Karl Rossmann reiste von Prag nach Amerika – wir reisten von Deutschland nach Tschechien und wieder zurück. Wir kehrten zurück, aber Karl hatte keine Gelegenheit für die Rückkehr (dieses Buch hat kein Ende). Aber trotzdem entdeckten wir zusammen AMERIKA.........
Die Wellen rauschten und die Matrosen sangen für Karl „I am sailing“ während der Überfahrt nach Amerika; doch wir hörten nur tdmtdm, tdmtdm – der Zug brachte uns nach Moosbach, nach Asch und am Ende nach Klingenthal. Wir fuhren auch mit dem Bus (dreimal).
Unser erstes Ziel war Moosbach. Nach Weiden fuhren wir mit dem Zug und dann noch ein Stück mit dem Bus. Das letzte Stück mussten wir dann laufen. Dieser Weg war fast ohne Probleme – nur ein Problem war
da: Honzik kam später als die anderen, weil er die Führerscheinprüfung in Asch hatte. Also musste er allein mit dem Bus fahren (zu dieser Zeit waren wir schon in Moosbach).
Aber er fuhr eine Haltestelle weiter. Und dann musste er per Autostopp zurückfahren.
In Moosbach machten wir unsere erste Prozession. Und die kleine Vendulka lieh sich die Schuhe von Martha aus, und den nächsten Tag hatte sie Blasen – sie konnte nicht so gut gehen.
Die nächste Station war Asch. An der Grenze stellte Sonja fest, dass ihr Reisepass schon zwei Monate nicht gültig ist. Sie musste wieder nach Nürnberg für ihren Personalausweis fahren. Das nächste Problem kommt in Tachov: Bettina vergaß ihre Taschenbeutel im Bus (später musste Claudia bei der
Buszentrale anrufen, und sie schickten die Taschenbeutel zum Glück zurück). Aber das war noch nicht alles. In Cheb (Eger) stand ein Zug nach Nürnberg und Benji bekam eine neue spezielle Idee: Er will nach Hause fahren. Und er fuhr einfach..... Endlich sind wir in Asch! Unser Zelt steht schon, und wir können ruhen.... Und in Asch besuchten wir endlich das echte Amerika (ein Teich). Wir fuhren dort- hin wieder mit dem Zug und wir filmten mit der Videokamera. Aber nach diesem Ausflug ging diese Kamera kaputt – Thomas ließ die Kamera auf den Boden fallen. Zum Glück konnten wir noch die alte Kamera benutzen und jene war wieder bald repariert.
In Asch war am letzten Tag wieder eine Prozession. Wir trafen viele nette Leute und sangen „Do Ameriky jezdí parníky, když je vidim připadaj mi hrozně veliký“. Und die Leute aus Asch sahen wahrscheinlich auch diese Dampfer und am Abend kamen viele Zuschauer....
Der Abschied von Asch war ein bisschen traurig, in Asch waren viele Katastrophen, aber trotzdem war hier eine super Zeit. Wir fuhren mit dem Zug und wieder war hier ein Problem – wie anders. Valja konnte nicht über die Grenze! Sie hat ein Visum für Deutschland, das nur eine einmalige Einreise erlaubt und die Grenzer wollten sie nicht wieder nach Deutschland fahren lassen. Sie musste an der Grenze mit Thomas bleiben, und wir anderen fuhren nach Klingenthal. Eleonora fuhr dann zu ihnen.
Fast eine Stunde später kamen Eleonora und Thomas wieder zurück und sie sagten, dass Valja zurück nach Russland muss. Und sie sollten noch Valjas Sachen holen. Wir waren alle traurig. Sie brachten die Sachen zum Auto und fuhren wieder weg. Aber nach einer Weile blieb das Auto stehen – und die darin versteckte Valja stieg aus......(blöder Witz!)
Während unserer letzten Prozession trafen wir fast keine Leute – also hatten wir dann fast keine Zuschauer.
Unser Projekt war über Theater – und auch Karl Rossmann endet als Techniker beim Theater in Oklahoma. Er reiste das ganze Leben und hatte auch viele Probleme. Aber wir alle waren gute Freunde und halfen uns untereinander, aber Karl hatte niemanden. Ja, er hatte auch ein paar Freunde, aber keine echten und nicht für lange Zeit. Er musste durch das Leben allein reisen, und darum waren seine Probleme so ernst und groß. Und unsere Probleme endeten alle gut und waren nur für Spaß!!!
