§ 212 Totschlag (+); Qualifizierung § 211 Mord einerseits wie auch Privilegierung § 213 minder schwerer Fall des Totschlags andererseits wohl (-).
Fall 19
§ 212 Totschlag ?
UTB (+), RF (-); aber Schuldfähigkeit in bezug auf die Tötungshandlung (-), denn bei Vollrausch liegt eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung i.S.d. § 20 vor.
Damit § 212 (-).
§ 323 a Vollrausch (+); dabei VS (-), aber FL (+).
Das Gericht verhängte eine 3 ½jährige Freiheitsstrafe wegen der in fahrlässigem Vollrausch begangenen Tötung.
Fall 20
§ 212 Totschlag ?
UTB (+), aber durch den Rechtfertigungsgrund der sozialen Adäquanz ist das zunächst als objektiv zurechenbar festgestellte Unrecht wieder ausgeschlossen, denn der Täter hatte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet. Die Sicherheitskugelspitze an seiner Waffe war die übliche, angemessene(?) Vorkehrung gegen ein Zuviel an Verletzungen. Der einzelne Fechter hat es nicht zu vertreten, dass sich der Weltverband der Fechter FIE trotz des wegen gleichartiger Unfälle offensichtlichen Handlungsbedarfs jedenfalls bis dahin nicht zu wirkungsvolleren Sicherheitsvorschriften durchringen konnte.
Wer die geltenden Sicherheitsregeln bei der Ausübung seines unter Umständen gefährlichen Sports beachtet, dessen Handeln ist gerechtfertigt, wenn sich tragischerweise das "Restrisiko" realisiert. Das ist der strafrechtliche Unterschied zwischen Unrecht und Unglück! RF (+)
§ 212 (-).
Fall 21
1.) § 212 Totschlag?
UTB (+), RF (-), denn regelwidriges Verhalten ist nicht durch den Rechtfertigungsgrund der sozialen Adäquanz gedeckt.
STB: Die für eine Verurteilung nach § 212 Totschlag erforderliche Vorsätzlichkeit ist nicht zu beweisen; darum nach dem Grundsatz: "Im Zweifel für den Angeklagten!" § 212 (-).
2.) § 226 KV mit Todesfolge?
UTB (+), RF (-)
STB: Zwar ist Fahrlässigkeit bezüglich des Todeserfolges gegeben, aber die zuvor zu prüfende und für eine Verurteilung erforderliche Vorsätzlichkeit hinsichtlich der KV durch Kopfstoß ist nicht zu beweisen; s.o..
§ 226 (-).
3.) § 222 fahrlässige Tötung (+)(?), wenn durch eine gerichtsmedizinische Untersuchung nachgewiesen werden kann, dass der Kopfstoß für den Tod ursächlich gewesen ist und nicht vielleicht ein regelgerechter Kopftreffer; sonst § 222 (-).
Fall 22
Möglich erscheint die Annahme eines versuchten Totschlags gemäß §§ 212, 12, 22, 23.
Der UTB einer Versuch gebliebenen Tötung kann bejaht werden. Der behauptete Rechtfertigungsgrund der Notwehr gemäß § 32 greift nicht ein, da nach den polizeilichen Ermittlungen gar kein gegenwärtiger Angriff vorgelegen haben kann und darüber hinaus die Erforderlichkeit der angeblichen Verteidigungshandlung ebenfalls verneint werden muss. Der Richter war in seinem Haus vor dem behaupteten Angriff sicher genug geschützt gewesen.
STB: Fraglich ist die Vorsätzlichkeit der Versuch gebliebenen Tötungshandlung. Die Vorsätzlichkeit der Versuch gebliebenen Tötungshandlung kann bejaht werden: Wer in Rückenhöhe auf einen Menschen schießt, nimmt billigend in Kauf, dass er diesen Menschen töten könnte. Danach wäre ein Totschlagsversuch zu bejahen. Dann §§ 212, 12, 22, 23 (+). Hinzu kommt, dass bei einem sich entfernenden Ziel höher gehalten werden muss. Demnach muss der Richter so gezielt haben, dass er eine tödliche Verletzung des Fliehenden billigend in Kauf genommen hatte!
Der Angeklagte wird sich aber sicher dahingehend einlassen, dass er den (angeblichen) Angreifer nur habe verletzen, keinesfalls aber habe töten wollen. Es sei ihm nur darum gegangen, den (angeblichen) Angriff zu brechen, indem er auf die Beine gezielt habe. Wenn seine Kollegen ihm diese durch den Sachverhalt nicht gedeckte Einlassung - es kann gar kein Angriff vorgelegen haben, wenn der Richter dem Opfer in den Rücken schoss - durchgehen lassen sollten, müsste die Vorsätzlichkeit eines Tötungsversuchs verneint werden. §§ 212, 12, 22, 23 (-).
Da der Richter zugegeben hat, dass er in angeblicher Notwehr bewusst auf sein Opfer geschossen hatte, würde bei Verneinung des Totschlagsversuchs eine Verurteilung gemäß § 224 schwere Körperverletzung vorzunehmen sein. Auch das ist ein Verbrechenstatbestand.
Fall 23
Der BGH verwarf die Revision des Angeklagten als offensichtlich unbegründet und bestätigte damit das Urteil der Großen Strafkammer des LG, das auf in Tateinheit begangenen Mord und versuchte Vergewaltigung lautete. §§ 211; 177, 12, 22, 23; 52 (+).
Fall 24
Zunächst lag eine gemäß § 241 strafbare Bedrohung vor, als der Täter drohte: "Ich erschieße Dich!" Dieser Gesetzesverstoß muss von der StA zwar gesehen werden, wird von ihr aber vermutlich nach der vollendeten Tötung nicht weiter verfolgt, sondern gemäß § 154 StPO eingestellt werden, weil die Strafe hierfür neben der zu erwartenden Strafe für die Tötung oder den Mord und die zweifache fahrlässige KV nicht beträchtlich ins Gewicht fallen würde.
§ 212 im Ergebnis (+).
§ 211 Mord?
Das Gericht bejahte Mord in Tateinheit mit fahrlässiger KV in zwei Fällen und einem Vergehen gegen das Waffengesetz. In der Zeitungsnotiz ist das dem Urteil zugrunde gelegte Mordqualifikationsmerkmal leider nicht mitgeteilt worden. In Betracht kämen die im STB zu prüfenden Merkmale Hass und Rache als (besonders) niedrige Beweggründe.
§ 230 zweimal (+). Wer an einer Bushaltestelle aus dem fahrenden Wagen auf einen Menschen in einer Menschenansammlung schießt, der könnte zu dem Tat- und damit zu dem Unrechtsbewusstsein gelangen, dass er durch eine solche Handlung andere Unbeteiligte außer dem ausersehenen Opfer verletzen oder gar töten könnte - wobei nur ein gütiges Schicksal ihn vor diesen weiteren Tötungen bewahrt hat.
(Vermutlich) § 52a WaffenG (+).
Fall 25
§§ 212, 12, 22, 23; 21 Totschlagsversuch begangen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit?
So u.a. wurde von der StA angeklagt.
Das Delikt ist durchzuprüfen:
UTB unproblematisch (+)
RF (-)
STB (+),aber durch Alkoholkonsum verminderte Schuldfähigkeit gemäß § 21.
(2006 brachte Hamburg einen Gesetzentwurf in das Gesetzgebungsverfahren des Bundesrates ein, nach dem u.a. betrunkene Täter nicht mehr auf Strafmilderung hoffen dürfen sollen. Eine Strafmilderung solle künftig ausgeschlossen sein, wenn ein Täter sich leichtfertig oder vorsätzlich - „vorwerfbar“ - mit Alkohol, Medikamenten oder Drogen in einen Rauschzustand versetzt habe: Eine in selbstverschuldetem Rauschzustand begangene Straftat dürfe nicht mehr zu einer strafrechtlichen Besserstellung eines »Rauschtäters« gegenüber einem bei gleicher Tatausführung nüchternen Täter führen! Wie allerdings bei Straftaten krankhafter Rauschtäter verfahren werden solle, ist nach der diesbezüglichen Zeitungsnotiz aber nicht klar: Setzt sich ein schwerstabhängiger Drogensüchtiger seinen ihn für einen kurzen Zeitraum erlösenden »Schuss« „vorwerfbar“? Und welcher Maßstab soll bei den Tätern angewandt werden, die bei ihrer Beschaffungskriminalität „auf Turkey“ sind und zwanghaft nur noch das einzige Ziel verfolgen können, an Geld für den nächsten »Schuss« zu kommen?)
E (-)
Doch nun der Strafausschließungsgrund des Rücktritts vom unbeendeten Versuch! (+)
Das Gericht sah - im Gegensatz zur StA - einen strafbefreienden Rücktritt vom versuchten Totschlag als gegeben an. Der Täter hätte weiterhandelnd den Totschlag vollenden können.
§§ 212, 12, 22, 23; 21 (-).
Aber die in diesem Totschlagsversuch enthaltene vollendete gefährliche KV gemäß §§ 223 a, 21 (+). Sie wurde mit 4 ½ Jahren Freiheitsstrafe geahndet. Von diesem vollendeten Delikt hatte der Täter nicht strafbefreiend zurücktreten können.
Das Gericht machte trotz festgestellter verminderter Schuldfähigkeit gemäß § 21 aber keinen Gebrauch von der durch diese gesetzliche Bestimmung ermöglichten Strafmilderung beim Vorliegen einer verminderten Schuldfähigkeit. Es handelt sich bei der gesetzlichen Bestimmung des § 21 eben nur um eine "Kann-Bestimmung". Weil es sich um einen Wiederholungsfall handele, so das Gericht, sei "ein Strafmaß am oberen Rand des Strafrahmens zwingend geboten."
Der Aschenbecher wurde sicherlich dieses Mal gemäß § 74 I eingezogen.
Fall 26
Grunddelikt §§ 212, 12, 22, 23; 21 (+)
§§ 211, 12, 22, 23; 21 Mordversuch im Zustand - im STB zu prüfender und vom Gericht bejahter - verminderter Schuldfähigkeit (+).
