Rechtskunde einführung in das strafrecht der bundesrepublik deutschland anhand von tötungsdelikten



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§ 177 (n.F.)

Sexuelle Nötigung; Vergewaltigung

(1) Wer eine andere Person
1. mit Gewalt,

2. durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder

3. unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist,
nötigt, sexuelle Handlungen des Täters oder eines Dritten an sich zu dulden oder an dem Täter oder einem Dritten vorzunehmen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.
(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
1. der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder an sich von ihm vornehmen läßt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere, wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder

2. die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.


(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
1. eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,

2. sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder

3. das Opfer durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
1. bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder

2. das Opfer

a) bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder

b) durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.


(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 3 und 4 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

Als es vor dem BVerfG um die Gültigkeit des Europäischen Haftbefehls mit Auslieferungsverpflichtung an den anfordernden EU-Staat ging, bildete der Bundesverfassungsrichter da Fabio anlässlich der Verhandlung das Beispiel, dass es in den Niederlanden als vollendete Vergewaltigung gelte, wenn ein Mann einer Frau im Karneval einen Zungenkuss aufnötige.

Als weiteres Beispiel dafür, dass die jeweilige Definition eines Straftatbestandes die Strafbarkeit in einer Weise begründen kann, wie wir sie nicht kennen, sei ein berühmter Fall aus Amerika angeführt, der bei uns nicht unter die Strafbestimmung einer "Vergewaltigung" im Sinne des § 177 StGB gefallen wäre oder fallen würde. Damit Sie zur rechtlichen Einordnung und Abwägung die Gesamtumstände erfahren, wird der Fall so widergegeben, wie er durch die Medien übermittelt wurde. Versuchen Sie ohne Gesetzeswortlaut, allein auf Grund der nachfolgend widergegebenen Zeitungsmeldung herauszufinden, worin der Unterschied in der Definition von »Vergewaltigung« zu bestehen scheint:
VERBOTENE LIEBE

Die damals 34-jährige Lehrerin Mary L. Letourneau und Mutter von schon vier Kindern hatte Sex mit einem 12-jährigen Sechstklässler - und musste wegen Vergewaltigung zunächst nur kurzfristig, nach einer Wiederholungstat innerhalb der Bewährungsfrist dann aber weitere bittere siebeneinhalb Jahre hinter Gitter. Nach Verbüßung der Strafe hat das Gericht die 1997 nach der Wiederholungstat angeordnete "lebenslange Kontaktsperre" auf Grund des nunmehr erreichten Alters des ehemaligen "Vergewaltigungs"opfers aufgehoben. Mit 21 bestand keine Gefahr mehr für Vili Fualauu. Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf einen Einspruch; es gebe "keine Rechtsbasis", das Kontaktverbot aufrecht zu erhalten. So sah es auch Linda Lau - dieselbe Richterin, die Letourneau zuvor verurteilt hatte. Nun dürfen beide wieder "uneingeschränkten Kontakt" miteinander haben, und sie denken sogar an ein weiteres gemeinsames Kind.

1997 wurde Letourneau zunächst wegen "Vergewaltigung eines Kindes in einem leichteren Fall" zu sechs Monaten Haft verurteilt. Nach ihrer Freilassung traf sie sich trotz Verbots sofort wieder mit dem Jungen - und nur einen Monat später wurden die beiden beim Sex im Auto erwischt. Die Lehrerin wurde so ein zweites Mal von dem 12-Jährigen schwanger und gebar diese zweite Tochter in der Haftanstalt.

Zwischenzeitlich hatte der ehemalige Schüler mit anderen Frauen Sex, aber Sex mit gleichaltrigen Frauen habe ihn nicht glücklich gemacht. Er habe alle Mädchen oder Frauen mit Mary verglichen und immer nur an sie gedacht, so Fualauu.

Fualauu ist derzeit arbeitslos und lernt für den Abschluss an einer weiterführenden Schule. Mary Letourneau musste sich unmittelbar nach ihrer Haftentlassung als Triebtäterin bei den Behörden registrieren lassen. Sie hatte stets betont, es handele sich um eine romantische Beziehung, um wahre Liebe.

Nun denken sie an ein weiteres gemeinsames Kind.

Die moralische Bandbreite der öffentlichen Kommentare reicht von einen Bedauern der beiden für ihre unglückliche, romantische Liebe bis zu der Verurteilung der Beziehung als ein klassisches Missbrauchsverbrechen und sexuelle Ausbeutung mit lebenslangen Folgen.

Nach dem gemeinsam veröffentlichten Buch "Einziges Verbrechen: Liebe" und der Biographie "If Loving You Is Wrong" liefen Verhandlungen über einen Fernsehfilm. Vorsorglich warnte die Kinderschutzorganisation "Team Amber Alert" die: Amerika werde jeden Film boykottieren, wenn es um die Verherrlichung des Falles gehe, in dem eine 35-jährige Frau einen 12-jährigen Jungen verführe und später eine glücklich vereinigte Familie gezeigt werde.

2005 haben die zu dem Zeitpunkt 37-Jährige und der 21-Jährige geheiratet.
Ein anderes Beispiel für eine gesetzlich so definierte »Vergewaltigung«, das außerdem zeigt, dass es notwendig ist, dass der Gesetzgeber bei der Formulierung eines Straftatbestandes sehr sorgfältig nach allen Seiten hin abwägen und möglichst alle denkbaren Fallvarianten im Blick haben muss, war der Presse zu entnehmen, als es vor dem BVerfG um die Rechtmäßigkeit der Auslieferung eines Deutschen an ein anderes EU-Land auf Grund eines dort ergangenen europäischen Haftbefehls ging. In der Anhörung fragte der Richter am BVerfG Udo da Fabio den Sachverständigen der Bundesregierung: "Wenn ein Deutscher im Kölner Karneval einer Holländerin einen Zungenkuss aufnötigt, gilt das in den Niederlanden als vollendete Vergewaltigung. Ist es richtig, dass ein Deutscher, der das nicht wusste, in den Niederlanden vor Gericht gestellt wird?" Die Antwort fiel ausweichend aus.

Wenn man »Vergewaltigung« als vom Opfer ungewolltes In-denKörper-Eindringen definiert, dann werden davon nicht nur u.a. die in Altersheimen sich wiederholt ereignenden gravierenden Fälle erfasst


„97jährige von Heim-Mitarbeiter sexuell mißbraucht

Köln


Eine 97jährige Bewohnerin eines Seniorenheims in Köln ist von einem leitenden Mitarbeiter des Heims sexuell mißbraucht worden. Der 43jährige sei durch eine DNA-Probe überführt worden, berichtete die Kölner Polizei am Montag. Auf die Spur des Verbrechens war die Polizei gekommen, als bei einer routinemäßigen Untersuchung im Urin der alten Dame Spermien gefunden wurden. Der Gesundheitszustand der Seniorin ließ eine Befragung nicht zu. Eine Altenpflegerin gab dann den Hinweis auf den Stationsleiter, in dessen Obhut sich die Seniorin befand. Eine Speichelprobe des Tatverdächtigen zeigte, daß die DNA des 43jährigen mit dem genetischen Fingerabdruck der Spermien übereinstimmte, wie die Polizei mitteilte. AP“

(DIE WELT 19.04.05)


oder die »Normalfälle« einer Vergewaltigung, sondern auch »Ausnahme-Fälle« bis hin zum aufgedrängten Zungenkuss. Aber dafür dann ebenfalls eine Mindeststrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe?
Bei uns fällt ebenfalls nicht unter die Strafbestimmung einer „Vergewaltigung“ im Sinne des § 177 StGB alter und neuer Fassung, was mancher Ehemann in einer Ehe oft vergeblich als spezielles Verwöhnprogramm sehnlich ersehnt – als die Ehe eines prominenten US-Amerikaners zu Ende ging und von den Noch-Eheleuten durch Verlautbarungen gegenüber der Presse schmutzige Wäsche gewaschen wurde und seine Frau wegen der von ihr so bezeichneten »guten« Ehe ihr Unverständnis über sein Ausbrechen äußerte, rechtfertigte er seinen Ausbruch aus der Ehe mit den Worten: „In zwölf Jahren Ehe kein einziger Blow-Job: Und das soll eine gute Ehe gewesen sein?“ –, das sehr viele Ehemänner aber nicht genießen können, einem Norweger jedoch außerehelich widerfahren ist:
Norwegerin vergewaltigt schlafenden Mann

OSLO -

Das Oberlandesgericht im norwegischen Bergen hat eine 24 Jahre alte Frau wegen Vergewaltigung eines schlafenden Mannes zu acht Monaten Haft verurteilt. Das Gericht bestätigte damit ein Urteil aus erster Instanz, senkte aber das Strafmaß um einen Monat. Die Richter sahen es als erwiesen an, daß die Frau in einer Januarnacht 2004 mit ihrem 32 Jahre alten Bekannten ohne dessen Einverständnis oder Wissen Oralsex betrieben hatte.

Der Mann sagte aus, daß er die Aktivitäten der Angeklagten erst beim Erwachen erfaßt habe und davon schockiert gewesen sei. Er habe langwierige psychische Probleme mit diesem Erlebnis gehabt. Die Frau bestritt zunächst alle sexuellen Kontakte, änderte aber ihre Aussage und erklärte, der Mann sei mit dem Oralsex einverstanden gewesen. Das Gericht stufte die widersprüchlichen Aussagen der Frau als nicht glaubwürdig ein. Sie wurde als erste Norwegerin wegen Vergewaltigung verurteilt und muß dem Mann Schadenersatz in Höhe von umgerechnet 3900 Euro zahlen.

dpa


HH A 10.11.05
Leider wird in den Berichten über das Urteil nicht mitgeteilt, wie in Norwegen »Vergewaltigung« definiert ist, denn ein ungewolltes Eindringen in den Körper des Opfers liegt ja nicht vor!