Gr. Vendula
Freiheit
In Moosbach
Grillen zirpen, die Sonne aalt sich im Grün der Löwenzähne, und kleine Mäuse gibt es hier, Käfer aller Arten, Ameisen, Mücken, seltsame Insekten, nie zuvor gesehen, und wunderschöne Schmetterlinge. Einer setzt sich auf Valentinas Haar, das im Schatten des großen roten Koffers vor sich hin döst. Karl fand keine Ruhe auf dem Schiff, ständig dieser obskure Slowake mit dem Stock, der bestimmt seinen Koffer klauen wollte. Und überhaupt war es eher dunkel, stickig und eng, überall Menschen, auf der Suche nach einer neueren, besseren Welt, Ungewissheit, Hoffnung. Bald gibt es Mittagessen. Wir leben - und reden, schlafen, arbeiten ein bisschen nach unserer heutigen Prozession durch Downtown Moosbach, bei der wir zu unserer ersten Aufführung heute Abend eingeladen haben. In die allgemeine Ruhe - so stelle ich mir Glück vor - schlagen die Glocken von der Kirche hinter dem Sportfeld, die wie eine eigenartige Blume neben den Bäumen aus dem Boden zu wachsen scheint. Es gibt keine Kirchen in Amerika, so scheint es, nur Städte, viele, viele Menschen, Straßen mit Autos, Riesengroße Häuser wie das hotel Occidental, vielleicht ein Landhaus. Karl wird immer getrieben, nie kann er ausruhen, selbst während der Zeit seines Englischstudiums beim Onkel krabbelt da eine innere Unruhe in seinem Herzen. Hat Karl je diese zeitlose Ruhe gespürt, die sich auf unsere Haut legt wie ein sanfter Film an wohlriechendem Balsam? Vergessen die quälenden Kopfschmerzen von gestern, das dauernde Wiederholen und Diskutieren, der plötzliche Regen und das ständige Rein- und Rausräumen unserer Sachen:
Heute steht das Zelt und spiegelt die helle Sonne auf seinem Dach; die Fahne mit den Sternen, ein Meisterpatchworkwerk Katrins, weht fröhlich im Sommerwind. Das Gestern war Karl näher als das Heute.
Aber am nächsten war ihm wohl das Morgen. Ich kann mich nicht erinnern, von Sonne gelesen zu haben, aber ständiges Rein- und Rausräumen war da im großen Saal der Liftjungen; da waren plötzlich Klamotten verschwunden, weil ein anderer sie auslieh, oder sie waren dreckig vom Reinigungsmittel, und ständig schien das künstliche Licht und ständig gab es Geräusche, von Schlaf und Ruhe nicht zu träumen. So habe ich es mir vorgestellt! Eigentlich gibt es noch viel zu tun. Wie viele Dörfler werden wohl kommen? Werden alle wissen, wann sie wo zu sein haben bei der Vorstellung? Karl sucht dauernd seinen Platz. Er versteht das Leben nicht und versucht trotzdem oder gerade deshalb, darin zurecht zu kommen. Alles andere als faul ist er, er will etwas erreichen, aber was kann er gut? Ingenieur wollte er werden, er mag Dinge, die mit Technik zu tun haben, das weiß er. Er fängt verschiedene Arbeiten an, versucht sich, gibt sein Bestes, wie wir. Nie frei sein von diesem Drängen, diesem Zwang, sich zu beweisen, dies Suchen – Suchen - Suchen, wo ist der Sinn, wo ist mein Platz, ankommen, endlich bei einer Berufung, am Theater von Oklahoma, das jeden gebrauchen kann, jeden an seinem Ort. Wo ist Oklahoma, wo ist die Freiheit? Aber diese friedvolle Nähe des Bühnenbodens, Sonja im Bikini, eine wilde Rose in Vendulas Haar, Thomas im Matrosenoutfit, Zigarettenrauch in die Luft qualmend ist schöner als alle Kunst und Kafka.
Weil hier die Begegnung stattfindet. Weil das Jetzt hier ist. Weil wir auf dem Weg inne halten , den Atem anhaltend. Da sein. Leben. Frei sein. Weil der Weg das Ziel ist. Letztlich lässt Kafka Karl bis ins Unendliche unterwegs sein. Eleanora ruft. Essen ist fertig. Tun wir was für unseren Körper. Frei sein macht hungrig.
