Rechtskunde einführung in das strafrecht der bundesrepublik deutschland anhand von tötungsdelikten



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3. Tateinheit und Tatmehrheit

Das meiste, was zu diesen Begriffen gesagt werden könnte, muss wegge­las­sen werden, um die vorliegende Einführung in die strafrechtliche Arbeits­weise als eine sich auf das Wichtigste beschränkende Einführung lesbar zu halten. Bei Bedarf an weiterführenden Informationen zu den Problemkreisen Tateinheit und Tatmehrheit geben dicke Lehrbücher unter diesen Stichwörtern oder eigenständige Spezialabhandlungen (im doppelten Wortsinne:) sehr erschöpfend darüber Auskunft. Für ein Grundverständnis reichen hoffentlich die nachfolgenden Hinweise, die nur eine erste Orientierung, ein Anfangswissen ermöglichen sollen.


Wenn ein Sprayer einen Eisenbahnwaggon der Bahn oder jemandem die Hauswand mit einem Sprühstoß Far­­be beschmiert, hat er offenkundig nur einmal gehandelt, und es liegt nur eine Straftat der Sachbeschädigung vor. So weit, so einsichtig.

Sprüht er für ein Bild oder »Tagg« mehrfach und vielleicht mit farblich verschiedenen Dosen und sprüht er dabei die Wand ziemlich voll, dann hat er die Wand an mehre­ren Stellen durch mehrere Handlungen beschmiert, die von ihm aber nur als Teilakte seines von ihm von vornherein so geplanten Gesamt»kunstwerkes« angesehen werden. Diese so gesehenen Teilakte der ärgerlichen Gesamtschmiererei – warum sollte ein Eigentümer die gegen seinen Willen vorgenommenen Schmierereien hinnehmen oder sie unter oft unverhältnismäßig hohem Kostenaufwand von Fachfirmen beseitigen lassen müssen, was dann z.B. wegen der (völlig unnötigen) Kostenbelastung auch die Fahrkartenpreise der Bahn nach oben drückt? - werden im Rechtssinne auch nur als eine einzige in natürlicher Handlungseinheit begangene Sachbeschä­di­gung bewertet und - wenn man den Schmierfinken erwischt - als eine solche abgeurteilt. Durch die Rechtskonstruktion „natürliche Handlungseinheit“ werden also mehrere in engem räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehende Handlungen rechtlich gesehen zu nur einer einheitlichen Rechtsgutsverletzung, zu einer rechtlich einzigen Handlung und damit zu nur einer Straftat zusammengefasst: T verpasst O - links, rechts - eine Dublette. Trotz der zwei Schläge wird nur eine Körperverletzung angeklagt werden, da sich die an sich tatsächlich ge­gebene Mehrzahl der Handlungen als willensmäßige Einheit dar­stellt und in sehr engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang abgespielt hat: Nur § 223 im Falle der Dublette, § 303 im Falle des Sprayers.


Anders würde es im Falle des Sprayers gewertet, wenn das Früchtchen jede ihm mögliche Nacht seinen Rucksack voll Spraydosen packt, sich aus der elterlichen Wohnung davonschleicht - wieso kriegen die Eltern das nie mit? -, durch die Straßen zieht, überall seine Schmierereien anbringt und dabei an einer in vorherigen Nächten schon einmal besprühten Wand vorbeikommt, eine leere Stelle für weitere Schmierereien sieht und sich nun - losgelöst von seinen bisher dort schon vorhandenen Schmierereien - in dieser Nacht neu entschließt, den bisher verbliebenen Raum für weitere Farbschmierereien zu nutzen. Dann kann nach mehreren nächtlichen Sprühorgien die Wand genau so vollgeschmiert sein, als wenn er die Wand gleich im ersten Angriff ganz vollgeschmiert hätte. Diese wiederholten Taten mit jeweils eigenem Entschluss zur Deliktsverwirklichung würden dann aber als jeweils einzelne, in Tatmehrheit begangene Sachbeschädigungen gewertet und abgeurteilt: §§ 303; 53 in x Fällen.
Zu der ersteren rechtlichen Bewertung nur einer Sachbeschädigung neigten die Gerichte wieder, wenn der Schmierfink in der ersten Nacht bei seinen Schmierereien durch Passanten, Wächter oder die Polizei ge­stört worden ist, behände wie die Jungens sind blitzschnell verduftete und in einer der nächsten Nächte zurückkehrte, um sein damals schon so geplantes Gesamt»kunstwerk« nunmehr zu vollenden. „Was ein Mann angefangen hat, muss ein Mann auch beenden!“