Viele Männer zahlen dafür, dass sie auf diese spezielle Weise verwöhnt werden; es ist neu, dass eine zungenfertige Dame – ohne Mandeln? – nun ihrerseits für ihre strafrechtlich als Vergewaltigung gewürdigten Verwöhn-Bemühun­gen zahlen muss!


Eine heute wichtige Ausnahme von der grundsätzlich in allen Gesellschaften zu beobachtenden Wandlung des (Straf-)Rechts bildet der islamische Kulturkreis, in dem, wenn es nach dem Willen der islamischen Fundamentalisten - gleich welchen Landes und welcher speziellen Glaubensrichtung innerhalb des Islam - geht, in den Kernbereichen des zwischenmenschlichen Zusammenlebens nur das durch den Koran als offenbartes Wort Gottes vorgegebene göttliche Recht der "Scharia" Geltung beanspruchen dürfe. Und weil die Scharia göttliches und damit per Definition unfehlbares Recht sei, dürfe sie durch (fehlbare) Menschen nicht geändert werden. Ein Ein­griff von Menschen in dieses sakrale Recht wäre eine Entweihung Gottes! So dürften sich Menschen nicht versündigen! Dieser rigoros reli­giöse Ansatz des von Mohammed im 7. Jahrhundert in einer Beduinen­gesellschaft verkündeten islamischen Rechts ist ursächlich für seine in anderen Kulturkreisen (aber teilweise erst in jüngerer Zeit) als Anstoß erregend empfundene, nunmehr so angesehene »unmenschliche« Starrheit im Bereich des Strafrechts. Sie wird an den bis heute praktizierten aber von uns als grausam empfundenen, manchmal erst unter bestimmten einschränkenden Voraussetzungen möglichen Körperstrafen insbesondere des Auspeitschens, Kreuzigens, Steinigens, der Amputationen und Hinrichtungen durch das Schwert auf offenem Marktplatz, den "Hudud-Strafen", festgemacht.
Solche Strafen waren dem christlichen Mittelalter und der abend­ländischen Neuzeit auch nicht fremd - nur haben wir sie inzwischen überwunden. Ein Blick zurück soll das verdeutlichen. Aus diesem Grund soll ein Bericht über die Bestrafung eines nicht erfolgrei­chen Attentäters, der 1757 versucht hatte, den französischen König Ludwig XV. (den Nachfolger des "Sonnenkönigs") umzubringen, unsere Überlegungen zum Sinn des Strafens einleiten.
1757 ist das "finstere Mittelalter" - jedenfalls nach der von den Historikern vorgenommenen Einteilung der Zeit­skala - schon 300 Jahre vergangen. Und es war in seiner schlimmsten Zeit wirklich »finster« gewesen, insbesondere für die Frauen; hauptsächlich deswegen, weil das Denken der Menschen im Mittelalter vom religiös gegründeten Teufels- und Hexenwahn des Christentums bis zur religiösen Besessenheit hin zunehmend verfinstert worden war.14 Auf der Synode von Paderborn 785 n.Chr. war noch der Rechtssatz aufgestellt worden: „Derjenige, welcher durch den Teufel verblendet, nach der Art der Heiden glaubt, daß jemand eine Hexe sein kann und deshalb diese verbrennt, wird mit dem Tode bestraft.“15 Wir halten fest: Zu glauben, dass jemand eine Hexe sein könne, wurde noch oder schon im ausgehenden 8. Jahrhundert von der katholischen Kirche als „Heidenart“ gebrandmarkt!

Doch dann überzog die katholische Kirche in einem Anfall von kollektivem Massenwahn in der Zeit der Inquisition, als in der durch den Zölibat verklemmten Sexualität der Priester sich Bondage-Phantasien mit Sadismus in religiösem Fieberwahn in Blutrausch paarten, das christliche Abendland mit ihrem Teufels- und Hexenwahn: Wie viel niederdrückendstes Leid, finsterste Verzweiflung und unter heftigsten, nicht ertragbaren Schmerzen durch Körper und Geist zerstörendes Martern und letztlich durch Verbrennungen auf dem Scheiterhaufen unschuldig vergossenes Blut hatte die katholische Kirche in der Zeit ihrer wohl größten Verirrung aus Wahn, Aberglauben, religiösem Fanatismus und grausamer Willkür auf ihr in falschen christlichen Vorstellungen befangenes Gewissen geladen!

Seit 1453, der Vernichtung des Oströmischen Reiches durch die Muslime nach der Eroberung Konstantinopels und der da­mit verbundenen Ausbreitung des durch die griechischen Gelehrten am oströmischen Kaiserhof »gebündelten« hellenistischen Wissens, ist (nach der Datierung der heutigen Historiker) die Neuzeit angebrochen. 1473 ist Nordamerika (folgenlos) durch den in dänischen Diensten stehenden Deutschen Pining 500 Jahre nach der Entdeckung durch die Wikingern erneut durch Europäer entdeckt worden, 1492 Mittelamerika durch den in spanischen Dien­sten stehenden Italiener Kolumbus auf der Suche nach einem von den Portugiesen nicht kontrollierbaren Weg zu den Schätzen des sagen­haft reichen Indiens, 1498 war die Umrundung Afrikas gelungen und da­mit ein von den Muslimen nicht blockierbarer Weg zu den ­Schät­zen Indiens und zur Seide Chinas durch den Portugiesen da Gama gefunden und 1519 die erste Umseglung der Welt durch seinen Landsmann Magalhaes (Magel­lan) be­gonnen worden, weil einige »Spinner« Glauben und kirchlichen Gehorsam durch Neugierde und den Willen zu neuem Wissen ersetzt und nicht mehr dem ptolemäischen Weltbild angehangen hatten, sondern an die Kugelgestalt der Erde zu glauben gewagt hatten. Wiclif/Wycliffe und Hus als Vorreformatoren, dann mit durchschlagendem Erfolg Luther und in seinem Gefolge andere Reformatoren wie Calvin und Zwingli, hatten die abendländische Kircheneinheit gesprengt, viele Europäer vom Joch der katholischen Kirche befreit und ihnen geistige und Glaubensfreiheit ermöglicht.

Das Wissen um das von dem Ostpreußen Koperni­kus (1473-1543) begründete heliozentrische Weltbild war in diesem bewussten Jahr 1757 un­ter den Ge­bil­deten Europas schon Allgemeingut, auch wenn Galileo Galilei wegen seines Bekenntnisses zum heliozentrischen Weltbild des Kopernikus noch 1616 von der katholischen Kirche zum Schweigen verurteilt worden war und 1633 den angedrohten Tod auf dem Scheiterhaufen mit dem Status eines lebenslang Gefangenen der Heiligen Inquisition nur dadurch vertauschen konnte, dass er sein Bekenntnis zur kopernikanischen Lehre widerrief. (Der Versuch der katholischen Kirche, naturwissenschaftliche Erkenntnisse in diesem Punkt aus religiös-ideologischen Gründen mit den Mitteln des Kirchenstrafrechts zu unterdrücken, war unter den Gelehrten Europas gescheitert, auch wenn die Kirche das noch Jahrzehnte oder Jahrhunderte nicht wahrhaben wollte. Erst am 31.10.1992, ausgerechnet am Reformationstag, ist Galilei von der katholischen Kirche rehabilitiert worden.) Trotzdem war - spätestens nach Bekanntwerden der 1521 beendeten ersten Weltumsegelung - das Wissen um die Kugelgestalt der Erde unter den Gelehrten Europas 1757, dem Jahr des bewussten Attentates auf Ludwig XV., schon verbreitet, denn der Beginn der Neuzeit ist von dem Zeitpunkt des missglückten Attentates zeitlich fast so weit ent­fernt wie der 30-jährige Krieg von unserer Zeit. Deswegen war man ja schon so auf­geklärt!


Nach dem Erlernen des aufrechten Ganges war zwar der Verstand schon ganz schön weit entwickelt, jedoch die Seele des Menschen war teilweise doch noch sehr dem Mit­telalter verhaftet: „Der Verstand kann mit Flügeln eilen, die Seele aber geht zu Fuß!“ Und so war es: Der Verstand war wie immer vorausgeeilt, mit dem Entstehen der modernen Naturwissenschaften gab es viele neue Erkenntnisse und bahnbrechende Erfindungen, der geistige Horizont weitete sich mit den Entdeckungen beträchtlich, „zu neuen Ufern lockt(e) ein neuer Tag“, an dem man erkennen wollte, „was die Welt im Innersten zusammenhält“ - die Seele aber hechelte dem vorwärts stürmenden Geist mühsam hinterher. So wurde erst ab Mitte des 18. Jahrhunderts im Zuge der Aufklärung, als im Gerichtswesen das seit den Inquisitionsprozessen für eine Verurteilung für unbedingt erforderlich gehaltene Geständnis durch Zeugen- und Indizienbeweise abgelöst werden konnte, und im Zuge der Säkularisation die 1252 von Papst Innozenz IV. für kirchliche Verfahren im Zuge der Inquisitionsprozesse des Mittelalters in Deutschland und nachfolgend von Kaiser Friedrich II. als Ersatz für die als fehlerhaft erkannten Gottesurteile im gesamten Strafprozessrecht eingeführte, religiös begründete Folter wieder abgeschafft; bis sie von der Nazi-Diktatur ohne religiösen Bezug mit vornehmlich Ochsenziemer, Feuerhaken und Hodenquetschapparaturen wieder eingeführt wurde.

