Rechtskunde einführung in das strafrecht der bundesrepublik deutschland anhand von tötungsdelikten



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Index





actio libera in causa 219

Akteneinsichtsrecht 301

Alleintäterschaft 121

Amtsgericht 302

Anklageschrift 301, 302

Anstiftung 205, 212, 217

Auslegungs-Unterlassen 235, 243

Auslegungs-Unterlassungsdelikt 115

Beendigung 178

Begehen durch Unterlassen 114

Begehungsdelikt 121

Begnadigungsverfahren 296

Beihilfe 205, 212, 225

Beihilfe, physische 225

Berufung 318

Bestimmtheitsgebot des Grundgesetzes 197

Brett des Karneades 119

Diskontinuitätsgrundsatz 315

dolus eventualis 154

dolus subsequens 151

Durchgangsdelikt 173

Einheitstäterschaft 230

Einleitungsbehörde 298

Einstellung 300

Entschuldigungsgründe 119, 168

Erhebung der öffentlichen Klage 300

Erlebnispädagogik 107

Ermittlungsverfahren 102

Ersatzfreiheitsstrafe 66

Erziehungsmaßregeln 77

Exzess 211

Fahrlässigkeit 126, 153, 156

Fahrverbot und Führerscheinentzug 74

Fälle erlaubter Zweckverfolgung ohne Notlage 137

Fälle existenzgefährdenden Glücksspiels 135

Fälle möglicher Verletzung des Rechtsgutes 135

Fälle sicherer Verletzung des Rechtsgutes 134

Fehlurteile 47, 59, 63

Fiktion 105, 159, 164

Folter 31

Fortsetzungszusammenhang 171, 174, 175

Fußfessel 69

Garantenpflicht 235

Garantenstellung 116

Garantenunterlassen 235

Garantiefunktion 55, 103, 177, 178, 198, 235

Geldbuße 102

Geldstrafe 102

Generalprävention 39, 300

Gesamtstrafenbildung 176

Gesetzeskonkurrenz 254

Große Strafkammer 307

Grunddelikt 188

Gummiparagraphen 197

Handeln auf dienstlichen Befehl 137

Handeln im dringlichen Interesse des Berechtigten 136

Handeln im rechtfertigenden Notstand 138

Handeln zur Rechtsverfolgung im Notfall 137

Handlung 130

Handlungseinheit, natürliche 170

Handlungseinheit, rechtliche 175

Hauptstrafrecht 102

Hauptverfahren 295, 308

Hauptverhandlung 102, 302

Hexenprozesse 31

Hintermann 208

Idealkonkurrenz 254

Indizienprozesse 47

Jedermann-Unterlassen 234

Jugendgerichtsgesetz 77

Jugendstrafe 78

Justizirrtümer 46, 51

Kriegshandlungen im Rahmen des Völkerrechts 136

Kriminalität 10

Lauschangriff, großer 311

Legalitätsprinzip 300

Maßregeln der Besserung und Sicherung 75

Menschenwürde 70

Mindestverwerflichkeit 168

Mittäter 210

Mittäterschaft 211

Mittelalter 23

Nebenstrafe 74

Nebenstrafrecht 102

Nebentäter 210

Notwehr 138

Obhutsgarantie 235, 242

Offizialdelikt 253

omni-modo-facturus 219

Opportunitätsprinzip 300

Ordale 32

Ordnungsmaßnahmen 102

Pflicht zum ersten Zugriff 297

Pflichtverteidiger 302

Privatklagedelikt 253

Privilegierung 192

psychische Beihilfe 225

Qualifizierung 177, 188

Rechtfertigungsgrund 118

Rechtfertigungsgründe 133

Rechtfertigungsgründe aus individueller Zweckverfolgung 136

Rechtfertigungsgründe aus überindividueller Zweckhaftigkeit 134

Rechtsbeugung 52, 54

Rechtsfolge 103

Rechtsgutsverletzung 118, 122, 133

Rechtsmittelverfahren 296

Rechtsstaatsprinzip 70

Rechtsverständnis 197

Revision 64, 319

Richterprivileg 58

Rücktritt 180, 184

Scharia 23

Schöffen 303

Schöffengericht 302

Schöffenliste 303

Schuld 117, 118

Schuldfähigkeit 118

Schuldtatbestand 147

Schuldunfähigkeit 105

Schwurgericht 307

Sicherungsgarantie 238

soziale Adäquanz 134

Spezialität 192

Spezialprävention 39

Strafanzeige 297

Strafe 19

Strafmündigkeitsgrenze 77, 112

Strafrecht, formelles 288

Strafunmündigkeit 106

Strafvollstreckungskammer 53

Strafzumessungsregel 187

Tatbestand 103

Tatbestand, objektiver 118

Tatbewusstsein 153

Tateinheit 171

Täter 228

Täterschaft 205

Tatherrschaft 209, 228

Tatmehrheit 170, 172, 176

Teilnahme 205, 212

Teilnehmer 228

Todesstrafe 45, 52

Übertretung 184

Unrecht 117, 133

Unrechtsausschluss 118

Unrechtsbewusstsein 152, 154

Unrechtstatbestand 118

Unschuldsvermutung 47

Unterlassungsdelikte 231

Unterlassungsmittäterschaft 231

Unwertsachverhalt 122

Verbotsirrtum 139, 149

Verbrechen 178, 184

Verdunklungsgefahr 301

Verfahrenseinstellung 300

Vergehen 178, 184

Verhältnismäßigkeit 70

Vermutung, widerlegliche 105

Versuch 176, 178, 180, 184

Versuch der Beteiligung 215

Versuch eines Verbrechens 178

Versuch eines Vergehens 178

Versuch, abergläubischer 196

Versuch, beendeter 199

Versuch, fehlgeschlagener 199

Versuch, unbeendeter 200

Versuch, untauglicher 196

Versuchsstrafbarkeit 177

Vollendung 178

Vollstreckungsverfahren 296, 326

Vorbereitung 177, 178, 181

Vorsätzlichkeit 152

Vortat, mitbestrafte 173

Vorverfahren 297

Vorverfahren/Ermittlungsverfahren 291

Wahlverteidiger 302

Wahndelikt 197

Werkzeug, undoloses 208

Wiederaufnahmeverfahren 296, 326

Wortlaut-Unterlassen 234, 235, 243

Wortlaut-Unterlassungsdelikt 115

Zuchtmittel 77

Zurechnung, subjektive 118, 147

Zwischenverfahren 295, 308

Arbeit, gemeinnützige 69

Einwilligung, beachtliche 124

Fahrlässigkeit, unbewußte 157

Handeln der Staatsorgane, gebotenes 135

Parlamentsberichterstattung, wahrheitsgetreue 136

Strafrecht, materielles 103

Strafrechtsfolgen, nichtvergeltende 75

Unterlassungstäterschaft, mittelbare 231

Vermutung, unwiderlegliche 105, 159

Vermutung, widerlegliche 159






1 Wickert, U.: Der Ehrliche ist der Dumme, S. 175 f:

"Statt dessen werden im »Court-TV«, im Gerichtsfernsehen, pausenlos und unzensiert Prozesse übertragen. Dort erzählen dann Lorna und John Wayne Bobbitt jede Einzelheit ihrer Ehe und der Vorgeschichte, die Tiefpunkte und die Folgen der Nacht, in der sie ihm den Penis abschnitt. Die Faszination für den Zuschauer besteht darin, daß kein Redakteur die abstoßendsten oder peinlichsten Szenen herausschneiden kann."