Wegen des »durchgehenden« Tatentschlusses für beide nächtlichen Anläufe wurde bis 1994 wieder nur von einer einzigen Tat ausgegangen, die so gewertet wurde, dass sie in einem Fortsetzungszusammenhang begangen worden sei. (1994 schaffte der BGH diese schon zu Beginn der Neuzeit von den Hexenjägern85 erfundene und angewandte Rechtsfigur des Fortsetzungszusammenhanges ab. Sie wird hier trotzdem noch abgehandelt, um die Strukturen der jahrelang benutzten Denkfigur – nachträglich – deutlich zu machen, denn daraus lässt sich auch etwas lernen.)

Als einschränkende Voraussetzungen für die Annahme des Vorliegens einer Fortsetzungstat wurde von Lehre und Rechtsprechung angenommen: a) Jede Handlung hatte übereinstimmende Merkmale einer Straftat aufzuweisen, b) ausschließlich dasselbe Rechtsgut wurde verletzt, c) das betroffene Rechtsgut durfte nicht zu den „höchstpersönlichen“, d.h., unübertragbaren Lebensgütern des Einzelnen und zu den bedeutsamen Gütern der Allgemeinheit gehören (also nicht anwendbar bei Mord, Totschlag, Körperverletzung, Beleidigung, Freiheitsberaubung wenn mehrere Personen betroffen sind), d) jeder Teilakt musste gleichartig sein, e) jeder Teilakt musste in einem „gewissen“ zeitlichen und räumlichen, nicht zu weit auseinanderliegenden Zusammenhang mit den anderen stehen und musste f) mit den anderen Teilakten von einem Gesamtvorsatz umfasst sein.

Die Gegner dieser Rechtsfigur wandten jahrelang erfolglos ein, dass solche, mit wesentlich größerer krimineller Energie als ein nur einmal einer Versuchung erlegener Einfachtäter vorgehenden Mehrfachtäter unverdientermaßen einen erheblichen „Mengenrabatt“ zugestanden erhielten. Das vereinfachte das Verfahren teilweise wesentlich: In einem wegen unrichtig erstellter Rechnungen in Höhe von mehr als 10 Millionen Mark in Gang gesetzten Betrugsverfahren gegen die »Glas-Mafia« des Hamburger Universitätskrankenhauses waren ungefähr 20.000 Einzelfälle bekannt geworden. Die im Oktober 1993 eingereichte Anklageschrift musste nach Abschaffung der Rechtsfigur des Fortsetzungszusammenhanges durch den BGH im Mai 1994 unter erheblichen Mühen umgeschrieben werden, wobei sich die StA dann auf 2.500 Einzelfälle beschränkte. Aber auch schon dieses eine Zehntel der bekannt gewordenen Einzelvorfälle aufzulisten – und in der Hauptverhandlung womöglich alle vorzulesen – ist eine ungeheure Arbeit!


Wenn ein anderer Täter einem Nachbarn: "Du Mistkerl!", nachruft, hat auch er nur einmal gehandelt, und es liegt auch jetzt nur eine Straf­tat, nämlich die der Beleidigung, vor. Das Ergebnis bleibt gleich, wenn sich dieser Täter nicht nur einmal unangemessen durch die Kund­ga­be von Missachtung äußert, sondern gleich eine (einmalige) Schimpfkanonade loslässt: nur eine in natürlicher Handlungseinheit begangene Straftat der Beleidigung. Das war eingangs dieses Kapitels erarbeitet worden.
Sprüht aber unser erster Täter nächtens mit Farbe nicht seine wirren künstlerischen Empfindungen an die Wand des Nachbarn, sondern - gleichgültig, ob zu Recht, oder verunglimpfend zu Unrecht -: "N ist ein Mistkerl", so hat T zwar auch dieses Mal trotz mehrfachen Ansetzens beim Sprayen im Rechtssinne nur einmal gehandelt, aber er hat durch diese eine Handlung gleich zwei verschiedene Rechtsgüter verletzt: Er hat mit dieser einen Handlung in "Tat­ein­heit" gemäß § 52 sowohl eine Sachbeschädigung als auch eine Belei­di­gung begangen: §§ 185, 303; 52.