Eines der ersten Folterverbote der Neuzeit in Deutschland erging 1754 von dem aufgeklärten Preußenkönig Friedrich dem Großen, dem Alten Fritz, der als Anhänger der Aufklärung eingesehen hatte, dass man durch Folter aus der viehisch gequälten Kreatur Mensch jedwedes Geständnis herauspressen könne, selbst das unsinnigste, das gar nicht der Wahrheit entsprechen konnte: Hauptsache die mit viel Liebe zum Detail unerträglich gemachten Schmerzen ließen nach!


Bis dahin hatte man aus religiöser Überzeugung angenommen, dass Gott, wenn er als Zeuge für Recht und Unrecht angerufen werde, kein unrechtes Urteil zulassen werde: Richter konnten irren – Gott nicht! Man war deswegen absolut überzeugt, dass Gott es niemals zulassen würde, dass ein Unschuldiger verurteilt würde, weil ein Verstoß gegen göttliche Gerechtigkeit durch den obersten Richter der Welt am jüngsten Tag außerhalb jedes - kirchlich geprägten – Vorstellungsvermögens war. Notfalls musste Gott mit einem Gottesurteil die Wahrheit offenbaren. Dafür wurden von den Menschen (vieler Kulturkreise, z.B. in Ägypten, China, Indien, Japan, Mesopotamien) vielfältige Gottesurteile als Mittel der Wahrheitsfindung ersonnen.

Doch das ursprüngliche Vertrauen in die Beweiskraft der Gottesurteile ging zunehmend verloren, auch bei der Kirche! Als die Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der Gottesurteile überhand nahmen, verbot 1215 das Vierte Laterankonzil die Durchführung von Ordalen. Auch von weltlicher Seite erging immer öfter ein Verbot der Gottesurteile. So lehnte beispielsweise der deutsche Kaiser Friedrich II. in seinen Konstitutionen von Melfi die Durchführung von Gottesurteilen als fehlerhaft ab.

Was nun? Wie sollte man jetzt zu gerechten Urteilen kommen? Die Gerichte waren ab dieser Zeit auf eigene Wahrheitsfindung angewiesen. Und als Krone der Beweise galt das Ge­ständnis des Malefikanten16.

Wie sollte man aber ein Geständnis erlangen, wenn der Übeltäter verstockt war? Darüber hinaus nahm man nicht ausschließlich Verstocktheit als Grund für eine mangelnde Aussagebereitschaft des Delinquenten an. Man (aber-) glaubte und nahm als heilsgewisslich wahr an: Der Mensch könne nicht das Rechte tun und die Wahrheit sagen, wenn Satan ihn ihm wohne und aus ihm heraus spreche. Durch Folter müsse der Teufel(!) gezwungen werden, den von ihm in Besitz genommenen Körper eines Menschen wieder zu verlassen, damit der Mensch als Kind Gottes dann wieder zu seinem Gott und zur Wahrheit finden könne. (Man gestand mit dieser Vorstellung den Menschen also eine durch die „Torturierung“ selbst den Teufel zwingende Macht zu! Eine gewaltige Vorstellung.) Das führte – obwohl schon Jahrhunderte vorher auf der Synode von Paderborn 785 n.Chr. der Rechtssatz aufgestellt worden war: „Derjenige, welcher durch den Teufel verblendet, nach der Art der Heiden glaubt, daß jemand eine Hexe sein kann und deshalb diese verbrennt, wird mit dem Tode bestraft.“17 – insbesondere in den Inquisitionsprozessen zwangsläufig zum exzessiven Gebrauch der Folter; selbstverständlich nur im Dienste der Wahrheitsfindung - und natürlich nicht, um sich Hab und Gut der der Hexerei oder der Teufelsbuhlschaft Beschuldigten aneignen zu können18 oder Macht über den Mitmenschen ausüben und Perversionen, insbesondere gegenüber den als Hexen verleumdeten Frauen, ausleben zu können. Wer würde denn so etwas annehmen! Die Folter - nicht nur in Hexenprozessen, aber dort zur Erzwingung unsinnigster Geständnisse exzessiv angewandt, weil sonst keine Frau ihre (angeblichen) Ritte auf einem Besenstiel oder ihre ihr unterstellte, sie nach Meinung der Kirche dem Satan für immer hörig machende Teufelsbuhlschaft »eingestanden« hätte - gehörte zur Inquisition wie der Fischer-Ring zum Papst, wie der Wurm zum Tequila: ohne Wurm kein echter Tequila, ohne Folter kein »echtes« Geständnis.

Was hatte es z.B. für Mühen couragierter fortschrittlicher, für ihre Überzeugungen teilweise sogar das eigene Leben gefährdender Juristen - wie z.B. als Jesuitenpatres der Theologe Adam Tanner19 (bis 1632) und der als letzter Beichtvater angeblicher »Hexen« vor deren Hinrichtung20 nach Einblick in die erfolterten »Geständnisse« gegen die Inquisitionsgerichte der Hexenverfolgungen kämpfende Friedrich Spee von Langenfeld (1591–1635) mit seinem bahnbrechenden Buch „Cautio Criminalis oder Rechtliche Bedenken gegen die Hexenprozesse“ - und Ärzte - wie Paracelsus und Johann Weyer -, was hatte es Tränen und Qualen der unschuldigen Opfer gekostet, von den Gottesurteilen oder den durch Folter erpressten »Geständnissen« als Beweismitteln loszukommen und statt dessen im Falle der Nicht­erweislichkeit eher auf einen Strafausspruch zu verzichten, als eventuell Unschuldige zu »foltergeständigen Schuldigen« zu machen.
Durch die 1532 verabschiedete Peinliche21 Gerichtsordnung Kaiser Karls V. (Constitutio Criminalis Carolina = CCC) wurde der bis dahin geltende so genannte Ordalprozess, dessen anerkanntes Beweismittel das Gottesurteil war, von einem Indizien- und Geständnisprozess abgelöst, bei dem man das »Geständnis« eines verstockten Malefikanten zur Not durch (auch schon früher eingesetzte) Folter herauspressen musste und durfte. Die Folter war zu einem legitimen Mittel der Wahrheitsfindung erhoben worden: Wer unter den Qualen der Folter gestand, war – nach eigenem Einge­ständnis – schuldig.

Aber auch das Schweigen des Gefolterten selbst unter Folterqualen wurde als Geständnis gewertet: Wenn jemand die Qualen der sorgsam erdachten und mit viel Liebe zum grausamen Detail angewandten Folter aushalte, dann gehe das nicht mit rechten Dingen zu und sei nur möglich, weil ihm der Teufel helfe! Also war er schuldig!

Und wer auf Grund der unerträglichen Folterqualen kurzfristig von einer ihn gnädig umhüllenden Ohnmacht davon befreit wurde, seine ihm von seinen dämonischen Peinigern zugefügten Schmerzen zu spüren, der war auch mit dem Teufel im Bunde, denn dann hatte der Teufel für seine Buhlschaft seinen Schweigezauber ausgeübt! Wer sonst würde der im göttlichen Auftrag tätigen staatlichen Obrigkeit in den Arm fallen, indem er den Malefikanten in einen Zauberschlaf versetzt?

Folter wurde durch die Carolina legalisiert. Dabei entschied die Willkür der Richter im Zusammenspiel mit der erfinderischen Grausamkeit der Folterknechte über das Maß der im Einzelfall anzuwendenden Tortur, die zunächst mit der „Territion“, dem Vorzeigen der Folterinstrumente und der Erläuterung ihrer Anwendung und Wirkung begann und, wenn das noch nicht ausreichte, ein Geständnis zu bewirken, ganz real und wie beschrieben und erklärt angewandt wurde.


„Den 18. Martii Anno 1628 ist die Lehnesche mit Vorzeigung der Instrumente terriret, ihr etzliche Attesta vorgehalten und die Wahrheit darauf zu berichten vermahnet worden. Würde sie nun die Wahrheit bekennen, so blieben ihre Glieder unzerrissen, im widrigen Fall aber wirde man den Ernst sehen lassen müssen, und hätte sie sich dann ein solches selbsten zuzuschreiben.“22
Ein dem Angeklagten notfalls auf in der CCC eröffnetem legalem Wege abgepresstes Geständnis galt fortan als das verlässlichste Mittel der Wahrheitsfindung. Zur Absicherung der »Wahrheit« des unter der Folter gemachten Ge­ständnisses musste es am nächsten Tag ohne Folter wiederholt werden. Die »Freiwilligkeit« des ohne Folter am nächsten Tag wiederholten Geständnisses stand aber unter der massiven Drohung, dass bei Widerruf des erfolterten Geständnisses der erneute Einsatz der Folter drohe.
Nicht nur die katholische Kirche glaubte an Hexenzauber. Auch führende Reformatoren wie Martin Luther und Calvin waren von der Möglichkeit des Teufelspaktes, der Teufelsbuhlschaft und des Schadenszaubers überzeugt und befürworteten unter Verweis auf Bibelstellen wie „Die Zauberinnen sollst du nicht am Leben lassen“ (2. Buch Moses 22/17) die gerichtliche Verfolgung von Zauberern und Hexen. Das machte Luther in »Hexenpredigten« deutlich.
1775 endete in Kempten der letzte Hexenprozess auf deutschem Boden mit der aus Gnade vorgenommenen Enthauptung der angeblichen Hexe. Die letzte "Hexe" Europas wurde 1782 in der Schweiz verurteilt und hingerichtet. In Großbritannien galt das Anti-Hexengesetz von 1735 bis zum Jahr 1951: 1944 war die schottische Hellseherin, Geisterbeschwörerin und Wahrsagerin Helen Duncan, bei denen sich der britische König und der Kriegs-Premierminister Churchill sich während des Zweiten Weltkrieges regelmäßig Rat geholt hatte, nach diesem Gesetz wegen „schwarzer Magie“ zu neun Monaten Gefängnis verurteilt worden. Das war der letzte Hexenprozess in Europa.
Bis zum Beginn der Französi­schen Revolution 1789 glaubten viele Leute in Frankreich in ihrem magischen Weltbild, dass ihr König am Tage seiner Krönung soviel göttliches Königsheil23 in sich trage, dass Kranke, die an diesem Tage seinen Krönungsmantel berüh­ren, durch diesen Stoffkontakt von Stund an von ihrer Krankheit geheilt würden. Und einen solchen »Übermenschen« hatte der Atten­täter 1757 in Versailles durch einen Messerstich zu töten ver­sucht! Welche Ungeheuerlichkeit! Solch ruchlose Tat musste ange­messen gesühnt werden! Die härtest mögliche Bestrafung erschien nur gerecht.