2 Fernau, J.: "Und sie schämeten sich nicht", 2000, S. 111

3 Für 2004 teilte ai mit, dass noch 78 Staaten an der Todesstrafe festhielten, wobei allerdings in »nur« noch 64 Ländern – die hohe Dunkelziffer insbesondere in China außer Acht gelassen – 7.359 Menschen zum Tode verurteilt worden waren, von denen – wieder die hohe Dunkelziffer insbesondere in China außer Acht gelassen - »nur« noch 3.797 Menschen in 25 Staaten hingerichtet worden seien. Für 2005 wurde von ai ermittelt, dass 122 Staaten, darunter alle Staaten der EU und des Europarates, die Todesstrafe rechtlich oder faktisch abgeschafft hätten, davon 86 ganz; „elf Staaten haben sie nur noch für Ausnahmefälle, 25 weitere wenden sie seit mindestens zehn Jahren nicht mehr an. 2005 sind aus 19 Staaten Hinrichtungen bekannt geworden, besonders aus China. Dort wie auch in Indonesien, Libyen, Nordkorea, Palästina, Vietnam und Usbekistan wurden die Todeskandidaten von Hinrichtungskommandos erschossen. Mit dem Tod durch den Strang bestraften Bangladesch, Iran, Irak, Japan, Jordanien, Kuwait, Pakistan, Palästina, und Singapur ihre Delinquenten. Giftspritzen setzten Taiwan und die USA ein. In Saudi-Arabien starben 90 Menschen durch das Schwert“ (DIE WELT 11.01.06).

Laut ai-Flugblatt „Tod im Auftrag des Staates“ dürfen in China nach geltendem Recht Todesurteile gegen Schwangere nicht vollstreckt werden. Darum wurde 2004 eine erwischte Drogendealerin im Februar 2004 im Polizeigewahrsam unter Vollnarkose zur Abtreibung gezwungen. Nachdem der Verteidiger dem Gericht die näheren Umstände der Abtreibung dargelegt hatte, ist das Urteil in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt worden.

Nach der UN-Kinderkonvention ist die Vollstreckung der Todesstrafe an Minderjährigen verboten. Obwohl der Iran diese Konvention mitunterschrieben hat, werden dort Minderjährige gehängt, indem sie an einem Kran langsam hochgezogen werden, weil der Todeskampf dann länger dauert. Eine 16-Jährige ist 2004 wegen „unkeuschen Verhaltens“ auf diese Weise getötet worden, der gemeinsam mit ihr angeklagte Mann wurde zu 100 Peitschenhieben verurteilt und nach der Vollstreckung freigelassen.

In den USA, wo bis dahin mehr jugendliche Straftäter hingerichtet worden waren, als in allen anderen Ländern zusammen, wurde im März 2005 durch Urteil des Obersten Gerichts die Todesstrafe gegen jugendliche Straftäter abgeschafft.

ai berichtet auf diesem Flugblatt von dem Fall eines 16 Jahre alten Jugendlichen aus Louisiana, der in einem äußert fehlerhaften Prozess unschuldig zum Tode verurteilt worden war. Nach drei Jahren unschuldig verbüßter Haft wurde in dem Berufungsverfahren die gegen ihn erhobene erstinstanzliche Anklage fallen gelassen.

Bis 2007 hatten insgesamt 129 Länder die Todesstrafe per Gesetz abgeschafft oder wandten sie nicht mehr an. 68 Staaten hielten noch an der Todesstrafe fest.



4 Vielleicht wird die Notwendigkeit einer allgemeinen teleologischen Arbeitsweise - nicht nur bei der Systematik und Auslegung der Straftatbestände - ganz gut durch einen Witz kenntlich gemacht, der nahelegt, sich auch im Alltagsleben zielorientiert zu verhalten: „Reservieren Sie mir doch bitte zwei Plätze in der Maschine nach New York“, sagt der Generaldirektor zu seiner Sekretärin. „Ich möchte während des Fluges einige Akten aufarbeiten und brauche deshalb viel Platz.“ Die Sekretärin tut, wie ihr geheißen. Schließlich erscheint sie erneut und meint freudestrahlend: „Ich habe zwei Plätze für Sie reserviert. Sie haben Glück, es sind zwei Fensterplätze!“

Und ein Beispiel für die Notwendigkeit einer auf den Schutzzweck einer Strafnorm auszurichtenden teleologischen Deliktsbetrachtung, die aber nicht vorgenommen worden war: 1992 wurde in den USA ein Mann vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen, weil er auf Flehen seines Opfers ein Kondom benutzt hatte. Bei uns spielt es für die Strafbarkeit einer Vergewaltigung keine Rolle, ob ein Vergewaltiger bei seinem Vorgehen ein Kondom benutzte, oder nicht. Nicht die Gefahr, möglicherweise ein Kind zu zeugen, wird bestraft, sondern die gegen den Widerstand des Opfers erfolgende Penetrierung.



5 Benedikt Carpzov (1595-1666) gilt als Begründer der deutschen gemeinrechtlichen Strafrechtswissenschaft.

6 Der ganze zur Pervertierung auch des staatlichen Gerichtswesens geführt habende theologische Humbug des bis zur Zeit der Aufklärung in dem bis dahin gelebten magischen Weltbild allgemein verbreiteten Hexenglaubens fußt auf den Hirngespinsten des von Aristoteles' Lehren ausgehenden, an sich vernunftgeleiteten, als Kirchenlehrer noch immer hoch angesehenen, hoch verehrten, 1323 heilig gesprochenen und 1567 zum "Kirchenlehrer" erklärten Dominikaners Thomas von Aquin, der die Leibhaftigkeit und Wirklichkeit von Hexen und Hexern erklärt hat. Zentraler Punkt seiner mystischen Lehre war der Abfall des Menschen von Gott durch den Teufelsglauben, der insbesondere im Geschlechtsverkehr mit dem Teufel und seinen Unterteufeln seinen Ausdruck fand. Auf dieser Grundlage wurden kirchlicher Ungehorsam, Ketzerei, Hexerei und Unzucht mit dem/den Teufel/n gleichgesetzt. In den Hexenprozessen insbesondere des 14. Jahrhunderts wurden dann meist nicht – eine Ausnahme mag der auf dem Scheiterhaufen verbrannte böhmische Theologe Hus sein – nach Auffassung der Papstkirche geäußerte theologische »Irrlehren« abgeurteilt, sondern meistens mittels vom Teufel verliehener Kräfte verübter Schadenszauber und nach Abschluss des Teufelspaktes verübter Koitus mit dem/n Teufel/n, ein Delikt, dass mit viel Wollust erforscht wurde.