Wenn man noch feiner differenzieren will, spricht man in einem solchen Fall der Verletzung von mehreren verschiedenartigen Rechtsgütern durch nur eine Handlung von einer ungleichartigen Tateinheit.

Ein Täter, der in einer Bank einen gestohlenen Scheck ausfüllt, ihn dem Bankan­gestellten zusammen mit der Scheckkarte zur Einlösung vorlegt und trotz der nachgemachten Unterschrift Geld erhält, hat mit diesem Vorgehen in der Bank in Tatein­heit eine Urkundenfälschung und einen Betrug begangen.

Beide De­lik­te, das der Urkundenfälschung und das des Betruges, müssen nicht notwendig deliktstypisch zusammen begangen werden. Man kann sowohl jemanden ohne gefälschten Scheck betrügen, indem man ihm sein Geld durch Vorspiegelung falscher Tatsachen zum Zwecke einer unberechtigten Vermögensvermehrung z.B. beim gezinkten Karten- oder manipulierten Glücks­spiel abluchst, wie auch ohne das Ziel des Betruges ei­ne Unterschrift nachmachen, z.B. auf einem Passier­schein zur Täuschung der Werkskontrolle.

Aber in dem eben gebildeten Beispiel war der Betrug unter Verwendung eines Schecks mit gefälschter Unterschrift geschehen. Es lag darum ungleichartige Tat­ein­heit vor. Der Täter wird wegen der tateinheitlichen Begehung bei­der Delikte gemäß §§ 263, 267; 52 bestraft. Beide Delikte und ihre Verknüpfung durch Tateinheit werden im Urteilsspruch be­nannt.
Ebenfalls ungleichartige Tateinheit liegt z.B. auch in dem folgenden Fall vor, obwohl zwei verschiedene Personen, eine davon tödlich, verletzt worden sind:
"Geständnis des Todesschützen

Der türkische Imbiss-Besitzer Mustafa A. (42) hat gestern gestanden, die tödliche Kugel auf den Flohmarktbesucher Werner H. (58) abgefeuert zu haben. A. hatte am Sonntag - wie berichtet - auf dem Norderstedter Flohmarkt im Streit mit seiner Pistole auf den Kopf eines Landsmannes gezielt. Das Projektil hatte Wangen und Mund des Landsmannes durchschlagen und dann einen hinter diesem stehenden völlig unbeteiligten Familienvater tödlich in den Kopf getroffen."


Hier sind - neben einem eventuell ebenfalls einschlägigen, in Tatmehrheit begangenen Waf­fenbesitzdelikt - versuchter Totschlag (möglicherweise in einem minder schweren Fall) und vollendete gefähr­liche Körperverlet­zung an dem Landsmann, sowie fahrlässige Tötung des Unbetei­lig­ten in Tateinheit begangen worden: §§212, (213), 22, 23, 223 a, 222; 52.
Hätte der aufgebrachte Schütze der vorstehenden Zeitungsmeldung mit seinem einen Schuss gleich beide Opfer tödlich getroffen – und er war nicht weit davon entfernt, dieses noch größere Unheil anzurichten – dann wäre zwar nur eine Strafnorm, die aber wegen des höchstpersönlichen Rechtsgutes Leben gleich zweimal verletzt worden: In Tateinheit begangene zweifache Tötung gemäß §§ 212; 52.

In einem solchen Fall, dass in einem Tatkomplex durch eine Handlung ein und dasselbe Delikt mehrfach verwirklicht wird, spricht man von einer gleichartigen Tateinheit.


Die Fallgestalt der Tatmehrheit war zu Abgrenzungsüberlegungen gegenüber der ihr entgegengesetzten gedanklichen Konstruktion der Tateinheit schon angesprochen worden. Sie liegt - in Erweiterung dessen, was bisher dazu erklärt worden ist - aber nicht nur dann vor, wenn in verschiedenen Handlungsansätzen - wie in dem Eingangsbeispiel der in verschiedenen Nächten mittels Spraydosen wahllos durchgeführten Schmierereien als Beispielsfall gebildet - immer nur ein bestimmtes Delikt wiederholt verwirklicht wird, der junge Mann also z.B. nur als manischer Sprayer mehrfach deliktisch in Erscheinung tritt.