Die Kammer sah das - sowohl im UTB wie auch im STB zu prüfende und zu bejahende - Mordmerkmal "Heimtücke" als gegeben an, nicht aber das - nur im STB zu prüfende - Merkmal "Habgier". Die Tochter habe ihre Mutter nicht umbringen wollen, um deren Vermögen zu erben. Eine in Tateinheit mit dem Mordversuch begangene versuchte Brandstiftung wurde (ohne mitgeteilte Begründung) verneint. Das Urteil lautete trotz des Mordversuchsvorwurfes nur auf 3 Jahre und 6 Monate Freiheitsstrafe.
Fall 27
T: Grunddelikt § 212 (+). Dann die Qualifizierung § 211 Mord (+).
Zu bejahen, da das sowohl im UTB (verdeckt angelegte Betäubung des L durch in Alkohol gelöste Schlaftabletten) wie auch im STB (Willensziel der Überwältigung durch Ausnutzung der verdeckt geschaffenen Wehrlosigkeit des L) zu prüfende Merkmal "Heimtücke" einschlägig ist.
Aber bei jemandem, der so vorgeht, bestehen Zweifel an seiner Schuldfähigkeit: Wer Zombie-Filme nicht nur ansieht - schon der ist auch "nicht ganz richtig in der Birne" -, sondern mit seiner zweckentfremdet eingesetzten Kettensäge auch noch umsetzt, der kann an einer schweren seelischen Abartigkeit i.S.d. §§ 20, 21 leiden. Das müsste zunächst durch ein gerichtsmedizinisches Gutachten geklärt werden.
Vermutlich: §§ 211, 21 (+).
M: Eventuell §§ 211, 27 Beihilfe zum Mord, wenn er von der Mordabsicht gewusst und deswegen die Kinder aus dem Haus gebracht hatte.
Wenn er nichts von der Tötungsabsicht gewusst und nur hinterher die Kinder ferngehalten hatte, kann er auch nicht wegen Verstoßes gegen (die zu prüfende!) Strafvereitelung gemäß § 258 belangt werden, weil Abs. 6 dieses Paragraphen Angehörige straffrei stellt. Zwar war M mit T nicht mehr verheiratet, aber § 11 I Nr. 1 definiert, dass zu den "Angehörigen" der (frühere) Ehegatte auch dann gehört, wenn die Ehe, welche die Angehörigeneigenschaft begründet hatte, nicht mehr besteht. Darum bleibt M straflos, wenn er erst hinterher in das deliktische Geschehen einbezogen worden war. Dann war es schon Strafe genug, dass er – als ständige Mahnung zu eigenem Wohlverhalten(?) - 10 Monate lang mit dem eingedosten und in der Tiefkühltruhe konservierten Ex-Rivalen zusammenleben musste! Hoffentlich hatte die Zombie-Fan-Frau ihren Ex-Lover in der Zwischenzeit nicht ab und an zum Fressen gern! Weiß man, zu welchen Handlungen solche Leute außerdem noch fähig sind?
(So etwas kann einem die Beschäftigung mit dem Zivilrecht nicht bieten!)
Fall 28
Die Wahrscheinlichkeit des Todes eines Stiefkindes ist fünfundsechzigmal so hoch wie die von Kindern, die bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen.110
§ 212 Totschlag?
UTB (+), RF (-)
STB: Vorsätzlichkeit?
Der Täter handelte wohl nicht mit dem Willensziel, den Säugling einzuschläfern, sondern mit dem Ziel, ihn zum Einschlafen zu bringen. Das ist nicht nur sprachlich ein feiner, sondern auch strafjuristisch ein erheblicher Unterschied.
§ 212 (-).
§ 229 Vergiftung?
UTB (+), RF (-)
STB: Vorsätzlichkeit?
Der Täter muss wissen, dass er das Mittel seinem Opfer beibringt, und dass es in der gewählten Dosierung geeignet ist, die Gesundheit zu zerstören. Die zweite Voraussetzung muss vermutlich verneint werden.
§ 229 (-).
§ 222 fahrlässige Tötung (+).
Das entsprechende Delikt in Großbritannien, dessen Strafrecht nicht so differenzierte Tötungsdelikte kennt wie das StGB, heißt "unvoluntary manslaughter".
Schon allein der Klang des Hauptwortes lässt schaudern.
Fall 29
§§ 212, 13 Tötung durch Unterlassen?
Bestimmt nicht, da die Eltern ihr Kind hatten behalten wollen. Sie waren nicht mit dem Ziel vorsätzlich untätig geblieben, dass ihr Kind aufgrund bewusster Vorenthaltung von Nahrung hätte sterben sollen. Im Gegenteil! §§ 212, 13 (-).
§ 222 fahrlässige Tötung?
Das war die Meinung der StA. Sie forderte dafür eine "symbolische" Bestrafung, die zur Bewährung ausgesetzt werden sollte.
Das Gericht prüfte:
UTB (+), RF (-)
STB: Fahrlässigkeit?
War für die Eltern das Wissen erlangbar gewesen, dass sie ihr Kind in einem stetigen Prozess verhungern ließen?
Das Gericht schloss sich dem Gutachten an, verneinte die Potentialität des Tat- und somit auch des Unrechtsbewusstseins und sprach die Eltern von dem Anklagevorwurf frei, obwohl es zunächst die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen hatte. "Nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung" (§ 261 StPO) war es zu der Entscheidung gekommen, dass die Eltern keine strafrechtlich relevante Schuld treffe.
Selbst wenn das Gericht die Ansicht der StA geteilt und gemeint hätte, die Eltern hätten den Auszehrungsprozess bemerken müssen, hätte es in diesem Fall bei Bejahung einer fahrlässigen Tötung keine Strafe gegen die Eltern verhängen müssen. § 60 Absehen von Strafe gibt den Richtern die Möglichkeit an die Hand, ein Verfahren mit einem bloßen Schuld- aber ohne einen Strafausspruch zu beenden, wenn im Verhältnis zu der schweren Folge der Tat die Zufügung des staatlichen Strafübels für den Täter nicht mehr ins Gewicht fallen würde, er also durch die schwere Folge als hinreichend (vom Schicksal) »bestraft« gelten und auch keine der üblichen Aufgaben der Strafe unter keinem der für sie maßgebenden Gesichtspunkte eine sinnvolle Funktion mehr haben kann.
Ein klassischer Fall der Anwendung des § 60 liegt ja gerade dann vor, wenn der Täter infolge der Tat - ungewollt(!) - einen nahen Angehörigen verloren hat.
Fall 30
§§ 212, 13 Tötung durch Unterlassen?
UTB (+), RF (-)
STB: Vorsätzlichkeit?
Es ist nicht anzunehmen, dass die Eltern, von deren Schuldfähigkeit auszugehen ist, den Erfrierungstod ihres Kindes billigend in Kauf genommen hatten. Sie waren nur etwas zu sorglos auf ihren eigenen Lustgewinn bedacht.
§§ 212, 13 (-).
§ 222 fahrlässige Tötung (+).
Fall 31
Dieser Fall hat Justizgeschichte gemacht und ist wegen der darin enthaltenen Grundrechtsproblematik und deren fast einheitliche Verkennung durch die damit befasst gewesenen ordentlichen Gerichte ausführlich in "Rechtskunde - Einführung in das Recht der Bundesrepublik Deutschland" dargestellt.
Die StA hatte ein Verbrechen der Tötung durch Unterlassen gemäß §§ 212, 13 angeklagt. Die Anklage landete beim AG als Schöffengericht, obwohl dessen Strafgewalt gemäß § 74 I 2 GVG damals nur bis zur Verhängung einer Freiheitsstrafe von maximal 3 Jahren reichte, eine »normale« Tötung aber mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft werden muss und damit eine Große Strafkammer des LG zuständig gewesen wäre.
Das AG als Schöffengericht verurteilte den Ehemann zwar nicht wegen einer Tötung durch Unterlassen gemäß §§ 212, 13, sondern wegen fahrlässiger Tötung gemäß § 222 zu acht Monaten Gefängnis. Ausschlaggebend hierfür müsste die Überlegung gewesen sein, dass Ehemann E nicht mit dem Willensziel der Tötung seiner Frau F in medizinischer Sicht untätig geblieben war. Er wurde ja - allerdings nur in religiöser Hinsicht - sehr intensiv tätig und wollte durch ein inbrünstiges Gebet die Blutungen stillen und den eingetretenen Blutverlust ausgleichen. Vorsätzlichkeit hinsichtlich eines so angeklagten, mit dem in der Kombination der Strafvorschriften geforderten Willensziel einer Tötung vorgenommenen Garantenunterlassens kann nicht festgestellt werden und scheidet darum aus. Aber aufgrund der alarmierenden Warnung des Hausarztes hätte E Tat- und Unrechtsbewusstsein hinsichtlich der Tatsache erlangen können, dass ohne Einlieferung der F in ein Krankenhaus deren Leben nicht zu retten sein werde. Soviel medizinisches Allgemeinwissen darf man selbst einem in religiöser Verblendung befangenen Erwachsenen zutrauen.
Durch das gegen das Urteil des AG als Schöffengericht (1 Berufs- und 2 Schöffen als Laienrichter) eingelegte Rechtsmittel der Berufung des Angeklagten wurde nunmehr eine Große Strafkammer (damals 3 Berufs- und 2 Laienrichter) des LG als Berufungsinstanz in diesem Verfahren zuständig.
§ 222 fahrlässige Tötung?
Die Große Strafkammer kam zu der Entscheidung: UTB (-).
Es sei nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit zu klären, ob der Tod der E durch die unterlassene Überführung in ein Krankenhaus verursacht worden sei.
§ 323 c unterlassene Hilfeleistung?