7 Als erster formuliert haben soll diesen Ausspruch allerdings der englische Philosoph Hobbes.

8 Beispiel: Im 30-jährigen Krieg war die dem Protestantismus verpflichtete große und reiche Hansestadt Magdeburg, eine Hochburg der Reformation, mit 30.000 Einwohnern und aus dem Umland in die Mauern der Stadt Geflüchteten von den Truppen der für die Sache der Katholiken kämpfenden Kaiserlichen unter Tilly ein halbes Jahr lang vergeblich belagert worden. Kurz vor ihrem Entsatz durch den heranrückenden Schwedenkönig Gustav Adolf ordnete Tilly den letztmaligen Sturm auf die Stadt an und gab sie im Erfolgsfall seinen Soldaten für drei Tage zum Plündern frei. Die Stadt wurde am 10.05.1631 von seinen Truppen genommen. Nie zuvor war eine Stadt dieser Größe erobert worden. Eine der größten und reichsten Städte des Heiligen Römischen Reiches wurde eingeäschert, nur Dom, Kloster und wenige Häuser überstanden das Inferno. Die Bevölkerung wurde größtenteils erschlagen. Landsknechte liefen mit auf ihren Helebarden lebendig aufgespießten Kleinkindern durch die Gassen, bis sie die schreienden Säuglinge und Kleinkinder ins Feuer warfen. Bis zum Ersten Weltkrieg galt das Massaker an den Magdeburgern als Inbegriff aller Kriegsgräuel. Nach der „Magdeburger Asche“ sind von den ehemals 30.000 Einwohnern nur noch 449 Menschen dort geblieben.

9 Spiel, C.: Menschen essen Menschen, Frankfurt 1974, S. 36, 89, 106

10 Siehe Besprechung Fall 7: „Die meisten Morde in Deutschland bleiben vermutlich unent­deckt, weil Ärzte die wahre Todesursache nicht erkennen. Diese Ansicht vertraten führende Rechtsmediziner bei einer dpa-Um­fra­ge. So kämen nach kriminologischen Schätzungen auf ein er­kanntes Tötungsdelikt drei bis sechs nicht erkannte.“

11 Das in diesem Bibelwort zum Ausdruck kommende, in vielen Kulturkreisen verbreitet gewesene ius talionis, der Vergeltung einer strafbaren Rechtsgüterverletzung durch Zufügung eines gleichartigen Übels an dem Täter, sollte an sich die bis dahin übliche blindwütige Rache und hasserfüllte Vergeltung ablösen, war demnach ein Fortschritt in der Entwicklung des Rechts. Wenn ein Verleumder nicht seinerseits verleumdet, sondern ihm die Zunge herausgeschnitten wurde, dann wurde diese mit der Straftat in unmittelbarem Zusammenhang stehende Strafe ebenfalls als Ausfluss des Vergeltungsstrafrechts verhängt. Und das Abhacken der Hand bei Dieben, einer Hand und eines Fußes bei Räubern nach dem islamischen Recht der Scharia ist ebenfalls praktiziertes Vergeltungsstrafrecht und nicht etwa eine spezialpräventive Maßnahme, da man ohne Hand ja nicht mehr so gut stehlen kann.

Aber aus z.B. „Leben um Leben“, das zunächst ausschließlich auf den Täter gemünzt gewesen war, entstand bald die in vielen Familienfehden ausgetragene Blutrache, die laut der Sendung in Phönix vom 05.12.04 noch im Anatolien des angefangenen 21. Jahrhunderts zur Entvölkerung ganzer Dörfer geführt hat („Vor nicht allzu langer Zeit gab es in dieser Gegend rund 350 aus Blutrachegründen Ermordete pro Jahr, fast jeden Tag einen Ermordeten!“ Inzwischen sind dort bis auf einen alten Mann, die von dem für die Sendung interviewten Mann nicht einmal für erwähnenswert erachteten Frauen und die von ihm erwähnten, wohl aber für im Sinne der Blutrache für einen getöteten Mann noch nicht für »satisfaktionsfähig« eingeschätzten kleinen Kinder alle Männer aus der Gegend geflohen.) und laut Bericht von SPIEGEL ONLINE vom 07.04.06 auch noch in der BRD von türkischen Anatoliern ausgeübt wird.



12 Man sollte in solchen Fällen - zumindest als Strafrechtler – nicht von „Selbstmord“ sprechen und damit das frühere Verdammnisurteil der Kirche nach der Selbsttötung des Judas durch Erhängen nach seinem Verrat an Jesus aufnehmen, das dazu führte, dass alle Personen, die Selbsttötung begangen hatten, auf einem Schindacker verscharrt wurden, weil bei einer „normalen“ Selbsttötung ohne Gefährdung anderer kein Mordqualifikationsmerkmal gegeben ist. Etwas anderes ist es, wenn jemand, der seinem Leben ein Ende setzen will, dazu sein Auto nimmt und als Geisterfahrer auf der Gegenfahrbahn den Tod durch einen Zusammenstoß mit anderen Verkehrsteilnehmern sucht, eine Gasleitung in einem auch von anderen Menschen bewohnten Haus manipuliert, oder ein dazu entführtes Flugzeug benutzt, um es, wie in New York am 11.09.01 gegen das World-Trade-Center und in Washington gegen das Pentagon, spektakulär zu »crashen«. Dann ist immer das Mordqualifikationsmerkmal einer gemeingefährlichen Begehungsweise gegeben. Im Falle solcher Verantwortlichkeiten liegt dann Selbstmord vor.

13 Eines der umstrittenen Urteile in Verfahren wegen der "Ehrenmord" genannten Selbstjustiz von Straftätern aus archaischem Denken verhafteten muslimischen Kulturkreis fällte das Bremer Landgericht 2001 gegen drei Kurden. Sie hatten 1999 eine 18-jährige Frau im Schlamm der Weser erstickt, ihren Freund erschlagen und überfahren. Motiv war, dass das Paar unverheiratet und gegen den Willen der Familie zusammenlebte. Das Gericht befand, dass die Angeklagten "aufgrund ihrer stark verinnerlichten heimatlichen Wertvorstellungen" keine Mörder seien.

2005 hatte ein Schwurgericht in Wuppertal bei einem wegen eines aus Eifersucht begangenen Tötugsdelikt eines Kurden seine "kulturbedingt niedrigere Hemmschwelle Frauen gegenüber" strafmildernd berücksichtigt.




14 Breuers, D.: Ritter, Mönch und Bauersleut – Eine unterhaltsame Geschichte des Mittelalters 1994, S. 302 f.

macht für die unter der Folter gestandenen Ausschmückungen der Teufelsbuhlschaften den im Mittelalter weit verbreiteten, sich als Schmarotzer auf dem Roggen eingenistet habenden Pilz des Mutterkorns verantwortlich, der heutzutage als Kernsubstanz der Droge LSD Verwendung findet.

Vielleicht hatten die angeblichen Hexen auch »bloß« die mittelalterlichen sexuellen Phantasien der dem (nicht immer eingehaltenen) Zölibat unterworfenen Mönche zu bedienen, wobei der Fragenkatalog des „Hexenhammers“ als Regieanleitung benutzt wurde.

Papst Benedikt XVI. ließ wieder in jeder Diözese einen Exorzisten (wenn nötig: neu) bestellen – was man ja nur macht, wenn man ganz fest an den schwefelstinkenden, bocksbeinigen, klumpfüßigen und Hörner tragenden »Doppel-Schwanzträger« glaubt.



15 Zitiert nach Wehner, W.: Schach dem Verbrechen, 1963, S. 48

16  Ein eines das Leben verwirkt habenden Malefizverbrechens vor dem hochnotpeinlichen Hoch-/Blutgericht Angeklagter

17  Zitiert nach Wehner, W.: Schach dem Verbrechen, 1963, S. 48

18  Fernau, J.: "Und sie schämeten sich nicht", S. 83: "Das Vermögen der Verurteilten fiel zu zwei Dritteln an den Grundherrn oder die Kirche, zu einem Drittel an den Inquisitor, Henker und Denunzianten."