Auch wenn ein Täter z.B. erst irgendwo einen Betrug und dann irgendwann später eine Körperverletzung durch eine zünftige Wirtshausprügelei begangen hat und die verschiedenen Delikte nacheinander oder zusammen ent­deckt und darum auch zusammen verhan­delt werden, so wird er wegen eines in Tatmehrheit begangenen Betruges und einer Körperverletzung gemäß §§ 263, 223; 53 angeklagt.

Tatmehrheit ist also – und zahlenmäßig vermutlich am häufigsten – nicht nur bei der andauernden Verwirklichung immer nur ein und desselben Deliktes möglich, sondern auch in der Form, dass verschiedene Rechtsgüter durch verschiedene Handlungen zu unterschiedlichen Zeiten verletzt worden sind.
Wie im Einzelfall entschieden wird, ist in das Belieben des erkennenden Gerichts gestellt, wobei die Positionen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung durch die vorstehend aufgezeigten juristischen Konstruktionen und deren Auswirkungen ziemlich sicher vorgegeben sind: Wenn der schlechte Schütze T mit sechs Schüssen kurz hinter­ein­ander vergeblich O zu tö­ten versucht, liegt strafrechtlich gesehen nur ein in na­tür­licher Handlungseinheit begangener Tötungsversuch vor. Das ist unstreitig. Anders konnte es sein - und hier kam nun das beliebende Bewerten zum Tragen -, wenn T jeden Tag einen Schuss auf den vorbeifahren­den O abgefeuert und dabei sechsmal daneben geschossen hatte: Hat­te er sich jeden Tag erneut zu einem Anschlag entschlossen, so lagen sechs einzelne in Tatmehrheit begangene Tötungsversuche vor, denn sechsmal hatte T den vom Rechtsgut Leben des O ausgehenden Ach­tungsanspruch missachtet. Konnte T glaubwürdig behaupten, von vornherein felsenfest vorgehabt zu haben, sei­ne Anschläge auf jeden Fall bis zum für O bitteren Ende durchzu­füh­ren, konnte, da sich der Angriff immer nur gegen dieselbe Person richtete und er auf einer durchgehenden Handlungsmotivation basierte, unter Zuhilfenahme der gedanklichen Krücke des Fortsetzungszusammenhanges nur ein Tötungsversuch angenommen werden - aber nicht unbedingt müssen. (Da war dann der Rechtsanwalt des T beim Aufbau der Verteidigungsstrategie gefor­dert, damit sein Mandant die geringstmögliche Strafe auferlegt erhalte. Dafür musste aber T in der ersten polizeilichen Vernehmung ohne Rücksprachemöglichkeit mit einem Anwalt zunächst jede Aussage verweigert haben! "In du­bio pro reo!" war dem T dann kaum zu widerlegen, dass er mit den insgesamt sechs Schüssen an sechs verschiedenen Tagen nur einen von einem durchgängigen Tatentschluss getragenen Tötungsversuch un­ternommen habe. So billig will der BGH aber keinen mit erheblicher krimineller Energie handelnden Täter mehr davonkommen lassen.)
Aids

5000 Männer angesteckt

SAD Rom – Eine italienische Prostituierte, die seit zwei Jahren an Aids erkrankt ist, könnte mindestens 5000 Männer mit dem HI-Virus angesteckt haben. Guiseppina Barbiera (48) aus Lido di Dante bei Ravenna arbeitete ohne Kondom. Sie wusste von ihrer Infektion, hatte bis zu acht Kunden am Abend, die sie vor dem Gericht und am Bahnhof des kleinen Adria-Ortes fand. Inzwischen wird die Frau stationär behandelt. Die Polizei veröffentlichte ihr Foto und richtete ein Info-Telefon für die Freier ein.“
„Was eine Frau tun muss, muss eine Frau tun.“ Die gleiche Mentalität wie vordem schon auf Männerseite der deutsche Seemann in Thailand.

