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Mit Staunen seht das Wunderwerk. Joseph Haydn’s Oratorium „Die Schöpfung“



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Mit Staunen seht das Wunderwerk. Joseph Haydn’s Oratorium „Die Schöpfung“


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Quelle www.kath-kirche-vorarlberg.at/organisation/ethikcenter/artikel/mit-staunen-seht-das-wunderwerk.-joseph-haydn2019s-oratorium-201edie-schoepfung201c

Auch die Musik kann eine Form der Verkündigung sein, ist Markus Hofer überzeugt.

Mit einem wuchtigen Orchesterschlag beginnt Haydns großes Oratorium „Die Schöpfung“, ein Werk, das uns die Erschaffung der Welt, das schöpferische Wirken Gottes mit musikalischen Mitteln näher zu bringen versucht. Haydns wunderbare Musik schafft einen unverdorbenen, im tiefen Sinne naiven Blick auf die Schöpfung völlig entgegensetzt der verdinglichten Sicht der Technik. Hier geht es nicht um die Verwertbarkeit der Natur, sondern um das tiefe, menschliche Staunen gegenüber der Schönheit der Schöpfung, dem Wunderwerk Gottes. Es ist eine innere Haltung, die auf den ersten Blick kindlich wirken mag, aber auch für uns Menschen des 21. Jahrhunderts heilsam sein könnte.

Das Oratorium

In England hatte Haydn Händels Oratorien kennen gelernt und mit der 1798 uraufgeführten „Schöpfung“ verband er den Versuch, ein solches Werk mit den Stilmitteln der Wiener Klassik zu schaffen. Das Textbuch dazu, von einem unbekannten Librettisten verfasst, brachte er auch gleich aus England mit. Vermutlich war es ursprünglich einmal sogar für Händel gedacht gewesen, der es aber nie musikalisch umsetzte.

Das Rückgrat des Textes bildet die erste Schöpfungsgeschichte von Gen 1,1 bis zur Erschaffung des Menschen Gen 1,27 (mit Gen 2,7), also bis zum Ende des sechsten Schöpfungstages. Dieses Geschehen wird in Rezitativen (Sprechgesang) berichtet, Arien oder Choräle schmücken dann die biblische Erzählung aus. Diese Betrachtungen, Lobpreisungen und Meditationen zum Schöpfungsgeschehen stammen aus alttestamentlichen Psalmen und aus John Miltons großem Versgedicht „Paradise Lost“ (Das verlorene Paradies, 1667).

Drei Erzengel erzählen uns bei Joseph Haydn die biblische Schöpfungsgeschichte und sie kommentieren gleichzeitig das, was sie zu sehen bekommen. Unterstützt werden sie vom großen, vierstimmigen Chor, der anfangs als Chor der Engel zunehmend zum Chor der von Gott geschaffenen Natur wird. Die drei Erzengel sind gleichzeitig die drei Solisten des Oratoriums: Gabriel (Sopran), Uriel (Tenor) und Raphael (Bass). Im dritten Teil, in dem das erste Menschenpaar auftritt, übernehmen Bass und Sopran dann die Rollen von Adam und Eva, während der Tenor weiterhin als Erzengel Uriel das Menschenpaar glücklich preist.

Die Erde war ohne Form und leer

Schon der Beginn des Oratoriums versetzte Haydns Zeitgenossen in Erstaunen und Begeisterung. Die Orchestereinleitung ist nämlich keine konventionelle Ouvertüre, sondern Haydn versucht in genialer Weise den Zustand vor der Schöpfung mit musikalischen Mitteln darzustellen. „Die Vorstellung des Chaos“ nannte er seine Einleitung, der nachfolgende Bibelvers umschreibt am besten, was Haydn komponierte: „die Erde war ohne Form und leer“.

Es setzt ein mit diesem wuchtigen Orchesterschlag und dann folgt eine Art fahler, leerer Urzustand, ein „Nichts“, nicht unbedingt ein chaotischer Zustand, eher ein „Etwas“, das noch keine Form hat. Dieser Zustand wirkt zwar formlos, amorph, gestaltlos in sich ruhend, aber nicht bedrohlich. In den hohen Streichern oder Holzbläsern glaubt man eher „den Geist Gottes auf der Fläche der Wassern schweben“ zu hören. Auch wenn es immer wieder orchestrale Aufbrüche gibt, ereignet sich eigentlich nichts, und doch scheint alles irgendwie schon vorhanden zu sein. Im Psalm 92,6 heißt es nach dem Satz „Wie groß sind deine Werke“: „Wie tief sind deine Gedanken!“ Auf Englisch wird es sogar übersetzt mit: How deep are your designs. Gott beginnt zwar erst zu schaffen, aber bei Haydn klingt es, als schwebten diese Gedanken (designs) schon über dem ungeformten Urzustand.