19 Mit seinem 1627 erschienenen Buch „Universa Theologia Scholastica“, in dem er - vielleicht nur aus taktischen Gründen gegenüber den Vertretern der Lehrmeinung der Kirche, um sich nicht selbst zu gefährden - zwar noch die Existenz von Hexen bejahte, brach er die erste Bresche in die Reihen der Verfolgungsbefürworter der katholischen Kirche. Er mochte zwar die (immerhin als möglich ausgegebene) Existenz von Hexen nicht leugnen oder hielt eine Leugnung nicht für opportun, erklärte aber die Bestrafung von der Hexerei Verdächtigten aus Gründen der nicht eindeutigen Beweisbarkeit für unmöglich. Er forderte, dass von den in einem Hexenprozess erfolterten »Geständnissen« und Denunziationen keine Gefahr für bisher unbescholtene Unschuldige ausgehen dürfe und dass bis zum Beweis des Gegenteils von der Unschuld der/des Angeklagten auszugehen sei. Unter Anwendung von Folter ermarterte Geständnisse dürften keine Begründung für einen Urteilsspruch sein.

20 Erste »Hexe« 1275 in Toulouse, letzte »Hexe« in Deutschland (Hochstift Kempten) 1775, in Europa laut Brockhaus angeb1ich 1793 in Posen hingerichtet; der in der Bearbeitung seiner Bücher die Quellenlage sehr genau studiert habende J. Fernau berichtet in seinem Buch (S. 83): "Und sie schämeten sich nicht" ohne jeden weiteren Hinweis auf Ort und Quelle, dass das letzte von einem Malefixgericht als Hexe hingerichtete weibliche Wesen ein 14-jähriges Mädchen gewesen sei, das "im Jahre 1856 (achtzehnhundertsechsundfünfzig) enthauptet" wurde.

21 gemeint ist: mit Pein = Schmerz verbundene Gerichtsordnung

22 Aus einem „Hildesheimer Turmprotokoll“; zitiert nach Lohmeyer, W.: Der Hexenanwalt, 1979, S. 43

23 Das hat wohl einen religiösen Ursprung. Breuers schreibt in: Ritter, Mönch und Bauersleut, 1994, S. 85 f.

„Der König der Franken wurde seit 751 bei der Krönung gesalbt. Von diesem Augenblick an waren er und seine Familie tabu. Ein Angriff auf seine Person galt als Todsünde. Er war nahezu göttlich, ein Gesalbter des Herrn und folgerichtig betrachtete Karl der Große sich als König David und sein Volk als das neue Israel. … Wichtig ist festzuhalten, daß es für einen erfolgreichen König unabdingbar war, eine ungeheure Ausstrahlung zu haben, dazu Kriegsglück und Geschick, das Vertrauen seiner Männer und natürlich Erfolg. Das alles wird verkörpert in dem Wort »Heil«, das im Dritten Reich zu zweifelhaften Ehren kommen sollte.“



24 Dieser zeitgenössische Bericht wird überwiegend zitiert nach Schmidhäuser, E.: Vom Sinn der Strafe, Göttingen 1971, S. 8-10 und ergänzt nach in anderen Quellen zitierten zeitgenössischen Berichten.

25 Der Henker (Freimann, Carnifex, Schinder) war für insbesondere die frühere Gesellschaft mit ihrer Strafpraxis unentbehrlich, Henker galten aber auf jeden Fall im Mittelalter und der frühen Neuzeit als „unehrliche Leute“, vermutlich, weil sie keinen „ehrlichen“ (Lern-)Beruf ausübten und sich oft auch um Tierkadaver, tolle Hunde und menschliche Fäkalien zu kümmern hatten, wenn es keine dafür extra vorgesehenen Abdecker und Latrinenreiniger gab. Die Scharfrichter waren das „deutsche Pendant zu den Unberührbaren der Hindus“ (Evans). Nachempfinden kann man die gesellschaftliche Ächtung der Scharfrichter beim Lesen der Ballade von Karl Simrock „Der Schelm von Bergen“. Da tanzt in Frankfurt nach der Königswahl die Königin wiederholt mit einem vermummten schwarzen Ritter, der ebenfalls die Maske fallen lassen muss, als alle anderen sich erkennen zu geben haben: „Da kann er sich nicht bergen: / ‚Der Scharfrichter von Bergen!’ / Erschrocken schallt es rings umher. / „Unehrlicher, dein Atem befleckt die Königin, / den Frevel wirst du büßen, der Tod ist dein Gewinn. / Legt Hand an ihn, ihr Schergen, / den Scharfrichter von Bergen, / zum Richtplatz schleift ihn selber hin.“

Da aber die Königin durch die Tänze mit dem »Unehrlichen« selber zu einer »Unehrlichen« geworden wäre, wenn alles so geblieben wäre, weiß ihr Gemahl Rat: er adelt den Scharfrichter zum „Schelm von Bergen“.



26 STERN 25/98

27 Lebensalltag im Mittelalter, Verlag das Beste, Stuttgart 1995, S. 113 f.

Die mitgeteilten persönlichen Fakten der als Rachegöttin sich exponiert habenden Lady Joan Beaufort scheinen vom Verlag nicht zutreffend recherchiert oder zumindest nicht vollständig mitgeteilt worden zu sein: Wikipedia führt sie als Königin von Schottland, die ihren Mann kurz vor dessen Krönung geheiratet hatte und seine Ermordung in einem Thronfolgekonflikt dann bitter rächte.



28 gemeint ist: mit Pein = Schmerz verbundene Gerichtsordnung

29 Hochnotpeinliche Hoch-/Blutgerichtsbarkeit über das Leben verwirkt habende Malefizverbrechen wie z.B. Hexerei

30 Zitiert nach Wehner, W.: Schach dem Verbrechen – Geschichte der Kriminalistik , 1963, S. 17

31 Wehner, W.: Schach dem Verbrechen – Geschichte der Kriminalistik , 1963, S. 24

32 Lohmeyer, W.: Die Hexe, 1976, S. 60:

„Kaum ein anderes Buch aus dem deutschen Sprachraum, sieht man von Luthers Bibelübersetzung ab, hatte einen solchen Einfluß nicht nur auf seine Zeit, sondern noch weit darüber hinaus, bis ins übernächste Jahrhundert hinein, ausgeübt.“



33 Vgl. dazu und zu der damit verbundenen Problematik die in ihrer gedanklichen Wucht aufwühlende Novelle von
Werner Bergengruen: Die Feuerprobe

34 Die Ächtung durch Erklärung der Reichsacht durch den Kaiser kam einem Todesurteil gleich: Der Geächtete wurde aus der Rechts- und Friedensgemeinschaft ausgestoßen, durfte - bei Androhung gleicher Strafe - von niemandem aus der Rechtsgemeinschaft mehr unterstützt werden. Der seines Sippenschutzes Verlustiggegangene konnte von jedermann straf- und bußlos getötet werden und sein Leichnam wurde dann nicht bestattet, sodass (u.a.) die Vögel seinen Leichnam verzehrten, er somit „vogelfrei“ war. Sein Vermögen wurde eingezogen und dem Geschädigten übergeben. Seine Frau wurde zur Witwe, seine Kinder wurden zu Waisen erklärt. Allerdings: Wer sich aus der Acht lösen konnte, indem er sich insbesondere dem Gericht stellte und dessen Urteil unterwarf, konnte sein Vermögen zurückerhalten. So war der zu seiner Zeit mächtigste Reichsfürst, der Welfe Heinrich der Löwe, belehnt mit den Herzogtümern Sachsen und Bayern, von seinem Vetter, dem Staufer Kaiser Barbarossa, wegen ausgebliebener Unterstützung in dessen Italienfeldzug gegen die Lombarden in die Reichsacht getan worden. Er verlor seine beiden Herzotümer und musste zu seinem Schwiegervater, dem englischen König, fliehen. Als er sich dem Gericht des Kaisers und der Fürsten stellte, erhielt er seinen Hausbesitz, das Herzogtum Braunschweig-Lüneburg, zurück.