Über die Prozedur der Hinrichtung des verhinderten Königsmörders ist uns nachfolgender Bericht erhalten geblieben: 24


"Die beiden Beichtiger knieten jetzt nieder, um ihn auf den Tod vorzubereiten. Er schien ihnen zuzuhören und sie nicht zurückzu­weisen. Unterdessen wickelten ihm die Henker25 die Beine aus, die, wie man sagt, mit Leinen umwickelt waren wegen der Folterung mit den glühenden Zangen, der man ihn reichlich unterworfen hatte. Man zog ihm seine rote Hose aus, öffnete ihm das Hemd, sodass er fast nackt war. Dann nahm man ihn von der Erde auf und legte ihn auf das Schafott oder den Tisch, auf dem er hingerichtet werden soll­te, mit dem Gesicht zum Hotel de Ville. ...

Man legte ihm dann einen Reifen oder ein Eisenband über den Magen unterhalb der Arme. Dieser Reifen sah aus etwa wie ein Tor beim Bil­lardspiel. Seine Enden gingen von unten in den Tisch hinein und waren dort mit starken Schrauben befestigt. Auf der Mitte dieses Reifens war eine Schraube angebracht, an der zwei andere Reifen oder Eisenbänder festgeschraubt waren, die über die Schultern gin­gen und den Bösewicht so festhielten, dass er nur den Kopf bewegen konnte. Ein zweiter großer, dem ersten entsprechender Reifen hielt den Bauch fest. An diesen Reifen schloss sich wie beim anderen ein Eisenband an, das zwischen den beiden Schenkeln hindurchging und unter dem Tisch mit starken Schrauben festgemacht war, derart, dass der Körper sich weder hin- noch herbewegen konnte, wenn die Pferde anzogen. Endlich band man ihm die Arme und Beine auf dem Tisch in Form des Andreaskreuzes fest; die Schnüre waren durch Löcher im Tisch gezogen.

Der Henker begann die Hinrichtung dieses Königsmörders damit, dass er ihm die rechte Hand, anscheinend mit einer Zange, über ein Schwefelfeuer hielt, wobei sie derart verbrannt wurde, dass die Fleischteile herunterfielen. Obwohl ich mit meinem Fernglas genau das Feuer sehen konnte, konnte ich nicht das Messer unterscheiden, das man an seiner Hand befestigt haben soll. Aber man hörte sehr wohl die furchtbaren Schreie, die er ausstieß, und ich sah an den heftigen Bewegungen des Kopfes, bis zu welchem Grade seine Schmer­zen gehen mussten. Das war jedoch nur das Vorspiel von dem, was er zu erdulden hatte.

Nachdem man ihm die Hand wieder auf dem Tisch befestigt hatte, be­gann einer der Henker, ihm die rechte Brustwarze mit einer Zange, die einer Schlosserzange glich, auszureißen, und nachdem er ein be­trächtliches Stück Fleisch herausgerissen hatte, goß ein anderer mit einem großen Eisenlöffel geschmolzenes Blei, gemischt mit Öl, Schwefel, Wachs und kochendem Pechharz hinein. Diese grausame Ope­ration wurde auf der linken Seite der Brust, an den Armen, den Ober­schenkeln und Beinen wiederholt und dabei stieß das Scheusal den Schmerzen entsprechende Schreie aus. ... Der Unglückliche stieß furchtbare Schreie zum Himmel, warf den Kopf mit äußerster Heftigkeit hin und her, und ich sah schreckenerregende konvulsivi­sche Zuckungen seiner Fußspitzen (wie auch seines ganzen Körpers), obwohl die Beine fest auf dem Tisch angebunden waren. Aber nir­gend­wo Mitleid, niemand sah man sein Schicksal beklagen.

Nachdem diese Marterung beendet war, näherten sich die beiden Beichtiger, die Damiens in seinen Leiden nicht verlassen hatten, um ihn zu trösten, und reichten ihm mehrfach das Kruzifix zum Kus­se.

Indessen band man ihm die Füße und Arme vom Tisch los, und die Hen­­ker banden und umschnürten sie mit Stricken, die sie an den Ortscheiten der vier Pferde, die ihn auseinanderreißen sollten, befestigten. Man hatte sechs junge und starke Pferde zur Stelle, von denen man sagt, dass sie die Domänenverwaltung 4800 Livres ge­ko­stet haben. Sie waren mit einem neuen Kummet angeschirrt, wie ge­wöhnlich Karrenpferde es tragen. Und man hatte sechs Pferde be­sorgt, damit die beiden überzähligen helfen könnten, falls eines versagen sollte. Man hatte offenbar gelesen, dass, als der treulose Ravaillac der gleichen Hinrichtung unterzogen wurde, man gezwungen war, das Pferd eines Bürgers zu leihen, das dieser zur Verfügung gestellt hatte, um eines der Pferde zu ersetzen, das nicht ordent­lich zog. ...

Dann traten die Pferde in Aktion. Jedes stand nach einer anderen Himmelsrichtung; sie sollten das Opfer, das mit Armen und Beinen an sie gefesselt wurde, vierteilen. Das Opfer war so kräftig gebaut, dass man länger als eine Stunde auf die Tiere einhieb, ohne zum Ziel zu kommen. Während der Zeit schrie Damiens. Man ließ noch mehr Pferde kommen, umsonst.

Der Bösewicht Damiens musste mehr als 60maliges Anziehen erdulden, das er, die Schreie verdoppelnd und mit dem Kopf um sich schla­gend, aushielt. Schließlich hatte man ihn, ohne zu übertreiben, fast eine Stunde auseinandergezogen, ohne ihn vierteilen zu kön­nen, bis auf den Rat der drei erwähnten Ärzte der Henker von Paris sich an den Gehilfen des Greffier wandte und an die zwei Gerichts­die­ner, die auf dem Richtplatz standen, um sie zu ersuchen ... die Erlaubnis zu erbitten, dass das Fleisch der Schenkel und der Arme zerschnitten werden dürfe, ohne welche Maßnahme die sechs Pferde ihn nie würden auseinanderreißen können. Man sah, wie ihm die Er­laubnis überbracht wurde. ...


Es blieb nichts anderes übrig, als Einschnitte zu machen, zuerst in die Hüftgelenke. Damiens hob den Kopf, um zu sehen, was man mit ihm anstellte. Er küßte das Kruzifix, das die Priester ihm entgegenhielten. ... Die Pferde zogen wieder an, der linke Schenkel riß ab, das Volk klatschte; endlich. Der rechte Schenkel folgte. Der Mann lebte und schrie. Nun durchtrennte man die Schultergelenke. Als beide Arme ausgerissen waren, sah man, dass er weiße Haare bekommen hatte. Der Rumpf wand sich noch, dann war es zu Ende.

Die ganze Hinrichtung von Damiens, beginnend mit dem Brennen der rechten Hand, hat länger als 1 1/2 Stunden gedauert. ... Die Reste wurden verbrannt und in die Winde verstreut. Man weiß nicht, ob dieser Elende in Reue über seine Verbrechen gestorben ist. Es scheint kaum so, denn er hat seine Mittäter nicht angege­ben, obwohl er sicherlich welche gehabt hat. Immerhin soll er Gott und die Jungfrau während seiner heftigsten Schmerzen angerufen ha­ben."