Von dem psychologischen Aspekt zu dem juristischen - aber nicht deswegen, weil die Schöne des Abends der Zeitungsmeldung zufolge ihre Kunden mit Vorliebe vor dem Gericht aufgabelte, sondern zur juristischen Erörterung ihres gemeingefährlichen Liebesdienstes an jedem Nächsten, dessen sie habhaft werden konnte: Abzuwägen war bei der Beurteilung der Begehungsform nach deutschem Recht bis 1994 die Annahme von Tateinheit in der Form einer Fortsetzungstat oder sonst Tatmehrheit, die abgrenzend zu erörtern und zu bewerten gewesen waren. (Es ist interessant festzustellen, wie ein bestimmtes juristisches Problem in verschiedenen Ländern oder sogar Rechtskreisen gelöst wird. Vielleicht existiert im italienischen Recht aus Gründen der Prozessökonomie eine Rechtsfigur, die der bis 1994 in Deutschland angewandten des „Fortsetzungszusammenhanges“ entspricht.) In diesem Fall wäre aber eine Fortsetzungstat auf jeden Fall zu verneinen gewesen, weil nicht alle der von den Verfechtern dieser Rechtsfigur als Voraussetzung für die Annahme einer Fortsetzungstat als erforderlich angesehenen, vorstehend aufgeführten Bedingungen erfüllt waren: a) Jede Handlung weist zwar übereinstimmende Merkmale einer Straftat auf, b) dasselbe Rechtsgut Körperintegrität eines Menschen ist auch verletzt, aber c) gehört das verletzte Rechtsgut zu den unübertragbaren, „höchstpersönlichen“ Rechtsgütern des Einzelnen, sodass an dieser Stelle die Prüfung mit dem Ergebnis abgebrochen werden konnte, dass keine Fortsetzungstat angenommen werden durfte, die italienischen Richter, wenn es in ihrem Recht eine der deutschen Fortsetzungstat entsprechende Rechtsfigur mit gleichen Voraussetzungen geben sollte, folglich also alle ca. 5.000 Taten als in Tatmehrheit begangene Einzeltaten anklagen müssten. Sie werden sich schon allein aus Gründen der Prozessökonomie auf eine geringere Anzahl beschränken und nicht alle Zeugen vorladen und anhören! Außerdem wird nicht jeder angesteckte Mann als Zeuge zur Verfügung stehen wollen. Auch wenn die beiden fehlenden Voraussetzungen als gegeben angenommen werden können: d) jeder Teilakt muss gleich sein - für diesen Akt zahlten die Männer ja - und e) war jeder (Teil-)Akt von Seiten der lebenden Bombe vermutlich von dem Gesamtvorsatz umfasst, möglichst viele Männer anzustecken, vermutlich aus Rache, weil einer sie selber infiziert haben könnte, so genügte es für den Ausschluss der Annahme einer Fortsetzungstat, dass eine der Bedingungen nicht erfüllt war.