Musikbeispiel

„Die Vorstellung des Chaos (5,59)“  Und es ward Licht

Leise verklingt diese Einleitung bis wirklich aus dem Nichts sich die tiefe Männerstimme erhebt und der Erzengel Raphael singt: „Im Anfange schuf Gott…“ Fahle Töne formen den Übergang zu: „und die Erde war ohne Form und leer“. Fast Stille herrscht am Beginn der Schöpfung, langsam und getragen deutet sich der erste Schritt an. Im zarten Pianissimo noch beschreibt der Chor das Schweben des Geistes auf der Fläche der Wasser. Fast nur noch gehaucht wird der erste Schöpfungsakt erzählt: „Und Gott sprach…“. Pause, Stille, drei zarte Streicherakkorde, noch im Pianissimo: „Es werde Licht!“, ein gezupfter Akkord nur, Stille, nur die hohen Stimmen noch: „Und es ward“ – und dann bricht aus dem fahlen c-moll mit einem Schlag in leuchtendem C-Dur das Licht hervor, strahlend, musikalisch gleißend fast schon.

Dieser Moment wurde bei der öffentlichen Premiere zu einer Sensation. Ein Zeuge dieser Aufführung im Wiener Burgtheater schreibt: „In dem Moment, als das Licht zum ersten Mal erschien, konnte man sagen, dass Strahlen aus den leuchtenden Augen des Komponisten schossen. Die Verzauberung der elektrisierten Wiener war so allgemein, dass das Orchester einige Minuten lang nicht weiterspielen konnte.“

Musikbeispiel

Rezitativ und Chor: «Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde» (2,58)

RAPHAEL

Im Anfange schuf Gott Himmel und Erde,

und die Erde war ohne Form und leer,

und Finsternis war auf der Fläche der Tiefe.

CHOR

Und der Geist Gottes



Schwebte auf der Fläche der Wasser,

Und Gott sprach: Es werde Licht!

Und es ward Licht.

Des Schöpfers Lob

Vor allem am Ende der jeweiligen Schöpfungstage setzen die großen Chöre ein. Es ist „der Himmelsbürger frohe Schar“, die Engel, von denen es am Ende des zweiten Tages heißt: „Laut ertönt aus ihren Kehlen des Schöpfers Lob.“ Mitreißende Chorsätze hat Joseph Haydn komponiert, wenn „die Himmel erzählen die Ehre Gottes“, oder wenn es heißt „Stimmt an die Saiten, ergreift die Leier, lasst euren Lobgesang erschallen!“. Höhepunkt ist der Schlusschor, der sich mit seinem Appell an alle richtet: „Singt dem Herren alle Stimmen!
Dankt ihm alle seine Werke!“

Es sind wuchtige und tatsächlich mitreißende Choräle, die Haydn zum Lob des Schöpfers komponiert hat. Sicher hatte er dabei auch Händels Chorsätze vor sich, als er sein Oratorium komponierte. Die Arbeit an der „Schöpfung“ war für Haydn aber nicht nur eine musikalische Herausforderung, nicht nur eine Übung in Chorsatz. Nach seinen eigenen Aussagen war es für ihn eine grundlegende religiöse Erfahrung. Er arbeitete bis zur Erschöpfung an seinem Oratorium und erkrankte auch nach der Uraufführung für längere Zeit. Dieses begeisterte Lob des Schöpfers ist eine Haltung, die uns heute fremd erscheinen mag. Die Achtung vor der Schöpfung ist bei Haydn kein moralisches Gebot, keine Herausforderung, sondern eine Selbstverständlichkeit angesichts des Wunderwerks und deshalb ist sie auch stark emotional besetzt. Das Staunen und Wundern geht gleichsam nahtlos über in das Loben und Preisen. Die Achtung ist verbunden mit einer tiefen Freude.

Musikbeispiel

Schlusschor und Soli: «Singet dem Herren alle Stimmen» (3,47)

Singt dem Herren alle Stimmen!

Dankt ihm alle seine Werke!