Zu dieser Hinrichtung gibt es auch eine Darstellung des Augenzeugen Casanova in seinen Memoiren, aus der der STERN anlässlich des 200. Todestages des Meisters der Liebe zusammenfasste, mit u.a. ganz anderen Zeitangaben über die Dauer der Hinrichtung:

„Die Frauen sind grausamer als die Männer, auch das weiß der Psychologe Casanova. Als 1757 der Attentäter Robert Francois Damiens, der Ludwig dem XV. gerade mal die Haut geritzt hatte, hingerichtet wird, unter Foltern, wovon die eigentliche Todesart, die Vierteilung, beinahe noch die harmloseste ist, mietet Casanova ein Fenster an der Place de Grève. Als er Damiens brüllen hört, »obwohl nur noch die Hälfte seines Körpers übrig war«, muss er die Augen abwenden; die Frauen sehen weiter zu, vier Stunden lang. Aus Liebe zu ihrem König, sagen sie. Aber vielleicht, wie Casanova schreibt, konnte die Madame XXX auch nur deshalb ihren Kopf nicht wenden, weil sie von einem Grafen Tiretta, auch Graf Sechsmal, während der ganzen Zeit in Anspruch genommen wurde – auf eine Art und Weise, die sie später »wider die Religion« nennt. Der Graf: »Ich wusste nicht, wo ich eindrang.«26


Allein schon beim mit intensiver Hinwendung an den Stoff vollzogenen Lesen des Berichtes über die bestialische, partieweise vorgenommene Vernichtung eines Menschenkörpers bei lebendigem Leibe und damit die äußerst qualvolle Beendigung eines Menschenlebens geht mir ein Schauer den Körper rauf und runter und es sträubt sich mir das Nackenhaar - anderen sträubte sich beim Zuschauen laut Casanovas Bericht nicht einmal das Schamhaar; und wenn doch, dann jedenfalls nicht vor Entsetzen. Erstaunlich! Mit dem gequälten Artgenossen mitzuleiden, ist eine Fähigkeit vieler hochentwickelter Tierarten, an denen sich manche Exemplare der höchstentwickelten von den rund 4.300 Säugetierarten ein Beispiel nehmen könnten.

Aber ich hatte Ihnen ja versprochen, dass Sie bei der Beschäftigung mit dem Strafrecht einiges über die Menschen und ihre Abgründe kennen lernen würden!


Diese Art des Strafens, wie sie dem verhinderten Königsmörder widerfuhr, hatte sich aus dem Mittelalter noch 300 Jah­­re in die Neuzeit »gerettet«.

Und das Mittelalter, in dem die Menschen in toto noch so tief im Barbarischen verwurzelt waren, dass sie sich in ihrer Masse bedenkenlos und ohne verbreitetes Mitgefühl an real miterlebbaren Qualen der Delinquenten weiden konnten, sodass manche Kommunen ab und zu hinzurichtende Straftäter ankauften, um ihrer Bevölkerung, die ohne auch auf Schülerhandys zu ladende Horrorsequenzen und in Videotheken entleihbare Horrorfilme leben musste, ab und an auf Volksfesten ein bisschen Grausamkeit bieten zu können – vielleicht, weil die Menschen im Mittelalter selbst grausamste Körperstrafen als Ausfluss göttlicher Gerechtigkeit zu sehen vermochten -, dieses Mittelalter wusste zu stra­­fen: Dieben wurden die Hände abgehackt, oder sie wurden gehenkt, viele wurden gebrandmarkt, Auspeitschungen und Verstümmelungen mit glühenden Zangen waren durchaus übliche Strafen. Kindsmörderinnen wurden ertränkt oder lebendig begraben oder gepfählt, Gotteslästerern wurde die Zunge herausgeschnitten. Eine besonders grausame Strafe stand auf Falschmünzerei: Falschmünzer wurden in einem Kessel mit heißem Öl regelrecht gesotten!

Insbesondere die Angehörigen der niederen Stände wurden so abgestraft - während sich die Reichen meistens freikaufen konnten! Aber nicht immer. Es kam darauf an, wessen Unwillen sie erregt hatten. "Eine besonders grausame Hinrichtungszeremonie ersann Lady Joan Beaufort, die Mätresse des schottischen Königs Jakob I., nach der Ermordung ihres Liebhabers im Jahr 1437. Sir Robert Graham, der Anführer der Verschwörung, wurde mit der rechten Hand an einen Galgen genagelt und durch die Straßen von Edinburg geschleift. Auf dem Richtplatz schlug man ihm heiße Eisendornen in die Arme und in die Oberschenkel. Graham mußte ansehen, wie man seinen Sohn tötete, bevor er selbst gehängt und anschließend gevierteilt wurde. Einer seiner Mitverschwörer wurde an den Pranger gestellt und mit einer glühenden Krone gekrönt, welche die Aufschrift 'König der Verräter' trug. Einen Tag nach dieser Schmach schleifte man ihn gefesselt durch die Straßen, und am dritten und letzten Tag seiner Qualen band man ihn auf ein Brett und riß ihn bei lebendigem Leib die Eingeweide heraus."27

"Da werden Weiber zu Hyänen und treiben mit Entsetzen Scherz!", fasste der Geschichtsprofessor Schiller seine Erkenntnisse als Historiker zusammen!


Teilweise war die ungerechte Ungleichbehandlung zwischen Armen und Reichen nach gesellschaftlichem Rang und Stand gesetzlich von vornherein so vorgesehen, auch noch in der auf den Reichstagen von Augsburg und Regensburg 1532 verabschiedeten Peinlichen28 Gerichtsordnung Kaiser Karls V. (Constitutio Criminalis Carolina = CCC). Sie ist nach 36 Jahren Vorbereitung seit dem Reichstag zu Lindau von 1496/97 das erste reichseinheitlich allgemeine deutsche Strafgesetzbuch (mit einer darin enthaltenen Strafprozessordnung), welches das spätmittelalterliche Recht an die Neuzeit anpassen sollte: die zuvor gebräuchlichen mittelalterlichen Ordalprozesse wurden nunmehr durch »moderne« Indizien- und Geständnisprozesse abgelöst. War man zur »Wahrheitsfindung« zuvor (überwiegend) auf Gottesurteile angewiesen gewesen – ein bisschen war auch schon gefoltert worden, die Folter ist nicht erst durch die CCC erfunden worden -, so konnten seit Einführung der Constitutio Criminalis Carolina die Angeklagten sämtlich durch Folter zu einem »Geständnis« als anzustrebende Grundlage der Urteilsfindung gezwungen werden. Der Prozessablauf wurde in der Carolina bis in das letzte Detail geregelt. Das (notfalls erfolterte) Geständnis eines/einer Angeklagten galt fortan als das verlässlichste Mittel der Wahrheitsfindung. Die Richter sahen die Folter als Hilfe dafür an, dass der jeweilige Angeklagte auch gegen den Willen des Teufels seine Missetat gestehen könne. Die Regeln für die Anwendung der Folter waren genau festgelegt. Es war die Aufgabe des Richters, auf in der CCC geregelte legale Weise ein Geständnis zu erzwingen und durch Indizien und Nachforschungen die Wahrheit des gestandenen Verbrechens zu erhärten.
Wenn ein Angeklagter während der Folter starb, wurde die Schuld durch den Richter und den Henker auf den Teufel abgewälzt.

Einige Rechtsphilosophen vertraten die Ansicht, dass man den der Hexerei Verdächtigten keinen Schutz durch die Gesetze zugestehen sollte, weil man andernfalls den (sonst möglicherweise über-)mächtigen Teufel nicht wirkungsvoll genug bekämpfen könnte!


Nur selten erbrachte die Folter kein von den Befragern nach dem Inhalt ihrer Fragen erfragtes, sprich: vom Henker „Meister Hans“ und seinen Gehilfen als Hexenjäger erquältes, »Geständnis«. Ein unter der Folter abgelegtes Geständnis war aber erst dann rechtsgültig, wenn es am nächsten Tag ohne Folter »freiwillig« wiederholt wurde.

Diese als Absicherung der Wahrheitsfindung erdachte »freiwillige Wiederholung« des Geständnisses stand aber unter der Drohung, dass bei Widerruf des erfolterten Geständnisses die qualvoll durchlittene Folter erneut angewendet werden würde! Wer am nächsten Tag - vielleicht sogar unter Anrufung Gottes - widerrief, und das ist vorgekommen, wurde erneut so intensiv peinlich befragt, dass er eingedenk schon erlittenen Schmerzes und erlittener Pein irgendwann physisch und psychisch so zermürbt war, dass ihm ein Ende mit Schrecken erstrebenswerter erschien als der Schrecken der Folter ohne absehbares Ende!


Da wegen der Schwere des Deliktes der Hexerei staatliche Hoch- und Blutgerichte für die Aburteilung zuständig waren - »die Kirche« prüfte den jeweiligen Fall und übergab dann den Delinquenten dem weltlichen Gericht („Malefizjustiz“29), das mit Hilfe der Folter ermittelte, das Urteil sprach und vollstreckte, sodass die Hände »der Kirche« nach offiziellem Anschein nicht mit Blut befleckt wurden -, schuf erst die Einführung der wenigstens bezüglich der Zauberei- und Hexereidelikte unter Einfluss der katholischen Kirche konzipierten Carolina die Voraussetzung für die massenhafte Durchführung von auf der Anwendung von Folter basierenden Hexenprozessen in Deutschland.

Die CCC hatte bis ins 18. Jahrhundert weitgehend Geltung für die Theorie und die praktische Anwendung des Strafrechts in Deutschland. Bis sich die Grundgedanken der Französischen Revolution mit u.a. der Vorstellung der rechtlichen Gleichheit aller vor dem Gesetz durchgesetzt hatten, büßte der Arme vornehmlich mit seinem Leibe; er wurde bei kleineren Delikten »an Haut und Haaren«, beim Vorliegen (teilweise auch nur vermuteter oder bewusst verleumdeter Delikte wie z.B. des „Schadenzaubers“) mit dem Tode bestraft, während der Reiche (meist) nur zahlte und durch die entrichtete Buße seinen Kopf im ganz realen Wortsinne aus der Schlinge ziehen konnte, die dem Armen um den Hals gelegt und zugezogen wurde.


