Schleswig-Holstein Ministerium für Bildung


Jakob Muth, das LFS und die Inklusion



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Jakob Muth, das LFS und die Inklusion



Ina Döttinger


Ich habe Josef Adrian 2015 kennengelernt, als das Landesförderzentrum Sehen in Schleswig den Verbundspreis des Jakob Muth-Preises erhielt und ich es in meiner Funktion als Projektleitung des Jakob Muth-Preises besuchen durfte. Mit dieser Bewerbung hatte es sich das Förderzentrum nicht leicht gemacht - ihr gingen viele Fragen voraus, ob denn die sehr besondere Struktur des LFS überhaupt für eine Bewerbung geeignet sei. Schon scheinbar einfache Fragen, wie die Anzahl der kooperierenden Schulen, waren für das LFS und für Ute Hölscher, der die mühsame Arbeit der Bewerbung oblag, eine Herausforderung. Denn aufgrund der Struktur des LFS ändert sich diese Anzahl ständig, je nachdem, wo Kinder wohnen und zur Schule gehen.

Dass die Mühe sich gelohnt hat, zeigten dann aber die Diskussionen im Projektträgerkreis und in der Jury: Nicht trotz, sondern wegen der außergewöhnlichen Struktur des LFS wurde es für preiswürdig befunden. Weil es dem LFS, davon waren Projektträger und Jurymitglieder nach der Lektüre der Bewerbungsunterlagen überzeugt, gelingt zu zeigen, dass Inklusion und Sonderpädagogik, professionelle Förderung und Teilhabe kein Widerspruch sind. Bei dem folgenden Besuch - eben jenem, bei dem ich Josef Adrian das erste Mal persönlich getroffen habe - wurden alle unsere Erwartungen erfüllt.



Innenansicht des Kurshauses (ca. 1985)



Wir konnten einen prallgefüllten „Schleswig-Dienstag" miterleben, an dem sich die Mitglieder der Fachteams intensiv zu einzelnen Fragen austauschen, und etliche Schulen sehen, an denen blinde und sehbehinderte Kinder und Jugendliche ganz selbstverständlicher Teil des Schulalltags sind. In Schleswig-Holstein hatte es nie eine stationäre Versorgung von blinden und sehbehinderten Kindern gegeben - das LFS hat von Beginn an, seit Anfang der 80er Jahre, darauf gesetzt, möglichst wohnortnah zu unterrichten und die Peererfahrungen z. B. über die Kurse abzubilden, an denen jedes der rund 1000 unterstützten Kinder bis zu dreimal im Jahr teilnehmen kann. Mit Hilfe der kundigen Leitungskräfte des LFS gelang es auch, gemeinsam mit dem Filmemacher Ulfert Engelkes, die komplexen Strukturen und Wirkungsweisen des LFS im Film darzustellen. Und bei diesem Besuch war es ebenfalls, dass Josef Adrian uns darauf hinwies, dass Jakob Muth schon in den 80er Jahren in der GEW-Zeitschrift über das Förderzentrum geschrieben hatte - und es empfohlen hatte als gutes Modell für - damals - Integration. Damit schließt sich ein Kreis und so war es folgerichtig, dass wir in den Jahren, nachdem das Förderzentrum die Auszeichnung bekommen hatte, immer wieder in den Austausch gegangen sind dazu, welche Rolle die Sonderpädagogik in der Inklusion spielt. Das spiegelt sich nicht zuletzt in der Arbeit, gemeinsam mit etlichen anderen Experten, besonders aus Schleswig-Holstein, an einem Band zur Rolle der Unterstützungssysteme, der noch dieses Jahr erscheinen soll. Für Josef Adrian war in der Inklusion immer besonders wichtig, dass besondere Bedarfe auch besondere Expertise benötigen. Dafür müssen Zeit, Raum und Strukturen geschaffen werden. Im Jahre 2017 veröffentlichte die Unesco „A guide for ensuring inclusion and equity in education". Diese Publikation enthält einen wichtigen Satz, der auf den Punkt bringt, vor welcher Wahl Eltern heute häufig immer noch stehen: "Too often, parents are forced to choose between ensuring that their child's needs are met (which sormeti-

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Verleihung des Jakob Muth-Preises (mit Bildungsministerin Britta Ernst in Bremen)



mes implies placement in a special school or unit) and ensuring that they have the same rights and opportunities as other learners (which implies placement in a mainstream school). The goal should be to create an education system where these choices become unnecessary." (UNESCO 2017:31)

