Rechtskunde einführung in das strafrecht der bundesrepublik deutschland anhand von tötungsdelikten



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  • Schuld

Unrecht







Bei erfülltem UTB: Unrechtsausschluss durch Eingreifen von Rechtfertigungsgründen zur Durchsetzung eines vorrangigen Rechtsgutsanspruchs prüfen

= durch Rechtfertigungsgründe (RF) erlaubte Rechtsgutsverletzung?





(+) bei Vorliegen von:

RF-Gründen aus überindividueller Zweckhaftigkeit

(das individuelle Handlungsziel des Täters ist unerheblich;

rechtmäßige Rechtsgutsverletzung, weil der Täter so handeln durfte = keine Straftat)



  • soziale Adäquanz mit Fällen

  1. sicherer Rechtsgutsverletzung (z.B. Boxsport)

  2. möglicher Rechtsgutsverletzung bei Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (z.B. Auto fahren)

  3. staatlich erlaubten, existenzgefährdenden Glücksspiels

  • gebotenes Handeln der Staatsorgane

  • wahrheitsgetreue Parlamentsberichterstattung

  • Kriegshandlungen im Rahmen des Völkerrechts

RF-Gründen aus individueller Zweckverfolgung

(das individuelle Handlungsziel des Täters muss auf vorrangigen Rechtsgüterschutz gerichtet sein)


  • Handeln im dringlichen Interesse des Berechtigten

  • Fälle erlaubter Zweckverfolgung ohne Notlage

  • Handeln auf dienstlichen Befehl bei Ordnungswidrigkeit

  • Handeln zur Rechtsverfolgung im Notfall § 127 StPO

  • Handeln im rechtfertigenden Notstand § 34 StGB

  • Notwehr § 32 StGB

 Unrechtsausschluss durch Rechtfertigung = keine Straftat









P
(-): das Unrecht ist nicht durch Rechtfertigungsgründe ausgeschlossen


rüfungsabfolge bei vollendeten Begehungsdelikten II

Prüfungsabfolge bei vollendeten Begehungsdelikten II

Prüfung des Schuldtatbestandes (STB)

Schuldfähigkeit des Täters zum Zeitpunkt der Tat:

wenn (-):  Der Täter handelte nicht schuldhaft.

Eine Straftat ist nicht gegeben.


wenn (+), aber vermindert:  Der Täter handelte schuldhaft mit verminderter Schuld-

fähigkeit (fakultative Strafminderung nach § 21 StGB)


wenn uneingeschränkt (+):  Von der Schuldfähigkeit des Täters ist auszugehen

Prüfung der subjektiven Zurechnung der Rechtsgutsver-letzung:

Schuld

Schuld




Schuld







je nach den Erfordernissen der jeweiligen gesetzlichen Norm zu prüfende

vorsätzliche oder fahrlässige Begehungsweise,

oder deren Kombination bei erfolgsqualifizierten Delikten







Vorsätzlichkeit (VS):

aktuelles wenigstens unsicheres Tat- und Unrechtsbewusstsein vorhanden

Geschehensablauf so, wie geschehen, für konkret möglich gehalten

kein erheblicher Tatirrtum

„Der Täter hörte nicht auf sein Gewissen“

Fahrlässigkeit (FL):

aktuelles wenigstens unsicheres Tat- und Unrechtsbewusstsein zwar nicht vorhan-den, aber erlangbar; „Potentialität“ (+)

„Der Täter bemühte nicht seinen Verstand und somit nicht sein ‘schlafendes‘ Gewissen“








Tat- und Unrechtsbewusstsein sind zu bejahen. Der Täter handelte vorsätzlich. ODER:

Tat- und Unrechtsbewusstsein wären erlangbar gewesen. Der Täter handelte fahrlässig.

Bei erfolgsqualifizierten Delikten (z.B. Körperverletzung mit Todesfolge):

Der Täter handelte vorsätzlich, der Erfolg wurde fahrlässig verursacht.






(+): Entschuldigungsgründe (E) gegeben bei

Beachtung gleichrangiger Rechtsgutsansprüche;

das moralisch (noch einigermaßen) verständliche Verhalten des Täters wird als verzeihl. hingenommen (»Brett des Karneades«)

 ohne Mindestverwerflichkeit keine Rechtsschuld

und damit keine Straftat, keine Strafbarkeit

E gesetzlich geregelt z.B. in § 35 Entschuldigender Notstand u.

