Rechtskunde einführung in das strafrecht der bundesrepublik deutschland anhand von tötungsdelikten


§ 212 Totschlag (+); Qualifizierung § 211 Mord einerseits wie auch Privilegierung § 213 minder schwerer Fall des Totschlags andererseits wohl (-)



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§ 212 Totschlag (+); Qualifizierung § 211 Mord einerseits wie auch Privilegierung § 213 minder schwerer Fall des Totschlags andererseits wohl (-).

Fall 19


§ 212 Totschlag ?

UTB (+), RF (-); aber Schuldfähigkeit in bezug auf die Tötungs­hand­lung (-), denn bei Vollrausch liegt eine tiefgreifende Bewusst­seinsstörung i.S.d. § 20 vor.

Damit § 212 (-).

§ 323 a Vollrausch (+); dabei VS (-), aber FL (+).

Das Gericht verhängte eine 3 ½jährige Freiheitsstrafe wegen der in fahrlässigem Vollrausch begangenen Tötung.

Fall 20


§ 212 Totschlag ?

UTB (+), aber durch den Rechtfertigungsgrund der sozialen Adäquanz ist das zunächst als objektiv zurechenbar festgestellte Unrecht wieder ausgeschlossen, denn der Täter hatte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet. Die Sicherheitskugelspitze an seiner Waffe war die übliche, ange­mes­sene(?) Vorkehrung gegen ein Zuviel an Verletzungen. Der ein­zel­ne Fechter hat es nicht zu vertreten, dass sich der Weltverband der Fechter FIE trotz des wegen gleichartiger Unfälle offensichtlichen Handlungsbedarfs jeden­falls bis dahin nicht zu wirkungsvolleren Sicherheitsvorschriften durchringen konnte.

Wer die geltenden Sicherheitsregeln bei der Ausübung seines unter Umständen gefährlichen Sports beachtet, dessen Handeln ist ge­recht­fertigt, wenn sich tragischerweise das "Restrisiko" reali­siert. Das ist der strafrechtliche Unterschied zwischen Unrecht und Unglück! RF (+)

§ 212 (-).

Fall 21

1.) § 212 Totschlag?



UTB (+), RF (-), denn regelwidriges Verhalten ist nicht durch den Rechtfertigungsgrund der sozialen Adäquanz gedeckt.

STB: Die für eine Verurteilung nach § 212 Totschlag erforderliche Vorsätzlichkeit ist nicht zu beweisen; darum nach dem Grundsatz: "Im Zweifel für den Angeklagten!" § 212 (-).

2.) § 226 KV mit Todesfolge?

UTB (+), RF (-)

STB: Zwar ist Fahrlässigkeit bezüglich des Todeserfolges gegeben, aber die zuvor zu prüfende und für eine Verurteilung erforderliche Vorsätzlichkeit hinsichtlich der KV durch Kopfstoß ist nicht zu beweisen; s.o..

§ 226 (-).

3.) § 222 fahrlässige Tötung (+)(?), wenn durch eine gerichtsme­di­zini­sche Untersuchung nachgewiesen werden kann, dass der Kopfstoß für den Tod ursächlich gewesen ist und nicht vielleicht ein regel­ge­­rechter Kopftreffer; sonst § 222 (-).

Fall 22


Möglich erscheint die Annahme eines versuchten Totschlags gemäß §§ 212, 12, 22, 23.

Der UTB einer Versuch gebliebenen Tötung kann bejaht werden. Der behauptete Recht­fertigungsgrund der Notwehr gemäß § 32 greift nicht ein, da nach den polizeilichen Ermittlungen gar kein gegenwärtiger Angriff vor­gelegen haben kann und darüber hinaus die Erforderlichkeit der an­geblichen Verteidigungshandlung ebenfalls verneint werden muss. Der Richter war in seinem Haus vor dem behaupteten Angriff sicher ge­nug geschützt gewesen.

STB: Fraglich ist die Vorsätzlichkeit der Versuch gebliebenen Tö­tungshandlung. Die Vor­sätz­lichkeit der Versuch gebliebenen Tö­tungs­handlung kann bejaht wer­den: Wer in Rückenhöhe auf einen Men­schen schießt, nimmt billi­gend in Kauf, dass er diesen Menschen tö­ten könnte. Danach wäre ein Tot­schlagsversuch zu bejahen. Dann §§ 212, 12, 22, 23 (+). Hinzu kommt, dass bei einem sich entfernenden Ziel höher gehalten werden muss. Demnach muss der Richter so gezielt haben, dass er eine tödliche Verletzung des Fliehenden billigend in Kauf genommen hatte!

Der Angeklagte wird sich aber sicher dahingehend einlassen, dass er den (an­geblichen) Angreifer nur habe verletzen, keinesfalls aber habe töten wollen. Es sei ihm nur darum gegangen, den (angeblichen) An­griff zu brechen, indem er auf die Beine gezielt habe. Wenn seine Kollegen ihm diese durch den Sachver­halt nicht gedeckte Einlassung - es kann gar kein Angriff vorgele­gen haben, wenn der Richter dem Opfer in den Rücken schoss - durch­gehen lassen sollten, müsste die Vorsätzlichkeit eines Tötungsver­suchs verneint werden. §§ 212, 12, 22, 23 (-).

Da der Richter zugegeben hat, dass er in angeblicher Notwehr bewusst auf sein Opfer geschossen hatte, würde bei Verneinung des Tot­schlagsversuchs eine Verurteilung gemäß § 224 schwere Körperverlet­zung vorzunehmen sein. Auch das ist ein Verbrechenstatbestand.

Fall 23


Der BGH verwarf die Revision des Angeklagten als offensichtlich un­­be­gründet und bestätigte damit das Urteil der Großen Strafkam­mer des LG, das auf in Tateinheit begangenen Mord und versuchte Verge­waltigung lautete. §§ 211; 177, 12, 22, 23; 52 (+).

Fall 24


Zunächst lag eine gemäß § 241 strafbare Bedrohung vor, als der Tä­ter drohte: "Ich erschieße Dich!" Dieser Gesetzesverstoß muss von der StA zwar gesehen werden, wird von ihr aber vermutlich nach der voll­en­de­ten Tötung nicht weiter verfolgt, sondern gemäß § 154 StPO ein­ge­stellt werden, weil die Strafe hierfür neben der zu erwartenden Strafe für die Tötung oder den Mord und die zweifache fahrlässige KV nicht beträchtlich ins Gewicht fallen würde.

§ 212 im Ergebnis (+).

§ 211 Mord?

Das Gericht bejahte Mord in Tateinheit mit fahrlässiger KV in zwei Fällen und einem Vergehen gegen das Waffengesetz. In der Zeitungs­notiz ist das dem Urteil zugrunde gelegte Mordqualifikationsmerk­mal leider nicht mitgeteilt worden. In Betracht kämen die im STB zu prüfenden Merkmale Hass und Rache als (besonders) niedrige Be­weg­gründe.

§ 230 zweimal (+). Wer an einer Bushaltestelle aus dem fahrenden Wagen auf einen Menschen in einer Menschenansammlung schießt, der könnte zu dem Tat- und damit zu dem Unrechtsbewusstsein gelangen, dass er durch eine solche Handlung andere Unbeteiligte außer dem auser­se­he­nen Opfer verletzen oder gar töten könnte - wobei nur ein gütiges Schicksal ihn vor diesen weiteren Tötungen bewahrt hat.

(Vermutlich) § 52a WaffenG (+).

Fall 25

§§ 212, 12, 22, 23; 21 Totschlagsversuch begangen im Zustand ver­minderter Schuldfähigkeit?



So u.a. wurde von der StA angeklagt.

Das Delikt ist durchzuprüfen:

UTB unproblematisch (+)

RF (-)


STB (+),aber durch Alkoholkonsum verminderte Schuldfähigkeit gemäß § 21.

(2006 brachte Hamburg einen Gesetzentwurf in das Gesetzgebungsverfahren des Bundesrates ein, nach dem u.a. betrunkene Täter nicht mehr auf Strafmilderung hoffen dürfen sollen. Eine Strafmilderung solle künftig ausgeschlossen sein, wenn ein Täter sich leichtfertig oder vorsätzlich - „vorwerfbar“ - mit Alkohol, Medikamenten oder Drogen in einen Rauschzustand versetzt habe: Eine in selbstverschuldetem Rauschzustand begangene Straftat dürfe nicht mehr zu einer strafrechtlichen Besserstellung eines »Rauschtäters« gegenüber einem bei gleicher Tatausführung nüchternen Täter führen! Wie allerdings bei Straftaten krankhafter Rauschtäter verfahren werden solle, ist nach der diesbezüglichen Zeitungsnotiz aber nicht klar: Setzt sich ein schwerstabhängiger Drogensüchtiger seinen ihn für einen kurzen Zeitraum erlösenden »Schuss« „vorwerfbar“? Und welcher Maßstab soll bei den Tätern angewandt werden, die bei ihrer Beschaffungskriminalität „auf Turkey“ sind und zwanghaft nur noch das einzige Ziel verfolgen können, an Geld für den nächsten »Schuss« zu kommen?)

E (-)

Doch nun der Strafausschließungsgrund des Rücktritts vom unbeen­de­ten Versuch! (+)



Das Gericht sah - im Gegensatz zur StA - einen strafbefreienden Rücktritt vom versuchten Totschlag als gegeben an. Der Täter hätte weiterhandelnd den Totschlag vollenden können.

§§ 212, 12, 22, 23; 21 (-).

Aber die in diesem Totschlagsversuch enthaltene vollendete gefähr­liche KV gemäß §§ 223 a, 21 (+). Sie wurde mit 4 ½ Jahren Frei­heitsstrafe geahndet. Von diesem vollendeten Delikt hatte der Tä­ter nicht strafbefreiend zurücktreten kön­nen.

Das Gericht machte trotz festgestellter verminderter Schuld­fä­hig­keit gemäß § 21 aber keinen Gebrauch von der durch diese gesetzliche Be­stimmung ermöglichten Strafmilderung beim Vorliegen einer vermin­der­ten Schuld­fä­higkeit. Es handelt sich bei der gesetzlichen Be­stimmung des § 21 eben nur um eine "Kann-Bestimmung". Weil es sich um einen Wiederholungsfall handele, so das Gericht, sei "ein Straf­maß am oberen Rand des Strafrahmens zwingend geboten."