So arbeiten die Juristen auch, wenn sie überprüfen, ob ein bestimmter gesetzlich vorgegebener Tatbestand erfüllt ist: Kann eine der Voraussetzungen nicht bejaht werden, scheitert an dieser fehlenden Voraussetzung die Annahme des geprüften Paragraphen.
Wenn ein Täter einen Menschen durch einen Stich ins Herz tötet, dann begeht er genaugenommen im zeitlichen Ablauf - wenn das Geschehen sich nicht am FKK-Strand oder nackicht im Bett oder sonst wie hüllenlos abspielt - nacheinander eventuell eine Sachbeschädigung an der Kleidung, dann auf jeden Fall eine gefährliche Körperver­letzung durch das Zerschneiden der Haut und des Fleisches mittels eines Messers und zuletzt eine Tötung. Diese deliktstypisch so miteinander verwobenen verschiedenen Rechtsgutsverletzungen könnten theoretisch in den Zusammenhang einer tateinheitlichen Begehung gestellt werden. Doch in diesem Beispielsfall sind die Sachbeschädigung an der Kleidung und auf jeden Fall die gefährliche Körperverletzung notwendige "Durchgangsdelikte" für die voll­endete Tötung. In einem solchen Fall werden die beiden notwendigen Durchgangsdelik­te auf dem Weg zur Tötung als mitbestrafte Vortat angesehen und gelten bei einer Verurteilung wegen der vollendeten Tötung durch den Strafausspruch bezüglich des schwersten Deliktes als mitabgegolten: nur § 212. Man sagt, die notwendigen deliktstypischen Vortaten seien durch die Bestrafung der Haupttat "konsumiert". Wann das der Fall ist, ist - wen wundert's bei den Juristen - teilweise umstritten. Strafrechtskommen­tare geben darüber Aufschluss.
Wenn aber die Tötung nicht vollendet wird, sondern nur Versuch bleibt, dabei aber das Opfer verletzt wird, dann gilt die vollen­dete u.U. gefährliche oder gar schwere Körperverletzung neben der versuchten Tötung nicht als konsumiert. Der Täter wird wegen in Tateinheit begangener voll­endeter (eventuell gefährlicher oder schwerer) Körperverlet­zung und versuchter Tötung bestraft wer­den, obwohl der Tötungsver­such genau so hoch bestraft werden kann wie eine vollendete Tö­tung, und damit von der Strafhöhe her kein Grund bestände, die Körperverletzung extra auszuweisen und in Anrechnung zu bringen. Der Grund dafür, dass bei einer versuchten Tötung eine eventuell damit einhergehende vollendete Körperverletzung nicht als konsu­miert gilt, liegt darin, dass nicht jeder Tötungsversuch deliktsnotwendig eine vollendete Körperverletzung beinhaltet: T versucht, O zu er­schießen, schießt aber vorbei; O kann unverletzt entkommen.
Nach den vorstehenden, zur Erklärung der juristisch-gedanklichen Strukturen konstruierten Fällen nun zur gedanklichen Überprüfung und abrundenden Wiederholung einige tatsächlich passierte Fälle aus diesem Problemkreis:
"Ende einer Ehe: Acht Mordversuche

rtr Sydney - Erst mischte sie ihm Rattengift in den Orangen­saft, dann in die Milch - er überlebte. Acht Mordanschläge in 15 Monaten verübte Roseanne Catt (44) auf ihren Mann Barry. Sie zertrümmerte einen Baseballschläger auf seinem Rücken, schlug ihm einen Stein­brocken über den Kopf, stach mit einem Messer auf ihn ein. Alles schlug fehl. Schließlich bat sie zwei Freunde, ihren Mann zu töten - doch die gingen zur Poli­zei.

Jetzt verurteilte der Oberste Gerichtshof von Sydney Rose­anne Catt zu zwölf Jahren Gefängnis. ... Barry Catt: "Sie war schlimmer als der Teufel persönlich, wenn der Teufel eine Frau ist."
Der Ausy erwies sich mit seinen herausragenden Nehmer­qua­litäten – auf Grund von viel Kängurufleisch? - als außergewöhnlich leidensfähig! Nach mög­lichen Risi­ken und Nebenwirkungen einer Ehe fragen sie am be­sten ihren Rechtsanwalt oder Strafrichter!

Auch hier würde wohl von Verteidigerseite nach deutschem Recht auf einen einzelnen, in "natürlicher Handlungseinheit" begangenen Mordversuch auf jeden Fall plädiert und vom Gericht vielleicht auch erkannt werden. Das muss aber nicht so sein.


Auch in den folgenden Fällen konnte wegen des zwar über die Jahre hinweg aber Mal für Mal durchgängigen Tatentschlusses – dafür spricht z.B. die Häufigkeit und Regelmäßigkeit der Deliktsbegehung - bezüglich dieser einen Person von nur einer in Fortsetzungszusammenhang begangenen Tat ausgegangen worden sein: Der einheitliche Vorsatz des Täters und die in unschöner Regelmäßigkeit wiederholte Erfüllung des gleichen Tatbestandes in zwar gegenüber der natürlichen Handlungseinheit sehr gelockertem, gleichwohl aber noch so eng bestehendem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang, dass unter der Annahme einer Fortsetzungstat nicht selbständige Einzeltaten vorliegen mussten, ließen die verschiedenen Einzelhandlungen als in Fortsetzungszusammenhang begangene und darum rechtlich als Einheit bewertbare Tat erscheinen.