Auch in Schleswig-Holstein ist die Welt nicht perfekt. Aber es gelingt oft, sehr oft, dass zumindest im Förderbereich Sehen Eltern nicht mehr gezwungen sind, zwischen Förderung und Teilhabe zu entscheiden. Sondern beides selbstverständlich ist. Dank des LFS, Josef Adrian und seinem gesamten Team. Es bleibt zu hoffen, dass diese Arbeit nicht nur fortgeführt wird - sondern dass sie weiterstrahlt. Denn die Struktur des LFS könnte auch Modell stehen für ähnliche Konstrukte, z. B. in den Förderbereichen Hören, KmE und auch gB, mit entsprechenden Anpassungen. Und es ist kein Zufall, dass es ausgerechnet in Schleswig-Holstein auch eine gut etablierte Struktur an „Schulen ohne Schüler" für die Förderbereiche LES gibt, bei denen ebenfalls die Kombination aus Professionalität und enger Eingebundenheit in den wohnortnahen (Schul-) Kontext eine große Rolle spielt. Es wird spannend werden zu sehen, wie gerade in diesen Zeiten, in denen allgemeine und Förderschulen sich zusammenfinden müssen zu einem inklusiven Schulsystem, diese zum Teil schon lange etablierten Modelle Pate stehen können für eine weitreichende Umsetzung der UN-BRK. Das LFS wird seinen Teil dazu beitragen - dessen bin ich mir sicher.

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Einflüsse des Landesförderzentrums Sehen in Schleswig auf inklusive Entwicklungen in Schleswig-Holstein, in den deutschen Bundesländern und im europäischen Kontext



Christine Pluhar


Aus Anlass der Verabschiedung von Josef Adrian, dem langjährigen Schulleiter des LFS, möchte ich betrachten, welchen Einfluss das LFS, seine Strukturen und Arbeitsweisen auf mehreren Ebenen zeigt und damit eine nachhaltige Entwicklung bewirkt. Josef Adrian wird dabei nicht gesondert erwähnt. Er war aber immer involviert, oft initiativ und hat die beschriebenen Aktivitäten stets aktiv unterstützt.

Das Landesförderzentrum Sehen in Schleswig als Unterstützungssystem für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Blindheit oder Sehbehinderung


Als das LFS 1983 seinen Dienst aufnahm, bestand das Konzept dieser neuen Form von Sonderschule darin, alle Kinder, die Schülerinnen und Schüler sowie diejungen Erwachsenen mit Sehschädigung je nach ihrem ganz eigenen Bedarf in der Frühförderung, der Kindertagesstätte, der Schule ihrer Wahl, in Berufsausbildung und Hochschule individuell zu fördern. Studienreisen in die USA zeigten, dass dies durchaus praktisch möglich war. Der sonderpädagogische Förderbedarf (SEN), individuelle Förderplan (IEP), Förderausschuss (SEN Conference) und das Förderzentrum (Ressource Center) gehörten von Beginn an zum zunächst übersetzten, dann abervon den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des LFS für schleswigholsteinische Verhältnisse adaptierten Konzept. Nicht übernommen wurde die Praxis der Perkins School for the Blind in Boston, dass nicht erreichte Ziele des individuellen Förderplans - z.B. bei zeitlich begrenzten Kurs- Aufenthalten - im Zentrum zu Regressforderungen der entsendenden Gemeinden als Kostenträger führten. Die individuelle Förderung ist nach wie vor das zentrale Anliegen des LFS und seiner multiprofessionellen Teams. Sie erfolgt unter enger Einbeziehung der Eltern auf der Grundlage von detaillierter, spezieller Förderdiagnostik, ermöglicht individuelle Beratung und Unterstützung bei allen Fragen von Unterricht und Übergängen. Sie umfasst jeweils angepasste Hilfsmittel und Medien sowie Orientierung & Mobilität und Lebenspraktische Fertigkeiten. Die Schülerinnen und Schüler sowie diejungen Erwachsenen mit Sehschädigungen kommen zwei- bis dreimal im Jahr zu Kursen nach Schleswig und können dort neben relevanten Inhalten im Sinne von Peergroup-Erfahrung auch andere Schülerinnen und Schüler mit Sehschädi-gung kennen lernen.

Das Landesförderzentrum Sehen als Unterstützungssystem für Schulen in Schleswig- Holstein, die sehgeschädigte Schülerinnen und Schüler unterrichten


Sehr früh in der Entwicklung des LFS wurde deutlich, dass die Beratung und Unterstützung der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Sehschädigung in ihrer jeweils besuchten Institution es erforderte, die dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelhaft mit einzubeziehen. Im LFS entwickelte sich ein professionelles Verständnis von „Sich-Beraten" anstatt „Jemanden-Beraten".

