebräu trinken, das ich Dir gegen Mitternacht einflössen werde. Nimm die zwei Pillen vorweg, dass Dir nicht schlecht wird. So, ein Schnittchen, guck weg, soooo. Einen schönen männlichen Unterarm hast Du, mmmh. Pumpen, pumpen, sei nicht so lahm. Ja. Dreizehn Dezi. Das könnte genügen. Jetzt Teufelskraut, Melisse und Geissblatt,- weg da, elendes Vieh. Eins, zwei, drei Tropfen Wachholdergeist, Tollkirschenextrakt, ein Milligramm Spinnweb. Wo ist zum Teufel die Schierlingsbutter! Antipas ! ich schmeiss Dich raus!" – "Hippy, halt mal das Tier im Zaum, es spielt bei Blut immer verrückt."
Kessel zischen, Töpfe scheppern, sie häckselt, mörsert, rührt und räuchert; Beffana ist im fünften Element. – Hippokid ist es nicht ganz geheuer, aber für einmal will er mutig sein. Morgen früh würde er ein voller, strotzender, aknefreier Kentaurenmann sein und die Weiber in Scharen anlocken. Schade, dass man den hinteren Teil nicht auch gleich beseitigen kann. Vieles würde einfacher, die Auswahl an Frauen stiege ins Unermessliche. Oder wie wär’s mit abnehmbar; ein Kompromiss: tags Pferdetaxi, nachts Menschenmann; oder zweibeinig: pferdunten und menschoben; ein Satyr ist doch panisch beneidenswert, paaanisch! Er verlor sich in Kentaurenphantasien, bis Beffana mit triumphierendem Blick und zwei kleinen irdenen Häfen vor ihn trat, das Mondlicht auf den Dielen mass, wo Kreuzchen die Stunden hergaben, sprachs: "jjjjeetzt!" und jeder hob, auf des andern Wohl anstossend das Elixier. "Heilige Gerbdula!" hielt sich Beffana die fältchenreiche Gurgel und hechelte "- ist das scharfff!" dann sank sie auf denselben Bettrand auf dem Hippokid soeben selbst mit dem Leben rang.

Der Kater schrie, ein Uhu erwachte im Bauer, dass die Federn flogen, als habe Frau Holle sie geschüttelt, vom Darbgeizer Kirchturm verhallte der letzte Zwölfuhrschlag. Die Kerzen im Raume erloschen, als sei ein Windstoss durch den Raum gefahren. Dann war lange kein Geräusch mehr zu vernehmen, bis ein fernes Vibrieren in der Luft einen hohen schmerzenden Pfeifton anschwellen liess, der sich über dem Hause zu verdichten schien und auf der Höhe zweier gestrichener C's, der alle Kolben, Gläser, Pipetten und Flaschen zersplittern liess, gab’s einen silbrigen Knacks, ein Rascheln von Rauchschlacken im Kamin, ein Rieseln von Sand aus hundert Sanduhren, das sich den Körpern der in ihrer Agonie Stöhnenden mitteilte. Und wieder legte sich lähmende Stille auf Beffanas Kate...



(170) Ludbreg, Montag 29.1.1996; 6.05;

Nymph,

die Hunde bellen mich aus den Federn und meine Geschichte lässt mich ohnehin kaum schlafen: in was habe ich mich da wieder eingelassen! Während Deiner Reise nach Wolfsburg werde ich hoffentlich mit ihr niederkommen; ein Werwölfchen sozusagen zum Jahresjubiläum meines Hierseins.

Ein Modem zu besorgen ist uns angezeigt. Sieh Dich mal um, es ist eine enorme Verbesserung, ist rationeller, spart und man kann von Kästchen zu Kästchen kommunizieren.
...