UTB (-): Weil die E sich in voller geistiger Klarheit und Willensfähigkeit gegen eine im Krankenhaus vorzunehmende Bluttransfusion ausgesprochen habe, hätte sich E nicht über den Entschluss der F hinwegsetzen dürfen. In einem "obiter dictum"- davon machen Obergerichte manchmal in einem Urteil Gebrauch, wenn sie eine Sache regeln und dabei gleichzeitig etwas nicht zur Entscheidung Anstehendes, aber entfernt Dazugehörendes gleich prophylaktisch durch Äußerung ihrer Rechtsansicht mitregeln wollen - sei angemerkt: Das Gericht hätte vielleicht dem Antrag der StA entsprochen, wenn F nicht mehr über ihre volle geistige Klarheit und Willensfähigkeit verfügt hätte. Dann hätte es möglicherweise - vielleicht ohne Berücksichtigung der dem Fall immanenten Grundrechtsproblematik, denn mit dem Hinweis auf Art. 4 GG hatte es seine Entscheidung ja nicht begründet - den E wegen seiner Garantenstellung als zum Handeln verpflichtet angesehen.
§ 323 c (damals hieß er noch § 330 c und nicht § 323 c) (-). Freispruch!
Die StA fand die Begründung des LG rechtsirrig - "Wo kämen wir hin, wenn jeder seinen Ehepartner verbluten lassen könnte?", mag sie gedacht haben - und legte darum gegen dessen Urteil beim OLG das Rechtsmittel der Revision ein. (In der Revision werden keine Tatsachen mehr, sondern nur noch Rechtsfragen geprüft, ob z.B. eine gesetzliche Bestimmung des materiellen oder des formellen Strafrechts verkannt worden ist, und ob nicht gegen Denk- und Sprachgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen wurde. Weil nur noch Rechtsfragen entschieden werden, kann man dort nur Fachleute gebrauchen. Darum ist das OLG mit ausschließlich 3 Berufsrichtern besetzt.) Zum Strafsenat des BGH (5 Berufsrichter) kam die Sache nicht, weil sie beim AG angefangen hatte. Da hätte die StA die Anklage schon beim LG erheben oder das AG als Schöffengericht seinerseits wegen nicht ausreichender Strafkompetenz die Sache beim LG anhängig machen müssen. Das war aber nicht geschehen.
Die StA behauptete in ihrem Revisionsantrag, dass das LG bei seinem freisprechenden Berufungsurteil die einschlägigen Bestimmungen des Strafgesetzes verkannt hätte. Das OLG sah das auch so aber trotzdem anders, hob darum das Berufungsurteil des LG mit seinem Revisionsurteil auf und verwies die Strafsache an eine andere Kammer des LG zu erneuter Verhandlung unter Beachtung der Rechtsauffassung des OLG zurück. In der in dem ergangenen Revisionsurteil niedergelegten Rechtsauffassung urteilte das OLG, dass (seiner Meinung nach) zwar keine Tötung durch Unterlassen - wie von der StA in der Anklageschrift behauptet - und auch keine fahrlässige Tötung - wie von dem Schöffengericht des AG für Recht erkannt - vorliege, auch kein Freispruch - wie von dem LG als Berufungsgericht (nach Meinung des OLG: fehlerhaft) als Recht erkannt - möglich sei, sondern eine Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 323 c unterlassene Hilfeleistung zur Ahndung des durch die (behauptete) Straftat begangenen Unrechts notwendig sei. Der Ehemann sei aber - ohne die Garantenstellung des E gegenüber der F für §§ 212, 13 Tötung durch Unterlassen in Anspruch zu nehmen - aus der ehelichen Lebensgemeinschaft heraus zu dem ihm zumutbaren Versuch verpflichtet gewesen, seine Ehefrau aus dieser Garantenstellung heraus zur Einwilligung in die von dem behandelnden Arzt für notwendig erachtete Bluttransfusion zu bewegen. Das hört sich zunächst nach einer sehr eigenwilligen und nicht dem Wortlaut des Gesetzes entsprechenden Begründung des OLG an, denn § 323 c will den bestraft wissen, der "... bei Unglücksfällen ... nicht Hilfe leistet, ... ."
Nach Laienverständnis könnte da ausschließlich an eine tatkräftige medizinische Notfallversorgung gedacht werden. Aber ein Notarzt war ja hinzugezogen worden. Urteilende Juristen denken aber oft komplizierter als Laien und schrauben dann ihre Anforderungen an strafbefreiendes Handeln im Nachhinein höher, als von dem späteren Angeklagten in der aktuellen Situation je geahnt! Ein Blick in das Gesetz behebt manchen Zweifel, ein Blick in Kommentare lässt über die im Gesetz enthaltenen und in den Kommentaren aufgearbeiteten Zweifel noch mehr zweifeln – oder gar verzweifeln! In einem renommierten Kurz-Kommentar heißt es mit Verweis auf dazu ergangene Urteile und Stellungnahmen: "Sofort muss der Hilfspflichtige handeln, und zwar in wirksamer Weise, hierzu gehört auch eine eindeutige Aufklärung über eine etwa einzig gebotene Maßnahme." Diese Meinung muss sich das OLG zu eigen gemacht, den E über den Notarzt hinaus als Hilfspflichtigen eingestuft haben und so zu dessen Verurteilung gelangt sein, obwohl die eindeutige Aufklärung durch den Notarzt ja schon vorgenommen worden war. Das OLG stellte mit seinem Urteil zumindest indirekt für einen Ehemann eine Rechtspflicht fest, mit seiner halsstarrigen Ehefrau notfalls Tacheles reden zu müssen! Diese Rechtspflicht kann sich aber nur aus einer Garantenstellung heraus ergeben. Die Bejahung einer Garantenstellung müsste dann aber zwangsläufig zur Prüfung einer Tötung durch Unterlassen führen, denn § 323 c ist ja gerade ein "Jedermann-Delikt". Einen Garanten müsste dann aber immer der härtere Strafvorwurf der §§ 212, 13 treffen, der gegenüber Herrn Jedermann gerade nicht erhoben werden kann!
In einem größeren Strafrechtskommentar heißt es zu derselben Problematik der geistigen Einflussnahme auf einen Gefährdeten: "Weigert sich der Gefährdete, die Hilfe anzunehmen, so entfällt die Hilfspflicht, soweit er über das Rechtsgut verfügen kann. So kann z.B. der Unfallverletzte die Hilfe zurückweisen, nicht dagegen der Eigentümer beim Brand seines Wohnhauses. Besteht für den Verletzten Lebensgefahr, so entfällt bei seiner Weigerung, Hilfe anzunehmen, die Hilfspflicht nach den gleichen Grundsätzen, die für die unterlassene Hilfeleistung beim Selbstmord gelten." Und dort heißt es: "So ist z.B. der Selbstmordversuch nicht als Unglücksfall anzusehen, wenn er aufgrund freier, unbeeinflusster Entscheidung erfolgt; diese ist in der Weise zu respektieren, dass eine unterlassene Verhinderung der Selbsttötung straflos bleibt. Dies gilt auch dann, wenn der Lebensmüde die Herrschaft über den von ihm veranlassten Geschehensablauf verloren hat. In diesen Fällen liegt jedoch ein Unglücksfall vor, wenn Dritte durch den Selbstmordversuch gefährdet werden (z.B. bei Aufdrehen des Gashahnes) oder der Suizidant seinen Entschluss ändert (z.B. Hilferuf des Ertrinkenden, der zunächst den Freitod im Wasser suchte). Dasselbe kann gelten bei einem missglückten Selbstmordversuch, wenn der eingetretene Erfolg von dem Geschehensablauf, den sich der Täter vorgestellt hat, erheblich abweicht." Schon nach der von diesem Autor vertretenen Ansicht hätte E nicht verurteilt werden dürfen, weil F ihre Entscheidung, auf die rein technisch zwar durchführbare, aber vor ihrem Gewissen nicht vertretbare Rettungsmaßnahme der Bluttransfusion zu verzichten, in einem so bewussten Willensakt getroffen hat, wie sie auch von Menschen mit Selbsttötungsabsicht getroffen wird.
Doch das OLG hatte sich - was sein gutes Recht ist, aber zu Lasten des Rechts des Angeklagten gehen kann - der gegenteiligen Kommentarmeinung angeschlossen. An diese in seinem Revisionsurteil getroffene rechtliche Auffassung seines Obergerichtes war die neue Kammer des LG gebunden. (Das legt § 358 StPO aus Gründen der Prozessökonomie so fest, damit die Oberinstanz sich nicht eventuell noch ein weiteres Mal mit der Rechtslage befassen muss, wenn die Angelegenheit von der Unterinstanz erneut verhandelt wird.) Die neue Kammer des LG erkannte im Strafmaß auf eine Geldstrafe in Höhe von DM 200,- (€ 102,-). (Tagessätze gab es damals noch nicht.) Immerhin: Jetzt nur noch DM 200,- (€ 102,-) als tat- und schuldangemessene Geldstrafe statt vorher 8 Monaten Gefängnis auf Bewährung; ein schöner Teilerfolg des Rechtsanwaltes für seinen Mandanten! Über einen solchen Strafrabatt freut man sich normalerweise.
Nicht so dieser Rechtsanwalt. Der Bursche war durch die in den bisher ergangenen Urteilen enthaltenen Begründungen, soweit sie sich nicht mit seiner Auffassung von einem gerechten Urteil in dieser Sache deckten, unbelehrbar. Er legte gegen dieses durch das LG nunmehr unter Beachtung der Rechtsauffassung des OLG ergangene Urteil, wie die StA vor ihm im ersten Durchgang, nun seinerseits - sicher ohne jede Hoffnung - Revision bei dem schon einmal mit dieser Rechtssache befasst gewesenen OLG ein: Sein Mandant müsste freigesprochen werden - was nach dem Revisionsurteilstenor des OLG dem LG aber nicht möglich gewesen war -, weil das Urteil auf einer Gesetzesverletzung beruhe. (Manche) Richter empfinden solch ein Verhalten eines Rechtsanwaltes schon als querulatorisch: Weil doch schon so viele mit zum Teil hochkarätigen Richtern besetzte Instanzen wie u.a. das erneut angerufene OLG ja auch schon selbst in dieser Sache entschieden hatten, kann doch nicht so ein kleiner Rechtsanwalt ein zweites Mal mit derselben Sache kommen! Der Rechtsanwalt erhielt prompt und (vorläufig) kostenpflichtig die sicherlich erwartete Abfuhr. So erfahren ist ein solcher Rechtsfuchs sicher! Der wird von diesem OLG kein "lucidum intervallum", keinen lichten Moment, bei der nochmaligen Beurteilung dieser Sache erwartet haben. Doch er musste erst auf diese Weise den Rechtsweg durch die erneute (und wie immer fristgerecht zu erfolgende) Einlegung der Revision ausschöpfen, um dann erst seinen Joker ins Spiel bringen zu können: das Bundesverfassungsgericht!