§ 33 Notwehrüberschreitung aus Furcht, Angst oder Schrecken;

übergesetzliche Entschuldigungsgründe aus Pflichtenkollision








(-): Die Schuld ist nicht durch Entschuldigungsgründe ausgeschlossen







falls (+), z.B. durch tätige Reue:

keine Straftat gegeben



falls (-):

 „Der Täter hat sich einer Straftat des/der ... gemäß §(§) ... schuldig gemacht.“

Fall 52


"Pferd tötete Frau im Rollstuhl

dpa Pinneberg - Von einem gallopierenden Pferd wurde die 77 Jah­re alte Rentnerin Emma Sch. aus Bönningstedt in ihrem Roll­stuhl über­rannt und getötet. Nach Auskunft der Polizei kam es zu dem tödli­chen Unfall, als ein Trabrennpferd mit einem 29­jäh­rigen Mann im Sul­ky auf der Straße scheute und durchging."


Mit den Mitteln des Strafrechts werden gravierende Verstöße gegen grundlegende Gebote des gesellschaftlichen Zusammenlebens geahn­det, wenn ein im Moment der Tat schuldfähiger Täter den von einem geschützten Rechtsgut ausgehenden Achtungsanspruch durch eine Handlung als gewolltes Tun verletzt. Das beinhaltet für den Täter zumindest die Möglichkeit der geistigen Teil­ha­be an den Werten der Gesellschaft, gegen die er dann verstößt. Kindern wird eine ausgereifte geistige Teilhabe an den moralischen Standards ihrer Gesellschaftsordnung von unserem Gesetzgeber in strafrecht­li­cher Konsequenz noch nicht zugemutet, Tiere sind dazu nicht in der La­ge. Darum gehören die Fälle 51 und 52 nicht in den Tätig­keitsbe­reich eines Strafrichters. Von Fall 51 ist das ganz klar, Fall 52 könnte zu Ermittlungen Anlass geben, wenn leichtsinniges Ver­halten vorgelegen und den Geschehensablauf ausgelöst oder begünstigt hat. Darüber wird in der Zeitungsnotiz nichts mitgeteilt. Der letzte­re Fall kann eher Zivilrichter beschäftigen, wobei wegen der (nicht mehr zeitgemäßen) Ausgestaltung des § 833 BGB fraglich ist, ob die in diesem Paragraphen geregelte Tierhalterhaftung in dem vorlie­gen­den Fall eingreift, oder ob die geschädigten Hinterbliebenen den Schaden ersatzlos hin­nehmen müssen, weil das Haustier "dem Beruf ... des Tierhalters zu dienen bestimmt ist und ... der Tierhalter bei der Beaufsichti­gung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet" hat; gemeint ist der Rechts- und nicht der Straßenver­kehr! Das zu beurteilen ist eine Frage der näheren Sachverhaltsumstände des zu entscheidenden Einzelfalles, über die Zeitungsnotizen meist nicht genügend Auf­schluss bieten.
Fall 53

"Tod durch LKW-Reifen

Durch einen fliegenden LKW-Reifen starb gestern ein 41jähriger Spe­ditionskaufmann aus Hepstedt auf der Autobahn A1. Unbemerkt hatte sich der Reifen gelöst, war über die Mittelplanke geflo­gen und auf das Autodach des auf der Gegenfahrbahn entgegen­kom­menden PKW-Fahrers aufgeschlagen."
Es wird leider nicht mitgeteilt, weswegen sich der LKW-Reifen und wovon er sich gelöst hat. Wir wollen davon ausgehen, dass der Reifen nicht zur Ladung des LKW, sondern zu seiner Bereifung gehörte. Vielleicht wird dem Fahrer des LKW vor­ge­worfen werden, dass er vor Antritt der Fahrt nicht alle Schrauben seines Fahrzeugs auf festen Sitz hin überprüft hat - aber wer macht das schon? Unterstellt, dass kein Fehlverhalten eines Men­schen vorliegt, sondern Materialermüdung das Unfallgeschehen aus­ge­löst hat, so liegt keine Handlung als gewolltes Tun eines Begehungsdeliktes vor. Damit scheidet Kriminalunrecht aus, und die Angelegenheit wird dann nur noch entweder die Versicherung oder den Zivilrichter beschäftigen. Die Erben des Getöteten werden Schadensersatz aus § 7 StVG erhal­ten, ohne dass dem Halter oder dem Fahrer ein Verschulden an dem Unfall vorgeworfen werden kann und nachgewiesen werden müsste: Wer einen solchen gefährlichen Gegenstand wie ein Auto in den Verkehr bringt und dessen Vorteile nutzt, der unterliegt selbst in den Fällen, in denen ihm kein Verschulden beim Betrieb dieses gefähr­lichen Gegenstandes angelastet werden kann, der wegen dieser grundsätzlichen Gefährlichkeit in § 7 StVG vom Gesetzgeber angeordneten Gefährdungshaftung: Wer einen Vorteil aus dem Betrieb einer gefährlichen Einrichtung zieht, muss auch ohne Verschulden für einen Schaden haften, wenn sich in ihm die Betriebsgefahr aus dem Betreiben der gefährlichen Einrichtung realisiert.
Fall 54