Schon in der Früh waren Kommunalbeamte, Polizisten, Gerichtsdiener, die Antiheilsarmee, die Präsidentengarde, die Fleischschauer, Gewichtskontrolleure, das öffentliche Putzpersonal, Marine und Luftschutz unterwegs, Amors Köcher, Pfeile und Bogen zu suchen. Leerstehende Häuser, Weinberghütten, Bauplätze, ehrwürdige Ruinen, Wälder, Sümpfe, ferne Höfe, die Boote an den Quais, Bars, Herbergen und Restaurants wurden inspiziert, Heu- und Misthaufen umgegraben, kaum ein Stein blieb auf dem anderen. Denn drei Golddenare waren eine runde Sache. Amor raufte sich die Haare: auf diesem Scheisseiland könne doch keine Sicherheitsnadel verloren gehen! und beschloss trotzdem mittags nach Lemnos zu fliegen, um väterlichen Nachschub zu bestellen, wenn die unersetzlichen Gerätschaften nicht auftauchen wollten. Aber rächen würde er sich, erbarmungslos. Den sprichwörtlichen Liebesrausch von Bargeld und Darbgeiz würde er auf die ganze Insel ausdehnen, mit Mann und Maus. Kuchenbeck suchte ihn zu beruhigen, die Frauen waren so nett zu ihm, wie schon lange nicht mehr, doch vergebens. Nur aus diplomatischer Höflichkeit bequemte er sich zum offiziellen Orakelbesuch der Reisegesellschaft und sein mürrisches Gesicht ging dank Petrifixens Gruppenbild für immer in die Geschichte ein. Am vergnügtesten darauf lachten Psyche in der zweiten Reihe und der im Vordergrund liegende Reiseführer Atheodul. Hippokid fehlte; sein Stall ward noch bis zum Frühstück unbenutzt vorgefunden. Eine atemlose, ungekämmte Phryne im Kostüm vom Vortag wurde eben noch rechtzeitig von zwei Gerichtsdienern vor die Tempeltreppe karossiert (aber in aller Ehrerbietung, seit das peinliche Missverständnis aufgeklärt worden war: im Fischerhäuschen eines lokalen Künstlers unweit der Dravafähre hatte eine Streife auf der Suche nach den Amors-Attributen sie offenbar allein, in etwas kompromittierendem Zustande aufgestöbert; weitere Spuren verloren sich im Schilf. Den havarierten Dienststreitwagen hatte man abgeschleppt; ein Pferd fehlte mysteriöserweise. Eine Untersuchung wurde auf Anraten ungenannt gebliebener Obrigkeiten abgesagt...) El Abba wollte durchaus die dunkle Brille nicht abnehmen und Pasiphä bestand darauf, die Inselkarte hochzuhalten mit einem quer darüber geklecksten " Ich giesse Dimitri und Alex und Im!". Wie auf allen VIP-Konterfeis war auch Kuchenbeck zugegen und eigentlich auch Chrisanthemovic, der sich heute jedoch hatte krank schreiben lassen; aber Petrifix fügte ihn wie so oft aus Routine ein, wenn er aus dienstlichen oder ausserdienstlichen Gründen fehlte; er hatte die Züge seines Brotherrn seit Lustren im Kopf.
Gegen zehn war die Begehung des Tempelinnern vorgesehen, ja unsere VIP genossen das Privileg, bis zur Rotunde vordringen zu dürfen, wo das Orakel erteilt werden würde. Lange hatte man während des Frühstücks überlegt, was man eigentlich erfragen wolle, bis Kuchenbeck auftauchte und ein paar Vorschläge lieferte. Es musste möglichst ein kollektives Problem sein und da jeder ein eigenes zum allgemeinen erheben wollte, trug die Suche nach den Waffen Amors den Sieg davon, hing doch von jenen das Liebesleben und -geschick so manchen Weltbürgers ab; zumindest argumentierte unser Ferntreffer diesbezüglich mit der Bitte auf Wahrung des Dienstgeheimnisses vor Uneingeweihten. Kuchenbeck pflichtete bei und hielt einen nächtlich vorfabrizierten Sechszeiler in Reserve, des Wortlauts:

"Gerbdula, durch Dein Orakel

Lohn uns Spiele und Spektakel

Mit der hochersehnten Kunde

An die Prominenten-Runde

Wo, wann, wie und wer, warum

Geht mit Amors Pfeilen um?"
Das war zwar nicht sehr elegant und Orf fand zur Nachbarin Frosso, sogar Operntexte seien besser. Aber jetzt, wo man befangen die letzten Stufen hinter Kuchenbeck erstieg, war man froh, überhaupt einen Vorwand zur touristischen Besichtigung der Pythia zu besitzen. Der Oberpriester, für einmal ohne vorgefasste Antwort, hoffte wie schon lange nicht mehr, dass Antispastika sich Mühe gäbe, etwas Gescheites von sich zu geben; er hatte ihr die prekäre und blamable Lage der Gastgeberautoritäten geschildert und auch einige vornehmlich politische Verdachtsmomente geäussert; irgendwer wollte vielleicht auch das Orakel selbst diskriminieren und damit die liberale Gerbdulisten-Partei stürzen; man munkle die Ludberserker Fundamentalisten führten einen Staatsstreich im Schilde; die rechten Antipodisten hielten staatsfeindliche Reden, gegen die antichristlichsozialen, aber auch die gegnerischen Antibiotiker, Tschekinen und Ustasen kämen je als Aufrührer in Frage...

Das Ritual, das wir nun schon kennen, nahm coram publiculo seinen feierlichen Lauf, nur brauchte Antispastika zwei weitere gehäufte Teelöffel Aromat, sich in Form zu bringen. Gerade noch, bevor sie ein unwiderstehlicher Hustenreiz in die Sakristei vertrieb kam ihr dann die erleuchtende Eingebung in die Worte gefasst, die Kuchenbeck am wenigsten erwartet hatte:

"Malefizens Spur ist nur

Seiner Liebe Diebestour."


Das war ein glänzend undurchsichtig orakuliertes Orakel; aber weder geeignet, damit die Regierung zu stürzen – gottlob noch die Pythia in Pension zu schicken, gottseisgeklagt. Aber so würde man den arcus delicti wohl auch nicht herbeizaubern.
Der Oberpriester ersparte den Gästen die tränentreibenden Rauchzeichen und jene sich eine nähere kostenpflichtige Auslegung des allen ausser Kuchenbeck und Amor sonnenklaren Satzes, mit dem man letzteren eines üblen Schabernacks bezichtigte: wer anders als e r galt, wie Hermes, als Dieb, als kindlicher Stiebitz der Waffen des Mars, als Herzensräuber, Küsseklauer, als Eulenspiegel ante tempus et litteram!

Das Lachen der Reisegruppe entfachte die Empörung Amors und diese steigerte nur deren Hilarität, was Amors Indignation bis zum fluchtartigen Rückzug in die Herberge trieb und seine grusslose sofortige Abreise zur Folge hatte. Für El Abba galt dies keineswegs als Eingeständnis der Schuld, wie die anderen wohl vermuteten; zu schlecht hätte er seinen Part gespielt; man müsste ihn ganz im Gegenteil aus der Liste der Verdächtigen streichen...

____
... Hippok(l)id öffnete ein Auge und blickte verwundert in die Runde: nur mit Mühe war ihm erinnerlich, wo er war, aber das Chaos aus Glasscherben, Hausrat, offensichtlich weiblicher Habsame, ein entseelter Uhu im in die Esse gekippten Bauer, Kleiderfetzen, zwei geleerte Krüge, Russ und Asche überall, das Halbdunkel, das ihn umgab – ja und er, halbwegs auf einem ungewohnten Bett neben -, er schlug das Laken von einer eingerollten Körperform zurück, nur das Schlimmste ahnend – nein, ein zierliches blondlockiges gerade vom ersten Morgendämmern übergossnes Wesen unzweifelhaft weiblicher Natur! Und er?! keineswegs darob in bodenlose Scham gestürzt, nein, in männliches Gefallen versunken und trotz der Vierbeinigkeit aufsprungbereit, alle Sinne zu koordinieren und logische, kombinatorische und planerische Konsequenzen aus den sonderbaren Umständen zu ziehen!

Er erhob sich und bemerkte, dass das immer etwas struppige, moppelige, farblich undefinierbare Fohlen von einst zu einem vollblütigen, scheckigen, schlanken Rennhengst mutiert hatte! Er scharrte das Lumpenbündel von seinen Hufen, in dem er Beffanas rotes Halstuch erkannte, und fragte sich soeben argwöhnisch, wo die Alte wohl verblieben sei, als ihm’s wie Schuppen von den Augen fiel, wer da so selig schliefe!

Sachte stahl er sich zur Tür hinaus, dehnte genüsslich seine Glieder, galoppierte nach gemessener Hördistanz ins erstbeste nahe Dorf, Mädchenkleider zu erstehen, die passen mochten und Ingredienzien für ein improvisiertes petit déjeuner.