Die Richter mussten nach der Klageerhebung durch die geschädigte Partei - einen Staatsanwalt, der das Strafinteresse des Staates vertrat, gab es nicht, daher entstand unser Sprichwort: „Wo kein Kläger, da kein Richter“ -, selbstverständlich vor dem Urteilsausspruch zunächst zu der Überzeugung kommen, dass eine Straftat vor­lag. Wenn keine Zeugen zur Verfügung standen, griff man wohl so ziemlich seit Anbeginn der sozial in größeren soziologischen Ver­bänden organisierten Menschen in all den verschiedenen Rechtskreisen auf das »Be­weismittel« der auch in anderen Erdteilen angewandten Gottesurteile oder der Folter – der „strengen Frage“ oder der „peinlichen Befragung“, wie sie im Mittelalter genannt wurde - zurück, um dem möglichen Malefikanten die Zunge zu lösen. Die Anwendung der Folter störte keinen großen Geist der Antike, kein großer Gelehrter aus anderen Teilen der Welt hat sich aus mitmenschlichen Überlegungen heraus gegen sie ausgesprochen. Gefoltert wurde bei den Ägyptern, Indern, Chinesen, Japanern, Mongolen, Persern, Römern, Germanen, Europäern und Afrikanern; das von Dollinger verfasste „Schwarzbuch der Weltgeschichte“ nennt überreichlich Beispiele von mit ausgesuchter Delikatesse ersonnener Folter, deren Lektüre allein einen frösteln machen kann: homo homini lupus!

Der bislang älteste erhaltene und auf einer im 19. Jahrhundert gefundenen Papyrusrolle aufgezeichnete Bericht über einen Kriminalfall mit Wahrheitsfindung durch den Einsatz von Folter – „Man untersuchte sie, indem man sie mit Stöcken prügelte und sie auf ihre Hände und Füße schlug.“30 - stammt aus dem alten Ägypten Ramses IX. und ist 3.100 Jahre alt. Man war fest überzeugt, durch den Einsatz der Folter die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit aus dem Gepeinigten herauspressen zu können – ein Irrglaube, der sich in Europa bis ins 19. Jahrhundert erhalten hatte und erst dann durch aufgeklärte Könige allmählich und mit zeitlicher Verzögerung in den einzelnen Ländern abgeschafft worden war, in Deutschland zuletzt 1828 in Coburg-Gotha. Erst von da an herrschte allgemein die Einsicht, dass man Recht nicht mit Rechtlosigkeit verteidigen dürfe. Bis die Nazis an die Macht kamen.


Unter christlichem Einfluss glaubte man allen Ernstes, der Verstockte sei von einem Dämon oder dem Teufel selbst besessen. Dieser böse Geist, auch wenn es Luzifer persönlich war, würde im Körper des Gemarterten die Folterqualen selbst durchleiden müssen – eine grandiose Vorstellung: nach dieser Überzeugung hätte der Mensch es in der Hand gehabt, den Teufel selbst quälen zu können(!) - und daraufhin aus dem Men­schenleib entweichen. Erst danach sei der Beschuldigte Herr seines eigenen Willens und habe dann auch die Kraft, seine Schuld zu be­kennen. Vorher sei aber von ihm kein wahres Wort zu erwarten. Das - notfalls erzwungene - Schulbekenntnis wurde spätestens nach der Abkehr vom germanischen und das hieß öffentlichen, parteigetragenen Tatzeugen- zum geheimen, hauptsächlich akten- und schuldbekenntnisgeprägten Inquisitionsprozess, der nachfolgend das gesamte deutsche Strafprozessrecht zum Bösen hin reformierte, als unabdingbar notwendig angesehen, um zu einer Verurteilung zu gelangen (vielleicht weil das Vertrauen in die Beweiskraft von Gottesurteilen im Schwinden war?). So malträtierte man seinen Nächsten guten Gewissens zu dessen angeblichem Seelenheil, um die Seele des Sünders aus den Fängen des Teufels zu befreien. Der byzantinische Kaiser Justinian I. (527 – 565 n.Chr.), der dem Rechtsleben durch die Aufzeichnung des römischen Rechts seiner Zeit im „Corpus juris“ eine feste Grundlage gab und damit auch das Rechtsleben in Deutschland bis zur Einführung des StGB 1871 und des BGB zum 01.01.1900 prägte, hat in dem Kapitel „Über die Befragung“ den Einsatz der Folter detailliert regeln lassen. „Damit hinterließ er dem christlichen Mittelalter ein Erbe, aus dem die »Heilige Inquisition« die moralische Berechtigung schöpfte, Menschen um der vermeintlichen »Wahrheit« willen der grausamsten Martern zu unterwerfen.“31 Nach dem Zerfall des Römischen Reiches »vergaßen« die danach auf ehemals römischem Reichsboden siedelnden Germanenstämme ihre eigene Rechtskultur und übernahmen die ausdifferenziertere Gesetzgebung des Codex Justinianum. Durch dieses trojanische Pferd wurde die Folter als Mittel der Wahrheitsfindung zunächst hoffähig und im Zuge der Inquisitionsprozesse dann unverzichtbar, da sich sonst kaum jemand des größten Verbrechens, das ein Christenmensch begehen konnte, der Hexerei, für schuldig bekannt hätte.
Wenn es um den rechten Glauben ging - insbesondere in den Hexenprozessen der Inquisition, denen über 1 Mill. meist Frauen zum Opfer fielen -, war in dem dämonischen Zeitalter der Justiz jede Rücksichtnahme, jedes Mitleid verboten, jedes Mittel erlaubt. Bei besonders schweren und grausamen Verbrechen, insbesondere bei einem crimen exceptum wie dem der Zauberei, durfte von den wenigen zum Schutze eines möglicherweise Unschuldigen geschaffenen Verfahrensregeln und Rechtsprinzipien bedenkenlos abgewichen und gnadenlos gefoltert werden. Das Aufspüren und die Ahndung von Ausnahmeverbrechen rechtfertigte die Außerachtlassung jeder ansonsten geltenden Verfahrensregelung. Und das schlimmste aller denkbaren Verbrechen war als Sünde wider Gott die Hexerei. Dieses geglaubte Verbrechen rechtfertigte jedes noch so sadistische Vorgehen. Und es war ohne die geringste Befürchtung um das eigene Seelenheil einsetzbar, denn niemals würde Gott die Vernichtung eines Unschuldigen zulassen! Recht und Rechtsfindung ohne Religion waren undenkbar. Die Kirche ermöglichte damit - um sich nicht selber die Hände zu schmutzig machen zu müssen unter Einschaltung der irdischen Strafgewalt („Malefizjustiz“) - durch ihre konkreten Handlungsanleitungen und ihre trans­zendentale Rechtfertigung jedem Perversen, seine noch so abartigen Neigungen an unschuldigen Frauen auszuleben. Ihre Juristen rechtfertigten in langen gelehrten Abhandlungen wie dem auf der Basis der von 1484 datierenden „Hexenbulle“ des Papstes Innocenz VIII., 1487 von päpstlichen Inquisitoren in glühendem verblendeten Glaubenseifer geschaffenen berüchtigten „Hexenhammer“32 („Malleus maleficarum“) ein solches Vorgehen - man würde den Tieren Unrecht tun, wenn man es als bestialisch bezeichnete, denn Säugetiere haben gegenüber Artgenossen meistens eine Tötungshemmung -, nachdem meist aus Neid und Missgunst eine Anzeige wegen angeblicher Hexerei erstattet worden war. Eine Anzeige galt als Beweis für die Hexerei und den Schadenszauber. Es fehlte nur noch das Geständnis. Dafür wurde dem der Zauberei Verdächtigten notfalls mittels der Folter die Zunge gelöst!
Es gibt bis in die jüngste Zeit keine Unmenschlichkeit, die willfährige Juristen zu ihrer jeweiligen Zeit im Auftrag der sie leitenden Interessensgruppe/n nicht gerechtfertigt hätten! Und staatlicherseits gefoltert wird heutzutage nach einer Erhebung von amnesty international noch in mehr als 100 Staaten der Welt, und damit in der Mehrzahl der Staaten – trotz deren Zugehörigkeit zur UNO und damit deren Selbstverpflichtung auf die Achtung der Erklärung der Menschenrechte. Und nach langen Jahren, in denen das Buch schon längst abgeschlossen war, muss hinzugefügt worden: und fast auch bei uns! So ordnete der damalige stellvertretende Frankfurter Polizeipräsident 2002 an, dass einem mutmaßlichen Kindermörder in Anwesenheit eines Arztes körperliche Schmerzen zuzufügen seien, damit er das Versteck verrate, in dem das von dem Polizeioffizier noch am Leben geglaubte Kind gefangengehalten werde.
Als eine andere Form der Wahrheitsfindung neben dem „Reinigungseid“, den ein unbescholtener „Freier“ – aber nicht der von der Reeperbahn, sondern einer, der keinem Herren hörig war - zusammen mit von ihm gestellten meist zwölf Eideshelfern leisten konnte, und der ebenfalls zum Zwecke der Wahrheitsfindung eingesetzten Folter wurden die bis Ende des 14. Jahrhunderts vielfältig an­­gewandten "Gottesurteile" (Ordale) angesehen. Als Hauptarten wurden der Zweikampf, das Los-Ordal (Gott bestimme durch das Los, wer Recht hatte), die Feuerprobe (der Beschuldigte musste bis ins 17. Jahrhundert über zwölf glühend gemachte Pflugscharen schreiten oder ein glühendes Eisen vom Taufstein bis zum Hochaltar in der bloßen Hand tragen33, ohne sich dabei zu verletzen), die Kesselprobe / der Kesselfang (der Beweispflichtige hatte mit bloßer Hand und Gottes Hilfe einen Gegenstand, meist einen je nach Schwere des zu prüfenden Deliktes handwurzel- oder ellbogentief gehängten Stein, aus einem ehernen Behälter mit siedendem Wasser herauszugreifen, woraufhin ihm der Arm am Altar verbunden und der Verband versiegelt wurde, um nach drei Tagen zu überprüfen, ob die Wunde gut verheilt war oder sich an dem verbrühten Fleisch Eiter zeige, was Gott, wie jeder Christenmensch wisse, bei einem Unschuldigen verhindere, da ein reines Gewissen reines Blut verursache, wohingegen unreines Blut durch ein unreines weil schuldbeladenes Gewissen verursacht werde), das Gift-Ordal (der einer Untat Beschuldigte musste die in geringer Konzentration an sich zu Heilzwecken verwendeten sehr giftigen Samen des tropischen Schmetterlingsblütlers Physostigma venenosum oder andere giftige Pflanzen einnehmen), die Kreuzesprobe (die Streitenden mussten mit ausgebreiteten Armen vor einem Kruzifix stehen; wer - (über)natürlich wegen des fehlenden Beistandes Gottes - zuerst die Arme sinken lassen musste, war als schuldig anzusehen), das Broturteil (über dem zu essenden Brot wurden Verwünschungsformeln gesprochen und wem „der Bissen im Halse stecken blieb“, galt als schuldig), das Einnehmen des Abendmahls (wer es wagen durfte, den Leib Gottes am Altar zu sich zu nehmen, ohne sich daran zu verschlucken, musste unschuldig sein), das aus u.a. der Nibelungensage bekannte und von Krimhild verlangte Bahrrecht (der durch Mordio- und Zetergeschrei des Totschlags oder Mordes Beschuldigte musste an die Bahre des Opfers treten und es berühren, brachen die Wunden dadurch auf, war der Beschuldigte des Mordes überführt), das dem ähnliche Scheingehen und die Wasserprobe angewandt.