"Mord beim Schlafwandeln: Freispruch

dpa Ottawa. Kanadas Oberster Gerichtshof hat den Freispruch für ei­nen Mann bestätigt, der beim Schlafwandeln seine Schwie­germutter ermordete. Wie die kanadische Presse berichtete, ak­zeptierten die acht Richter einstimmig die Entscheidung eines untergeordneten Gerichts, wonach der Mann klinisch schlief und nicht willentlich handelte.

Kenneth Parks war beim Fernsehen eingeschlafen, fuhr am frü­hen Morgen 23 Kilometer über eine verkehrsreiche Straße zu den Schwie­gereltern, nahm eine Brechstange aus dem Kofferraum, hol­te ein Messer aus der Küche und tötete seine Schwiegermut­ter. Den Schwie­gervater verletzte der Angreifer, der anschlie­ßend zu einer Polizeistation fuhr."79


[Dieser Fall ist zwei Jahrzehnte vorher passiert, bevor laut SPIEGEL ONLINE vom 15.03.07 die US-Bundesbehörde Federal Drug Administration (FDA) vor der Einnahme von 13 sedativ-hypnotischen Medikamenten auf Zolpidem-Basis mit u.a. der speziellen Auswirkung des "sleep driving" - und des Aufweckens von Koma-Patienten - warnte.]
Da zumindest nach teleologischem, auf das Ziel einer jeden Strafbestimmung gerichteten Verständnis beim Begehungsdelikt eine „Handlung“ ein gewoll­tes Tun ist, das als rechtsgutsverletzendes Wil­lensverhalten den Kernbestandteil des Unrechtstatbestandes aus­macht, aber im vorstehenden, schon fast nicht mehr glaubhaften Fall - wer hätte sich so einen Fall auszudenken gewagt? - der Wille des »Nicht-Täters« im Schlaf ausgeschaltet gewesen sein soll und somit kein Bewusst­seins- und Werterlebnis mit gesteuertem Tun vorgelegen habe, entfällt in strafrechtlicher Sicht mangels Hand­lung der bei einem Begehungsdelikt durch eine Handlung als gewolltes Tun zu verwirklichende objektive Tatbestand: "Wer einen Menschen tötet, ... ." Nur die Auswirkungen des unruhigen Schlafes konnten festgestellt werden, nicht aber der im strafjuristischen Sinne für die Bejahung einer (in diesem Falle Tötungs-)Handlung vorauszusetzende Wille zu einer Handlung als gewolltem Tun.

Natürlich drängt sich einem Strafrechtler sofort der Gedanke auf: „Wenn das Schule machen würde!“ Es war abzusehen, wann sich der nächste Mörder - oder sein Anwalt - nach dem Motto: „Man kann es ja mal versuchen, weil es an jedem anderen Argument gebricht“ von dem vorgenannten Fall aus Kanada inspirieren lassen würde. Somnambulismus als stärkstes Argument der Verteidigung bei Kapitalverbrechen! Und tatsächlich fand sich drei Jahre später 1999 folgende Meldung in einer Zeitung:


„Mord im Schlaf?

ap Phoenix Er will seine Frau im Schlaf ermordet haben. Doch die Geschworenen eines Gerichts im US-Staat Arizona haben den Mann für schuldig befunden. Es sei unglaubwürdig, dass jemand 44mal auf seine Frau einsteche, ihr den Kopf unter Wasser drücke und sich eine Wunde verbinde ohne aufzuwachen. Gutachter hatten erklärt, es sei möglich, dass jemand als Schlafwandler solche Taten begehe.“