Der Aschenbecher wurde sicherlich dieses Mal gemäß § 74 I einge­zogen.

Fall 26


Grunddelikt §§ 212, 12, 22, 23; 21 (+)

§§ 211, 12, 22, 23; 21 Mordversuch im Zustand - im STB zu prüfen­der und vom Gericht bejahter - verminderter Schuld­fähigkeit (+).

Die Kammer sah das - sowohl im UTB wie auch im STB zu prüfende und zu bejahende - Mordmerkmal "Heimtücke" als gegeben an, nicht aber das - nur im STB zu prüfende - Merkmal "Habgier". Die Tochter habe ihre Mutter nicht umbringen wollen, um deren Vermögen zu erben. Eine in Tateinheit mit dem Mordversuch begangene versuchte Brand­stiftung wurde (ohne mitgeteilte Begrün­dung) verneint. Das Urteil lautete trotz des Mordversuchsvorwur­fes nur auf 3 Jahre und 6 Monate Freiheitsstrafe.

Fall 27


T: Grunddelikt § 212 (+). Dann die Qualifizierung § 211 Mord (+).

Zu bejahen, da das sowohl im UTB (verdeckt angelegte Be­täubung des L durch in Alkohol gelöste Schlaftabletten) wie auch im STB (Willensziel der Überwältigung durch Ausnutzung der ver­deckt geschaffenen Wehrlosigkeit des L) zu prüfende Merkmal "Heim­tücke" einschlägig ist.

Aber bei jemandem, der so vorgeht, bestehen Zwei­fel an seiner Schuld­fähigkeit: Wer Zombie-Filme nicht nur ansieht - schon der ist auch "nicht ganz richtig in der Birne" -, sondern mit seiner zweckentfremdet eingesetzten Kettensäge auch noch um­setzt, der kann an einer schweren seelischen Abar­tigkeit i.S.d. §§ 20, 21 lei­den. Das müsste zu­nächst durch ein ge­richts­medizinisches Gut­achten geklärt wer­den.

Vermutlich: §§ 211, 21 (+).


M: Eventuell §§ 211, 27 Beihilfe zum Mord, wenn er von der Mordab­sicht gewusst und deswegen die Kinder aus dem Haus gebracht hatte.

Wenn er nichts von der Tötungsabsicht gewusst und nur hinterher die Kinder ferngehalten hatte, kann er auch nicht wegen Verstoßes ge­gen (die zu prüfende!) Strafvereitelung gemäß § 258 belangt werden, weil Abs. 6 dieses Paragraphen Angehörige straffrei stellt. Zwar war M mit T nicht mehr verheiratet, aber § 11 I Nr. 1 definiert, dass zu den "Angehörigen" der (frühere) Ehegatte auch dann gehört, wenn die Ehe, welche die Angehörigeneigenschaft begründet hatte, nicht mehr besteht. Darum bleibt M straflos, wenn er erst hinter­her in das deliktische Geschehen einbezogen worden war. Dann war es schon Strafe genug, dass er – als ständige Mahnung zu eigenem Wohlverhalten(?) - 10 Monate lang mit dem eingedosten und in der Tiefkühltruhe konservierten Ex-Rivalen zusammenleben musste! Hoffentlich hatte die Zombie-Fan-Frau ihren Ex-Lover in der Zwischenzeit nicht ab und an zum Fressen gern! Weiß man, zu welchen Handlungen solche Leute außerdem noch fähig sind?

(So etwas kann einem die Beschäftigung mit dem Zivilrecht nicht bieten!)

Fall 28


Die Wahrscheinlichkeit des Todes eines Stiefkindes ist fünfundsechzigmal so hoch wie die von Kindern, die bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen.110

§ 212 Totschlag?

UTB (+), RF (-)

STB: Vorsätzlichkeit?

Der Täter handelte wohl nicht mit dem Willensziel, den Säugling einzu­schlä­fern, sondern mit dem Ziel, ihn zum Einschlafen zu brin­gen. Das ist nicht nur sprachlich ein feiner, sondern auch straf­ju­ristisch ein erheblicher Unterschied.

§ 212 (-).

§ 229 Vergiftung?

UTB (+), RF (-)

STB: Vorsätzlichkeit?

Der Täter muss wissen, dass er das Mittel seinem Opfer beibringt, und dass es in der gewählten Dosierung geeignet ist, die Gesund­heit zu zerstören. Die zweite Voraussetzung muss vermutlich verneint werden.

§ 229 (-).

§ 222 fahrlässige Tötung (+).

Das entsprechende Delikt in Großbritannien, dessen Strafrecht nicht so differenzierte Tötungsdelikte kennt wie das StGB, heißt "unvoluntary manslaughter".

Schon allein der Klang des Hauptwortes lässt schaudern.

Fall 29

§§ 212, 13 Tötung durch Unterlassen?



Bestimmt nicht, da die Eltern ihr Kind hatten behalten wollen. Sie waren nicht mit dem Ziel vorsätzlich untätig geblieben, dass ihr Kind aufgrund bewusster Vorenthaltung von Nahrung hätte sterben sol­len. Im Gegenteil! §§ 212, 13 (-).

§ 222 fahrlässige Tötung?

Das war die Meinung der StA. Sie forderte dafür eine "symbolische" Bestrafung, die zur Bewährung ausgesetzt werden sollte.

Das Gericht prüfte:

UTB (+), RF (-)

STB: Fahrlässigkeit?

War für die Eltern das Wissen erlangbar gewesen, dass sie ihr Kind in einem stetigen Prozess verhungern ließen?

Das Gericht schloss sich dem Gutachten an, verneinte die Potentia­li­tät des Tat- und somit auch des Unrechtsbewusstseins und sprach die Eltern von dem Anklagevorwurf frei, obwohl es zunächst die An­klage zur Hauptverhandlung zugelassen hatte. "Nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung" (§ 261 StPO) war es zu der Entscheidung gekommen, dass die Eltern keine straf­recht­lich relevante Schuld treffe.

Selbst wenn das Gericht die Ansicht der StA geteilt und gemeint hätte, die Eltern hätten den Auszehrungsprozess bemerken müssen, hätte es in diesem Fall bei Bejahung einer fahrlässigen Tötung keine Strafe gegen die Eltern verhängen müssen. § 60 Absehen von Strafe gibt den Richtern die Möglichkeit an die Hand, ein Verfah­ren mit einem bloßen Schuld- aber ohne einen Strafausspruch zu be­enden, wenn im Verhältnis zu der schweren Folge der Tat die Zufü­gung des staatlichen Strafübels für den Täter nicht mehr ins Ge­wicht fallen würde, er also durch die schwere Folge als hinrei­chend (vom Schick­sal) »bestraft« gelten und auch keine der übli­chen Aufgaben der Strafe unter keinem der für sie maßgebenden Ge­sichtspunkte eine sinnvolle Funktion mehr haben kann.

Ein klassischer Fall der Anwendung des § 60 liegt ja gerade dann vor, wenn der Täter infolge der Tat - un­gewollt(!) - einen nahen Angehörigen verloren hat.

Fall 30

§§ 212, 13 Tötung durch Unterlassen?



UTB (+), RF (-)

STB: Vorsätzlichkeit?

Es ist nicht anzunehmen, dass die Eltern, von deren Schuldfähigkeit auszugehen ist, den Erfrierungstod ihres Kindes billigend in Kauf genommen hatten. Sie waren nur etwas zu sorglos auf ihren eigenen Lustgewinn bedacht.

§§ 212, 13 (-).

§ 222 fahrlässige Tötung (+).

Fall 31


Dieser Fall hat Justizgeschichte gemacht und ist wegen der darin enthaltenen Grundrechtsproblematik und deren fast einheitliche Ver­kennung durch die damit befasst gewesenen ordentlichen Gerichte ausführlich in "Rechtskunde - Einführung in das Recht der Bundesrepublik Deutschland" dargestellt.
Die StA hatte ein Verbrechen der Tötung durch Unterlassen gemäß §§ 212, 13 angeklagt. Die Anklage landete beim AG als Schöffenge­richt, ob­wohl dessen Strafgewalt gemäß § 74 I 2 GVG damals nur bis zur Ver­hängung einer Frei­heitsstrafe von maximal 3 Jahren reichte, eine »normale« Tötung aber mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft werden muss und damit eine Große Strafkammer des LG zu­stän­dig gewesen wäre.

Das AG als Schöffengericht verurteilte den Ehemann zwar nicht we­gen einer Tötung durch Unter­lassen gemäß §§ 212, 13, sondern we­gen fahr­läs­siger Tötung gemäß § 222 zu acht Monaten Gefängnis. Ausschlaggebend hierfür müsste die Überlegung gewesen sein, dass Ehe­mann E nicht mit dem Willensziel der Tötung seiner Frau F in medizinischer Sicht untätig geblieben war. Er wurde ja - aller­dings nur in reli­giöser Hinsicht - sehr intensiv tätig und wollte durch ein inbrün­stiges Gebet die Blutungen stillen und den einge­tre­tenen Blutver­lust ausgleichen. Vorsätz­lich­keit hinsichtlich eines so angeklagten, mit dem in der Kombination der Strafvorschriften ge­forderten Wil­lensziel einer Tötung vorgenommenen Garantenunterlas­sens kann nicht festgestellt werden und scheidet darum aus. Aber auf­­grund der alar­mierenden Warnung des Hausarztes hätte E Tat- und Unrechts­bewusstsein hinsichtlich der Tatsache er­lan­gen können, dass ohne Ein­lieferung der F in ein Krankenhaus de­ren Leben nicht zu retten sein werde. Soviel medizinisches Allgemeinwissen darf man selbst einem in religiöser Verblendung befangenen Er­wachsenen zu­trauen.


Durch das gegen das Urteil des AG als Schöffengericht (1 Berufs- und 2 Schöffen als Laien­rich­ter) eingelegte Rechts­mit­tel der Beru­fung des Ange­klagten wurde nunmehr eine Große Straf­kammer (damals 3 Berufs- und 2 Laienrichter) des LG als Beru­fungs­­instanz in diesem Verfahren zuständig.

§ 222 fahrlässige Tötung?

Die Große Strafkammer kam zu der Entscheidung: UTB (-).

Es sei nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicher­heit zu klären, ob der Tod der E durch die unterlassene Überfüh­rung in ein Krankenhaus verursacht worden sei.

§ 323 c unterlassene Hilfeleistung?