35 Das „Rädern von unten herauf“ stand auf besonders schwere Verbrechen. Der Scharfrichter versetzte dabei – wie es der englische Reisende John Taylor bei einer Hinrichtung in Hamburg 1616 erlebte – ein schweres hölzernes Wagenrad in schnelle Drehung, brach in den rotierenden Speichen nacheinander die Beine des Delinquenten, zerschlug dann den Brustkorb, zerquetschte den Hals und flocht den Leichnam am Ende auf das Rad. Wer nicht „von unten herauf“, sondern „von oben herab“ gerädert wurde, konnte von Glück sagen: Wenn der Kopf in die rotierenden Speichen geschoben wurde, führte Genickbruch zum sofortigen Tod. (SPIEGEL 09.07.01 unter Hinweis und mit Besprechung des Buches des britischen Historikers Evans, R. J.: Rituale der Vergeltung. Die Todesstrafe in der deutschen Geschichte 1532-1987 [von der Constitutio Criminalis Carolina bis zur Abschaffung der Todesstrafe in der Ex-DDR].

Das Rädern wurde zur Zeit der Aufklärung als so grausam empfunden, dass Friedrich II. von Preußen, der Alte Fritz, schon Jahre bevor er die Folter abschaffen ließ, dekretiert hatte, dass die Scharfrichter seines Landes vor dem Rädern die Delinquenten heimlich, von den Schaulustigen unbemerkt, erdrosseln und dann den nur noch Leichnam rädern sollten.



36 Wehner, W.: Schach dem Verbrechen, 1963, S. 70

37 s. Fußnote 13

38 Zweig, Stefan: Legenden Fischer Bibliothek oder

ders., Die Augen des ewigen Bruders Insel Bücherei Nr. 349

Weil selbst Rechtsreferendare, die teilweise später als Richter in die Lage versetzt sein könnten zu strafen, von der Eindringlich­keit der literarischen Verarbeitung dieses Menschheitsproblems be­eindruckt waren, wird empfohlen, den die Richtertätigkeit betref­fenden Ausschnitt der Legende den Zuhörern in zwei Abschnitten vorzulesen: 10 Minuten erster Textteil für die Problemstellung, dann freie Diskussion; zum Abschluss der (Doppel-)Stunde über den Sinn des Strafens die von Stefan Zweig ausgearbeitete Lösung (17 Minuten) mit Zeit für eine anschließende Diskussionsmöglichkeit.


39 Diese abgekürzte Schreibweise ist in diesem und den nachfolgenden Fällen zu lesen als § 243 „Absatz 4 Satz 1“ StPO.

40 Das BVerfG hatte in seinen beiden Fristenregelungsurteilen 1975 und 1993 Abtreibungen für strafwürdiges Unrecht erklärt, sie gleichwohl für indizierte Fälle straffrei gelassen. Schon der befruchteten Eizelle, selbst der noch gar nicht eingenisteten, wurde »Mensch-«qualität zuerkannt, gleichwohl dürfe in einer Konfliktlage nach einer Güterabwägung der Embryo-»Mensch« straffrei getötet werden.

41 Zitiert nach Fernau, J.: Und sie schämeten sich nicht, 2000, S. 145 f

42 Zitiert nach Ostendorf, Heribert: Vom Sinn und Zweck des Strafens In: Informationen zur politischen Bildung Nr. 248

„Kriminalität und Strafrecht“ 3. Quartal 1995 S. 15



43 Puntsch, E.: Witze, Fabeln, Anekdoten; Landsberg 8. Aufl. 1988; S. 386

44 Das „Lex Baju­variorum“ ist eines der frühen germanischen Stammesrechte – mangels eines irgendwie definierten „deutschen“ Reiches konnte es noch kein deutsches Recht geben -, aber nicht das erste. Die erste schriftliche Rechtssammlung eines germanischen Reiches ist der von Theoderichs Sohn Eurich im Westgoten-Reich 475/76 in Auftrag gegebene „Codex Euricianus“, dessen angestrebtes Ziel es war, die verschiedenen Bevölkerungsgruppen seines Reiches unter einem vom großenteils schriftlich fixierten römischen Recht und vom bis dahin mündlich tradierten germanischen Recht beeinflussten Recht zu einen.

Das älteste „deutsche“ Rechtsbuch ist der 1224 verfasste Sachsenspiegel.



45 10 Jahre zuvor hattte die Zahl der Todesstrafenbefürworter noch 80 % betragen!

46 „Die Kritiker der Todesstrafe verweisen immer wieder darauf, daß bei Todesurteilen oft weniger die Beweise als Rasse und Herkunft eine Rolle spielen. Seit 1976 waren 58 Prozent der Hingerichteten weiß, während 34 Prozent schwarze Hautfarbe hatten. In den USA sind jedoch 75 Prozent der Bevölkerung weiß (Latinos nicht eingeschlossen) und nur 12 Prozent schwarz. Anwalt Barry Scheck, Gründer des ’Innocent Projects’ (’Unschuldigen-Projekt’), das sich für fragwürdige Verurteilte einsetzt, erklärt: ’Die Rasse und der soziale Status der Opfer hat eine Menge damit zu tun, wer exekutiert wird. Es gibt nämlich einen sehr großen Ermessensspielraum.’“ (HH A 29.11.05)


47 In dem Bundesstaat Montana können schon 12-jährige Kinder zum Tode verurteilt werden! (Nicht viel besser: In Florida ist ein zur Tatzeit 12-jähriges Kind als 14-Jähriger zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden, der beim Nachahmen von Profi-Rin­gern den Tod eines 6-jährigen Mädchens verschuldet hatte, was die Verteidigung nur als unglückseligen Unfall gewertet wissen wollte.)

48 In dem STERN-Artikel : „Pause in der Fabrik des Todes“ vom 15.06.2000 findet sich der Satz: „Selbst der Weltmeister im Hinrichten, China, hat sie [die Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe] vor kurzem abgeschafft.“

Das kann aber nicht richtig sein, weil im Zuge der 2001 getroffenen Entscheidung für Peking als Austragungsort der übernächsten olympischen Spiele von den Gegnern der befürchteten aber absehbaren Entscheidung immer wieder – zumindest verdeckt oder indirekt Chinas Hinrichtungspraxis ins Spiel gebracht wurde und weitere Hinrichtungen bekannt geworden sind.