Wie nicht anders zu erwarten, wurde von dem OLG, das ja schon einmal mit der Sache befasst gewesen war und sich - das Untergericht bindend - in seiner größeren Weisheit schon damals dahingehend erklärt hatte, dass ein Verstoß gegen (den jetzigen) § 323 c vorliege, die Revision als "offensichtlich unbegründet" kurz und zackig verworfen, wie es mit rund 90-95 % der Revisionsanträge geschieht.
Nunmehr konnte der rechtskundige und auf die Anerkennung seiner Sicht der Gerechtigkeit hoffende Verteidiger nach Ausschöpfung des Rechtsweges - und nur dafür hatte er sich von dem OLG die erwartete Abfuhr erst noch einmal einhandeln müssen - seinen letzten Trumpf ausspielen und beim BVerfG gemäß Art. 93 I Nr. 4 a GG und § 13 Nr. 8 a BVerfGG eine Verfassungsbeschwerde einreichen.
Das BVerfG ist an sich keine so vorgesehene "vierte Instanz". Im Normalfall der strafrechtlichen Verfahren kann man schon von Glück sagen, wenn man drei Instanzen (Eingangsinstanz, eventuell danach Berufung und Revision) zur Verfügung hat - und am Ende gewinnt! Nur in den Fällen, in denen ein Verurteilter entsprechend dem Wortlaut des Art. 93 I Nr. 4 a GG behaupten kann, er sei durch ein im üblichen Instanzenzug letztinstanzlich ergangenes Urteil "durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte verletzt" worden, öffnet sich ihm die Pforte zu der Schwelle des BVerfGs. Ob er dann, wie in 98 % der Fälle, von der "Schwelle des Gerichts" wegen Unzulässigkeit des Antrages oder dessen offensichtlicher Unbegründetheit gemäß § 24 BVerfGG "a limine" abgewiesen oder seine Klage doch angenommen wird, ist dann eine andere Frage; eine weitere ist, wie das Verfahren entschieden wird.
Der Rechtsanwalt behauptete mit seiner Verfassungsbeschwerde eine Verletzung der in Art. 4 I GG geregelten Glaubens- und Gewissensfreiheit seines Mandanten. Wie gesagt, nur durch eine behauptete Grundrechtsverletzung kann man als Normalbürger in einem Strafverfahren das Ohr des BVerfG erreichen. Nur solche Rechtsirrtümer berechtigen zur Einlegung einer Verfassungsbeschwerde gegen ein letztinstanzlich ergangenes Urteil anderer Gerichte. Andere Rechtsirrtümer der Gerichte sind von dem oder den Betroffenen hinzunehmen.
Der Anwalt hatte mit seiner Verfassungsbeschwerde Erfolg! Das BVerfG hob die Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen Art. 4 I GG auf (obwohl doch nach Meinung des OLG ein Rechtsmittel gegen seine Entscheidung "offensichtlich unbegründet" gewesen sei). Der Angeklagte habe nach seiner Glaubensüberzeugung gehandelt, die in der vorliegenden Art (gerade noch) von der Wertordnung des GG gedeckt sei und darum toleriert werden müsse - auch wenn sie für Nichtmitglieder seiner Sekte kaum noch nachvollziehbar sei.
Ergebnis: Freispruch! Und alle bisher aufgelaufenen Kosten zu Lasten der Staatskasse. Da kommt Freude auf! Im juristischen Kampf entscheidet – wie meistens auch im Krieg – die letzte Schlacht.
Solche Fälle passieren immer wieder. 2005 starb in Landau/Bayern eine Zeugin Jehovas bei der Geburt ihres dritten und gesunden Kindes an einer Nachblutung, auf Grund derer die Gebärmutter entfernt werden musste, was mit Blutverlust verbunden ist und durch Bluttransfusionen hätte ausgeglichen werden müssen. Die Ärzte, die ihr das Neugeborene zeigten, um sie an ihre soziale Verantwortung zu gemahnen, konnten ihr nicht helfen, weil die Frau Bluttransfusionen ablehnte und diesen religiös motivierten Willen – u.a. in dem Mutterpass - schriftlich verfügt hatte. Weil Patientenrechte absolute Priorität haben, insbesondere wenn sie sich auf die grundgesetzlich garantierte Glaubensfreiheit berufen, waren den Ärzten die Hände gebunden: Liegt eine schriftliche Erklärung vor, in der ein Patient betont, dass er im Ernstfall nicht gerettet werden möchte, müssen die Ärzte das bei Kenntnis respektieren!
Ärzte sind aber beim Vorliegen eines Notfalles nicht verpflichtet, erst einmal Nachforschungen anzustellen, ob nicht möglicherweise religiöse Überzeugungen des ihrer Hilfe Bedürftigen eine ihn rettende Bluttransfusion ausschließen könnten. In einem Notfall sind sie zur Hilfeleistung verpflichtet – ungeachtet der Tatsache, dass dann möglicherweise der oder die Gerettete die von ihr oder ihm so gesehene schwere Sünde des Verstoßes gegen ein von ihr oder ihm als absolut verpflichtend angesehenes göttliches Gebot seelisch nicht verkraften kann!
Fall 32
Bezüglich der Strafbarkeit des K scheidet ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt schon nach der Fallgestalt aus. Fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung in je drei Fällen müssen unproblematisch bejaht werden. Das wäre alles kein Grund, den Fall in dieser Beispielssammlung herauszustellen.
Interessant ist der Fall wegen des Einheitstäterbegriffs in §§ 222 und 230. Wegen dieser gesetzlichen Regelung wurde neben dem Fahrer auch die Prokuristin wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger KV in je drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Ihr wurde vorgeworfen, den Kraftfahrer K dazu veranlasst zu haben, erheblich länger als erlaubt am Steuer des firmeneigenen Lasters gesessen zu haben. Durch ihre den K zwangsläufig übermüdende Fahranweisung habe sie die Gefahr eines Unfalls "sehenden Auges" heraufbeschworen.
Fall 33
Der UTB einer fahrlässigen Tötung ist zu bejahen. Das in dem UTB zunächst als begründet angenommene, dem Tennisschlag des Spielers objektiv zurechenbare Unrecht wird aber durch den Rechtfertigungsgrund der sozialen Adäquanz mit dem Unterfall einer möglichen Verletzung eines Rechtsgutes bei Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt wieder ausgeschlossen. Das ist - wie schon in dem Fall der Fechter angemerkt - der Unterschied zwischen Unrecht und Unglück.
Fall 34
Zwischen diesem Fall und dem Fall 15 (Beihilfe zur Selbsttötung einer Gesichtskrebspatientin) bestehen gravierende, rechtlich relevante Unterschiede, die klar herausgearbeitet werden müssen:
Für Dr. F, der sich im Gegensatz zu Prof. H vorher nicht rechtlich erkundigt zu haben scheint und auch nicht die Möglichkeit hatte, das Manuskript dieses Buches zu lesen, scheidet die Möglichkeit einer straflosen Beihilfe zur Selbsttötung aus, denn er ist Täter - und nicht Gehilfe zu fremder strafloser Haupttat. Hier stellt sich - günstigstenfalls(!) - die Problematik der aktiven Sterbehilfe in voller Schärfe; wenn sie sich überhaupt stellt.
Gegenüber dem Täter in Fall 13 (Bolzenschussapparat-Fall), dem auch der Staatsanwalt »nur« das privilegierte Delikt einer Tötung auf Verlangen angelastet hatte, ist zumindest die Beweisposition des Dr. F entscheidend schlechter! Wie will er den Beweis für die Ernsthaftigkeit eines vom Opfer angeblich geäußerten Verlangens nach dessen Tötung erbringen? Prof. H konnte den Beweis durch Verwandtenaussagen und eine (später auch im Fernsehen ausgestrahlte) Videoaufzeichnung von dem entscheidenden Patientengespräch erbringen. In der Zeitungsmeldung des vorliegenden Falles wurde aber gar kein Einverständnis des Opfers mitgeteilt. Dort hieß es nur: "Er habe die nach einer Darmkrebsoperation schwer leidende Frau im Einverständnis mit deren Verwandten erlöst." § 216 lautet aber: "Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden, ... ." Und den gesetzlichen Tatbestand muss man schon ernst nehmen - sonst machen das Staatsanwalt und Richter! Das Einverständnis von Verwandten des Opfers – falls es das überhaupt gegeben haben sollte - kann den Täter eines solchen Falles gegenüber einem Totschläger oder Mörder nicht privilegieren! Und ein Einverständnis wäre auch noch kein ausdrückliches und ernstliches Verlangen. Ein ausdrückliches und ernstliches Verlangen der Verwandten zur Tötung des Opfers wäre vom ermittelnden Staatsanwalt zunächst einmal als Anstiftung zu Totschlag oder Mord zu begutachten. Vielleicht waren die gesetzlichen Erben zu hastig und konnten nicht den normalen Lauf der Dinge abwarten?! Es überrascht darum nicht, dass die Verwandten - wie mitgeteilt - dem ermittelnden Staatsanwalt gegenüber bestritten, Dr. F aufgefordert zu haben, das angebliche Leiden der Frau zu beenden. Ein den vorzeitigen Erbfall herbeiführendes Auffordern oder Einwilligen der Angehörigen kann das in § 216 gesetzlich geforderte "ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten" auf keinen Fall, auch nicht im Falle eines dem Tode "Geweihten"/Verfallenen, ersetzen. Das hätte auch für den Bolzenschussapparat-Täter gegolten. In dem Fall war aber das Verlangen des unbarmherzig am Leben gehaltenen Lebensunfähigen von Ärzten und Pflegern bestätigt worden. Ohne diese Bestätigung wäre die Tat des Bruders nicht unter dem Gesichtspunkt des § 216 zu werten gewesen. Tötung aus Mitleid privilegiert nicht im Tatbestand - höchstens im Strafmaß! Und das auch nicht immer:
„Tötung aus Mitleid
Die Türkin ... tötete in der Türkei ihren an Lungenkrebs erkrankten deutschen Freund, damit er nicht so lange leiden und qualvoll sterben müsse. Sie erstach ihn mit einer Schere.“
"Angestellter tötete den gewalttätigen Ehemann seiner Arbeitskollegin
Mord aus Mitleid
Wenn Margie Swisser (34) mit Sonnenbrille zur Arbeit kam, wusste jeder in der Firma Bescheid. Wieder einmal hatte ihr Mann Paul (45) sie verprügelt, und die junge Frau versuchte, ein blaues Auge zu verbergen.