UTB (-): Weil die E sich in voller geistiger Klarheit und Willens­fähigkeit gegen eine im Krankenhaus vorzunehmende Bluttransfusion ausgesprochen habe, hätte sich E nicht über den Entschluss der F hinwegsetzen dürfen. In einem "obiter dictum"- davon machen Ober­ge­­richte manchmal in einem Urteil Gebrauch, wenn sie eine Sache regeln und dabei gleichzeitig etwas nicht zur Entscheidung Anste­hendes, aber entfernt Dazugehörendes gleich prophylaktisch durch Äußerung ihrer Rechtsansicht mitregeln wollen - sei angemerkt: Das Gericht hätte vielleicht dem Antrag der StA entsprochen, wenn F nicht mehr über ihre volle geistige Klarheit und Willensfähigkeit ver­fügt hätte. Dann hätte es möglicherweise - vielleicht ohne Be­rück­sichtigung der dem Fall immanenten Grundrechtsproblematik, denn mit dem Hin­weis auf Art. 4 GG hatte es seine Entscheidung ja nicht begründet - den E wegen seiner Garantenstellung als zum Handeln ver­pflichtet angesehen.


§ 323 c (damals hieß er noch § 330 c und nicht § 323 c) (-). Freispruch!
Die StA fand die Begründung des LG rechtsirrig - "Wo kämen wir hin, wenn jeder seinen Ehepartner verbluten lassen könnte?", mag sie gedacht haben - und legte darum ge­gen dessen Ur­teil beim OLG das Rechtsmittel der Revision ein. (In der Revision werden keine Tatsachen mehr, sondern nur noch Rechts­fragen ge­prüft, ob z.B. eine gesetzliche Bestimmung des materiel­len oder des for­mel­len Strafrechts verkannt worden ist, und ob nicht gegen Denk- und Sprachgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen wurde. Weil nur noch Rechtsfragen entschieden werden, kann man dort nur Fachleute ge­brau­chen. Darum ist das OLG mit ausschließlich 3 Berufsrichtern be­setzt.) Zum Strafsenat des BGH (5 Berufsrichter) kam die Sache nicht, weil sie beim AG angefangen hatte. Da hätte die StA die An­klage schon beim LG erheben oder das AG als Schöffengericht sei­ner­seits wegen nicht ausreichender Strafkompetenz die Sache beim LG anhängig machen müs­sen. Das war aber nicht geschehen.

Die StA behauptete in ihrem Revisionsantrag, dass das LG bei sei­nem freisprechenden Berufungsurteil die ein­schlägigen Bestimmungen des Strafgesetzes ver­kannt hätte. Das OLG sah das auch so aber trotzdem anders, hob darum das Berufungsurteil des LG mit seinem Revisionsurteil auf und verwies die Strafsache an eine andere Kammer des LG zu er­neu­ter Verhand­lung unter Beachtung der Rechtsauffassung des OLG zu­rück. In der in dem ergangenen Revisionsurteil niedergelegten Rechtsauffassung urteilte das OLG, dass (seiner Meinung nach) zwar keine Tötung durch Unterlassen - wie von der StA in der Anklage­schrift behauptet - und auch keine fahrlässige Tötung - wie von dem Schöffengericht des AG für Recht erkannt - vorliege, auch kein Freispruch - wie von dem LG als Berufungsgericht (nach Meinung des OLG: fehlerhaft) als Recht erkannt - möglich sei, sondern eine Ver­urteilung wegen eines Verstoßes gegen § 323 c unterlassene Hil­fe­leistung zur Ahn­dung des durch die (behauptete) Straftat began­genen Unrechts notwendig sei. Der Ehemann sei aber - ohne die Garanten­stellung des E gegenüber der F für §§ 212, 13 Tötung durch Unter­lassen in An­spruch zu nehmen - aus der ehelichen Lebensgemein­schaft heraus zu dem ihm zumutbaren Versuch verpflich­tet gewesen, seine Ehefrau aus dieser Garantenstellung heraus zur Einwil­ligung in die von dem behandelnden Arzt für notwendig erach­te­te Bluttransfusion zu bewegen. Das hört sich zunächst nach einer sehr eigenwilligen und nicht dem Wortlaut des Gesetzes entsprechenden Begründung des OLG an, denn § 323 c will den bestraft wissen, der "... bei Unglücksfällen ... nicht Hilfe leistet, ... ."

Nach Laienverständnis könnte da ausschließlich an eine tatkräftige medizinische Notfallversorgung gedacht werden. Aber ein Notarzt war ja hinzugezogen worden. Urteilende Juristen denken aber oft komplizierter als Laien und schrauben dann ihre Anforderungen an strafbefreiendes Handeln im Nachhinein höher, als von dem späteren Angeklagten in der aktuellen Situation je geahnt! Ein Blick in das Gesetz behebt manchen Zweifel, ein Blick in Kommentare lässt über die im Gesetz enthaltenen und in den Kommentaren aufgearbeiteten Zweifel noch mehr zweifeln – oder gar verzweifeln! In einem renommierten Kurz-Kommentar heißt es mit Verweis auf dazu ergangene Urteile und Stellungnahmen: "Sofort muss der Hilfspflichtige handeln, und zwar in wirksamer Weise, hierzu gehört auch eine eindeutige Aufklärung über eine etwa einzig gebotene Maßnahme." Diese Meinung muss sich das OLG zu eigen gemacht, den E über den Notarzt hinaus als Hilfspflichtigen eingestuft haben und so zu dessen Verurteilung gelangt sein, obwohl die eindeutige Aufklärung durch den Notarzt ja schon vorgenommen worden war. Das OLG stellte mit seinem Urteil zumindest indirekt für einen Ehemann eine Rechtspflicht fest, mit seiner halsstarrigen Ehefrau notfalls Tacheles reden zu müssen! Diese Rechtspflicht kann sich aber nur aus einer Garantenstellung heraus ergeben. Die Bejahung einer Garantenstellung müsste dann aber zwangsläufig zur Prüfung einer Tötung durch Unterlassen führen, denn § 323 c ist ja gerade ein "Jedermann-Delikt". Einen Garanten müsste dann aber immer der härtere Strafvorwurf der §§ 212, 13 treffen, der gegenüber Herrn Jedermann gerade nicht erhoben werden kann!

In einem größeren Strafrechtskommentar heißt es zu derselben Problematik der geistigen Einflussnahme auf einen Gefährdeten: "Weigert sich der Gefährdete, die Hilfe anzunehmen, so entfällt die Hilfspflicht, soweit er über das Rechtsgut verfügen kann. So kann z.B. der Unfallverletzte die Hilfe zurückweisen, nicht dagegen der Eigentümer beim Brand seines Wohnhauses. Besteht für den Verletzten Lebensgefahr, so entfällt bei seiner Weigerung, Hilfe anzunehmen, die Hilfspflicht nach den gleichen Grundsätzen, die für die unterlassene Hilfeleistung beim Selbstmord gelten." Und dort heißt es: "So ist z.B. der Selbstmordversuch nicht als Unglücksfall anzusehen, wenn er aufgrund freier, unbeeinflusster Entscheidung erfolgt; diese ist in der Weise zu respektieren, dass eine unterlassene Verhinderung der Selbsttötung straflos bleibt. Dies gilt auch dann, wenn der Lebensmüde die Herrschaft über den von ihm veranlassten Geschehensablauf verloren hat. In diesen Fällen liegt jedoch ein Unglücksfall vor, wenn Dritte durch den Selbstmordversuch gefährdet werden (z.B. bei Aufdrehen des Gashahnes) oder der Suizidant seinen Entschluss ändert (z.B. Hilferuf des Ertrinkenden, der zunächst den Freitod im Wasser suchte). Dasselbe kann gelten bei einem missglückten Selbstmordversuch, wenn der eingetretene Erfolg von dem Geschehensablauf, den sich der Täter vorgestellt hat, erheblich abweicht." Schon nach der von diesem Autor vertretenen Ansicht hätte E nicht verurteilt werden dürfen, weil F ihre Entscheidung, auf die rein technisch zwar durchführbare, aber vor ihrem Gewissen nicht vertretbare Rettungsmaßnahme der Bluttransfusion zu verzichten, in einem so bewussten Willensakt getroffen hat, wie sie auch von Menschen mit Selbsttötungsabsicht getroffen wird.

Doch das OLG hatte sich - was sein gutes Recht ist, aber zu Lasten des Rechts des Angeklagten gehen kann - der gegenteiligen Kommentarmeinung angeschlossen. An diese in seinem Revisionsurteil getroffene rechtliche Auffassung seines Obergerichtes war die neue Kam­mer des LG gebunden. (Das legt § 358 StPO aus Gründen der Prozessökonomie so fest, damit die Oberinstanz sich nicht eventuell noch ein weiteres Mal mit der Rechtslage befassen muss, wenn die Angelegenheit von der Unterinstanz erneut verhandelt wird.) Die neue Kammer des LG erkann­te im Strafmaß auf eine Geldstrafe in Höhe von DM 200,- (€ 102,-). (Tages­sät­ze gab es damals noch nicht.) Immerhin: Jetzt nur noch DM 200,- (€ 102,-) als tat- und schuldangemessene Geldstrafe statt vorher 8 Mona­ten Ge­fäng­nis auf Bewährung; ein schöner Teilerfolg des Rechtsan­wal­tes für seinen Mandanten! Über einen solchen Strafrabatt freut man sich normaler­wei­se.

Nicht so dieser Rechtsanwalt. Der Bursche war durch die in den bisher er­gangenen Urteilen enthaltenen Begründungen, soweit sie sich nicht mit seiner Auffassung von einem gerechten Urteil in dieser Sache deckten, unbelehr­bar. Er legte gegen dieses durch das LG nunmehr unter Beach­tung der Rechtsauffassung des OLG ergangene Ur­teil, wie die StA vor ihm im ersten Durchgang, nun seinerseits - sicher ohne jede Hoffnung - Revision bei dem schon einmal mit dieser Rechtssache befasst gewesenen OLG ein: Sein Mandant müsste freigesprochen werden - was nach dem Revisions­urteilstenor des OLG dem LG aber nicht möglich gewesen war -, weil das Urteil auf einer Ge­setzesverletzung beruhe. (Manche) Richter emp­finden solch ein Ver­hal­ten eines Rechts­an­waltes schon als que­ru­la­torisch: Weil doch schon so viele mit zum Teil hochkarätigen Rich­tern be­setz­te Instanzen wie u.a. das erneut angerufene OLG ja auch schon selbst in dieser Sache ent­schieden hatten, kann doch nicht so ein kleiner Rechtsanwalt ein zweites Mal mit derselben Sache kom­men! Der Rechtsanwalt er­hielt prompt und (vorläufig) kosten­pflich­tig die si­cherlich erwartete Abfuhr. So erfahren ist ein sol­cher Rechts­fuchs sicher! Der wird von diesem OLG kein "lucidum intervallum", keinen lichten Moment, bei der nochmaligen Beurteilung dieser Sa­che erwartet ha­ben. Doch er musste erst auf diese Weise den Rechts­weg durch die er­neute (und wie immer fristgerecht zu erfolgende) Einlegung der Revision aus­schöpfen, um dann erst seinen Joker ins Spiel brin­gen zu können: das Bundesverfassungsgericht!