Lasst zu Ehren seines Namens

Lob im Wettgesang erschallen!

Des Herren Ruhm, er bleibt in Ewigkeit!

Amen!


Die Schöpfung und die Beschreibung

Großartig sind auch Haydns musikalische Lautmalereien, wenn er die verschiedenen Seiten der Schöpfung, die Natur, das Licht, die Stürme, Blitz und Donner, den flockigen Schnee oder die schäumenden Wellen genauso wie die verschiedenen Tiere mit musikalischen Mitteln umsetzt. Am vierten Schöpfungstag nach der Erschaffung von Tag und Nacht lässt Haydn in faszinierender Weise die Sonne aufgehen, bevor Uriel mit seinem Rezitativ fortsetzt. In den hohen Holzbläsern und Streichern kündigt sich sanft und leise der neue Tag an, geht die Sonne mit zunehmender Strahlkraft und Wärme auf, bis sie mit Pauken und Trompeten majestätisch über der Erde steht. Uriel kann die Beschreibung nur nachliefern: „In vollem Glanze steiget jetzt die Sonne strahlend auf, ein wonnevoller Bräutigam, ein Riese stolz und froh, zu rennen seine Bahn.“

In seinen musikalischen Malereien hat Haydn ein interessantes Kompositionsprinzip angewandt. Zuerst erscheint in der Musik, was dann von den Sängern/Erzengeln beschrieben wird. Zuerst geht also die Sonne auf, bevor Uriel den Glanz der Sonne besingen kann. Wir hören zuerst die schrecklich rollenden Donner, die fliegenden Wolken, den allerquickenden Regen, bevor sie genannt werden. Dasselbe gilt im zweiten Teil für die verschiedenen Tiere, die Haydn auch lautmalerisch repräsentiert: den stolze Adler, das frohe Lied der Lerche, das Gurren des Taubenpaars, die großen Walfische, den schnellen Hirsch, das edle Ross bis zum Gewürm am Boden. Gott schafft gleichsam in der Musik, die Beschreibung kann nur nachträglich sein. Die Schöpfung hat sich immer vor der Schöpfungsgeschichte ereignet, die eine sinnstiftende Beschreibung darstellt. Das göttliche Schaffen und Wirken steht immer am Anfang.

Musikbeispiel: Sonnenaufgang und Mondnacht

Rezitativ: «Im vollen Glanze steiget jetzt» (2.59)

URIEL


In vollem Glanze steiget jetzt

Die Sonne strahlend auf,

Ein wonnevoller Bräutigam,

Ein Riese stolz und froh,

Zu rennen seine Bahn.

Mit leisem Gang und sanftem Schimmer

Schleicht der Mond die stille Nacht hindurch.

Den ausgedehnten Himmelsraum

Ziert ohne Zahl der hellen Sterne Gold.

Und die Söhne Gottes

Verkündigten den vierten Tag

Mit himmlischem Gesang,

Seine Macht ausrufend also:

 Die Himmel erzählen die Ehre Gottes

Haydns Oratorium ist im besten Sinn des Wortes naiv, fast wie ein ungekünstelter Kinderblick auf die Welt. Miltons Schöpfungsepos „Paradise Lost“ setzt den Fokus auf den Sündefall von Adam und Eva und das damit verloren gegangene Paradies. Haydns „Schöpfung“ endet schlichtweg vor dem Sündenfall mit der ersten Liebe von Mann und Frau und dem Lob des Schöpfers. Haydns Blick ist ein noch vom Sündenfall ungebrochener, weil er einen anderen Fokus hat. Es geht eben nicht um „Das verlorenen Paradies“, sondern um „Die Schöpfung“. Seine Musik ist weder mahnend noch moralisierend, sie quillt einfach über vor Staunen und Freude. Sie führt zurück zum Anfang, den wir allzu oft vergessen haben, sie will an die richtige Ordnung erinnern, die wir oft genug missachtet haben. Auch bei Haydn stellt das Menschenpaar zwar den Höhepunkt der Schöpfung dar, aber es ist immer klar, dass über ihnen der noch viel Größere steht, der sie erschaffen hat. Haydns Menschenpaar ist weit entfernt von jeder menschlichen Überheblichkeit, von jeder Hybris, dem selbstverliebten Übermut, der sie die eigene Schöpfung missachten lässt.