49 So wird in Puntsch: „Witze, Fabeln, Anekdoten“ eine Verteidigungsrede eines mittelalterlichen Galgenvogels, der auch vom Strick gefallen sei und sich mit diesem Bibelwort verteidigt habe und auf Grund dieser Argumentation von seinen Richtern frei gelassen worden sei, nach der Luther-Übersetzung zitiert. Die Bibelstelle passt daher so gut in diesen Kontext.

50 Prozesse, in denen Verdachtsmomente gegen eine bestimmte Person vorhanden sind, aber keine direkten Beweismittel wie z.B. Zeugen zur Verfügung stehen, der Angeklagte bestreitet, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben und nun aufgrund von schlüssig als logische Gedankenkette aneinandergereihten Verdachtsmomenten versucht wird, in freier Beweiswürdigung eine Verurteilung des mutmaßlichen Täters zu erreichen, weil letztlich „jeder vernünftige Zweifel an der Täterschaft schweigt“.

Beispielsfall aus Neuburg an der Donau: Eine bäuerliche Familie beseitigte den Haustyrann und Hofbesitzer und verfütterte dessen Körper vollständig an die Meute der sieben Hofhunde.



51 Dieser alte Rechtsgrundsatz geht auf Aristoteles zurück und prägte das römische Recht. Die prägnante, sprichwörtlich gewordene Formulierung fand aber erst der Mailänder Rechtsgelehrte Egidio Bossi (1487-1546) und verwandte sie in seinen Traktaten.

In China galt noch 2006 der Rechtsgrundsatz „In dubio contra reo!“, im Zweifel also gegen den Angeklagten. Darum war es eine Sensation, als 2006 ein Chinese im staatlich kontrollierten Fernsehen auftreten und berichten durfte, dass er 1994 für den Mord an seiner Frau zum Tode verurteilt worden war: für einen Mord, der nie passiert war, für den es folglich auch keine Leiche gab! Einzig feststellbar war nur, dass seine Frau verschwunden war. Die Polizisten hatten ein von ihnen aufgesetztes »Ge­ständnis« durch Folter erpresst, waren dabei aber so ungeschickt vorgegangen, dass die Berufungsinstanz dem angeblichen »Mord«-Ge­ständnis keinen Glauben schenken mochte. Gleichwohl wurde der Angeklagte nach dem Grundsatz: „In dubio contra reo!“ zu der milderen Strafe von 15 Jahren Haft verurteilt, von denen er elf abgesessen hatte, als seine damals einfach verschwundene Frau etwas verwirrt und längst schon wiederverheiratet 2005 wieder aufgetaucht war. Vermutlich durfte der Fall deswegen in einer Talkshow gezeigt werden, weil das kommunistische China damit ein Propagandavorhaben zur Annäherung an westliche Justizstandards eröffnen wollte.



52 Bei einer DNA-Analyse wird der „genetische Fingerabdruck“ eines Menschen erstellt. Für eine DNA-Analyse eignen sich alle zellenartigen Proben von Blut und Sekreten. Die in der DNA-Analyse erstellten Identifizierungsmuster werden durch ein standardisiertes Messverfahren von Abschnitten der im Zellkern einer jeden Körperzelle enthaltenen Desoxyribonukleinsäure (wissenschaftliche Abkürzung: DNA; im angelsächsischen Bereich: DSA) gewonnen.

Die DNA-Analyse gilt als individueller, höchstpersönlicher „Fingerabdruck des 21. Jahrhunderts“: Was für die Kriminologen im 20. Jahrhundert die durch Einfärben der Fingerkuppenoberfläche vorgenommene Daktyloskopie war, ist im 21. Jahrhundert der durch DNA-Analyse angefertigte, von seinem Entdecker Alec Jeffreys so benannte „genetische Fingerabdruck“, der auch außerhalb der Kriminologie eingesetzt werden kann und bei Verwandtschaftsuntersuchungen als verlässlichstes Identifizierungsindikator eingesetzt wird – wenn die Probenentnahme vom Gericht angeordnet worden ist. Der in der Polizeiarbeit auf richterliche Anordnung gemäß DNA-Feststellungsgesetz und § 81 g StPO bei Straftaten von erheblicher Bedeutung wie Mord, Totschlag, Sexualstraftaten, gefährlicher Körperverletzung, Raub, Erpressung und schwerem Diebstahl von einem Täter abgenommene oder durch Abklebung als Spurenmaterial am Tatort oder am Opfer gewonnene genetische Fingerabdruck wird in einer 1988 beim Bundeskriminalamt (BKA) eingerichteten DNA-Analysedatei gespeichert.

Konservative und Polizeipraktiker stört dabei der Richtervorbehalt, der auch für die Untersuchung anonymer Tatortspuren gilt. Ihr Argument: aus einer anlässlich einer Alkoholkontrolle entnommenen Blutprobe oder aus einer Urinprobe bei einem Drogendelikt ließen sich rein technisch die gleichen Rückschlüsse ziehen, und dennoch komme niemand auf die Idee, auf derartige Tests künftig zu verzichten. Das müsse auch für den „genetischen Fingerabdruck“ gelten, der ja u.a. aus am Tatort gefundenen Blutspuren hergestellt wird, damit man sich „nicht künstlich blind“ mache. Genetische Fingerabdrücke sind "… nichts anderes als ein normaler Fingerabdruck, den man am Tatort findet", sagt Peter M. Schneider, Professor für forensische Molekularbiologie am Institut für Rechtsmedizin der Universität Köln.

Die Gendatei des BKA umfasst zum einfachen Identitätsabgleich ohne jede weitergehende Genanalyse rund 10 % der bei ihm wegen begangener Kapitalverbrechen erfassten Täterinnen und Täter. Ende 2004 wies die Gendatenbank einen Bestand von 321.504 Täter- und 67.208 ungeklärten Tatortspuren auf. (Letztere könnten, so die Missbrauchsbefürchtung von Experten, von raffinierten Tätern ohne Wissen einer ahnungslosen Person auch bewusst gelegt werden, um einen unbescholtenen Menschen polizeilichen Ermittlungen auszusetzen.) Pro Monat kommen in etwa 5.000 neue Spuren hinzu. Durch einen Vergleich von Tatortspuren mit den Spuren von Tätern, potentiellen Tätern oder durch Reihenuntersuchungen versucht man, eine Tatortspur einem bestimmten Täter zuzuordnen, muss sich dabei aber immer bewusst sein, dass DNA-Spuren am Tatort zunächst einmal bestenfalls nur die frühere Anwesenheit eines Menschen am Tatort nachweisen können, was mit der Täterschaft aber auch nicht im Zusammenhang stehen muss, denn Haare an einem Tatort können auch daher kommen, dass sich ein Täter vorher in einem Friseurladen mit fremden Haaren reichlich eingedeckt hat! Eindeutiger ist es schon, wenn an dem Opfer Täterspuren gefunden werden. Fast jede vierte Anfrage an die Gendatenbank führt zu einem Ermittlungserfolg. Durch diese kriminologischen Vergleichsuntersuchungen konnten in den ersten sechs Jahren des Bestehens der Gendatenbank 18.565 Straftaten von erheblicher Bedeutung aufgeklärt werden: 340 Tötungsdelikte, 820 Sexualstraftaten und 21.000 schwere Diebstähle.