Wie nicht anders zu erwarten, wurde von dem OLG, das ja schon einmal mit der Sache befasst gewesen war und sich - das Untergericht bin­dend - in seiner größeren Weisheit schon damals dahingehend er­klärt hatte, dass ein Verstoß gegen (den jetzigen) § 323 c vorliege, die Revision als "offensichtlich unbegründet" kurz und zackig ver­worfen, wie es mit rund 90-95 % der Revisionsanträge geschieht.
Nunmehr konnte der rechtskundige und auf die Anerkennung seiner Sicht der Gerechtigkeit hoffende Verteidiger nach Ausschöpfung des Rechtsweges - und nur dafür hatte er sich von dem OLG die erwarte­te Abfuhr erst noch einmal einhandeln müssen - seinen letz­ten Trumpf ausspielen und beim BVerfG gemäß Art. 93 I Nr. 4 a GG und § 13 Nr. 8 a BVerfGG eine Verfassungsbeschwerde einreichen.

Das BVerfG ist an sich keine so vorgesehene "vierte Instanz". Im Normal­fall der strafrechtlichen Verfahren kann man schon von Glück sa­gen, wenn man drei Instanzen (Eingangsinstanz, eventuell danach Berufung und Revision) zur Verfügung hat - und am Ende gewinnt! Nur in den Fällen, in de­nen ein Ver­urteilter entsprechend dem Wortlaut des Art. 93 I Nr. 4 a GG behaupten kann, er sei durch ein im üblichen In­stan­zen­zug letztin­stanz­li­ch ergangenes Ur­teil "durch die öffentli­che Ge­walt in einem seiner Grundrechte verletzt" worden, öffnet sich ihm die Pforte zu der Schwelle des BVerfGs. Ob er dann, wie in 98 % der Fälle, von der "Schwelle des Gerichts" wegen Unzulässigkeit des An­trages oder des­sen offensichtlicher Unbegründetheit gemäß § 24 BVerfGG "a limi­ne" abgewie­sen oder seine Klage doch angenommen wird, ist dann ei­ne andere Frage; eine weitere ist, wie das Verfahren entschieden wird.

Der Rechtsanwalt behauptete mit seiner Verfassungsbeschwerde eine Verletzung der in Art. 4 I GG geregelten Glaubens- und Gewissens­freiheit seines Mandanten. Wie gesagt, nur durch eine behauptete Grund­rechtsverletzung kann man als Normalbürger in einem Strafverfahren das Ohr des BVerfG erreichen. Nur solche Rechtsirrtümer berechtigen zur Einle­gung ei­ner Verfassungsbeschwerde gegen ein letztinstanzlich ergangenes Ur­teil anderer Gerichte. Andere Rechtsirrtümer der Gerichte sind von dem oder den Betroffenen hinzunehmen.

Der Anwalt hatte mit seiner Verfassungsbeschwerde Erfolg! Das BVerfG hob die Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen Art. 4 I GG auf (obwohl doch nach Meinung des OLG ein Rechtsmittel gegen seine Entscheidung "offensicht­lich unbegründet" gewesen sei). Der Angeklagte habe nach seiner Glaubensüberzeugung gehandelt, die in der vorliegenden Art (gerade noch) von der Wertordnung des GG gedeckt sei und darum toleriert werden müsse - auch wenn sie für Nichtmitglieder seiner Sek­te kaum noch nachvollziehbar sei.

Ergebnis: Freispruch! Und alle bisher aufgelaufenen Kosten zu Lasten der Staatskasse. Da kommt Freude auf! Im juristischen Kampf entscheidet – wie meistens auch im Krieg – die letzte Schlacht.
Solche Fälle passieren immer wieder. 2005 starb in Landau/Bayern eine Zeugin Jehovas bei der Geburt ihres dritten und gesunden Kindes an einer Nachblutung, auf Grund derer die Gebärmutter entfernt werden musste, was mit Blutverlust verbunden ist und durch Bluttransfusionen hätte ausgeglichen werden müssen. Die Ärzte, die ihr das Neugeborene zeigten, um sie an ihre soziale Verantwortung zu gemahnen, konnten ihr nicht helfen, weil die Frau Bluttransfusionen ablehnte und diesen religiös motivierten Willen – u.a. in dem Mutterpass - schriftlich verfügt hatte. Weil Patientenrechte absolute Priorität haben, insbesondere wenn sie sich auf die grundgesetzlich garantierte Glaubensfreiheit berufen, waren den Ärzten die Hände gebunden: Liegt eine schriftliche Erklärung vor, in der ein Patient betont, dass er im Ernstfall nicht gerettet werden möchte, müssen die Ärzte das bei Kenntnis respektieren!

Ärzte sind aber beim Vorliegen eines Notfalles nicht verpflichtet, erst einmal Nachforschungen anzustellen, ob nicht möglicherweise religiöse Überzeugungen des ihrer Hilfe Bedürftigen eine ihn rettende Bluttransfusion ausschließen könnten. In einem Notfall sind sie zur Hilfeleistung verpflichtet – ungeachtet der Tatsache, dass dann möglicherweise der oder die Gerettete die von ihr oder ihm so gesehene schwere Sünde des Verstoßes gegen ein von ihr oder ihm als absolut verpflichtend angesehenes göttliches Gebot seelisch nicht verkraften kann!

Fall 32

Bezüglich der Strafbarkeit des K scheidet ein vorsätzlich began­ge­nes Tötungsdelikt schon nach der Fallgestalt aus. Fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung in je drei Fällen müssen un­problematisch bejaht werden. Das wäre alles kein Grund, den Fall in dieser Beispielssammlung herauszustellen.


Interessant ist der Fall wegen des Einheitstäterbegriffs in §§ 222 und 230. Wegen dieser gesetzlichen Regelung wurde neben dem Fahrer auch die Prokuristin wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger KV in je drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Ihr wurde vorgeworfen, den Kraftfahrer K da­zu veranlasst zu haben, erheblich länger als erlaubt am Steuer des firmeneigenen Lasters gesessen zu haben. Durch ihre den K zwangs­läufig übermü­dende Fahranweisung habe sie die Gefahr eines Unfalls "sehenden Auges" heraufbeschworen.

Fall 33


Der UTB einer fahrlässigen Tötung ist zu bejahen. Das in dem UTB zunächst als begründet angenommene, dem Tennisschlag des Spielers objektiv zurechenbare Unrecht wird aber durch den Rechtfertigungsgrund der sozialen Adäquanz mit dem Unterfall ei­ner möglichen Verletzung eines Rechtsgutes bei Einhaltung der im Ver­kehr erforderlichen Sorgfalt wieder ausgeschlossen. Das ist - wie schon in dem Fall der Fechter angemerkt - der Unterschied zwischen Unrecht und Unglück.

Fall 34


Zwischen diesem Fall und dem Fall 15 (Beihilfe zur Selbsttötung einer Gesichtskrebspatientin) bestehen gravie­ren­de, rechtlich relevante Unterschiede, die klar herausgearbeitet werden müssen:

Für Dr. F, der sich im Gegensatz zu Prof. H vorher nicht rechtlich erkundigt zu haben scheint und auch nicht die Möglichkeit hat­te, das Manuskript dieses Buches zu lesen, scheidet die Möglichkeit einer straf­losen Beihilfe zur Selbst­tötung aus, denn er ist Täter - und nicht Ge­hilfe zu frem­der strafloser Haupttat. Hier stellt sich - gün­stig­stenfalls(!) - die Pro­blematik der aktiven Sterbehilfe in vol­ler Schärfe; wenn sie sich überhaupt stellt.

Gegenüber dem Täter in Fall 13 (Bolzenschussapparat-Fall), dem auch der Staatsanwalt »nur« das privilegierte Delikt einer Tötung auf Verlangen angelastet hatte, ist zumindest die Beweisposition des Dr. F entscheidend schlechter! Wie will er den Beweis für die Ernsthaftigkeit eines vom Opfer angeblich geäußerten Verlangens nach dessen Tötung erbringen? Prof. H konnte den Beweis durch Ver­wandtenaussagen und eine (später auch im Fernsehen ausgestrahlte) Videoaufzeichnung von dem entscheidenden Patientengespräch erbrin­gen. In der Zeitungsmeldung des vorliegenden Falles wurde aber gar kein Einverständnis des Opfers mitgeteilt. Dort hieß es nur: "Er habe die nach einer Darmkrebsoperation schwer leidende Frau im Ein­verständnis mit deren Verwandten erlöst." § 216 lautet aber: "Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden, ... ." Und den gesetzlichen Tatbestand muss man schon ernst nehmen - sonst machen das Staatsan­walt und Richter! Das Einverständnis von Verwandten des Opfers – falls es das überhaupt gegeben haben sollte - kann den Täter eines solchen Falles gegenüber einem Totschläger oder Mör­der nicht privile­gie­ren! Und ein Einverständnis wäre auch noch kein ausdrückliches und ernstliches Verlangen. Ein ausdrückliches und ernstliches Verlangen der Verwandten zur Tötung des Opfers wä­re vom ermittelnden Staatsanwalt zunächst einmal als Anstiftung zu Totschlag oder Mord zu begutachten. Vielleicht waren die gesetzlichen Erben zu hastig und konnten nicht den normalen Lauf der Dinge abwarten?! Es überrascht darum nicht, dass die Verwandten - wie mitgeteilt - dem ermittelnden Staats­anwalt gegenüber bestritten, Dr. F aufgefordert zu haben, das angebliche Leiden der Frau zu beenden. Ein den vor­zei­tigen Erbfall herbeiführendes Auffordern oder Ein­wil­ligen der Angehörigen kann das in § 216 gesetzlich geforderte "ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten" auf keinen Fall, auch nicht im Falle eines dem Tode "Ge­weihten"/Verfallenen, ersetzen. Das hätte auch für den Bolzen­schussapparat-Täter gegolten. In dem Fall war aber das Ver­­­langen des un­barmherzig am Leben gehaltenen Lebensunfähigen von Ärzten und Pfle­gern bestätigt worden. Ohne diese Bestätigung wäre die Tat des Bruders nicht unter dem Gesichtspunkt des § 216 zu wer­ten gewesen. Tötung aus Mitleid privilegiert nicht im Tatbe­stand - höchstens im Strafmaß! Und das auch nicht immer:
„Tötung aus Mitleid

Die Türkin ... tötete in der Türkei ihren an Lungenkrebs erkrankten deutschen Freund, damit er nicht so lange leiden und qualvoll sterben müsse. Sie erstach ihn mit einer Schere.“


"Angestellter tötete den gewalttätigen Ehemann seiner Arbeitskollegin

Mord aus Mitleid

Wenn Margie Swisser (34) mit Sonnenbrille zur Arbeit kam, wusste jeder in der Firma Bescheid. Wieder einmal hatte ihr Mann Paul (45) sie verprügelt, und die junge Frau versuchte, ein blaues Auge zu verbergen.