Der Kollege James Usburn war hoffnungslos in Margie verliebt. Eines Tages hielt er es nicht mehr aus und lauerte Paul Swisser auf. ‘Sie quälen Margie nie wieder', zischte er und tötete den Ehemann mit sieben Messerstichen. Damit die Tat wie ein Raubmord aussah, stahl James Usburn die Brieftasche. Das wurde ihm zum Verhängnis: Nach einem Unfall fand die Polizei die Papiere des Mordopfers bei ihm. Sein Urteil: Die Todesstrafe."
Doch zurück zu unserem Fall. Da die Verwandten des Opfers K.G. - wie gemeldet - die Angaben des Dr. F nicht bestätigen, kann ihn auch nicht die Unschuldsvermutung des "In-dubio-pro-reo"-Grundsatzes retten.
Hinzu kommt: Ein dem F gegenüber in einem Gespräch tatsächlich geäußertes ausdrückliches und ernstliches Verlangen der Getöteten einmal unterstellt, wäre für ihn die Beachtlichkeit dieses Verlangens eventuell nicht beweisbar: Nur Vollsinnige können überhaupt einen irgendwie rechtlich relevanten Willen äußern, nicht aber nur noch vermindert Zurechnungsfähige oder schon Unzurechnungsfähige! Sollte dem Staatsanwalt der Nachweis der von ihm vorgebrachten altersbedingten Verwirrtheit der K.G. gelingen, wäre für Dr. F. nichts mehr zu gewinnen.
Aber Mörder, wie in dem mitgeteilten Haftbefehl angegeben, ist Dr. F. damit noch lange nicht. Welches Mordmerkmal sollte einschlägig sein? Niedrige Beweggründe? Als niedrig wurden und werden Beweggründe bewertet, die aufgrund umfassender Gesamtwürdigung "nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verwerflich, ja verächtlich sind" (BGHSt 3/132); normale Verwerflichkeit, selbst auf der vorletzten Stufe, der des "normalen" Totschlags, genügt danach nicht. Und selbst bei Vorliegen eines Mordmerkmals muss nicht zwingend auf Mord erkannt werden, wenn die Tat nicht auf unterster sittlicher Stufe stehend anzusiedeln ist, etwa bei mit Heimtücke verübter Tötung aus altruistischen Motiven, z.B. durch heimtückische Beibringung von Gift gegenüber einem unheilbar Kranken oder schon Todgeweihten.
Die Annahme eines niedrigen Beweggrundes ist bei Vorliegen triebhafter Eigensucht u.a. in der Form übersteigerten Geltungsdranges schon bejaht worden. In diese Richtung zielt die StA mit ihrem Vorwurf eines "maßlosen Geltungsdranges". Aber ob das Gericht in diesem Fall über diese von der StA mit großem Pionierfleiß gezimmerte Brücke zu gehen bereit ist, blieb für F noch abzuwarten. (Doch leider werden solche Fälle von der überörtlichen Presse aber nicht unbedingt weiterverfolgt, sodass die Auffassung des erkennenden Gerichts später nicht bekannt geworden ist.)
Fall 35
Der UTB einer fahrlässigen Tötung gemäß § 222 in zwei Fällen kann bejaht werden, weil durch das Autofahren der Tod zweier Menschen "verursacht" worden ist und dabei keine Handlung als gewolltes Tun erforderlich ist, sondern die bloße Verursachung des Todes eines anderen ausreicht.
Rechtfertigungsgründe greifen nicht ein.
STB: Von der Schuldfähigkeit des M ist auszugehen.
Auf der Stufe der subjektiven Zurechnung ist FL zu prüfen. FL liegt vor, wenn ein Täter zwar nicht bewusst gegen eine Rechtsnorm verstoßen hat, er aber bei Anspannung aller seiner seelischen Kräfte hätte erkennen können, dass sein Handeln - hier das Autofahren - für ein geschütztes Rechtsgut hätte gefährlich werden können. Das Tat- und damit das Unrechtsbewusstsein hätten in der konkreten Tatsituation für den Täter erlangbar sein müssen.
Dieser Punkt bedarf der tatrichterlichen Aufklärung: Wäre M schwer herzkrank gewesen, hätte er vielleicht sogar schon mehrere Zusammenbrüche gehabt, dann hätte er sich sagen können und müssen, dass ihn bei den mit dem modernen Straßenverkehr verbundenen Stresssituationen ein Herzanfall vorhersehbar ereilen könnte, der das Leben seiner Mitmenschen gefährden oder auslöschen kann. FL wäre dann zu bejahen.
So dürfte z.B. ein Epileptiker, der einen Anfall durch Medikamenteneinnahme nicht sicher ausschließen kann (wenn das überhaupt möglich ist), nicht autofahren. Diabetiker, die einen vorhersehbaren und darum vermeidbaren Unterzuckerungsschock erleiden, werden deshalb in einem solchen Fall konsequent verurteilt.
War M herzkrank, so kann ihm nur der dringliche anwaltliche Rat gegeben werden, ausschließlich gemäß § 243 II 2 StPO Angaben über seine persönlichen Verhältnisse (Name, Familienstand, Alter, Einkünfte) zu machen und ansonsten den gemäß § 243 IV 1 StPO obligatorischen Hinweis des Richters, nicht zur Sache aussagen zu müssen, unbedingt zu befolgen. Selbst wenn der Hausarzt des M gerichtsbekannt wäre, so dürfte der ohne eine Schweigepflichtentbindung durch seinen angeklagten Patienten nicht über den gesundheitlichen Zustand des M als Zeuge eine Aussage machen. Täte er es doch, so hätte er damit selber eine Straftat gemäß § 203 I Nr. 1 begangen. Zur Aufklärung des Sachverhaltes könnte das Gericht aber immer noch einen Amtsarzt mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragen, um zu klären zu versuchen, ob für M sein Gesundheitszustand, insbesondere die Gefahr eines Herzanfalles, erkennbar gewesen war. Ist keine eindeutige gutachterliche Aussage möglich, muss nach dem Grundsatz: "Im Zweifel für den Angeklagten!", verfahren werden. FL wäre dann zu verneinen, eine Straftat damit ausgeschlossen.
(Gleichwohl müsste M oder seine Kfz-Haftpflichtversicherung für die Regulierung der zivilrechtlichen Ansprüche, hier z.B. der Beerdigungskosten, nicht aber Schmerzensgeld für die trauernden Eltern, aus Gründen der in § 7 StVG angeordneten Gefährdungshaftung des Fahrzeughalters aufkommen.)
Hatte M als bisher Gesunder in dem Augenblick des Unfalls seinen ersten Herzanfall erlitten, sollte er zur Sache aussagen, da er so dem Vorwurf entgegentreten kann, fahrlässig gehandelt zu haben, als er mit dem Auto fuhr. Eine Straftat scheidet dann zweifelsfrei mangels Kriminalunrechts aus.
Fall 36
Wegen der Tötung des Vergewaltigers wurde das Vergewaltigungsopfer Melanie L in der ersten Instanz von einem türkisch-zypriotischen Gericht zu drei Jahren Haft verurteilt, die ihrer Tochter beistehende Mutter sollte für vier Jahre ins Gefängnis. Der Vergewaltiger war nach Meinung des Gerichts zu langsam gestorben, als dass nach zypriotischem Recht noch Notwehr hätte angenommen werden können. (Ins deutsche Recht "übersetzt", hatte das Gericht wohl an der Gegenwärtigkeit des Angriffs im Zeitpunkt des Todes oder an der Erforderlichkeit der Tötung des Verröchelnden als Verteidigungshandlung gezweifelt und in der schließlichen Erdrosselung eine Hinrichtung als reine Rachehandlung gesehen.) Und in dem Rechtskreis scheint ein Notwehrexzess nicht zu existieren oder nicht unbedingt anerkannt zu werden – jedenfalls nicht für Ausländerinnen in einem Kampf gegen einen Vergewaltiger.
Die Revisionsinstanz hob das Urteil auf und sprach beide Frauen frei. (Das in den Stellungnahmen der deutschen Presse massiv geäußerte Unverständnis über das erstinstanzliche Urteil, die Interventionen des Auswärtigen Amtes und der Blick auf den Fremdenverkehr sollen dabei keine Rolle gespielt haben. Um so besser.)
Nach deutschem Recht beurteilt:
"Notwehr ist", laut der Definition des § 32 II "die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwehren."