In Windeseile zurückgejagt fand der buchstäbliche Kavalier gerade noch Zeit, mit der Morgensonne um die Wette, die Braut zu küssen. Die, nicht wenig verdattert, huschte zuerst erschreckt unters Laken, doch ein zweiter, nicht mehr endenwollender Blick wurde nicht nur Herr bzw. Frau der Szenerie, sondern mündete ad verbum, aber wortlos in die erste weibliche Umarmung, die Hippok(l)id je widerfahren war. Erst lange danach sprudelte es verzückt: "Dank sei Dir,



mein Huftierhalfterchen, mein Pferdekerlchen, mein Wildmannseselchen,

mein Kentaurösschen, mein Schnuckelhengstchen, mein Pegasüsserchen,

mein Ackermichgäulchen, mein Hippopotamüsli, mein Galloppummelchen,

mein Liebezahmerchen, mein Hinterhändchen, mein Vordermännchen,

mein Vollblüttlerchen, mein Hypohopperchen, mein Starrapp'elsterchen,

mein Zwitterritterlein, mein Goldapfelschlimmelchen, mein Pinzgaunerchen,

mein Sexrappelstilzchen, mein Busenreiterchen, mein Damensitzerchen,

mein Steigbehügelchen, mein Satteldeckerchen, mein Schmachtepferdchen,

mein Ringelstechling, mein Rangelstrichling, mein Turnierstechschlingeling,

mein Schlachtmattrösselspringerchen, mein Hypermärtchenprinzerlöserlein,

mein abgöttischverschlimmbarter Doppeltsoschönwienochniewars, mein Hüh-, mein Hoh-,

mein Huh-!" die Erschöpfung tat das ihrige. Hippoklid, fand wenig später nicht nur, dass das prêt à porter und die Sandalen passten, sondern dass Beffanina ihre Reize in ihnen noch zu steigern wusste, eine delirierende Leistung.


Kater Antipas maulte melancholisch, als die beiden in der Tür standen, das Panorama zum letzten Mal aus dem Gedächtnis zu tilgen. Kurzentschlossen lud Beffanina den überlebenden Zeugen ihrer Vergangenheit in den Bauer, schwang sich mit ihm und dem Lederbeutelchen einstiger liebedienstlicher Ersparnisse auf den Rücken Hippoklids – der ja nun kein -kid mehr war – und sah sich auf dem Weg nach gerbduL nicht wieder um…

(171) Ludbreg, Dienstag 30.1.1996; 6.30

Nymph, meinster,

Dienstag, der 30., der letzte Tag vor jenem, an dem ich vor einem Jahr anreiste; Tag der Bilanzen und der Selbstbetrachtung. Was hat’s mir gegeben, mir genommen? Was hatte Ludbreg von mir? Mit 171 Briefen auf 350 Seiten ist’s offenbar noch nicht gesagt. Ich werde nachsitzen müssen und in der Klausur die schöneren Tage büssen, die ich fern von hier war und die Du besser kennst. Dank der konstanten Reflexion waren die Ludbreger Tage vielleicht die leersten und vollsten Tage zugleich, die ich jemals verlebt habe; mehr kann man einer professionellen Autobiographie wohl auch nicht angedeihen lassen, ohne einem Leser auf die Nerven zu gehen. Aber hatte das alles einen Sinn? Über Kroatien wird man sich ebensowenig klar, wie über das vermaledeite Ludbreg und nur Bürger Ivan hat darin ein wirkliches Gesicht. Ich selbst bin mehr Spielball denn Schiedsrichter und die Partie ist unentschieden ausgegangen: heute soll man in der Bürgermeisterei über unser Scherbengericht handeln. Bis zur Stunde bin ich nicht einmal dazu eingeladen. Über dem Hause steht ein Stern der Ungewissheit, der es ausradieren, aber auch gross machen kann; nur die Menschen, die es bevölkern werden, bestimmen sein Schicksal. So schwach, wie sie bis anhin sind, bleibt keine sonderliche Hoffnung. Das Gefühl, den Karren immer tiefer in den Sand gefahren zu haben, je mehr ich gegenzusteuern versuchte, und dass er in Momenten der Apathie oder bewusster Zurückhaltung ebenso unaufhaltsam sank, beschleicht mich in den Stunden müden Alleinseins mit den Relikten einer Illusion, die andere vor mir zu hochgehängt hatten. Die Identifikation mit den hohen Zielen war zwar der Motus meines Bleibens hier, aber wird es nicht ferner sein können. Aprés moi le déluge.