Der Kollege James Usburn war hoffnungslos in Margie verliebt. Eines Tages hielt er es nicht mehr aus und lauerte Paul Swisser auf. ‘Sie quälen Margie nie wieder', zischte er und tötete den Ehemann mit sieben Messerstichen. Damit die Tat wie ein Raubmord aussah, stahl James Usburn die Brieftasche. Das wurde ihm zum Verhängnis: Nach einem Unfall fand die Polizei die Papiere des Mordopfers bei ihm. Sein Urteil: Die Todesstrafe."

Doch zurück zu unserem Fall. Da die Verwandten des Opfers K.G. - wie gemeldet - die Angaben des Dr. F nicht bestätigen, kann ihn auch nicht die Unschuldsvermutung des "In-dubio-pro-reo"-Grundsatzes retten.

Hinzu kommt: Ein dem F gegenüber in einem Gespräch tatsächlich ge­äußertes aus­drück­liches und ernstliches Verlangen der Getöteten einmal unter­stellt, wäre für ihn die Beachtlichkeit dieses Ver­langens eventuell nicht beweisbar: Nur Vollsinnige können über­haupt einen irgendwie rechtlich relevanten Willen äußern, nicht aber nur noch vermindert Zurechnungsfähige oder schon Unzurechnungsfähige! Sollte dem Staatsanwalt der Nachweis der von ihm vorgebrachten altersbedingten Verwirrt­heit der K.G. gelingen, wäre für Dr. F. nichts mehr zu gewinnen.

Aber Mörder, wie in dem mitgeteilten Haftbefehl angegeben, ist Dr. F. damit noch lange nicht. Welches Mordmerkmal sollte einschlägig sein? Niedrige Beweggründe? Als niedrig wurden und werden Beweg­grün­de bewertet, die aufgrund umfassender Gesamtwürdigung "nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tief­ster Stufe stehen und des­halb besonders verwerflich, ja ver­ächtlich sind" (BGHSt 3/132); normale Verwerflichkeit, selbst auf der vorletzten Stufe, der des "normalen" Totschlags, genügt da­nach nicht. Und selbst bei Vorliegen eines Mordmerkmals muss nicht zwin­gend auf Mord erkannt werden, wenn die Tat nicht auf unterster sittlicher Stufe stehend anzusiedeln ist, etwa bei mit Heimtücke verübter Tö­tung aus altruistischen Motiven, z.B. durch heimtücki­sche Beibrin­gung von Gift gegenüber einem unheilbar Kranken oder schon Todge­weihten.

Die Annahme eines niedrigen Beweggrundes ist bei Vorliegen trieb­hafter Eigensucht u.a. in der Form übersteigerten Geltungsdranges schon bejaht worden. In diese Richtung zielt die StA mit ihrem Vor­wurf eines "maßlosen Geltungsdranges". Aber ob das Gericht in diesem Fall über diese von der StA mit großem Pionierfleiß gezim­merte Brücke zu gehen bereit ist, blieb für F noch abzuwarten. (Doch leider werden solche Fälle von der überörtlichen Presse aber nicht unbedingt weiterverfolgt, sodass die Auffassung des erken­nen­den Gerichts später nicht bekannt geworden ist.)

Fall 35

Der UTB einer fahrlässigen Tötung gemäß § 222 in zwei Fällen kann bejaht werden, weil durch das Autofahren der Tod zweier Menschen "verursacht" worden ist und dabei keine Handlung als gewolltes Tun erforderlich ist, sondern die bloße Verursachung des Todes eines anderen ausreicht.



Rechtfertigungsgründe greifen nicht ein.

STB: Von der Schuldfähigkeit des M ist auszugehen.

Auf der Stufe der subjektiven Zurechnung ist FL zu prüfen. FL liegt vor, wenn ein Täter zwar nicht bewusst gegen eine Rechtsnorm verstoßen hat, er aber bei Anspannung aller seiner seelischen Kräf­te hätte erkennen können, dass sein Handeln - hier das Auto­fah­ren - für ein geschütztes Rechtsgut hätte gefährlich werden kön­nen. Das Tat- und damit das Unrechtsbewusstsein hätten in der kon­kre­ten Tatsituation für den Täter erlangbar sein müssen.

Dieser Punkt bedarf der tatrichterlichen Aufklärung: Wäre M schwer herzkrank gewesen, hätte er vielleicht sogar schon mehrere Zusam­menbrüche gehabt, dann hätte er sich sagen können und müssen, dass ihn bei den mit dem modernen Straßenverkehr verbundenen Stresssi­tua­tionen ein Herzanfall vorhersehbar ereilen könnte, der das Le­ben seiner Mitmenschen gefährden oder auslöschen kann. FL wäre dann zu bejahen.

So dürfte z.B. ein Epileptiker, der einen Anfall durch Medikamen­teneinnahme nicht sicher ausschließen kann (wenn das überhaupt möglich ist), nicht autofahren. Diabetiker, die einen vorherseh­baren und darum vermeidbaren Unterzuckerungsschock erleiden, wer­den deshalb in einem solchen Fall konsequent verurteilt.

War M herzkrank, so kann ihm nur der dringliche anwaltliche Rat ge­geben werden, ausschließlich gemäß § 243 II 2 StPO Angaben über seine persönlichen Verhältnisse (Name, Familienstand, Alter, Einkünfte) zu ma­chen und ansonsten den gemäß § 243 IV 1 StPO obli­gatorischen Hinweis des Richters, nicht zur Sache aussagen zu müs­sen, unbedingt zu befolgen. Selbst wenn der Hausarzt des M ge­richts­bekannt wäre, so dürfte der ohne eine Schweigepflichtentbindung durch seinen angeklagten Patienten nicht über den gesund­heit­lichen Zustand des M als Zeuge eine Aussage machen. Täte er es doch, so hätte er damit selber eine Straftat gemäß § 203 I Nr. 1 be­gangen. Zur Aufklärung des Sachverhaltes könnte das Gericht aber immer noch einen Amtsarzt mit der Erstellung eines Gutachtens be­auf­tragen, um zu klären zu versuchen, ob für M sein Gesundheitszu­stand, insbesondere die Gefahr eines Herzanfalles, erkennbar gewe­sen war. Ist keine eindeutige gutachterliche Aussage möglich, muss nach dem Grundsatz: "Im Zweifel für den Angeklagten!", verfahren werden. FL wäre dann zu verneinen, eine Straftat damit ausge­schlos­sen.

(Gleichwohl müsste M oder seine Kfz-Haftpflichtversicherung für die Regulierung der zivilrechtlichen Ansprüche, hier z.B. der Beerdigungskosten, nicht aber Schmerzensgeld für die trauernden Eltern, aus Gründen der in § 7 StVG angeordneten Gefährdungshaftung des Fahrzeughalters aufkommen.)

Hatte M als bisher Gesunder in dem Augenblick des Unfalls seinen ersten Herzanfall erlitten, sollte er zur Sache aussagen, da er so dem Vorwurf entgegentreten kann, fahrlässig gehandelt zu ha­ben, als er mit dem Auto fuhr. Eine Straftat scheidet dann zwei­fels­frei mangels Kriminalunrechts aus.

Fall 36

Wegen der Tötung des Vergewaltigers wurde das Vergewaltigungsopfer Melanie L in der ersten Instanz von einem türkisch-zypriotischen Gericht zu drei Jahren Haft verurteilt, die ihrer Tochter beistehende Mutter sollte für vier Jahre ins Gefängnis. Der Vergewaltiger war nach Meinung des Gerichts zu langsam gestorben, als dass nach zypriotischem Recht noch Notwehr hätte angenommen werden können. (Ins deutsche Recht "übersetzt", hatte das Gericht wohl an der Gegenwärtigkeit des Angriffs im Zeitpunkt des Todes oder an der Erforderlichkeit der Tötung des Verröchelnden als Verteidi­gungshandlung gezweifelt und in der schließlichen Erdrosselung ei­ne Hinrichtung als reine Rache­handlung gese­hen.) Und in dem Rechtskreis scheint ein Notwehrexzess nicht zu existieren oder nicht unbedingt anerkannt zu werden – jedenfalls nicht für Ausländerinnen in einem Kampf gegen einen Vergewaltiger.



Die Revisionsinstanz hob das Urteil auf und sprach beide Frauen frei. (Das in den Stellungnahmen der deutschen Presse massiv ge­äußerte Unverständnis über das erstinstanzliche Urteil, die Inter­ventionen des Auswärtigen Amtes und der Blick auf den Fremdenver­kehr sollen dabei keine Rolle gespielt haben. Um so besser.)
Nach deutschem Recht beurteilt:

"Notwehr ist", laut der Definition des § 32 II "die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen An­griff von sich oder einem anderen abzuwehren."