An der Gegenwärtigkeit und der Rechtswidrigkeit des Angriffs des Zyprioten auf die Frauen mit u.a. dreimaliger Vergewaltigung der Tochter soll - auch im Augenblick der Erdrosselung - kein Zweifel bestehen. Dann bleibt immer noch die Frage der Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung. Hieran mag das erstinstanzliche Gericht Zweifel gehabt haben, weil es den Mann nach dem Aufbeißen seines Hodens durch eine der Frauen vielleicht nicht mehr für angriffsfähig hielt, und der Angreifer mit dem Gürtel langsam erdrosselt worden war. Nach Meinung des Gerichts hätten die Frauen von dem irgendwann angriffsunfähigen Mann rechtzeitig vor seiner Erdrosselung ablassen müssen. Das Gericht konnte sich nicht genügend in die Lage der Frauen versetzen - denen nach deutschem Recht schon wegen der Regelung des § 33 Überschreitung der Notwehr keine Verurteilung gedroht hätte: Wer aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken in einem so genannten Notwehrexzess die Grenzen der Notwehr überschreitet, wird trotzdem nicht bestraft. Wohlgemerkt: Nur aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken darf die Grenze einer an sich bei Nichtüberschreitung rechtfertigenden Notwehrhandlung überschritten worden sein. Dann rechtfertigt diese Überschreitung zwar nicht das Handeln des sich Wehrenden, aber es entschuldigt seinen Mitteleinsatz. Ein Notwehrexzess kann eine Handlung zwar niemals rechtfertigen, aber aus nachvollziehbaren Gründen entschuldigen. Die Grenzen der Notwehr dürfen aber nicht aus Lust an überlegener Gewalt oder aus Rache überschritten werden: In den durch das Gesetz gesetzten Grenzen ausgeübte Notwehr darf zwar Spaß bringen, sie darf dabei aber die in der Legaldefinition gezogenen Grenzen wie z.B. die der Erforderlichkeit nicht überschreiten.
Ein Beispielsfall, in dem § 33 Überschreitung der Notwehr nicht zuerkannt wurde, weil der Täter nicht "aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken" die Grenze des durch eine Notwehrhandlung an sich Erlaubten überschritten, sondern aus Wut und Ärger gehandelt habe; darum sei ihm der Rückgriff auf die entschuldigende Notwehrregelung des § 33 zu versagen gewesen:
"Wegen Lärms zur Flinte gegriffen
Wegen Totschlags in einem minderschweren Fall hat eine Kammer des Landgerichts Stade einen 51 Jahre alten Steuerberater aus Wistedt (Landkreis Harburg) zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Der Mann hatte am 21. Mai 1993 den 19 Jahre alten Heizungsbauer Michael Radtke mit einer Schrotflinte erschossen, weil er sich über den Verkehrslärm geärgert hatte, der vom Opfer und anderen Besuchern eines Sportfestes verursacht worden war. Zur ‘Verkehrsberuhigung' hatte der Steuerberater eine Schubkarre auf die Straße gestellt. Danach kam es zu einem Streit mit den Jugendlichen.
Zu Gunsten des Angeklagten erkannte das Gericht eine durch Alkohol verminderte Schuldfähigkeit an. Dagegen ist ihm eine Notwehrlage nicht eingeräumt worden. Der Steuerberater habe nicht aus Furcht oder Panik gehandelt, sondern aus Wut und Ärger. Die Jugendlichen seien zwar mit Schreckschussrevolvern bewaffnet, aber nicht auf jeden Fall gewaltbereit gewesen, argumentierte der Vorsitzende Richter und fügte wörtlich hinzu: ‘Die Zeiten sind vorbei, in denen man die Strafverfolgung in die eigenen Hände nimmt.' Der Verteidiger hat gegen das Urteil Revision eingelegt."
Das hätte ich für meinen Mandanten auch versucht. Mehrere Jugendliche mit Revolvern oder Knüppeln in den Händen können doch im Rahmen einer eskalierenden Auseinandersetzung einen nicht mehr im Besitz seiner jugendlichen Kräfte befindlichen 51-Jährigen in Furcht und Schrecken versetzen, sodass er übersieht, dass nach der nachträglichen, abgeklärten Lagebeurteilung des Gerichts "ex post" die Jugendlichen "aber nicht auf jeden Fall gewaltbereit gewesen" seien. Aus dem "ex ante"-Blickwinkel des späteren Angeklagten vor dem tödlichen Schuss kann das ganz anders ausgesehen haben. Und vielleicht waren die Jugendlichen zwar (noch) nicht als "omni modo facturi" schon fest auf Gewalt ausgerichtet gewesen, aber die Bedrohung eines einzelnen durch mehrere mit Revolvern und Knüppeln bewaffnete Jugendliche kann sehr konkret gewesen sein! Und woher sollte der spätere Angeklagte überhaupt erkennen, dass es sich bei den Pistolen der Jugendlichen um Schreckschusswaffen handelte? Vielleicht war ja auch der Lauf durchbohrt, und sie waren scharf gemacht worden! Vielleicht glaubte er, zuerst schießen zu müssen, um so sein Leben retten zu können.
Fall 37
In Frankreich löste der Prozess einen Skandal aus, weil die Beschuldigten nicht wegen Mordes - Begehungs- oder Unterlassungsdelikt?; siehe 6.1 Ziegenhaarfall -, sondern nur wegen Betruges angeklagt und zu teilweise zur Bewährung ausgesetzten Haftstrafen von vier Jahren verurteilt worden sind, obwohl die Ärzte um die Verseuchung des Blutes gewusst und mit dem Ziel gehandelt hatten, ihren Firmen Millionenverluste zu ersparen. Das lässt sich (nach meiner persönlichen Wertung) problemlos unter Habgier subsumieren.
Die Beurteilung ändert sich nach hier vertretener Ansicht für die ähnlich gelagerten deutschen Fälle nicht dadurch, dass einige Arzneimittelhersteller, statt die verseuchten Blutgerinnungspräparate zu vernichten, nur ein umstrittenes Virusabtötungsverfahren anwandten, von dem (inzwischen?) bewiesen sein soll, dass es nicht absolut sicher ist. Spätestens zu dem Zeitpunkt hätten diese Firma die aus verseuchten Chargen hergestellten Produkte vom Markt nehmen müssen! Wenn sie das aus finanziellen Erwägungen nicht tun, müsste die StA wegen versuchten und vielleicht auch schon vollendeten aus Habgier und mit gemeingefährlichen Mitteln begangenen Mordes ermitteln: Gaben die Ärzte die Blutprodukte frei, als sie schon um die Verseuchung der Ausgangsstoffe für die Pharmaprodukte und damit auch der sich zwangsläufig daraus ergebenden Verseuchung der daraus hergestellten Blutprodukte wussten, so wäre gefordert gewesen, die Patienten nicht zu gefährden. Die französischen "Ärzte" hätten den Blutern und anderen Kranken einen schädigenden Eingriff in deren so schon angegriffene Gesundheit ersparen müssen. Folglich lag ein Begehungsdelikt vor: § 211 (+). Haben in dem deutschen Parallelfall die Ärzte des Bundesgesundheitsamtes (BGA) erst später davon erfahren, dass Chargen verseucht in den Handel gebracht worden waren, so hätte der Achtungsanspruch Leben der mit diesen verseuchten Medikamenten erst noch zu behandelnden Patienten von ihnen verlangt, den potentiellen Opfern eine Leistung zukommen zu lassen, die eine sie durch die Untätigkeit der Ärzte bedrohende Gefahr beseitigt hätte. Die verseuchten Blutprodukte hätten dann vom Markt genommen werden müssen. Rechtsgutsverletzend war folglich in dieser (angenommenen) Situation des erst nachträglichen Wissens um die Gefährlichkeit der Produkte das Nichterbringen dieser Leistung und also ein Unterlassen: §§ 211, 13 (+), wenn schon Patienten infolge der Behandlung mit den durch den HIV-Virus verseuchten Blutpräparaten an Aids verstorben sind.
Gegen die zuständigen Beamten des nichthandelnden BGA, die nach Aussage des Pharma-Kritikers Dr. Moebius trotz ihres Wissens - Dr. M. behauptet, im Besitz diesbezüglicher interner Unterlagen des BGA zu sein - untätig bleiben, obwohl sie als Mitarbeiter des Aufsichtsamtes Garanten gegen vermeidbare Arzneimittelrisiken sind, müsste, wenn noch keiner der infizierten Patienten verstorben sein sollte, wegen in Tateinheit mit gefährlicher oder schwerer KV begangenen Mordversuchs durch Unterlassen gemäß §§ 211, 12, 22, 23, 13; 223 a, ev. 224, 13; 52 ermittelt werden. Mordqualifikationsmerkmal wäre dabei bei ihnen nicht Habgier, denn sie unterlassen die erforderliche Maßnahme der Gefahrenabwehr vermutlich ja nicht aus übertriebenem Gewinnstreben. Das bei ihnen in Betracht kommende Mordqualifikationsmerkmal ist "mit gemeingefährlichen Mitteln".
Fall 38
Die StA klagte die drei jugendlichen Rechtsradikalen u.a. wegen Mordversuches in zwei Fällen an. Als von der StA in Betracht kommend erachtete Mordqualifikationsmerkmale werden "heimtückisch" und "mit gemeingefährlichen Mitteln" in der Presse angegeben.
Das Mordqualifikationsmerkmal "mit gemeingefährlichen Mitteln" liegt unstreitig vor, wenn Brandbomben in ein von mehreren Menschen bewohntes Haus geworfen werden. Aber ob "Heimtücke" zu bejahen wäre, ist strittig. Der Begriff der "Heimtücke" ist umstritten, weil einige Wissenschaftler nicht das bewusste Ausnutzen einer auf Arglosigkeit beruhenden Wehrlosigkeit in feindseliger Willensrichtung ausreichen lassen, die von manchen bei einem Angriff auf das Leben Schlafender generell angenommen wird, sondern darüber hinaus einen verwerflichen Vertrauensbruch fordern. Der wäre hier nicht gegeben. Die Libanesen kannten die Neonazis vermutlich noch nicht einmal. Und wenn sie sie gekannt hätten, dann hätten sie Grund gehabt, ihnen zu misstrauen.
Die Angeklagten behaupteten einen "automatischen Ablauf unter erheblichem Alkoholeinfluss", gaben aber zu, von dem ähnlich durchgeführten Mordanschlag in Hoyerswerda beeinflusst worden zu sein.
Die StA hatte 9 Jahre Freiheitsstrafe gefordert.