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Christine Pluhar bei der Arbeit mit Kindern in einem Kurs (1988)



Dazu gehört auch, dass die Lehrkräfte des LFS in Schul-, Lehrer- und Klassenkonferenzen, Elternabenden und in den Gruppen und Klassen mit vielen praktischen Beispielen die Erscheinungsformen und die Auswirkungen von Sehschädigung vermitteln und Anregungen geben, wie der gemeinsame Unterricht gestaltet werden kann. In Kursen im LFS werden die zukünftigen Klassenlehrkräfte fortgebildet. Die allgemeinen Schulen, die durch das LFS unterstützt werden, können durch die Zusammenarbeit erfahren, wie gemeinsamer Unterricht und individuelle Förderung in Richtung inklusiver Schule wirken und wie sie selbst in ihrer eigenen Schulentwicklung weiter voran kommen können.


Das Landesförderzentrum Sehen ohne eigene Schüler als Prototyp eines Unterstützungssystems im Schulsystem Schleswig-Holsteins


Die „Schule ohne Schüler" war für viele Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen ein Angst machender Begriff, insbesondere in den ersten 20 Jahren nach Gründung des LFS, 1983. Durch intensive Unterstützung durch die Beratungsstelle Inklusive Schule (BIS), durch das IQSH, die Lehrerausbildungsstätten Flensburg und Kiel sowie durch klare Richtungsangaben der jeweiligen Ministerinnen und Minister und nicht zuletzt durch die intensive sonderpädagogische Arbeit in den Kollegien haben sich die schleswig-holsteinischen Sonderschulen zu Förderzentren weiterentwickelt, die mehr und mehr Schülerinnen und Schülerin den allgemeinbildenden Schulen unterstützten und entsprechend immer weniger im eigenen Haus unterrichteten. Gerade in den letzten Jahren haben zahlreiche Förderzentren gar keine eigenen Schüler mehr. Die Lehrkräfte der Förderzentren und die Schulleitungen unterstützen „ihre" Schülerinnen und Schüler in den Schulen, die diese besuchen. Die Förderzentren bleiben als Dienstleistungszentren erhalten und sind für die Organisation und Qualität der sonderpädagogischen Arbeit zuständig. Für sehr viele Lehrkräfte der Förderzentren sind ihre Perspektiven, im Unterstützungssystem der inklusiven Schule zu arbeiten, eine gute Alternative zu der früheren Rolle in der Sonderschule. Für diese Entwicklung stand das LFS Pate.

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Das Landesförderzentrum Sehen in Schleswig in der Wahrnehmung anderer Bundesländer


Das LFS war von Beginn an interessant im Bereich der Blinden- und Sehbehindertenpädagogik, sowohl bei den über 30 deutschsprachigen Blinden- und Sehbehinder-tenschulen als auch bei den drei - bzw. nach der Wiedervereinigung vier - Studienstätten. Zahlreiche Besucherinnen und Besucher kamen nach Schleswig, im Jahr 2017 u. a. auch aus Luxemburg und Japan.

Das Landesförderzentrum Sehen in Schleswig im Rahmen der KMK


Sowohl in die KMK-Empfehlungen „Zur sonderpädagogischen Förderung in Schulen" von 1994 als auch in die „Empfehlung zum Förderschwerpunkt Sehen" von 2000 sind wichtige Erfahrungen und Begriffe aus der Arbeit des LFS eingeflossen: z. B. Sonderpädagogische Förderung (SEN), Individueller Förderplan (IEP) und Förderzentrum (Ressource Center), wobei der Begriff „Förderzentrum" eine Übersetzung von Prof. Rolf Schindele, Heidelberg, war, die das LFZ Schleswig übernommen hat. Beide KMK-Empfehlungen sind bis heute eine gute Grundlage für die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Sehschädigungen.

Das Landesförderzentrum Sehen in Schleswig im Rahmen der European Agency for Special Needs and Inclusive Education (EA)


Die EA ist ein Zusammenschluss von 28 europäischen Staaten und wird von diesen und zusätzlich durch Projektaufträge der Europäischen Union finanziert. Zu so einem europäischen Projekt werden Staaten eingeladen, sich an einer bestimmten Fragestellung zu beteiligen. Am Projekt „Unterstützungssysteme für inklusive Schulen" haben sich Deutschland (mit dem schleswig-holsteinischen LFS Schleswig) sowie Kroatien und Schweden beteiligt. In zwei Jahren gab es jeweils einen Study Visit an den drei Projektorten. Die Ergebnisse und Auswertungen sind in einer Veröffentlichung auf der Website der EA herunterzuladen unter www.european-agency.org/agency-pro- jects/assessment-in-inclusive-settings/phase-2-case-stu- dy-site-germany.

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