An der Gegenwärtigkeit und der Rechtswidrigkeit des Angriffs des Zyprioten auf die Frauen mit u.a. dreimaliger Vergewaltigung der Tochter soll - auch im Augenblick der Erdrosselung - kein Zweifel bestehen. Dann bleibt immer noch die Frage der Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung. Hieran mag das erstinstanzliche Gericht Zweifel gehabt haben, weil es den Mann nach dem Aufbeißen seines Ho­dens durch eine der Frauen vielleicht nicht mehr für angriffsfähig hielt, und der Angreifer mit dem Gürtel langsam erdrosselt worden war. Nach Meinung des Gerichts hätten die Frauen von dem irgend­wann angriffsunfähigen Mann rechtzeitig vor seiner Erdrosselung ab­lassen müssen. Das Gericht konn­te sich nicht genügend in die Lage der Frauen versetzen - denen nach deutschem Recht schon wegen der Regelung des § 33 Überschreitung der Notwehr keine Verurteilung gedroht hätte: Wer aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken in einem so genannten Notwehrexzess die Grenzen der Notwehr überschrei­tet, wird trotzdem nicht bestraft. Wohlgemerkt: Nur aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken darf die Grenze einer an sich bei Nichtüberschreitung rechtfertigenden Notwehrhandlung überschritten worden sein. Dann rechtfertigt diese Überschreitung zwar nicht das Handeln des sich Wehrenden, aber es entschuldigt seinen Mitteleinsatz. Ein Notwehrexzess kann eine Handlung zwar niemals rechtfertigen, aber aus nachvollziehbaren Gründen entschuldigen. Die Grenzen der Notwehr dürfen aber nicht aus Lust an überlegener Gewalt oder aus Rache überschritten werden: In den durch das Gesetz gesetzten Grenzen ausgeübte Notwehr darf zwar Spaß bringen, sie darf dabei aber die in der Legaldefinition gezogenen Grenzen wie z.B. die der Erforderlichkeit nicht überschreiten.

Ein Beispielsfall, in dem § 33 Überschreitung der Notwehr nicht zuerkannt wurde, weil der Täter nicht "aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken" die Grenze des durch eine Notwehrhandlung an sich Erlaubten überschritten, sondern aus Wut und Ärger gehandelt habe; darum sei ihm der Rückgriff auf die entschuldigende Notwehrregelung des § 33 zu versagen gewesen:


"Wegen Lärms zur Flinte gegriffen

Wegen Totschlags in einem minderschweren Fall hat eine Kammer des Landgerichts Stade einen 51 Jahre alten Steuerberater aus Wistedt (Landkreis Harburg) zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Der Mann hatte am 21. Mai 1993 den 19 Jahre alten Heizungsbauer Michael Radtke mit einer Schrotflinte erschossen, weil er sich über den Verkehrslärm geärgert hatte, der vom Opfer und anderen Besuchern eines Sportfestes verursacht worden war. Zur ‘Verkehrsberuhigung' hatte der Steuerberater eine Schubkarre auf die Straße gestellt. Danach kam es zu einem Streit mit den Jugendlichen.

Zu Gunsten des Angeklagten erkannte das Gericht eine durch Alkohol verminderte Schuldfähigkeit an. Dagegen ist ihm eine Notwehrlage nicht eingeräumt worden. Der Steuerberater habe nicht aus Furcht oder Panik gehandelt, sondern aus Wut und Ärger. Die Jugendlichen seien zwar mit Schreckschussrevolvern bewaffnet, aber nicht auf jeden Fall gewaltbereit gewesen, argumentierte der Vorsitzende Richter und fügte wörtlich hinzu: ‘Die Zeiten sind vorbei, in denen man die Strafverfolgung in die eigenen Hände nimmt.' Der Verteidiger hat gegen das Urteil Revision eingelegt."
Das hätte ich für meinen Mandanten auch versucht. Mehrere Jugendliche mit Revolvern oder Knüppeln in den Händen können doch im Rahmen einer eskalierenden Auseinandersetzung einen nicht mehr im Besitz seiner jugendlichen Kräfte befindlichen 51-Jährigen in Furcht und Schrecken versetzen, sodass er übersieht, dass nach der nachträglichen, abgeklärten Lagebeurteilung des Gerichts "ex post" die Jugendlichen "aber nicht auf jeden Fall gewaltbereit gewesen" seien. Aus dem "ex ante"-Blickwinkel des späteren Angeklagten vor dem tödlichen Schuss kann das ganz anders ausgesehen haben. Und vielleicht waren die Jugendlichen zwar (noch) nicht als "omni modo facturi" schon fest auf Gewalt ausgerichtet gewesen, aber die Bedrohung eines einzelnen durch mehrere mit Revolvern und Knüppeln bewaffnete Jugendliche kann sehr konkret gewesen sein! Und woher sollte der spätere Angeklagte überhaupt erkennen, dass es sich bei den Pistolen der Jugendlichen um Schreckschusswaffen handelte? Vielleicht war ja auch der Lauf durchbohrt, und sie waren scharf gemacht worden! Vielleicht glaubte er, zuerst schießen zu müssen, um so sein Leben retten zu können.

Fall 37


In Frankreich löste der Prozess einen Skandal aus, weil die Be­schul­digten nicht wegen Mordes - Begehungs- oder Unterlassungsdelikt?; siehe 6.1 Ziegenhaarfall -, sondern nur wegen Betruges ange­klagt und zu teilweise zur Bewährung ausgesetzten Haftstrafen von vier Jahren verurteilt worden sind, obwohl die Ärzte um die Ver­seu­chung des Blutes gewusst und mit dem Ziel gehandelt hatten, ihren Firmen Millionen­ver­luste zu ersparen. Das lässt sich (nach meiner persönlichen Wertung) problemlos unter Habgier subsu­mieren.

Die Beurteilung ändert sich nach hier vertretener Ansicht für die ähnlich gelagerten deutschen Fälle nicht dadurch, dass einige Arz­nei­mittel­her­stel­ler, statt die ver­seuch­ten Blutgerinnungspräparate zu vernichten, nur ein umstrit­te­nes Virusabtö­tungsver­fahren anwandten, von dem (inzwischen?) be­wie­­sen sein soll, dass es nicht absolut sicher ist. Spätestens zu dem Zeitpunkt hätten diese Firma die aus verseuchten Chargen hergestellten Pro­dukte vom Markt nehmen müssen! Wenn sie das aus finanziellen Erwä­gun­gen nicht tun, müsste die StA wegen versuchten und vielleicht auch schon vollende­ten aus Habgier und mit gemeingefährlichen Mitteln begangenen Mordes ermitteln: Gaben die Ärzte die Blutprodukte frei, als sie schon um die Verseuchung der Ausgangsstoffe für die Pharmaprodukte und damit auch der sich zwangsläufig daraus ergebenden Verseuchung der daraus hergestellten Blutprodukte wussten, so wäre gefordert gewesen, die Patienten nicht zu gefährden. Die französischen "Ärzte" hätten den Blutern und anderen Kranken einen schädigenden Eingriff in deren so schon angegriffene Gesundheit ersparen müssen. Folglich lag ein Begehungsdelikt vor: § 211 (+). Haben in dem deutschen Parallelfall die Ärzte des Bundesgesund­heits­am­tes (BGA) erst später davon erfahren, dass Chargen verseucht in den Handel gebracht worden waren, so hätte der Achtungsanspruch Leben der mit diesen verseuchten Medikamenten erst noch zu behandelnden Patienten von ihnen verlangt, den potentiellen Opfern eine Leistung zukommen zu lassen, die eine sie durch die Untätigkeit der Ärzte bedrohende Gefahr beseitigt hätte. Die verseuchten Blutprodukte hätten dann vom Markt genommen werden müssen. Rechtsgutsverletzend war folglich in dieser (angenommenen) Situation des erst nachträglichen Wissens um die Gefährlichkeit der Produkte das Nichterbringen dieser Leistung und also ein Unterlassen: §§ 211, 13 (+), wenn schon Patienten infolge der Behandlung mit den durch den HIV-Virus verseuchten Blutpräparaten an Aids verstorben sind.

Gegen die zuständigen Beamten des nichthandelnden BGA, die nach Aussage des Pharma-Kritikers Dr. Moebi­us trotz ihres Wissens - Dr. M. behauptet, im Besitz diesbezügli­cher inter­ner Unterlagen des BGA zu sein - untätig bleiben, obwohl sie als Mitarbeiter des Aufsichtsamtes Garanten gegen vermeidbare Arzneimittelrisiken sind, müsste, wenn noch keiner der infizierten Patienten verstorben sein sollte, we­gen in Tateinheit mit gefährlicher oder schwerer KV begangenen Mordversuchs durch Unterlas­sen gemäß §§ 211, 12, 22, 23, 13; 223 a, ev. 224, 13; 52 er­mittelt werden. Mordqualifikationsmerkmal wäre dabei bei ihnen nicht Hab­gier, denn sie unterlassen die erforderliche Maßnahme der Ge­fah­renabwehr vermutlich ja nicht aus übertriebenem Gewinn­streben. Das bei ihnen in Betracht kommen­de Mordqualifikationsmerkmal ist "mit ge­meingefährlichen Mitteln".

Fall 38


Die StA klagte die drei jugendlichen Rechtsradikalen u.a. wegen Mordversuches in zwei Fällen an. Als von der StA in Betracht kom­mend erachtete Mord­qualifikationsmerkmale werden "heimtückisch" und "mit ge­meinge­fährlichen Mitteln" in der Presse angegeben.

Das Mord­qualifikationsmerkmal "mit ge­meinge­fährlichen Mitteln" liegt unstreitig vor, wenn Brandbomben in ein von mehreren Men­schen bewohntes Haus geworfen werden. Aber ob "Heimtücke" zu beja­hen wäre, ist strittig. Der Begriff der "Heim­tücke" ist umstrit­ten, weil einige Wis­senschaftler nicht das bewusste Ausnutzen einer auf Arglosigkeit be­ruhenden Wehrlosigkeit in feindseliger Willens­rich­tung ausreichen lassen, die von manchen bei einem Angriff auf das Leben Schlafen­der generell an­genommen wird, sondern darüber hinaus einen ver­werflichen Vertrau­ensbruch fordern. Der wäre hier nicht gegeben. Die Libanesen kannten die Neonazis vermutlich noch nicht einmal. Und wenn sie sie gekannt hätten, dann hätten sie Grund gehabt, ihnen zu misstrauen.

Die Angeklagten behaupteten einen "automatischen Ablauf unter erheb­lichem Alkoholeinfluss", gaben aber zu, von dem ähnlich durchgeführten Mordanschlag in Hoyerswerda beeinflusst worden zu sein.