Das Landgericht Duisburg verhängte gegen zwei der Angeklagten Jugendstrafen von je 5 Jahren wegen gemeinschaftlich begangener schwerer Brandstiftung und schwerer Körperverletzung, gegen den dritten Täter eine Jugendstrafe von 3 ½ Jahren wegen schwerer Brandstiftung und fahrlässiger KV.
Auf Mordversuch wurde, obwohl sich einer der Täter freimütig als "rassistisch" bezeichnet hatte, - unverständlicherweise(!) - nicht erkannt. Ein Tötungsvorsatz sei den Angeklagten nicht nachzuweisen! Es sei ihnen nicht zu widerlegen, dass sie keine Menschen hätten töten wollen.
Doch man braucht nicht jede "Schutzbehauptung", sprich: Lüge, eines Angeklagten für bare Münze zu nehmen. Wer in Zimmer, in denen sich Menschen aufhalten, Brandbomben wirft, der nimmt billigend in Kauf, dass die Menschen in dem Gebäude bei diesem Brandanschlag verbrennen. Dieses "billigende Inkaufnehmen" reicht den Gerichten üblicherweise zur Bejahung eines Tötungsvorsatzes. Warum dann nicht in diesem Skinhead-Neonazi-Fall?!
Auch aus erzieherischen Gründen sei es nach Meinung des Gerichts nicht zu rechtfertigen, die Jugendlichen wegen dieser Tat, die sie unter Alkoholeinfluss begangen hätten, länger als ein halbes Jahrzehnt in Haft zu nehmen. (Auch Neonazis unterfallen der für alle Straftäter gültigen "Zwei-Drittel-Regelung", der zufolge nach Verbüßung von zwei Dritteln der verhängten Strafe das verbleibende letzte Drittel zur Bewährung ausgesetzt wird.)
Wenn aber ein Urteil aus behaupteten spezialpräventiven Gründen fast vor Mitleid mit den jugendlichen Tätern trieft - das gilt insbesondere für das Urteil gegen die Rostocker Skins - und dem Gedanken der Generalprävention nicht ausreichend Rechnung getragen wird, ist es ein glattes Fehlurteil. Durch die Fehlurteile von u.a. Hoyerswerda, Hünxe und Rostock wurden falsche Zeichen für die Rechtsradikalen in Mölln und Solingen gesetzt! Humanitätsduselei mit den Tätern führt zwangsläufig zur Inhumanität gegenüber den Opfern, die sich vielleicht fast dafür entschuldigen müssen, wenn sie es wagen, auf deutschen Straßen ihre braune oder schwarze Haut zu Markte zu tragen! Das Urteil war geeignet, andere Rechtsradikale in ihrem Vorgehen zu ermutigen: Es war ja alles gar nicht so schlimm, und zur Not kann man sich ein bisschen herauslügen: Man habe niemanden verletzen, geschweige denn töten wollen! Die Richter kaufen einem ja doch alles ab.
So kam es dann am 23.11.92 zu dem Brandanschlag in Mölln: „In der Mühlenstraße brennt ein Haus. Heil Hitler!“ Das für die Aburteilung dieses feigen Anschlages zuständige Gericht wird wohl den von der StA mit Sicherheit erhobenen Mordvorwurf dieses Mal bejahen. (Sonst wäre der Aufschrei in der ausländischen, und der Wutschrei in der türkischen, und wohl auch der deutschen Presse verständlicherweise mindestens so groß wie bei der Verurteilung der in Notwehr gehandelt habenden deutschen Vergewaltigungsopfer im türkischen Teil Zyperns.) Wo ist aber der qualitative Unterschied zwischen dem Mordanschlag in Mölln auf zum Teil ausschließlich in Deutschland aufgewachsene Menschen, die durch ihre Eltern nur einen anderen Pass haben, und dem glücklicherweise nur Versuch gebliebenen Mordanschlag in Hünxe, der Mölln als Mord und Hünxe nur als schwere Körperverletzung und nicht als versuchten Mord bewerten lässt?
Wie gesagt: Ein glattes Fehlurteil!!!
Es wurde nicht berichtet, ob die StA gegen dieses unverständliche Urteil Revision eingelegt hat - das ist nur zu hoffen(!) – und was letztlich daraus geworden ist.
Fall 39
Zu den Neonazis braucht nichts Neues gesagt zu werden, weil deren Handeln dem Handeln der anderen Neonazianschläge entspricht.
Das erschreckend Neue an Rostock war für mich, der ich zwar noch z. Zt. der NS-Herrschaft geboren wurde, aber – weil damals noch zu jung – in dem Regime nicht meine Sozialisation erfahren habe, dass in Deutschland wieder sich für wohlanständig haltende und ausgebende Bürger in großer Zahl für die Skins und teilweise ihre Kinder Steine herangekarrt und so deren gemeinsam verübten Brand- und Mordanschlag auf „Fremdländische“ mit johlendem Beifall begrüßt und unterstützt hatten
Durch ein solches zustimmendes Verhalten der sich für wohlanständig haltenden Biedermänner, das mit dem Herumreichen verunglimpfender Fassungen unserer Nationalhymne mit ausländerfeindlicher Tendenz anfängt, was allein schon gemäß
"§ 90a Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole
(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3)
1. die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft oder böswillig verächtlich macht oder
2. die Farben, die Flagge, das Wappen oder die Hymne der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder verunglimpft,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
... ."
eine Straftat ist, und mit dem Beklatschen von Mordversuchen an Asylanten und anderen Ausländern aufhört, wurde der hochkochende braune Sud wieder hoffähig gemacht. Das ist psychische Beihilfe! Zur Klarstellung sei wiederholt, was unter diesem Stichwort rein wissenschaftlich neutral und ohne Bezug auf Straftaten von den Neonazis zujubelnden Bürgern schon referiert worden ist: Die Strafjuristen sehen eine psychische Beihilfe dann als gegeben an, wenn dem Täter durch die Billigung des Gehilfen die Begehung der Tat psychisch erleichtert wird; und sei es auch nur dadurch, dass der Gehilfe verständnisinnig nickt und damit vielleicht eventuell verbliebene Reste der moralischen Hemmschwelle des Täters überwinden hilft. Jede Bestärkung, den Tatplan in der vorgesehenen Weise auszuführen, wird als psychische Beihilfe gewertet. Das muss auch gelten, wenn Deutsche - sogar ohne Scheu vor mitlaufender Fernsehkamera - Mordanschläge auf Ausländer bejubeln!
Aber die Nürnberger hängen keinen, es sei denn, sie hätten ihn. Darum hätte die Polizei in Rostock mit Videoaufnahmen eine Beweissicherung vornehmen müssen. Außerdem hätte sich die Staatsanwaltschaft das Filmmaterial des in dem brennenden Haus ebenfalls eingeschlossenen ZDF-Teams ausleihen können oder es notfalls beschlagnahmen müssen, wenn sie selber keine Strafvereitelung im Amt gemäß § 258 a StGB durch Unterlassen einer Verfolgungshandlung begehen wollte, um auf dieser Beweisgrundlage die Beifall johlenden Bürger dingfest zu machen und wegen psychischer Beihilfe zu versuchtem Mord anzuklagen!
Dadurch hätte der Staat die richtigen Zeichen gesetzt, nicht aber durch ein unverständlich mildes, vor Mitleid mit den angeklagten Skins triefendes Urteil: Die ersten Rostocker Skins sind nur wegen schweren Landfriedensbruchs mit Jugendarrest bis zu drei Wochen verurteilt worden. Ein wohl besonders gewalttätiger Skin wurde darüber hinaus mit der Auflage "bestraft", einen sechswöchigen sozialen Trainingskurs zu absolvieren.
Die Strafrechtsprechung scheint für manche Strafrichter zu schwierig zu sein!!! Vielleicht müsste sie ihnen von einigen Journalisten und Abgeordneten abgenommen werden. Als Repetitorium für die Richter seien nachfolgende in Zeitungen verbreitete Äußerungen zitiert:
"Für Mord genügt es, dass der Täter den Tod des Opfers billigend in Kauf nimmt. Wer Brandsätze in Wohnungen wirft, in denen sich Kinder, Frauen und Männer aufhalten, ist ein potentieller Mörder. Das Johlen und grölende Applaudieren von Rostocker Bürgern ist nichts anderes als Beihilfe für Kriminelle." Rolf Schmidt-Holtz im Editorial des STERN vom 03.09.92
Warum wissen das zu viele Strafrichter nicht?!!!
Statt eigener Gedanken und Formulierungen wurde die vorstehende Passage bis auf drei unbedeutende Abweichungen in der Wortwahl von dem Abgeordneten J. Schmieder (F.D.P.) wörtlich aus dem STERN übernommen und im Bundestag so vorgetragen. (Das Parlament 23.10.92)
Aber vielleicht ist Schmieder ja kein Jurist und brauchte diese fachliche Nachhilfe eines engagierten Journalisten. Jedenfalls nannte er öffentlich im Bundesparlament beim Namen, was auszusprechen die zuständigen Richter sich versagt hatten. Mit dieser Schande müssen die leben.
Und dem Abgeordneten gebührt Dank für das Herausstellen einer in Vergessenheit geratenen Selbstverständlichkeit.
Unjuristisch, aber genau so wahr der Abgeordnete Konrad Weiß Bündnis 90/Die Grünen:
"Ich schäme mich, in einem Land zu leben, in dem Menschen Beifall klatschen, wenn Menschen angegriffen, verletzt, vertrieben werden. Ich schäme mich, Mitbürger von Feiglingen zu sein, die Frauen und Kinder schlagen und drangsalieren, die Jagd auf jene Menschen machen, die bei uns Zuflucht und Hilfe suchen oder anders sind.
Und die meisten Deutschen stehlen sich davon und schweigen."
Aus einem Redebeitrag des Abgeordneten Konrad Weiß Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag vor den erst nach den Morden in Mölln in Gang gekommenen Massendemonstrationen der so genannten "schweigenden Mehrheit" durch Lichterketten - ein Volksbegehren der ganz anderen Art.