Das montnegreenisch-albanesische Wesen Drita aus Brod schmeisst mit einer Schülerin den Betrieb eines ganzen Provinzmuseums. Sie hospitiert hier zehn Tage, greift jedem in die Speichen, will alles sehen, alles selber machen, besser machen. Ihre veralteten Methodologien stampfe ich geduldig deklamierend auf Gastarbeiterdeutsch in den Grund, zeichne Diagramme und Comics zur Erläuterung. Sie setzt sich an mein Pult, blättert in meinen Büchern, Dokumenten, linst über die Schulter in mein Kistchen und rühmt sich unentwegt, was sie ohne Geld und Hilfe vollbringe. Eine ermüdende Effizienz. Ich lass sie festigen und kratzen, aber sie findet das zu wenig edukativ... Zum die Wände...Früher mal war sie sogar in einem Freskenunternehmen Darvins Chef. Auch wenn sie x-mal besser wäre als er, müsste man am Ende vor so was das Weite suchen. Dann lieber S.3
7.30. Der Bürgermeister sei heute früh nach Zagreb gefahren, zu Mendel.
12.00. Stinkos Retourkutsche auf mein Weissbuch macht sich bemerkbar: Darvin, unser seltner Gast, berichtet, V. habe von ihm einen Bericht über meine Tätigkeit verlangt (was er ihm aber als unloyal ausschlug), offenbar der Meinung, ich habe meine Funktion als Mentor und Planer nicht ausgeübt und somit meistens blau gemacht. Unter Sieglinde habe man noch was in der Hand gehabt, an Rapporten und Vorschlägen (natürlich, war ja auch ihre Pflicht und unsere Absprache; dass ich meine eintönige Kratzerei nicht täglich dokumentiere ist wohl klar...). Anruf von Edita nach recht konstruktivem Gespräch mit Stinko: wieder ein völlig anderes Klima, das Vorangesagtes zu mindern scheint. Plötzlich heisst's, die Autonomie soll nicht torpediert werden! Inzwischen aber faxen sich V. und Darvin hässig gezinkte Jahresberichte zur Korrektur zu: drei Mann arbeiten seit drei Tagen an einem überflüssigen Leerlauf von zwanzig Seiten (Stinko will die Erwähnung der doch so nützlichen Arbeit der Putzfrau gestrichen haben, weil unfein, Darvin moniert, Edita habe bei uns die Rissverschweissung gelernt, nicht wir von ihr; also streicht sie Stinko ganz -usw.) den nie jemand lesen wird, der überdies für die Bayern ins Deutsche übersetzt werden soll. Mein eigner kurzer und bündiger Rapport ist längst in M.! Eine Operette ohne Ende!
15.10. Lassen wir's hier für heute, bester Nymph. Ich werde das obige nun zum Ausdrucken bringen, damit Du was auf dem Nachttischchen hast, wenn Du zurückkommst. Werde abends versuchen, das Amordebakel zu lösen, der Antipodes-Tourismus bringt mich ganz schön auf Touren; noch weiss ich überhaupt nicht, ob und wer sein Retourbillet einlösen wird. Lass Dich umarmen von einem der obobobigen Kosebegriffe, wenn Dir einer zusagt... Faun.

(172) Ludbreg, Mittwoch 31.1.1996; 6.20;

Nymph, meinster,

da wär’s, das volle Jahr, der Wiederanfang bei Null. Was habe ich bloss auf 350 Seiten geschrieben, frage ich mich (je nach Druckformat können es auch 365 sein). Jedenfalls ist der Optimismus von damals wohl ziemlich daraus verschwunden und Relativismus, Ironie, Narrheit und Zynismus haben Oberwasser bekommen. Von der balkanischen Natur habe ich das Meinige abgekriegt und meine messianischen Gefühle haben sich abgekühlt; auch ich bin ein wenig Balkanschnik geworden und dulde bis zur Ankunft der Kultur weitere hundert Jahre Einsamkeit. Somit ist jeder Monat zuviel, intensiv auf jene zu warten.