Die StA hatte 9 Jahre Freiheitsstrafe gefordert.

Das Landgericht Duisburg verhängte gegen zwei der Angeklagten Ju­gendstrafen von je 5 Jahren wegen gemeinschaftlich begangener schwerer Brandstiftung und schwerer Körperverletzung, gegen den dritten Täter eine Jugendstrafe von 3 ½ Jahren wegen schwerer Brandstiftung und fahrlässiger KV.

Auf Mordversuch wurde, obwohl sich einer der Täter freimütig als "rassistisch" bezeichnet hatte, - unver­ständ­licherweise(!) - nicht erkannt. Ein Tötungsvorsatz sei den Angeklagten nicht nachzuwei­sen! Es sei ihnen nicht zu widerlegen, dass sie keine Menschen hät­ten töten wollen.

Doch man braucht nicht jede "Schutzbehauptung", sprich: Lüge, eines Angeklagten für bare Münze zu nehmen. Wer in Zimmer, in denen sich Menschen aufhalten, Brandbomben wirft, der nimmt billigend in Kauf, dass die Menschen in dem Gebäude bei die­sem Brandanschlag verbrennen. Dieses "billigende Inkaufnehmen" reicht den Gerichten üblicherweise zur Bejahung eines Tötungs­vorsatzes. Warum dann nicht in diesem Skinhead-Neonazi-Fall?!

Auch aus erzieherischen Gründen sei es nach Meinung des Gerichts nicht zu rechtfertigen, die Jugendlichen wegen dieser Tat, die sie unter Alkoholeinfluss begangen hätten, länger als ein halbes Jahr­zehnt in Haft zu nehmen. (Auch Neonazis unterfallen der für alle Straftäter gültigen "Zwei-Drittel-Regelung", der zufolge nach Verbüßung von zwei Dritteln der verhängten Strafe das verbleibende letzte Drittel zur Be­währung ausgesetzt wird.)


Wenn aber ein Urteil aus behaupteten spezialpräventiven Gründen fast vor Mitleid mit den jugendlichen Tätern trieft - das gilt insbesondere für das Urteil gegen die Rostocker Skins - und dem Gedanken der General­prävention nicht ausreichend Rechnung getragen wird, ist es ein glattes Fehl­urteil. Durch die Fehlurteile von u.a. Hoyerswerda, Hünxe und Rostock wurden falsche Zeichen für die Rechtsradikalen in Mölln und Solingen gesetzt! Humanitätsduselei mit den Tätern führt zwangsläufig zur Inhumanität gegenüber den Opfern, die sich vielleicht fast dafür entschuldigen müssen, wenn sie es wagen, auf deutschen Straßen ihre braune oder schwarze Haut zu Markte zu tragen! Das Urteil war geeignet, andere Rechtsradikale in ihrem Vorgehen zu ermutigen: Es war ja alles gar nicht so schlimm, und zur Not kann man sich ein bisschen herauslügen: Man habe niemanden verletzen, geschweige denn töten wollen! Die Richter kaufen einem ja doch alles ab.

So kam es dann am 23.11.92 zu dem Brandanschlag in Mölln: „In der Mühlenstraße brennt ein Haus. Heil Hitler!“ Das für die Aburteilung dieses feigen Anschlages zuständige Ge­richt wird wohl den von der StA mit Sicherheit erhobenen Mordvor­wurf dieses Mal bejahen. (Sonst wäre der Aufschrei in der auslän­di­schen, und der Wutschrei in der türkischen, und wohl auch der deutschen Pres­se verständlicherweise mindestens so groß wie bei der Verur­teilung der in Notwehr gehan­delt habenden deutschen Vergewalti­gungs­opfer im türkischen Teil Zyperns.) Wo ist aber der qualita­ti­ve Unterschied zwischen dem Mordanschlag in Mölln auf zum Teil aus­schließlich in Deutschland aufgewachsene Menschen, die durch ihre Eltern nur einen anderen Pass haben, und dem glückli­cherweise nur Versuch gebliebenen Mordanschlag in Hünxe, der Mölln als Mord und Hünxe nur als schwere Körperverletzung und nicht als versuch­ten Mord be­werten lässt?

Wie gesagt: Ein glattes Fehlurteil!!!

Es wurde nicht berichtet, ob die StA gegen dieses unverständliche Urteil Revision eingelegt hat - das ist nur zu hoffen(!) – und was letztlich daraus geworden ist.

Fall 39

Zu den Neonazis braucht nichts Neues gesagt zu werden, weil deren Handeln dem Handeln der anderen Neonazianschläge entspricht.



Das erschreckend Neue an Rostock war für mich, der ich zwar noch z. Zt. der NS-Herrschaft geboren wurde, aber – weil damals noch zu jung – in dem Regime nicht meine Sozialisation erfahren habe, dass in Deutschland wieder sich für wohlanständig haltende und ausgebende Bürger in großer Zahl für die Skins und teilweise ihre Kinder Steine herangekarrt und so deren gemeinsam verübten Brand- und Mord­anschlag auf „Fremdländische“ mit johlendem Beifall begrüßt und unterstützt hatten

Durch ein solches zustimmendes Verhalten der sich für wohl­anstän­dig haltenden Biedermänner, das mit dem Herumreichen verunglimpfender Fassungen unserer Nationalhymne mit ausländer­feindlicher Tendenz anfängt, was allein schon gemäß


"§ 90a Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole

(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3)

1. die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft oder böswillig ver­ächtlich macht oder

2. die Farben, die Flagge, das Wappen oder die Hymne der Bun­des­republik Deutschland oder eines ihrer Länder verunglimpft,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

... ."
eine Straftat ist, und mit dem Beklatschen von Mordversuchen an Asylanten und anderen Ausländern aufhört, wurde der hochkochende braune Sud wieder hoffähig gemacht. Das ist psychische Beihilfe! Zur Klarstellung sei wiederholt, was unter diesem Stichwort rein wis­senschaftlich neutral und ohne Bezug auf Straftaten von den Neona­zis zujubelnden Bürgern schon referiert worden ist: Die Strafju­ri­sten sehen eine psychi­sche Bei­hil­fe dann als gegeben an, wenn dem Täter durch die Billigung des Gehilfen die Begehung der Tat psy­chisch erleichtert wird; und sei es auch nur dadurch, dass der Ge­hil­fe verständnisinnig nickt und da­mit vielleicht eventuell verbliebene Reste der morali­schen Hemm­schwelle des Täters überwinden hilft. Jede Bestärkung, den Tatplan in der vorgesehenen Weise aus­zuführen, wird als psy­chi­sche Beihil­fe gewertet. Das muss auch gel­ten, wenn Deutsche - sogar ohne Scheu vor mitlaufender Fernsehka­me­ra - Mordanschläge auf Ausländer bejubeln!

Aber die Nürnberger hängen keinen, es sei denn, sie hätten ihn. Darum hätte die Polizei in Rostock mit Videoaufnahmen eine Beweis­sicherung vornehmen müssen. Außerdem hätte sich die Staatsanwalt­schaft das Filmmaterial des in dem brennenden Haus ebenfalls eingeschlosse­nen ZDF-Teams ausleihen können oder es notfalls beschlagnahmen müssen, wenn sie selber keine Strafvereitelung im Amt gemäß § 258 a StGB durch Unterlassen einer Verfolgungshandlung begehen wollte, um auf dieser Beweisgrundlage die Beifall johlenden Bürger dingfest zu machen und wegen psychi­scher Beihilfe zu versuchtem Mord anzuklagen!

Dadurch hätte der Staat die richtigen Zeichen gesetzt, nicht aber durch ein unverständlich mildes, vor Mitleid mit den angeklagten Skins triefendes Urteil: Die ersten Rostocker Skins sind nur wegen schweren Landfriedens­bruchs mit Jugendarrest bis zu drei Wochen verurteilt worden. Ein wohl besonders gewalttätiger Skin wurde darüber hinaus mit der Auf­lage "bestraft", einen sechswöchigen so­zialen Trainingskurs zu absol­vie­ren.

Die Strafrechtsprechung scheint für manche Strafrichter zu schwie­rig zu sein!!! Vielleicht müsste sie ihnen von einigen Jour­na­listen und Abgeordneten abgenommen werden. Als Repetitorium für die Richter seien nachfolgende in Zeitungen verbreitete Äußerungen zitiert:
"Für Mord genügt es, dass der Täter den Tod des Opfers billi­gend in Kauf nimmt. Wer Brandsätze in Wohnungen wirft, in de­nen sich Kinder, Frauen und Männer aufhalten, ist ein poten­tiel­ler Mörder. Das Johlen und grölende Applaudieren von Ro­stocker Bürgern ist nichts anderes als Beihilfe für Kriminel­le." Rolf Schmidt-Holtz im Editorial des STERN vom 03.09.92
Warum wissen das zu viele Strafrichter nicht?!!!
Statt eigener Gedanken und Formulierungen wurde die vorstehen­de Passage bis auf drei unbe­deutende Abweichungen in der Wort­wahl von dem Ab­geordneten J. Schmieder (F.D.P.) wörtlich aus dem STERN übernommen und im Bundestag so vorgetragen. (Das Parlament 23.10.92)

Aber vielleicht ist Schmieder ja kein Jurist und brauchte die­se fachliche Nachhilfe eines engagierten Journa­listen. Jedenfalls nannte er öffentlich im Bundesparlament beim Namen, was auszusprechen die zuständigen Richter sich versagt hatten. Mit dieser Schande müssen die leben.

Und dem Abgeordneten gebührt Dank für das Herausstellen einer in Vergessenheit ge­ratenen Selbstverständlichkeit.
Unjuristisch, aber genau so wahr der Abgeordnete Konrad Weiß Bündnis 90/Die Grünen:

"Ich schäme mich, in einem Land zu leben, in dem Menschen Bei­fall klatschen, wenn Menschen angegriffen, verletzt, vertrie­ben werden. Ich schäme mich, Mitbürger von Feiglingen zu sein, die Frauen und Kinder schlagen und drangsalieren, die Jagd auf jene Menschen machen, die bei uns Zuflucht und Hilfe suchen oder anders sind.

Und die meisten Deutschen stehlen sich davon und schweigen."