Nach dem langjährigen „Bohren dieses dicken Brettes“ Abschaffung der Rechtsfigur Fortsetzungszusammenhang durch die Vertreter der Mindermeinung in zahlreichen juristischen Abhandlungen, die die hauptsächlich aus strafprozessualen Gründen gebildete Figur der Fortsetzungstat deswegen ablehnte, weil durch diese Rechtsfigur ausgerechnet der immer wieder zur Tat bereite Täter bei der Strafenbildung privilegiert wurde und einen ziemlichen Mengenrabatt zugestanden erhielt, wurde diese bis dahin häufig angewandte juristische Konstruktion 1994 durch den BGH entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung abgeschafft.


"Vier gemeinsame Kinder

Blutschande zwischen Vater und Tochter

Nürnberg (dpa) - Aus einer 15jährigen Inzest-Beziehung zwischen einem Automechaniker aus Nürnberg und seiner leiblichen Tochter sind vier Kinder hervorgegangen. Wegen Beischlafs zwischen Verwandten, Vergewaltigung, Körperverletzung, Beleidigung, Bedrohung und drei Diebstählen verurteilte eine große Strafkammer beim Landgericht Nürnberg-Fürth den 60jährigen Mann am Dienstag zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und elf Monaten. Der ‘herausragende Fall von Blutschande', so das Gericht, war nach einer Strafanzeige durch die jetzt 29jährige Tochter offenbar geworden.

Der ledige Mann hatte seine uneheliche Tochter seit ihrem 13. Lebensjahr regelmäßig missbraucht und sie seit der Geburt ihres ersten Kindes wie eine Ehefrau behandelt. Durchschnittlich zwei- bis dreimal wöchentlich hatte er mit ihr Geschlechtsverkehr und dabei keine Verhütungsmittel benutzt. Die innerhalb von sieben Jahren geborenen vier Kinder wuchsen im gemeinsamen Haushalt auf. Auf die Frage nach dem Vater der Kinder hatte die junge Frau stets die Antwort verweigert."


"Sechs Kinder vom eigenen Vater

Jahrelang immer wieder vergewaltigt - Junge Frau schwieg aus Angst

Über Jahre hinweg hat ein 51jähriger Arbeiter aus Lüneburg immer wieder seine mittlerweile 28jährige Tochter vergewaltigt. Sie bekam sechs Kinder von ihm! Die Tochter schwieg - aus Angst. Auch ihre Mutter wurde mit Drohungen zum Schweigen gezwungen. Erst im Januar dieses Jahres vertraute sich die 28jährige dem Jugendamt an, da kam alles heraus. Ihr Vater wurde gestern von der Jugendstrafkammer des Lüneburger Landgerichts zu sechs Jahren und neun Monaten Haft verurteilt.

Seine Tochter habe ihn verführt, versuchte der Angeklagte sich zu rechtfertigen. Sie habe sogar mit einer Anzeige wegen Vergewaltigung gedroht, falls er nicht weiter mit ihr schlafe. Das Gericht glaubte dem seit 28 Jahren verheirateten Arbeiter nicht, ... .

Der Vater befahl ihr, niemandem etwas zu erzählen, da er dann ins Gefängnis müsste und sie ins Heim. Weiter erklärte der Mann seiner Tochter, dass er mit der Mutter nicht mehr schlafen könne, da sie eine Unterleibsoperation gehabt habe. Sie habe mitmachen müssen, weil der Vater sonst der Mutter Schmerzen zugefügt hätte, sagte sie vor Gericht.

Bei den folgenden Vergewaltigungen musste der Masseur keine körperliche Gewalt mehr anwenden, ‘da die Tochter sich seinen Anweisungen unterordnete'. Er habe sie schon früh mit Schlägen zum Gehorsam erzogen und sie auch während ihrer Lehrzeit als Verkäuferin mit viel Arbeit von anderen isoliert. Für Verhütungsmittel habe er nicht gesorgt.