(Das Parlament 23.10.92)
Nach einer unverständlich langen Dauer von 10 Jahren seit den mörderischen Gewaltexzessen sind die letzten Verfahren – sechs Jahre(!) nach Anklageerhebung – in dieser vom Gericht lange verschleppten Sache im Jahre 2002 abgeschlossen worden. Die letzten drei Verfahren endeten mit Schuldsprüchen wegen versuchten Mordes und schwerer Brandstiftung. Die drei Täter wurden – trotz erheblicher Vorstrafen - zu nur eineinhalb bzw. einem Jahr zur Bewährung ausgesetzter Jugendstrafe verurteilt.
Nur drei der Täter haben die für sie erkannte Strafhaft wirklich antreten müssen.
Fall 40
§§ 212, 13 Tötung durch Unterlassen in Garantenstellung aus gefährlichem Tun, als die Mutter das Kind ins Bett steckte, statt es ins Krankenhaus zu bringen?
UTB (+), RF (-)
STB: Vorsätzlichkeit? Hier wohl nicht gegeben.
§§ 212, 13 (-). Schon allein darum auch kein §§ 213, 13.
Grunddelikt des § 222 Fahrlässige Tötung (+) (-);
zwar zunächst und singulär betrachtet gegeben, aber durch den schwereren deliktischen Vorwurf des ebenfalls gegebenen
§ 226 Körperverletzung mit Todesfolge verdrängt (BGHSt 8/54). Das Verbrechen des § 226 "kompensiere" ein damit einhergehendes Vergehen des § 222. § 226 beinhalte § 222, sodass keine Tateinheit zwischen diesen beiden Delikten bei ihrem Zusammentreffen anzunehmen sei. Das ist in Strafrechtskommentaren so nachzulesen.
Fall 41
§§ 212, 21 Totschlag im Zustand verminderter Schuldfähigkeit (+)? oder § 330a Vollrausch (+), der ab 2,5-3 Promille angenommen worden ist.
Wird §§ 212, 21 angenommen, muss die privilegierende Strafzumessungsregel - die Tat bleibt so Verbrechen und wird nicht zum Vergehen herabgestuft - des § 213 als solche erörtert werden, greift aber nicht ein. Es mangelt an der im Tatbestand geforderten Schwere der zugefügten Beleidigung, die sich nach objektiven Kriterien bemisst. Trotzdem sollte Mann, wenn einer Frau verbunden, ab und an, und insbesondere zu besonderen Anlässen, einen Blumenstrauß spendieren. Das kann das Leben verlängern – nicht nur, weil man dann weniger Gefahr läuft getötet zu werden, sondern weil Partner einer harmonischen Zweierbeziehung statistisch signifikant länger leben.
Fall 42
§§ 212, 13 Tötung durch Unterlassen (+).
Der Sohn ist in dieser Verwandteneigenschaft, insbesondere während eines Zusammenlebens, der Garant für das Leben der Mutter.
§§ 216, 13 wohl (-). Sonst könnte ja jeder, der einen anderen erschlagen hat, behaupten, das Opfer habe nicht mehr weiterleben wollen. Die "In-dubio-pro-reo"-Regelung kann da nicht greifen. Ein X für ein V lassen sich manche Richter nur bei Neonazis vormachen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass auch nur ein Richter in einem solchen Fall wie diesem auf Tötung auf Verlangen erkennen würde.
Fall 43
Wegen in Mittäterschaft begangenen Totschlags im Zustand verminderter Schuldfähigkeit gemäß §§ 212, 25 II, 21 - der angetrunkene Zustand der beiden ist bei der Straffestsetzung strafmildernd berücksichtigt worden - ist der in dieser Hinsicht schon einmal straffällig gewordene erwachsene 25-jährige Skin zu 8 1/2 und der 19-jährige Skin nach dem JGG zu 6 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden.
Merke: Jeder Täter hat "seine" Strafe nach seiner individuellen Schuld für sich.
Obwohl den Tätern eine Tötungsabsicht nicht eindeutig nachzuweisen sei, hätten sie nach Meinung des Gerichts den Tod des Kapitäns bei ihrer Prügelorgie billigend in Kauf genommen. Na bitte, es geht doch: Die Richter in diesem Prozess gegen Skins haben richtig entschieden, indem sie das billigende Inkaufnehmen zur Bejahung eines Tötungsvorsatzes ausreichen ließen. Aber weil diese Richter im Gegensatz zu denen von Hünxe und Rostock richtig entschieden haben, kann man nicht sagen, die deutsche Justiz bejahe bei Überfällen von Skins nur dann eine von den Tätern subjektiv zwar geleugnete, aber gleichwohl - nach objektiven Kriterien beurteilt - eindeutig als billigend in Kauf genommen nachweisbare Tötungsabsicht, wenn sich die Straftat gegen Deutsche richtete, nicht aber bei Mord oder Mordversuch an Ausländern. Inzwischen hat sich die Justiz in der hier als richtig aufgezeigten Deliktsbeurteilung eingependelt; aber schlimm für das Ansehen der deutschen Strafjustiz war, dass sie in dieser aufwühlenden Frage erst längere Zeit die Urteile »auspendelte«!
Fall 44
Fraglich bei der Fallbeurteilung aufgrund der Zeitungsmeldung sind die schweren Kopfverletzungen bei der Vergewaltigung. Gutachter müssen klären, ob sie mit Tötungsabsicht, eventuell zur Verdeckung der Straftat, beigebracht worden sind. Dann wäre §§ 211, 177; 52 Mord in Tateinheit mit Vergewaltigung gegeben.
Wenn das nicht zu klären ist, dann nach dem Grundsatz "In dubio pro reo":
§ 212 Totschlag?
UTB: (+), RF (-)
STB: Vorsätzlichkeit im Hinblick auf den im Tatbestand angegebenen Todeserfolg(?) (-), da keine auf den Todeserfolg abzielende Handlung als gewolltes Tun und damit keine Tötungsabsicht nachweisbar.
§ 177 I und III (+)
UTB: Bezüglich Vergewaltigung und Todeserfolg (+), RF (-)
STB: Besonderheit des kombinierten STB
Bezüglich Vergewaltigung: VS (+); bezüglich Todeserfolg: FL (+), wenn z.B. das Kind bei der Vergewaltigung mit dem Kopf auf einem Stein aufgeschlagen war, oder § 177 I, III, 223, 226; 52 (+), wenn das Mädchen ohne Tötungsabsicht bewusst schwer geschlagen worden war.
Fall 45
§§ 212, 13 Totschlag durch Unterlassen in elterlicher Garantenstellung (+).
Fall 46
§ 222 fahrlässige Tötung?
Zum Glück kein Todesfall. § 222 (-).
§ 222 hat Vergehenscharakter. Für ein Vergehen müsste eine Versuchsstrafbarkeit extra angeordnet werden, doch das ist bei einer Fahrlässigkeitstat gar nicht möglich: Man kann nicht fahrlässig ein Delikt begehen wollen.
Durch reines Glück keine Straftat.
Nicht soviel Glück hatte die Mutter des Falles:
"Baby ertrank
SAD Bordeaux - Die Mutter besuchte Nachbarn, als ihre zehn Monate alte Tochter in der Badewanne spielte. Als sie nach einer Stunde in die Wohnung in Ambares (Frankreich) zurückkehrte, war das Kind ertrunken."
Und es geht bei einem gleich niedrigen IQ in Höhe der Zimmertemperatur auch ohne Wasser:
„SAD London – Joanne und Nicholas Mather in Sheffield setzten das Körbchen mit ihrer Tochter auf den Herd. Das Surren der Abzugshaube sollte das Baby beruhigen. Die jungen Eltern hatten vergessen, die Herdplatte auszuschalten. Der Korb fing Feuer, die kleine Marie verbrannte.“
Fall 47
Das angelsächsische Strafrecht kennt nicht so ausgefeilte Tötungsdelikte wie das deutsche.
Beurteilung des vorstehenden Zeitungsmeldungsfalles nach deutschem Recht:
Nach Lage der Dinge käme nur fahrlässige Tötung in Betracht. Wie schon im Fall des zur Selbsttötung getriezten Türkenjungen in Fall 9 herausgearbeitet worden war, ist Fahrlässigkeit z.B. definiert als zwar nicht vorhandenes, aber dem Täter in der konkreten Situation gleichwohl potentiell erlangbares Tat- und Unrechtsbewusstsein hinsichtlich des späteren in der jeweils zu prüfenden Strafnorm beschriebenen Deliktserfolges.
Fall 48
§ 222 fahrlässige Tötung (-).
Sonst wäre auch der in einem Weltmeisterschaftsländerspiel zum »Elfer« angetretene Schütze der deutschen Fußballnationalmannschaft wegen fahrlässiger Tötung eines älteren Fußballfans zu bestrafen gewesen, weil der ältere Fan wegen des von diesem Spieler verschossenen Strafstoßes einen Herzanfall erlitten hatte und daran verstorben war.
Fall 49
§ 222 fahrlässige Tötung (+).
Dem Täter hätte klar sein können, dass sein Verhalten einen sehr alten und darum oft nicht mehr gesunden Menschen so aufregen und erschrecken kann, dass der an der durch den Täter verursachten Aufregung verstirbt. Diesbezügliches Tat- und Unrechtsbewusstsein waren erlangbar.
Fall 50
§ 222 fahrlässige Tötung ist Tatfrage; wohl (-). Das Problem wurde anhand der "Diplomatenjagd" von Reinhard Mey erörtert.
Wenn Don Carlos in der konkreten Situation mit einem holzsuchenden und deswegen gebückt daherkommenden Hutzelweibchen rechnen musste, weil das dort - auch in Anbetracht der nicht mitgeteilten Tatzeit - ortsüblich ist, dann müsste FL bejaht werden. Aber dann hätte er wohl auch nicht geschossen. Tat- und Unrechtsbewusstsein, eventuell einen Blattschuss bei einer Holzsammlerin anzubringen, können wohl verneint werden. Darum § 222
(-).
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