Aus einem Redebeitrag des Abgeordneten Konrad Weiß Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag vor den erst nach den Morden in Mölln in Gang gekommenen Massendemonstrationen der so genannten "schweigenden Mehrheit" durch Lichterketten - ein Volksbegeh­ren der ganz anderen Art.

(Das Parlament 23.10.92)
Nach einer unverständlich langen Dauer von 10 Jahren seit den mörderischen Gewaltexzessen sind die letzten Verfahren – sechs Jahre(!) nach Anklageerhebung – in dieser vom Gericht lange verschleppten Sache im Jahre 2002 abgeschlossen worden. Die letzten drei Verfahren endeten mit Schuldsprüchen wegen versuchten Mordes und schwerer Brandstiftung. Die drei Täter wurden – trotz erheblicher Vorstrafen - zu nur eineinhalb bzw. einem Jahr zur Bewährung ausgesetzter Jugendstrafe verurteilt.

Nur drei der Täter haben die für sie erkannte Strafhaft wirklich antreten müssen.

Fall 40

§§ 212, 13 Tötung durch Unterlassen in Garantenstellung aus gefährlichem Tun, als die Mutter das Kind ins Bett steckte, statt es ins Krankenhaus zu bringen?



UTB (+), RF (-)

STB: Vorsätzlichkeit? Hier wohl nicht gegeben.

§§ 212, 13 (-). Schon allein darum auch kein §§ 213, 13.
Grunddelikt des § 222 Fahrlässige Tötung (+) (-);

zwar zunächst und singulär be­trachtet gegeben, aber durch den schwereren delikti­schen Vorwurf des ebenfalls gegebenen

§ 226 Körperverletzung mit Todesfolge verdrängt (BGHSt 8/54). Das Verbrechen des § 226 "kompensiere" ein damit einhergehendes Verge­hen des § 222. § 226 beinhalte § 222, sodass keine Tateinheit zwi­schen diesen beiden Delikten bei ihrem Zusammentreffen anzunehmen sei. Das ist in Strafrechtskommentaren so nachzulesen.

Fall 41


§§ 212, 21 Totschlag im Zustand verminderter Schuldfähigkeit (+)? oder § 330a Vollrausch (+), der ab 2,5-3 Promille angenommen wor­den ist.

Wird §§ 212, 21 angenommen, muss die privilegierende Strafzumes­sungs­regel - die Tat bleibt so Verbrechen und wird nicht zum Vergehen herabgestuft - des § 213 als solche erörtert werden, greift aber nicht ein. Es mangelt an der im Tatbestand geforderten Schwere der zugefügten Beleidigung, die sich nach objektiven Kriterien bemisst. Trotzdem sollte Mann, wenn einer Frau verbunden, ab und an, und insbesondere zu besonderen Anlässen, einen Blumenstrauß spendieren. Das kann das Leben verlängern – nicht nur, weil man dann weniger Gefahr läuft getötet zu werden, sondern weil Partner einer harmonischen Zweierbeziehung statistisch signifikant länger leben.

Fall 42

§§ 212, 13 Tötung durch Unterlassen (+).



Der Sohn ist in dieser Verwandteneigenschaft, insbesondere während eines Zu­sammenlebens, der Garant für das Leben der Mutter.

§§ 216, 13 wohl (-). Sonst könnte ja jeder, der einen anderen er­schla­gen hat, behaupten, das Opfer habe nicht mehr weiterleben wol­len. Die "In-dubio-pro-reo"-Regelung kann da nicht greifen. Ein X für ein V lassen sich manche Richter nur bei Neonazis vormachen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass auch nur ein Richter in einem solchen Fall wie diesem auf Tötung auf Verlangen erkennen würde.

Fall 43

Wegen in Mittäterschaft begangenen Totschlags im Zustand vermin­der­ter Schuldfähigkeit gemäß §§ 212, 25 II, 21 - der angetrunkene Zustand der beiden ist bei der Straffestsetzung straf­mildernd berücksichtigt worden - ist der in dieser Hinsicht schon einmal straffällig gewordene erwachsene 25-jährige Skin zu 8 1/2 und der 19-jährige Skin nach dem JGG zu 6 Jahren Frei­heitsstrafe verurteilt worden.



Merke: Jeder Täter hat "seine" Strafe nach seiner individuellen Schuld für sich.
Obwohl den Tätern eine Tötungs­absicht nicht eindeutig nach­zuweisen sei, hätten sie nach Meinung des Gerichts den Tod des Kapitäns bei ihrer Prü­gel­orgie billi­gend in Kauf genommen. Na bitte, es geht doch: Die Richter in die­sem Prozess gegen Skins ha­ben richtig entschieden, indem sie das billigende Inkaufnehmen zur Bejahung eines Tötungs­vorsatzes aus­rei­chen ließen. Aber weil diese Richter im Gegensatz zu denen von Hünxe und Rostock richtig ent­schieden haben, kann man nicht sagen, die deutsche Justiz bejahe bei Überfällen von Skins nur dann eine von den Tätern subjektiv zwar geleugnete, aber gleichwohl - nach objektiven Kri­terien beurteilt - ein­deutig als billigend in Kauf genom­men nachweisbare Tötungsabsicht, wenn sich die Straftat gegen Deutsche richte­te, nicht aber bei Mord oder Mord­versuch an Auslän­dern. Inzwischen hat sich die Justiz in der hier als richtig auf­ge­zeigten Delikts­be­ur­tei­lung eingependelt; aber schlimm für das An­sehen der deut­schen Strafjustiz war, dass sie in dieser aufwühlenden Frage erst län­gere Zeit die Urteile »aus­pendelte«!

Fall 44


Fraglich bei der Fallbeurteilung aufgrund der Zeitungsmeldung sind die schweren Kopfverletzungen bei der Vergewaltigung. Gutachter müssen klären, ob sie mit Tötungsabsicht, eventuell zur Verdeckung der Straftat, beigebracht worden sind. Dann wäre §§ 211, 177; 52 Mord in Tateinheit mit Vergewaltigung gegeben.

Wenn das nicht zu klären ist, dann nach dem Grundsatz "In dubio pro reo":

§ 212 Totschlag?

UTB: (+), RF (-)

STB: Vorsätzlichkeit im Hinblick auf den im Tatbestand angegebenen Todeserfolg(?) (-), da keine auf den Todes­erfolg abzielende Handlung als gewolltes Tun und damit keine Tötungsabsicht nachweisbar.

§ 177 I und III (+)

UTB: Bezüglich Vergewaltigung und Todeserfolg (+), RF (-)

STB: Besonderheit des kombinierten STB

Bezüglich Vergewaltigung: VS (+); bezüglich Todeserfolg: FL (+), wenn z.B. das Kind bei der Vergewaltigung mit dem Kopf auf einem Stein aufgeschlagen war, oder § 177 I, III, 223, 226; 52 (+), wenn das Mädchen ohne Tötungsabsicht bewusst schwer geschlagen worden war.

Fall 45


§§ 212, 13 Totschlag durch Unterlassen in elterlicher Garanten­stellung (+).

Fall 46


§ 222 fahrlässige Tötung?

Zum Glück kein Todesfall. § 222 (-).

§ 222 hat Vergehenscharakter. Für ein Vergehen müsste eine Versuchsstrafbarkeit extra angeordnet werden, doch das ist bei einer Fahrlässigkeitstat gar nicht möglich: Man kann nicht fahrlässig ein Delikt begehen wollen.

Durch reines Glück keine Straftat.


Nicht soviel Glück hatte die Mutter des Falles:
"Baby ertrank

SAD Bordeaux - Die Mutter besuchte Nachbarn, als ihre zehn Monate alte Tochter in der Badewanne spielte. Als sie nach einer Stunde in die Wohnung in Ambares (Frankreich) zurückkehrte, war das Kind ertrunken."


Und es geht bei einem gleich niedrigen IQ in Höhe der Zimmertemperatur auch ohne Wasser:
„SAD London – Joanne und Nicholas Mather in Sheffield setzten das Körbchen mit ihrer Tochter auf den Herd. Das Surren der Abzugshaube sollte das Baby beruhigen. Die jungen Eltern hatten vergessen, die Herdplatte auszuschalten. Der Korb fing Feuer, die kleine Marie verbrannte.“

Fall 47


Das angelsächsische Strafrecht kennt nicht so ausgefeilte Tötungs­delikte wie das deutsche.
Beurteilung des vorstehenden Zeitungsmeldungsfalles nach deutschem Recht:

Nach Lage der Dinge käme nur fahrlässige Tötung in Betracht. Wie schon im Fall des zur Selbsttötung getriezten Türkenjungen in Fall 9 herausgearbeitet worden war, ist Fahrlässigkeit z.B. defi­niert als zwar nicht vorhandenes, aber dem Täter in der konkreten Situation gleichwohl potentiell erlangbares Tat- und Unrechtsbewusstsein hinsichtlich des späteren in der jeweils zu prüfenden Strafnorm beschriebenen Deliktserfolges.

Fall 48

§ 222 fahrlässige Tötung (-).



Sonst wäre auch der in einem Weltmei­sterschaftsländerspiel zum »Elfer« angetretene Schütze der deutschen Fußballna­tio­nalmannschaft wegen fahr­lässiger Tötung eines älteren Fußball­fans zu bestrafen gewesen, weil der ältere Fan wegen des von diesem Spieler ver­schossenen Strafstoßes einen Herzanfall erlitten hatte und daran ver­storben war.

Fall 49


§ 222 fahrlässige Tötung (+).

Dem Täter hätte klar sein können, dass sein Verhalten einen sehr alten und darum oft nicht mehr gesunden Menschen so aufregen und erschrecken kann, dass der an der durch den Täter verursachten Auf­regung ver­stirbt. Diesbezügliches Tat- und Unrechtsbewusstsein wa­ren erlang­bar.

Fall 50

§ 222 fahrlässige Tötung ist Tatfrage; wohl (-). Das Problem wurde anhand der "Diplomatenjagd" von Reinhard Mey erörtert.



Wenn Don Carlos in der konkreten Situation mit einem holzsuchenden und deswegen gebückt daherkommenden Hutzelweibchen rechnen musste, weil das dort - auch in Anbetracht der nicht mitgeteilten Tatzeit - ortsüblich ist, dann müsste FL bejaht werden. Aber dann hätte er wohl auch nicht geschossen. Tat- und Un­rechts­bewusstsein, eventuell einen Blattschuss bei einer Holzsamm­lerin anzubringen, können wohl verneint werden. Darum § 222

(-).




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