In einer Woche reise ich von hier oder Zagreb los; welch süsse Perspektive, den Weg zu Dir sich verkürzen zu sehen.

Gestern brannte, laut einem Anruf von Darvin, die Fenice in Venedig ab! Schrecklicher Gedanke, eines der schönsten und ältesten Theater in noch originalem zweihundertjährigem Zustand. Ironie des Schicksals, dass der Phönix aus der eigenen Asche wiederersteht, wenn den in Jahrhundertrhythmen ans Sterben Gehenden die Sonne verbrennt. Pavarotti kündigte an, er wolle mit einem monumentalen Galakonzert den Wiederaufbau mitfinanzieren.

16.30. Eine breughelsche Winterabendlandschaft breitet sich mit unendlichem Fernblick wie ein Teppich vors Schloss und seinen Park. Wieder war ich nicht in der seltenen Sonne und der rote Himmel besagt, dass es schon zu spät ist, ihr nachzugehen.

In der Küche feierten wir mit Törtchen und Kerze mein Einjähriges, das ja genau genommen nur ein Halbes war. Auch Nofta erschien und ich suchte seinen Pessimismus aufzuhellen; ich legte ihm Ludberga ans Herz und als er Ivans rührend gutgewollte Galatea sah, war er fast wieder Feuer, Wasser und Wein für unsere Pläne. Eine Reisegruppe der Radioamateure hat ernsthaft vor, zur Chatham-Insel zu fahren, um dort eine Relaisstation einzuweihen; Bounty und Antipodes werden dann zur kroatischen Sprache kommen; vielleicht reift damit auch ihr neues 'Logo'. Auf der Suche nach dem Ursprung dieses hässlichen Wortes, finde ich neben der Logopädie den Logogriph, ein Worträtsel und die Logorrhö, ein medizinischer Ausdruck für die krankhafte Geschwätzigkeit. Hoffen wir nicht, dass letztere oder sonst eine Logogrippe mich, irgendwann in den letzten 171 Briefen befallen hat; vielleicht, als unser direkter Dialogo der ersten Stunde allmählich ins Stocken geriet und ich mich von diesem panischen, fast zwanghaften Strudel des Horror vacui mitreissen liess; dank der Angst vor dem Bruch der Nabelschnur wurden meine Schwätzereien immer länger und länger, eine Eigendynamik entwickelnd, die an Selbstzweck grenzt: man sieht machtlos zu und schüttelt den Kopf, während sich die Muse in ein Phantom verwandelt. Wenn man kein Echo mehr erwartet, stürzt man sich in einen betäubenden Taumel von Wortklaubereien ohne Rücksicht auf den längst übersättigten Andern, der das lesen muss, oder den man fast quälerisch zwingt, auch das Ungeniessbarste zu verdauen, zu rätseln und zu verstehen. O Vanitas vanitatum. Ich glaube, ich muss mich bessern und zu einem argloseren Briefton zurückfinden. Du hättest mich längst zurechtweisen müssen!

Stinko spuckt uns zum x-ten Mal ellenlange Fax-Korrekturfahnen auf den Schreibtisch. Grotesk seine unlogische Pingeligkeit. Echterding rief mich endlich an, die Sitzung in Zagreb sei erst am Spätnachmittag des 7.2. und dauere bis in die Nacht, er flöge wohl am Folgetag zurück nach London. (Möchte ich auch, aber mit Dir!) Bleibt mir, die tausend Kilometer wieder allein hinaufzupreschen.

Wegen O.'s Mitkommen nach V. finde ich, die wenigen Stunden, die wir uns für uns absparen müssen, sollte man sich nicht auch noch mit Dritten teilen müssen. O. ist ja ein lieber Kerl und die sechsmonatige Nachbarschaft wird Dir oft unterhaltsam die Zeit vertreiben können. Aber auch noch in V.? Ich sähe mich als Gastgeber gezwungen, ihm wenigstens das Allernötigste zu zeigen und das kostbare Wochenende wäre um... Er kann ja mal allein runter mit Deinem Schlüssel und den nötigen Instruktionen. Ich will nur keine Argumente seitens der belagernden drittrangigen Familienmitglieder, ich fülle das Haus mit Fremden und sie... Du weisst, wie sie sind.
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