Wegen ihrer Häufigkeit und Bedeutung sei an der Wasserprobe der religiöse Hintergrund der Gottesurteile exemplarisch für die Vorstellungswelt der im mittelalterlichen (Un )Glauben verhafteten Menschen hier etwas ausführlicher erläutert: Die in verschiedenen Kulturkreisen in unterschiedlicher Form angewandte Wasserprobe beruhte im christlich geprägten Mittelalter Europas auf dem (Aber-)Glauben an die durch die Taufe Jesu Christi geheiligte beweiskräftige und reinigende Wirkung des Wassers: Weil Gott durch die Taufe Jesu Christi das Wasser geheiligt habe, durch das wir mittels der Taufe zu Gottes Kindern werden, stoße es in der Wasserprobe den Körper des Sünders ab und lasse ihn nicht untergehen. So lasse man Gott selbst an Stelle des vom Teufel beherrschten Malefikanten die Wahrheit verkünden. Zur Durchführung der Probe fuhr der Scharfrich­ter mit der verdächtigten Person auf ein Gewässer. Dort entkleidete er sie. Um sicherzugehen, dass sie keine Zaubermittel, mit denen die Wasserprobe nach abergläubischer Vorstellung hätte unterlaufen werden können, in der Kleidung, am oder im Körper versteckt haben konnte, wurde jede Körperöffnung - natürlich am liebsten die von Frauen - genauestens untersucht. Dann band er ihr die rechte Hand am linken großen Zeh und die linke am rech­ten großen Zeh fest und warf sie ins Wasser. Ging die Person unter und ertrank, so war ihre Unschuld bewiesen. Ging die z.B. als "Hexe" denunzierte Frau nicht richtig unter, weil ihr vom Dämon besessener Körper vom geheiligten Wasser abgestoßen werde, so war ihr Bündnis mit dem Teufel offensichtlich, und sie wurde üblicherweise aufgrund des auf diesem (vorgeblichen) »Beweis« fußenden Urteils verbrannt.

Auch in anderen Kulturkreisen gab es - neben der Folter - Ordale, u.a. auch die Wasserprobe; dann natürlich ohne Bezug zur und ohne inhaltliche Begründung mit der Taufe Jesu. So war im alten Indien die Feuerprobe in der Form bekannt, dass eine glühende Eisenkugel eine bestimmte Strecke Weges getragen werden musste: Wenn die Hände unversehrt blieben, galt der derart Geprüfte als unschuldig. Bei der Wasserprobe musste der Beschuldigte, um als unschuldig zu gelten, im Wasser so lange untertauchen, bis ein abgeschossener Pfeil zurückgebracht worden war.
Doch wie schon gesagt: nicht alle Ordale endeten tödlich, denn sie soll­ten ja nur den für eine Verurteilung notwendigen Beweis erbringen, damit hinterher die »gerechte« Bestrafung in Form einer als Volks­fest aufgezogenen öffentlichen Hinrichtung erst noch erfolgen konnte. Manche Gemeinden kauften sich nach dem Motto: "Brot und Spiele!" von anderen Gemeinden oder Städten einen schon Verur­teil­ten, um vor ihrem eigenen publico die schaurig-schöne Volksbelustigung einer »ordentlichen« Hinrichtung mit allem, was für Gefühlsrohe dazugehörte, inszenieren zu können.

Auf der vierten Lateransynode 1215 hatten über 1200 Bischöfe, Äbte und Prälaten unter anderem den Beschluss gefasst, »Gottes«-Urteile als Mittel der Rechtsfindung zu verbieten. Damit war der Gebrauch der Ordale aber längst noch nicht abgeschafft, denn die Notwendigkeit, die durch die Straftat beleidigte göttliche Gerechtigkeit durch ein sühnendes Urteil wiederherzustellen, wurde weiterhin als so drückend empfunden, dass man sich nicht dazu durchringen konnte, im Zweifelsfall von der Unschuldsvermutung auszugehen und lieber einen Verbrecher laufen zu lassen. Aber wenn die Kirche dieser Rechtspraxis ihren Segen entzog, dann musste man sich als staatlicher Arm der göttlichen Ordnung etwas anderes einfallen lassen: die Folter. So wurde die Praxis der Gottesurteile durch das Verfahren der Inquisition verdrängt.


Als weiteres Beispiel für die Wucht des Strafens in früherer und in der nicht ganz so fernen Zeit sei u.a. das heutige Massendelikt des Diebstahls herausgegriffen; heute rund 61,2 % aller angezeigten Straftaten ohne Verkehrsstraftaten, die ihrerseits ungefähr die Hälfte aller insgesamt verübten Straftaten ausmachen. Ursprünglich hatte mit dem Hinweis auf die Zehn Gebote ("Dekalog") jeder Diebstahl als todeswürdig gegolten, weil der Dieb gegen ei­nes der zehn zentralen göttlichen Ge- oder besser Verbote für den Christen­menschen verstoßen hatte. Einige Zeit später, so etwa im 5./6. Jahrhundert n. Chr., wurde zwischen "kleinem" und "großem" Dieb­stahl unterschieden. Bei geringwertigen Diebstählen ohne Erschwer­nisgründe wurde der Ersttäter mit einer Geldbuße be­legt, die dem mehrfachen Wert der gestohlenen Sache entsprach (ei­ne Regelung, de­ren Einführung bei uns vor einiger Zeit zur Entkrimina­li­sie­rung des ge­ringwertigen Ladendiebstahls wieder erwogen worden war). Später, im Hochmittelalter und in der Neuzeit, wurde ein Tä­ter un­ter gro­ßer Volksbeteiligung "an Haut und Haaren" gestraft. Es existierte zwar der „liber pro­scriptorum“, das über das gesamte Reichsgebiet geführte „Achtbuch“, in dem alle Personen eingetragen wurden, die meist wegen „Ladeungehorsams“ in die Reichsacht34 getan und damit „friedlos“, rechtlos und vogelfrei gelegt worden waren, in dem aber nicht gewöhnliche Räuber und Mörder aufgeführt wurden. Das machten einzelne Städte für ihren Bereich: sie führten Listen über Räuber, Diebe und auffällig gewordenes „fahrendes Volk“, das von Markt zu Markt zog und oft die nicht so gewiefte Bevölkerung übers Ohr haute. Darum war zur Kennzeichnung der Übeltäter insbesondere über den eigenen Einfluss- und Wohnbereich hinaus das Dau­men- und Ohrenabschneiden bei Dieben, das Abschneiden der Nasen bei Räubern, das Abhacken eines Fingers oder der ganzen Hand bei Meineidigen, das Schlitzen der Ohren bei Betrügern, sowie das bis ins 19. Jahrhundert in ganz Europa übliche Brand­marken auf hauptsächlich der Schulter, in der Handfläche, einem „Kainsmal“ auf der Stirn oder ein Brandzeichen auf der Wange gebräuchlich, sodass ein derart Gezeichneter einen offensichtlichen „Schandfleck“ mit sich herumtrug. Selbst ein zu seiner Zeit weithin berühmter Mann wie der Bildhauer, Maler und Kupfersteher Veit Stoß, neben Tilman Riemenschneider einer der bedeutendsten Bildhauer der deutschen Spätgotik, der in seiner Heimatstadt Nürnberg und in Krakau berühmte Altäre geschaffen hatte, ist 1503 wegen eines Wechselbetruges gebranntmarkt worden, indem ihm in Nürnberg mit einem glühenden Eisen die Wangen durchstoßen wurden. (Damit erging es ihm aber besser als seinem Kollegen, dem ehemaligen Bürgermeister von Würzburg, Riemenschneider, dem für seine tätige Unterstützung der Bauern in ihrem „Bauernkrieg“ nach seier Gefangennahme die Hände zermalmt wurden, weil man erstens gerne an dem Körperteil strafte, mit dem eine dafür gehaltene »Straftat« begangen worden war, und weil man - nicht nur damals - sehr gerne sehr rachsüchtig war.) Außerdem durfte Stoß seine Heimatstadt nicht mehr verlassen.