Licht kam erst 1986 in die Tragödie, als ein damals dreijähriger Sohn schwer erkrankte. Anhand von Blutproben der ganzen Familie stellte ein Arzt fest, dass nur der Vater der jungen Frau auch der Vater ihrer ersten drei Kinder sein könnte. Doch sie blieb in jedem Fall bei der Aussage, ein Unbekannter habe sie vergewaltigt, als sie betrunken war. So schwieg die Frau 13 Jahre lang - auch aus Angst, die Zuneigung ihrer Mutter und ihrer Kinder zu verlieren."
3 Jahre und 11 Monate für ein 15-jähriges Martyrium und 4 Kinder, 6 Jahre und 9 Monate für ein 13-jähriges Martyrium und 6 Kinder, jeweils durch den eigenen Vater. Beischlaf zwischen Verwandten ist verbreiteter als man gemeinhin annimmt; häufigere Erscheinungsform ist dabei vielleicht sogar der Beischlaf aus erwachender sexueller Neugierde zwischen Geschwistern.

Sind die Strafen für die bis 1994 möglicherweise in angenommenem Fortsetzungszusammenhang begangenen und deswegen als rechtlich nur eine Beischlaftat gewerteten Taten „gerecht"?

Was ist "Recht", was "Gerechtigkeit", was eine tat- und schuldangemessen "gerechte" Strafe? Fragen, die letztlich nicht beantwortbar sind - der sich aber Strafrichter in jeder Verhandlung stellen müssen! Das ist die Bürde ihres Amtes.

Sind die Untaten mit den verhängten Strafen schuldangemessen geahndet?


Tateinheit jedweder Form und in dem ersteren Fall zusätzlich auch Tatmehrheit wegen der anderen zusätzlich abgeurteilten Delikte können in einem großen Anklagekomplex durchaus nebeneinander bestehen. Aufgrund der zusammenfassenden Zeitungsnotizen lassen sie sich für uns nicht genau unterscheiden. Wir können sie in den vorstehenden Fällen nur zur Kenntnis nehmen, um die dahinterstehenden Rechtsfiguren anschaulich zu machen und so für eine gedankliche Auseinandersetzung aufzubereiten.

Neben der so genannten natürlichen Handlungseinheit gibt es noch die so genannte rechtliche Handlungseinheit. Sie kommt u.a. bei der Verwirklichung "zusammengesetzter Delikte" vor. So hätte man z.B. den Raub nicht als eigenständiges Delikt und damit rechtliche Ein­heit betrachten und bewerten müssen, sondern als Nötigung plus Weg­nahme werten können. Das wurde aber nicht gemacht. Raub wird in einer eigenen Strafnorm als rechtliche Handlungseinheit aufgefasst und behandelt – vermutlich um so für jeden Fall die Verbrechensqualität sicherzustellen -, obwohl der Sachverhalt auch durch Anwendung zweier Normen hätte abgeur­teilt werden können.


Kann das Verhalten eines Täters weder als natürliche noch als recht­liche Handlungseinheit gewertet werden, so liegt meist Tatmehr­heit gemäß § 53 vor, wenn Teile nicht als konsumiert gelten. Der Täter wird dann wegen der einzelnen von ihm be­gangenen Straftaten, deren Begehungen sich über einen längeren Zeit­raum erstreckt haben können, verurteilt. Für jedes einzelne Delikt wird eine Strafe festgesetzt. Doch: "Judex non calculat." ("Der Richter rech­net nicht."), heißt es in anderem Zusammenhang. Die erkannten Ein­zelstrafen werden nicht einfach addiert, sondern, gemäß § 54 ausgehend von der schwer­sten zu ver­hän­genden Einzelstrafe, der Einsatzstrafe, durch Bildung einer Ge­samtstrafe zu weni­ger als der Summe der Einzelstrafen zusammengefasst. Durch die Ge­samtstrafenbildung erhält der Täter also einen gewissen "Mengenra­batt". Das kalkulieren manche Täter ein. Unter diesem Aspekt kann sich eine Mehrfachbegehung durchaus "lohnen".
Ein bei Anhaltspunkten für das möglicherweise gegebene Vorliegen von Tateinheit, Tatmehrheit und Konsumtion unbedingt notwendiger Blick in die strafrechtlichen Kommentare gibt bei jedem hierfür möglichen Delikt an, in welcher Art hierzu Tateinheit, Tatmehrheit oder Konsumtion mit anderen Delikten als hierzu möglich erachtet werden. Ob sie dann auch vorliegen, hängt von der jeweiligen konkreten Fallgestalt ab.

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