Eine DNA-Analyse zu erstellen ist deswegen möglich, weil jeder Mensch durch die (mütterliche) Eizelle und die im Wettlauf nach ihr erfolgreichste (väterliche) Samenzelle seine nur ihm eigene DNA (Desoxiribo Nucleic Acid) von der Vereinigung beider an als Doppelhelix in seinem Erbgut hat, die aus in zwei Sätzen angeordneten 46 Chromosomen mit knapp 30 000 Genen und zusammen gut drei Milliarden Buchstabe besteht. Nach diesem höchstpersönlichen DNA-Bauplan ist dann jede Zelle des sich aus der befruchteten Eizelle entwickelnden Individuums aufgebaut. Die DNA eines Menschen besteht also aus der grundsätzlich einzigartigen, nur für ihn geltenden Kombination der Basisbausteine A(denin), C(ytosin), G(uanin) und T(hymin).

Eine der zwei Ausnahmen von dieser individuellen Einmaligkeit stellen natürlich eineiige Mehrlinge als Klone der Natur dar, weil sie durch die Teilung einer speziellen und ganz speziell befruchteten Eizelle entstehen. Eineiige Zwillinge verfügen also beide über dasselbe Erbgut, damit über dieselbe DNA, denselben Zellaufbau, sind deswegen untereinander ideale Organspender und so kann bei ihnen eine DNA-Analyse, wenn durch keine weiteren Kriterien der Sachverhalt aufgeklärt werden kann, nicht zur Täteridentifizierung beitragen. Es ist zwar keine strafbare Handlung, ein Kind zu zeugen, wenn der Geschlechtsverkehr einverständlich geschieht, aber vielleicht kommt in einem Kriminalfall einmal eine analoge Situation zum Tragen, wie in der Meldung: "Eineiige Zwillinge – Keiner will der Vater sein. NEW YORK – Keiner will's gewesen sein: Richard und Raymon Miller, eineiige Zwillinge aus dem US-Staat Missouri, streiten darüber, wer von ihnen der Vater eines kleinen Mädchens ist, für das die Mutter Alimente fordert. Fest steht: Beide hatten mit derselben Frau Sex am selben Tag. Der DNA-Test ergab: Beide sind mit 99,9 prozentiger Wahrscnlichkeit Vater des Mädchens. Mutter Holla Adams: 'Ich bin sicher, Raymon hat das Kind gezeugt.' Der kjlagt dagegen – 'notfalls bis zum Obersten Gerichtshof'". dpa (HH A 29.05.07) Und wenn nun einer der beiden die Frau getötet hätte? Man hätte nur eine DNA-Spur gefunden!

Dann passierte es im September/Oktober 2005, dass in Amerika anhand einer DNA-Analyse der Täter eines Sexualdeliktes gesucht wurde. Man fand ihn auch – aber er hatte ein unangreifbares Alibi für den Tatzeitpunkt: Er saß seit einiger Zeit ohne Freigang in einem Gefängnis ein! Da er keinen eineiigen Zwillingsbruder hatte, musste es eine andere Erklärung dafür geben, dass etwas festgestellt worden war, was es an sich nicht geben durfte. Und man fand die Erklärung: Der einsitzende Straftäter hatte einmal eine Knochenmarkspende gegeben! Die Überprüfung des Empfängers der Spende entlarvte dann den als Täter. Das zeigt, dass in wenigen, jedoch immer erklärbaren Ausnahmefällen eine DNA-Probe nicht zwangsläufig zu dem richtigen Ergebnis führen muss!

Neben den Erbinformationen enthält die DNA aber auch verbindende Abschnitte ohne(!) Erbinformationen, die so genannte Mikrosatelliten-DNA.

Das Erbgut eines bestimmten Menschen in allen Einzelheiten ganz genau zu untersuchen und genau zu protokollieren würde – wenn man dazu irgendwann in der Lage sein wird - Jahre dauern. Aber das ist für die Erstellung des „genetischen Fingerabdrucks“ gar nicht nötig. Bei der Erstellung eines DNA-Identifi­zie­rungs­musters für eine Abstammungsuntersuchung werden – wie bei einer kriminologischen Untersuchung - nur solche Merkmale verarbeitet, die für die Identifizierung einer Person erforderlich, aber auch ausreichend sind, die Mikrosatelliten-DNA. Untersucht werden bei sowohl einer kriminologischen Untersuchung wie auch bei Abstammungsuntersuchungen nicht die Erbanlagen, die in der ganz individuellen DNA-Anordnung gespeichert sind, sondern die Abstände zwischen den Genen, die von Mensch zu  Mensch verschieden sind. Dieser Mikrosatelliten-DNA-Bestandteil besteht aber auch, wie die Genstruktur, aus einer ganz individuellen Anordnung der vier Bausteine A, C, G und T, ist bei jedem Menschen anders aufgebaut, besonders gut zu untersuchen und so sicher zuzuordnen, wie ein Fingerabdruck, sodass man zur Unterstreichung der Bedeutung der Methode vom schon erwähnten „Fingerabdruck des 21. Jahrhunderts“ spricht.

Es sei noch einmal ausdrücklich betont: Solche DNA-Identifi­zie­rungs­muster ermöglichen aber nicht die Erstellung eines genetischen Personenprofils, von dem auf spezielle genetische Veranlagungen geschlossen werden könnte. Dafür wären weitergehende Untersuchungen erforderlich, die in anderem Zusammenhang auch verlangt und gemacht werden. Erinnert sei an den Fall der eingangs erwähnten Ablehnung einer Studentin an einer us-amerikanischen Elite-Universität und an die Fälle der Bewerber um Lehrstellen und eine Verbeamtung in Deutschland.

Bei einer DNA-Analyse wird an acht verschiedenen Genorten auf der DNA analysiert, wie oft sich eine bestimmte Reihenfolge der „Buchstaben“ A, C, G und T wiederholt. Dazu werden unter Zugabe eines Enzyms die DNA-Stränge kopiert und die markanten Stellen sichtbar gemacht. Am Ende der Prozedur erscheint eine Art Strichcode auf dem Bildschirm. Die Abfolge und Positionen der Streifen - "Peaks" genannt - sind der Schlüssel: Stimmen sie bis ins letzte Detail mit denen der Vergleichsspur vom Tatort überein? Da jeder Mensch von jedem DNA-Abschnitt durch Mutter und Vater zwei Versionen (Allele) hat, werden an beiden die Wiederholungen gezählt. Wenn es dann heißt TH01 3/5, bedeutet das: Am Genort TH01 wiederholt sich auf einem der Allele eine bestimmte Buchstabenfolge dreimal, auf dem anderen fünfmal. Bei kriminologischen Untersuchungen werden achtmal spezielle Gensequenzen untersucht, um die Zufälligkeit auszuschließen, dass zwei oder mehr Menschen an einem Genort die gleiche Buchstabenkombination aufweisen. Wenn die festgestellte Buchstabenkombination an allen acht Genorten gleich ist, beträgt die Wahrscheinlichkeit der Übereinstimmung der Zellkern-DNA zweier Menschen 1: 20 Billionen. Für eine DNA-Analyse eignen sich alle zellenartigen Proben von Blut (z.B. an der Leiche oder am Tatort), Sekreten (z.B. an den Resten während des Wartens auf das Opfer gerauchten Zigaretten, Niesspuren in einem Taschentuch, bei Vergewaltigungen Spermaspuren in der und um die Scheide), Haare und Schuppen, an denen sich außer ihrer Struktur auch das Geschlecht des Spurengebers feststellen lässt. Jede Minute verliert der Körper 25.000 abgestorbene Zellen. Selbst für einen gerissenen Täter ist es praktisch unmöglich, am Tatort keine DNA-Spuren zu hinterlassen. Darum werden Tatorte zur Sicherung möglicher Spuren abgeklebt. Weil jeder Mensch praktisch jede Minute unvermeidbar DNA-Spuren hinterlässt, ist die Identifizierung eines Täters durch Analyse dieser Spuren inzwischen wichtiger als die Daktyloskopie (Fingerspurenaufnahme und –analyse), gegen die sich ein Täter durch den Gebrauch von Handschuhen schützen kann; aber gegen das Hinterlassen seiner DNA-Spuren kann er sich nicht wirksam schützen.