Wie in Indien die Tötung von Ehefrauen, wenn ihre Mitgift der Familie des Mannes zu klein ist, durch „Verbrennungsunfälle“ am heimatlichen Herd kaschiert werden, so scheint in Amerika die „schlafwandlerische Scheidung“ von inzwischen wohl ungeliebten Ehefrauen immer weiter um sich zu greifen. Die Meldungen nehmen zu:
„Mord im Schlaf

afp Los Angeles – Ein Ehemann, der im Schlaf seine Frau erstochen hat, ist von einem Gericht in Phoenix (US-Staat Arizona) zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Der 43jährige Ingenieur Scott Falater sagte selbst, er habe kein Motiv gehabt. Die Todesstrafe blieb dem Schlafwandler erspart.“ (HH A 12.01.00)


Unangenehm berührt mich dabei die Formulierung solcher Zeitungsmeldungen, mit der die Richtigkeit der von der Verteidigung vorgebrachten Argumente oder Schutzbehauptungen konkludent und unterschwellig einfach unterstellt wird. Denn wenn der angebliche(?) Schlafwandler ein wirklicher war, dann dürfte er - jedenfalls nach deutschem Recht - nicht verurteilt werden.
Inzwischen weiß die Wissenschaft von so genannten »Gewaltschläfern«: Es handelt sich um Männer und Frauen, bei denen die Träume nicht wie bei Gesunden körperlich bewegungslos ablaufen. Auf Grund dieses Defektes in ihrem Nervensystem verhalten sie sich meist in der morgendlichen Tiefschlafphase ausgesprochen aggressiv gegenüber ihrem Bettgenossen oder ihrer Bettgenossin, ohne sich später daran erinnern zu können, wie sie ihre Träume durch bewusstseinslose Aggressivität von einfachen Körperverletzungen bis hin zu Würgeversuchen mit blauen Flecken am Hals des Opfers oder jahrelangen morgendlichen Vergewaltigungen der Ehefrau und anderem »Gewalt-Sex« – schuldlos(!) – ausgelebt haben.
Somnambules Verhalten und dabei auch noch in ein anderes Zimmer gehen ist jedoch etwas anderes, als »Gewaltschläferei«, wie die Wissenschaft sie nun entdeckt zu haben glaubt, die bisher im selben Bett stattfand. Da fühlt sich meine grundsätzliche Gutgläubigkeit doch arg strapaziert!

Man weiß von Hausfrauen, die schlafwandelnd Möbel abstauben, einem Bäcker, der seinen Backofen anheizt und einem Kind, das im Fluss schwimmen geht. Doch das sind alles alltägliche Verrichtungen, die schlafwandelnd wiederholt werden. Aber, wie in Fall 54, schlafwandelnd über 20 km ein Auto durch nicht unerheblichen Verkehr zu steuern, Menschen lebensbedrohend anzugreifen, sogar zu töten und dann zielgerichtet zur Polizei zu fahren - alles keine Tätigkeiten, die durch alltägliche Verrichtung mehr oder minder automatisierte Vorgänge wiederholen -, das stellt zu hohe Anforderungen an meine durchaus vorhandene Gutgläubigkeit!

Und Zweifel nagen an mir, wenn ich lese:
Schlafwandler haftet nicht für Vergewaltigung

Ein Gericht sprach 05 einen 22-jährigen Briten frei, weil er bei der Tat fest geschlafen habe und deshalb unzurechnungsfähig gewesen sei.

In der nordenglischen Stadt York ist ein Mann freigesprochen worden, der im Zustand des Schlafwandelns drei Frauen vergewaltigt hatte. Das Urteil stützte sich auf ein Expertengutachten, demzufolge der Angeklagte seit dem 13. Lebensjahr an Somnambulie leidet. Das Geschworenengericht entschied deshalb auf Freispruch.

Der 22jährige Brite war mit einer gleichaltrigen Frau ausgegangen und hatte sie eingeladen, bei sich zu übernachten. Er bot ihr, Kavalier wie er sein konnte, sein Bett an und legte sich selbst auf das Sofa im Nebenzimmer. In der Nacht wurde die junge Frau wach, als der Hausherr ihr bereits ihre Hose ausgezogen hatte und schon den Geschlechtsakt vollzog. Sie habe vergeblich versucht, sich zu wehren. (Und heftige Gegenwehr soll einen Schlafwandler nicht wachmachen?)