Haydns Musik ist auch im guten Sinn naiv, weil sie das Staunen, den Jubel und die Freude auf eine ästhetische Weise vermittelt, die uns berühren kann. Der emotionale Gehalt, wenn wir ihn zulassen, hat seine eigene Wahrheit, jenseits aller Evolutionsdebatten.

Dr. Markus Hofer, Männerbüro

Vollständiges Textbuch: http://opera.stanford.edu/iu/libretti/schoepf.htm



 

JOSEPH HAYDN
Die Schöpfung / The Creation
Hob. XXI:2

ERSTER TEIL

01: Introduktion - Im Anfange schuf Gott

Coro (SATB) / Soli (TB)







1a: Im Anfange schuf Gott

Coro (SATB) / Soli (TB)

Chorstimmen / Choral Parts




02: Nun schwanden / Verzweiflung, Wut

Coro (SATB) / Solo (T)

Chorstimmen / Choral Parts




03: Und Gott machte das Firmament

Basso







04: Mit Staunen / Und laut ertönt

Coro (SATB) / Solo (S)

Chorstimmen / Choral Parts




05: Und Gott sprach: Es sammle sich

Basso







06: Rollend in schäumenden Wellen

Basso







07: Und Gott sprach: Es bringe die Erde Gras

Soprano







08: Nun beut die Flur das frische Grün

Soprano







09: Und die himmlischen Heerscharen

Tenore







10: Stimmt an die Saiten

Coro (SATB)

Chorstimmen / Choral Parts




11: Und Gott sprach: Es sei'n Lichter

Tenore







12: In vollem Glanze steiget jetzt

Tenore







13: Die Himmel erzählen die Ehre Gottes

Coro (SATB) / Soli (STB)

Chorstimmen / Choral Parts

ZWEITER TEIL

14: Und Gott sprach: Es bringe das Wasser

Soprano







15: Auf starkem Fittige schwinget sich

Soprano







16: Und Gott schuf grosse Walfische

Basso







17: Und die Engel rührten ihre Harfen

Basso







18: In holder Anmut stehn

Soprano / Tenore / Basso







19: Der Herr ist gross in seiner Macht

Coro (SATB) / Soli (STB)

Chorstimmen / Choral Parts




20: Und Gott sprach: Es bringe die Erde hervor

Basso







21: Gleich öffnet sich der Erde Schoss

Basso







22: Nun scheint in vollem Glanze der Himmel

Basso







23: Und Gott schuf den Menschen

Tenore







24: Mit Würd' und Hoheit angetan

Tenore







25: Und Gott sah jedes Ding

Basso







26: Vollendet ist das grosse Werk

Coro (SATB)

Chorstimmen / Choral Parts




27: Zu dir, o Herr, blickt alles auf

Soprano / Tenore / Basso







28: Vollendet ist das grosse Werk

Coro (SATB)

Chorstimmen / Choral Parts

DRITTER TEIL

29: Aus Rosenwolken bricht

Tenore







30: Von Deiner Güt / Gesegnet sei

Coro (SATB) / Soli (SB)

Chorstimmen / Choral Parts




31: Der Sterne hellster, o wie schön

Coro (SATB) / Soli (SB)

Chorstimmen / Choral Parts




32: Nun ist die erste Pflicht erfüllt

Soprano / Basso







33: Holde Gattin! Dir zur Seite

Soprano / Basso







34: O glücklich Paar!

Tenore







35: Singt dem Herren alle Stimmen

Coro (SATB) / Soli (STB)

Chorstimmen / Choral Parts

http://opera.stanford.edu/iu/libretti/schoepf.htm

https://www.youtube.com/watch?v=MRhwJkS5lGM - 8 Minuten.

Christmas in Vienna - Joseph Haydn - Die Schöpfung - Die Himmel...

Hochgeladen am 17.12.2010

CHOR MIT TERZETT
ALLE:
Die Himmel erzählen die Ehre Gottes;
Und seiner Hände Werk zeigt an das Firmament.
SOPRAN, TENOR, BASS:
Dem kommenden Tage sagt es der Tag;
Die Nacht, die verschwand, der folgenden Nacht.
ALLE:
Die Himmel erzählen die Ehre Gottes;
Und seiner Hände Werk zeigt an das Firmament.
TERZETT:
In alle Welt ergeht das Wort,
Jedem Ohre klingend,
Keiner Zunge fremd.
ALLE:
Die Himmel erzählen die Ehre Gottes;
Und seiner Hände Werk zeigt an das Firmament.


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