In Asch
Liegen auf der Bierbank in Asch unter freiem, sternenübersätem Himmel, der Mond feist und gemütlich hinter den Tannenspitzen, heute war ein guter Tag. Ich liebe diesen Ort hier, liebe diesen Frieden, weit weg von allen Alltagssorgen, wie ausgeschnitten aus einem Gemälde und zu Leben erweckt, meine Seele, als flöge sie nach Haus, you and the moon are a beautiful sight to me, da war was. Kdyby si clovek mohl vybrat, koho milovat, všechno by bylo jednodušši. Karl muss nicht einmal unter freiem Himmel schlafen, immer findet er eine Bleibe, sogar als er mit Delamarche und Robinson unterwegs ist. Der Mond hat ihn auch nicht interessiert, er hatte schließlich Wichtigeres zu tun. Liebe und Leidenschaft passen nicht zu Karl, passen nicht nach Amerika, höchstens die Sehnsucht, nach irgendetwas. Die Frauen finden schon Gefallen an Karl, eine war sogar der Grund seiner Ausreise. Clara, Pullunders Tochter, quält ihn, aber diese Passage bleibt nicht ohne gewisse Erotik. Die Oberköchin entdeckt ihre mütterlichen Gluckengegefühle für ihn, und mit ihrer Sekretärin Therese verbindet Karl ein bisschen mehr als Freundschaft, wenigstens von Thereses Seite aus, die ihm wirklich alles anvertraut.
Brunelda als Inbegriff ekelhafter negativer Weiblichkeit muss der Vollständigkeit halber erwähnt werden, auch wenn Delamarche das eigentliche Objekt ihrer Begierde bildet und Karl lediglich als neues Spielzeug behandelt wird. Nichts davon scheint wichtig hier. Keine Liebesszenen. Das Spannendste einfach in die Luft verlegt, keiner weiß, was ich dem Mond erzähle, die Gedanken sind frei. Er sieht gut aus und riecht so gut...
In Klingenthal
I have a dream, wenn wir schon von Zeitlosigkeit reden, reden wir von Martin Luther Kings Rede, klar. Kaum etwas erreicht diesen Grad an Ausgelutschtheit und Plakativität. So’n leckerer Lolli bis auf Ende abgelutscht und demonstrativ immer wieder überall drangeklebt. Man kann Dinge auch totreden, schade um die Inhalte. Hätte man Karl nach seinen Träumen gefragt, hätte er nur verständnislos geglotzt und geantwortet, dass er nur selten ein Auge zu bekomme und dass er dann, wenn er schon mal schliefe, sicher nicht träume. Eben hier liegt die Expressivität der Sprache Kafkas, die Geschichten erzählt, mit einer einfachen, klaren, aber bildhaften Sprache, die uns spüren lässt, die in uns diese Stimmungen entstehen lässt, ohne mit dickem neonfarbigen Kleister aufzutragen, damit auch wirklich jeder begreift, dass er einen Traum hat. Der Zauber der kafkaesken Sprache lässt sich nicht auf pädagogisches Theater übertragen, und vielleicht noch nicht einmal auf eine Bühne mit den besten Schauspielern der Welt. Deshalb weichen wir aus auf Phrasen, aber sogar das verstehen diejenigen nicht, die wir ansprechen wollen. Die Schulklasse in Klingenthal sitzt nur da mit hohlen Augen. Ja, ich habe tatsächlich einen Traum, nämlich diese Menschen zum Sprechen zu bringen, zur Diskussion, und überhaupt, die gesamte ignorante Dorfbevölkerung - wenn es sein muss mit Handschellen -
in unser Zelt zu schleifen, das all unsere Träume birgt. Wo enden wir ohne unsere Visionen, wer träumt, ist nie arm, auch wenn die Erfüllung auf sich warten lässt, das kennen wir schon, aber so ist es. Und wenn der plakativ Worte schlagende Presslufthammer die einzige Möglichkeit ist, das zu vermitteln, dann, mein Gott, warum nicht. I have a dream. Let freedom ring from the mighty mountains of New York. Let freedom ring from Afghanistan, Moscow and Albania. And Lord, I have a dream, let it rain brains from heaven!
So dass wir uns an die Hände nehmen und endlich singen können, free at last, free at last, God Almighty we are free at last.