Die Verteidiger räumten zwar ein, dass der Brite mit dem Opfer sexuelle Handlungen vollzogen habe. Wie sie vortrugen sei dies dem schlafwandelnden Angeklagten aber nicht bewusst gewesen! Nach dem Akt sei der Mann wieder in regungslosen Schlaf verfallen. Er habe keinerlei Erinnerung an die Vergewaltigung. (Was hatte er dann davon? Wieso hat sein Körper dann angeblich so reagiert, dass er die Frau trotz Gegenwehr vergewaltigen konnte?)

Die Mutter des Angeklagten trat im Prozeß als Zeugin auf. Sie bestätigte, dass ihr Sohn an Somnambulie leide. Auch sie selbst, ihre beiden älteren Schwestern und ihr Neffe wandelten im Schlaf, so die Mutter.

Der geschilderte Fall ist die dritte Vergewaltigung, die dem Briten angelastet wird. Die beiden anderen liefen nach ähnlichem Muster ab. In allen drei Fällen wurde der Brite wegen des Somnambulie-Befundes der Ärzte freigesprochen.

(Und das Gericht hat dem Beschuldigten nicht schon anlässlich der Verhandlung des ersten Vorfalls zur Auflage gemacht, nach Barbesuchen, wenn er noch nicht schläft, keine »fremden« Frauen mehr zu sich mit nach Hause zu nehmen?! Wenn jemand krankheitsbedingt nach Alkoholgenuss auszurasten pflegt, dann kann das beim ersten Vorfall noch hingenommen werden, aber er bekommt die »gelbe Karte« gezeigt: Kein Alkohol mehr, da ihm nunmehr auf Grund des ersten Vorfalls seine Neigung zu alkoholbedingter Aggressivität bekannt ist! Beim zweiten gleichgelagerten Vorfall handelt er sich aus dem Gesichtspunkt der actio illicita in causa, der im Ursprung unerlaubten Tat, berechtigterweise eine Verurteilung ein.)

Ein ähnliches Urteil hat ein Gericht im kanadischen Toronto Anfang Dezember gefällt. Auch dort wurde einem 33-Jährigen vorgeworfen, im Schlaf eine Frau vergewaltigt zu haben. Beide hatten zuvor viel Alkohol getrunken. Ein Schlafexperte diagnostizierte bei dem Beschuldigten eine besondere Art des Schlafwandelns namens Sexsomnia. Sie werde durch starken Alkoholgenuß, Schlafentzug oder genetische Veranlagung hervorgerufen. Infolge der Diagnose wurde der Angeklagte freigesprochen.

Immer wieder führen Gutachten von Schlafexperten zu spektakulären Urteilen. Im März dieses Jahres lief in Großbritannien ein Prozeß gegen einen 32-Jährigen, dem vorgeworfen wurde, seinen Vater zu Tode geprügelt zu haben. In der Tatnacht schlafwandelte der Mann und geriet in diesem Zustand in einen heftigen Streit mit seinem Vater. Obwohl die Beweislage eindeutig war, sprach das Gericht in Manchester ihn frei. Ein Expertengutachten überzeugte die Richter, dass der Angeklagte zur Tatzeit unzurechnungsfähig war. (Selbst heftigste Gegenwehr eines um sein Leben kämpfenden Mannes soll nicht in der Lage sein, einen Somnambulen aus seinem Tiefschlaf zu reißen?) Der Beschuldigte wurde in die Psychiatrie eingewiesen.


Da die Briten an Schlossgespenster und seit Jahrhunderten in Schlössern lebende „weiße Frauen“ glauben, verwundert es nicht, dass die Richter einem Angeklagten sein Vorbringen abnahmen, er habe eine Frau schlafwandelnd - und damit schuldlos(!) – vergewaltigt. Und das zum dritten Mal: Die Freisprüche laden ja geradezu zu Wiederholungstaten ein! Es ist erstaunlich, dass seine Richter ihn ein zweites und drittes Mal mit seinem Verteidigungsvorbringen durch die Maschen des Gesetzes haben durchrutschen lassen: Wenn es so ist, wie er behauptet, dann darf er keine Frau mehr mit zu sich nehmen, da er ja vom ersten einschlägigen Vorfall her weiß, was sein Körper macht, wenn eine Frau in seiner Nähe schläft. Oder er soll sich mit einer Kette und Handschellen an sein Bett fesseln, wenn er Besuch mitnimmt!

Aber da es »schlafende Zwangsbeischläfer« gegenüber ihren gewohnten Bettgenossinnen geben soll oder gibt, ist ja vielleicht doch etwas an dem zur Verteidigung Vorgebrachten dran.