Weil es kein reichseinheitliches Strafregister gab, dienten bis zur Einführung der ersten zentralen Karteisysteme und dann eines Zentralregisters die stigmatisierenden Körperstrafen zur Kennzeichnung der Täter. Jeder trug durch die vollzogenen Körperstrafen ganz offensichtlich seinen Strafregisterauszug auf dem Leib mit sich herum: Wer einen zu Leichtgläubigen übers Ohr gehauen hatte und wem deswegen die Ohren aufgeschlitzt worden waren, der war wegen eines Betruges verur­teilt worden und nun aller Welt als "Schlitzohr" kenntlich. Das war eine sicherere Methode der öffentlichen und insbesondere jedermann offensichtlichen Stigmatisierung als die von den alten Ägyptern angewandte, die jedem »Verbrecher«, so er hatte überleben dürfen, einen Schneidezahn ausgebrochen hatten, was zu Verwechslungen mit »Bäckereigeschädigten« - das Korn wurde auf großen Mahlsteinen mit handhabbaren Steinen zerrieben und enthielt darum oft kleinere Absplitterungen, die dann mit ins Brot gebacken wurden, was bei kräftigem Zubeißen ohne Weiteres zum Abbrechen eines Zahnes führen konnten - oder zu Verwechslungen mit mümmelnden Griesen führen konnte und vielleicht nur deswegen halbwegs funktionierte, weil die Menschen damals kein so hohes Lebensalter erreichten wie heute: Methusalem mit unglaubhaftem, angeblich erreichtem biblischen Alter von 969 Jahren und Ramses II. mit nachgewiesenen 67 Jahren der Regentschaft waren ziemliche Ausnahmen. (Zur Verdeutlichung: um 1900 lag der Mittelwert der Lebenserwartung in Deutschland noch bei nur 40 Jahren.)

Pech hatte nur, wer durch einen Unfall körperlich so in Mitleidenschaft gezogen worden war, dass seine unfallbedingte Verletzung einer der üblicherweise gerichtlich angeordneten Verstümmelungen ähnelte!
Resozialisierung ist ein sehr moderner, damals in der Allgemeinheit (höchstens als Reue und Gnade, sonst aber) nicht bekannter, jedenfalls kaum praktizierter Begriff. Wie sollten die möglichst für alle sofort sichtbar Gezeichneten dann aber zukünftig ihren Lebensunterhalt erwirtschaften können, wenn sie nicht in ausnehmend guten Verhältnissen lebten? So zwangen solche stigmatisierenden Verstümmelungen die oft auch im ursprünglichen Wortsinn Gebrandmarkten zu neuen Straftaten, weil niemand etwas mit unehrlichen Leuten zu tun haben wollte. Viele lebten als raubende Landplage »friedlos« und mussten weiter Straftaten begehen, um ihr Leben fristen zu können.

Und wer so gezeichnet war, konnte im Wiederholungsfall nicht auf Milde hoffen: Wer mit abgeschlagenem Daumen bei einem Diebstahl erwischt wurde, musste ein Rückfalltäter sein und wurde dann gehängt. Bei "großem" Dieb­stahl (bei Nacht, aus Kirchen, Mühlen und Schmieden, von höherem Wert, Einbruchsdiebstahl) wurde für Männer gleich beim ersten Mal auf diese zweit­schimpflichste Todesart nach dem „Rädern von unten herauf“ oder „von oben herab“35 (für Mord und Majestäts­verbrechen vorbehalten) erkannt. Frauen wurden bei todeswürdigem Diebstahl lebend begraben oder ertränkt. Noch bis vor 200 Jahren hängte man Diebe ohne viel Federlesens der Reihe nach - auch zur Abschreckung von Neuankömmlingen – als »Rabenfutter« an Straßenbäumen auf. Es sollte demonstriert werden: In dieser Gemeinde geht man unnachsichtig ge­gen Diebe und Gesindel vor, das sich überall zur Landplage ausgewachsen hatte. Überall fanden sich Galgen im Lande. Im England des 18. Jahrhunderts reagierte man auf die geringsten Vergehen, wie etwa Diebstahl, mit dem Tod durch den Strang, „… und die Strafe traf Erwachsene und Jugendliche in gleicher Weise. Bei einer derartigen Strafrechtspraxis war es nicht verwunderlich, wenn etwa der Dieb, der in einem Metzgerladen eine Wurst gestohlen hatte, weil er hungrig war, gleich den Metzgermeister mit umbrachte, um sich einen lästigen Zeugen vom Hals zu schaffen. Wurde er erwischt, kam es doch auf das gleiche hinaus, ob er nur gestohlen oder auch gemordet hatte.“36 Und noch Anfang des 19. Jahrhunderts befürchtete man allen Ernstes, die Eigentumsordnung werde sich (zum Schaden der Be­sitzenden) auflösen, wenn auf Ladendiebstahl ("shop-lifting") im Wert von 5 Schillingen nicht die Todesstrafe verhängt würde. Der britische Historiker Evans schreibt: „Die Sorge um die Verteidigung des Eigentums hatte die Sorge verdrängt, dass die Welt von einer Sintflut der Sündhaftigkeit überschwemmt werden könnte.“37 (Zu dieser Zeit hatte das wegen seiner von uns heute als grausam empfundenen Körperstrafen anfangs gescholtene islamische Recht der Scharia mit seinen Körperstrafen für die Hudud-Delikte einen ungleich größeren Respekt vor dem menschlichen Leben als generell das europäische Recht, denn diese Hudud-Strafen konnten nur unter einschränkenden Voraussetzungen verhängt werden, die das europäische Recht nicht kannte!)


Wenn man sich demgegenüber vergegenwärtigt, dass von den 1991 rund 5,3 Mill. amtlich bekannt gewordenen Straftaten (ohne Verkehrsde­likte) - die Häufigkeitsziffer (Fälle pro 100.000 Einwohner) betrug 6.649, für den Westen separat berechnet sogar 7.311; die darüber hinausgehende Dun­kelziff­er kann nur ge­schätzt werden und ist vermut­lich mindestens noch ein­mal so hoch - 61,2 % (3,2 Mill.) auf Diebstähle entfie­len, wobei der Diebstahl unter erschwerenden Umständen mit ca. 1,86 Mill. gegenüber dem einfachen Diebstahl mit ca. 1,38 Mill. Fällen bei weitem überwog, dann kann man sich vorstellen, wie viele Leut­e mit abgeschlage­nem Daumen herumlaufen müssten. Bei der hohen Rückfallquote von ca. 56 % der Verurteilten (wertet man nur die Inhaftierten, dann ist die Rück­fallquote über die Jahre schwankend bei Männern ungefähr 65-70 % und bei Frauen 60-65 %, bei jugendlichen Inhaftierten dagegen fast 78 %, wohingegen die Rückfallquote der auf Bewährung Verurteilten ca. 20 % niedriger liegt) wären außerdem die Ka­pazitäten der Friedhöfe längst erschöpft - wenn von so drastischen Strafen nicht doch eine allgemein abschreckende Warnfunktion ausgeht.

Da das Erscheinungsbild der Mitmenschen in der Öffentlichkeit dem offensichtlich nicht entspricht, kann man schon rein äußerlich feststellen:


Die Geschichte des Strafrechts

ist die


Geschichte der Abschaffung seiner früher meist grausamen Strafen.
Diese Feststellung gilt nicht nur für den Bereich der verstüm­meln­den Leibes- und der Todesstrafe. Auch z.B. die Prügel- und die Ket­tenstrafe, die bis zur Schaffung unseres bis heute noch gültigen Straf­gesetzbuches (StGB) von 1871 galten, sind abgeschafft. (Im Bayeri­schen StGB von 1813-1871 war z.B. die immer lebenslange Ketten­strafe noch vorgesehen. Sie war außerdem mit dem »bürgerlichen Tod« verbunden. Ein so Verurteilter verlor jede bürgerliche Rechts­fähigkeit. Er hörte für die menschliche Gesellschaft außerhalb des Gefängnisses auf zu existieren. Folgerichtig wurde vom Gesetz deshalb in einem solchen Fall der vorzeitige Erbfall angeordnet, denn der »lebende Tote« war ja zivilrechtlich nicht mehr existent. Sein Vermögen fiel deshalb seinen Erben anheim. Vermutlich wird dann auch – wie auf jeden Fall bei der Verhängung der Reichsacht im Mittelalter – eine eventuelle Frau des »lebenden Toten« zur Witwe erklärt worden sein, seine Kinder zu Waisen!) Die Zuchthausstrafe als verschärfte Freiheitsstrafe ist erst 1969 zugunsten einer einheit­lichen Freiheitsstrafe abgeschafft worden. Kritiker befürchten bei dieser Entwicklung einen Wandel von der Strafjustiz zur »Nicht-Strafjustiz«.



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