Und was ein Brite kann, das kann ein stolzer Spanier schon lange:
„Schlafwandler im falschen Bett

Sevilla – Ein Spanier aus Sevilla, der wegen sexuellen Missbrauchs seiner Nachbarin zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden war, ist jetzt in der Berufung freigesprochen worden. Begründung: Er war als Schlafwandler unterwegs und somit nicht für die Tat verantwortlich. (SAD)“

(HH A 10.04.03)


Was manche Männer können, können manche Frauen schon lange, viel länger und viel öfter. Und wer glaubt, dass das Küssen von Fröschen verwunschene Prinzen in ihre menschliche Gestalt zurückverwandelt, der glaubt auch:
Frau merkte nichts vom Sex

Sydney - Eine Schlafwandlerin in Australien hat nach eigenen Angaben nichts davon gemerkt, daß sie nachts regelmäßig Sex mit fremden Männern hatte, die zufällig vorbeikamen. Ihr Psychiater Peter Buchanan sagte der Zeitung "Morning Herald" in Sydney, diese Art der Störung werde in jüngster Zeit verstärkt diagnostiziert und laufe unter der Bezeichnung "Sexualität im Zustand des Schlafes". Die Frau habe absolut nichts von ihren nächtlichen Abenteuern gemerkt - bis ihr Ehemann sie dabei überrascht habe. Er war stutzig geworden, weil rings um das Haus immer mehr Kondome lagen. afp“ (HH A 15.10.04)

Doch zurück zu unserem momentanen Untersuchungsgegenstand. Selbst wenn eine Handlung als gewolltes Tun und ein darauf zurückführbarer Todes»erfolg« gegeben ist, muss nicht zwangsläufig eine strafwürdige Rechtsgutsverletzung vorliegen:


Fall 55

Zwei Trapper, A und B, werden in der Nacht während des Schlafs in ih­rem Zelt von einem Bären überfallen. Während der Bär den A in den Pran­ken hält, gelingt es B, das für den Fall der Fälle immer neben seinem Schlafsack lie­gende Gewehr zu ergreifen. Im Bewusstsein der Gefahr, dass er den A mit dem Schuss töten könnte, schießt B trotz des schlech­ten Büchsen­lichtes auf den Bären, bevor der den A ganz zer­flei­schen kann. Es kommt, wie es kommen muss, damit es über­haupt ein Strafrechtsfall werden kann: B ist eben B und nicht der Max aus dem Freischütz mit einer Freikugel. Wegen des wo­gen­den Kampfverlaufes in dem engen Zelt war A im Moment des Abdrückens in die Schussbahn geraten und wurde so von der Kugel töd­lich getrof­fen.

Strafbarkeit des B?
Lösungsskizze:

(I) B schießt auf den Bären, wohl wissend, dass er dabei den von dem Bären in den Pranken gehaltenen A töten könne. A wird durch den Schuss getötet.

(1) Zu prüfen ist Totschlag gemäß § 212.

(a) UTB


Die Anwendung des UTB des § 212 erfordert, dass ein (anderer) Mensch getötet wurde. Das hat B getan, als er auf den Bären schoss, dabei in Kauf nahm, den A tödlich zu treffen und ihn auch getötet hat. Eine Handlung als gewolltes Tun liegt in dem Abdrücken vor. Sie führte zu der Rechtsgutsverletzung. In dem Tod von A realisier­te sich die durch den Schuss des B geschaf­fe­ne Gefahr. Der eingetretene Todeserfolg ist damit der Hand­lung des B objektiv zu­zurechnen.

B handelte aber mit dem Willensziel, für das Leben des A die letzte Rettungschance wahrzunehmen. Wenn A noch zu retten ge­wesen wäre, dann nur durch diesen Schuss. Darum ist trotz des durch diesen Schuss des B verursachten Todes des A der UTB des § 212 nicht erfüllt. Eine Straftat des Totschlags liegt nicht vor.


„Tierarzt erschossen

ap Warschau – Tragödie um einen Tierarzt in Polen. Beim Versuch, einen entlaufenen Zirkustiger einzuschläfern, geriet der Mann in den Kugelhagel der Polizei. Die Beamten hatten das Feuer eröffnet, als die Raubkatze den Tierarzt plötzlich anfiel. Jetzt sind beide tot.“

(HH Abendblatt 15.03.00)



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