Da man das schon vor Jahrzehnten, als es die Verfahren zur Erstellung von DNA-Analysen noch gar nicht gab, gemacht und die Klebebänder als Asservate aufgehoben hat, ist es durch die Auswertung dieses Spurenmaterials nunmehr möglich, lange zurückliegende Straftaten aufzuklären und z.B. Mörder noch nach Jahrzehnten, wenn sie sich schon lange unentdeckbar wähnen, der von ihnen begangenen Straftat zu überführen; und das wird inzwischen Tatortspur für Tatortspur gemacht. Spurenmaterial wird nicht vernichtet – und Mord verjährt (im Gegensatz zu der früheren Regelung der Verfolgungsverjährung von 20 Jahren nach einer Gesetzesänderung zur Ermöglichung der Verfolgung von Nazimördern) inzwischen nie.

Hat man eine Genspur, bereitet man die durch eine künstliche Zellteilung in einer Nährlösung (Polymerasekettenreaktion/ PCR) millionenfach für die beabsichtigte DNA-Analyse auf. Bei langen Wiederholungen an einem Genort entstehen so lange Kopien, bei kurzen Wiederholungen kurze. Die Abschnitte werden mit grünen, gelben, roten und blauen Farbstoffen behandelt, markieren den jeweiligen Basisbaustein und werden durch elektrische Spannung dazu gebracht, sich der Länge nach anzuordnen. Das wird durch einen Laser aufgezeichnet. Die entstehende Folie mit farbigen Punkten und Streifen wird mit einem Computerprogramm untersucht, festgestellt und festgehalten: Das ist dann der „genetische Fingerabdruck“ eines Menschen.

2004 waren 383 984 Datensätze von Serientätern und Schwerverbrechern genau definierter Straftaten beim BKA gespeichert - davon 317 971 täterbezogene Daten und 66 013 für anonyme Spuren. Fast jede vierte Spur, die nach der Spurensicherung am Tatort erstellt und schließlich zum Abgleich in den Computer eingegeben wurde, führt inzwischen zum jeweiligen Täter.



Nach einer Gesetzesnovelle im April 2004 wurde die Zulässigkeit der Geschlechterbestimmung bei der DNA-Analyse sowie die Zulässigkeit der Analyse bei Leichenfunden zum bestehenden Gesetz ergänzt. Gleichwohl ist die DNA-Analyse nur aus Anlass einer Straftat von "erheblicher Bedeutung" vorgesehen und nur dann, wenn prognostiziert werden kann, dass gegen den Betroffenen künftig Strafverfahren von erheblicher Bedeutung geführt werden und ein Richter seine Zustimmung gibt: etwa bei Vergehen gegen die sexuelle Selbstbestimmung, bei gefährlicher Körperverletzung, Diebstahl in besonders schwerem Fall oder Erpressung.

Bei einer kriminologischen DNA-Analyse, die bei Vaterschaftstests auf die gleiche Weise vorgenommen wird, untersucht man europaweit an sieben, in Deutschland zur größeren Sicherheit an mindestens acht, in den USA an elf verschiedenen Genorten auf der DNA, wie oft sich eine bestimmte Reihenfolge der Basisbausteine A, C, G und T wiederholt; je größer die Anzahl der untersuchten Genorte, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer zufälligen Übereinstimmung der Muster, desto höher ist folglich die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte DNA-Spur der DNA eines bestimmten Täters zugeordnet werden kann. Dazu werden die aus den eingesandten Proben isolierten VNTR-Abschnitte (variable number of tandem reperats) der DNA-Stränge unter Zugabe eines als zerkleinernde Schere wirkenden Restriktionsenzyms in einer Nährlösung durch das so genannte PCR-Verfahren (Polymerase Chain Reaction = Polymerasekettenreaktion) mit Hilfe von PCR-Primern als Kopierenzyme, die sich an die DNA-Sequenz anlagern, unter Hitze zur Zellteilung angeregt und so für die nachfolgenden Untersuchungen millionenfach kopiert. Die Abschnitte werden durch Gelelektrophorese aufgetrennt und sichtbar gemacht. Die zu untersuchenden Teilabschnitte werden mit den vier Farbstoffen grün, gelb, rot und blau eingefärbt, so sichtbar gemacht und durch ein in einer Gelmasse erzeugtes elektromagnetisches Feld der Größe nach angeordnet. Das Ergebnis wird durch einen in ein Sequenziergerät eingebauten Laser aufgezeichnet. Die entstehende Folge von farbigen Punkten und Streifen wird mit einem Computerprogramm untersucht, festgestellt, durch Augenscheinseinnahme überprüft und das kontrollierte und eventuell korrigierte Ergebnis wird dann auf Bögen festgehalten. Da jeder Mensch von jedem DNA-Abschnitt durch Mutter und Vater auf seiner Doppelhelix zwei Versionen (Allele) hat, werden an beiden die Wiederholungen gezählt. Ein Ergebnis „TH01 3/5“ bedeutet dann: Am Genort TH01 wiederholt sich auf einem der Allele eine bestimmte Buchstabenfolge dreimal, auf dem anderen fünfmal. Bei kriminologischen Untersuchungen werden achtmal die Satelliten-Gensequenzen untersucht, um die Zufälligkeit auszuschließen, dass zwei oder mehr Menschen an einem Genort die gleiche Buchstabenkombination aufweisen. Am Ende der Untersuchung entsteht, je nach Darstellungsart, eine Art Strichcode oder ein Kurvendiagramm. Die Abfolge und Positionen der eingefärbten Streifen - "Peaks" genannt – oder die Kurven sind der erstellte „genetische Fingerabdruck“ eines Menschen, denn die Länge der Short Tandem Repeats (STR) ist individuell verschieden und eignet sich daher zur Identifikation von Blut- oder Gewebeproben. Mehr als die individuelle Abfolge der Basisbausteine an den Genorten der Satelliten-DNA kann aus den Gen-Vergleichstests zur Erstellung eines Identifizierungsmusters bisher nicht als Erkenntnis gewonnen werden, auch wenn Forschungsprojekte in Großbritannien oder den Niederlanden darauf gerichtet sind, Genabschnitte zu finden, die möglicherweise sogar äußere Merkmale beschreiben, damit zukünftig eine Art genetisches Fahndungsbild erstellen werden könnte.


53 Zu Gunsten eines Angeklagten dürfen aber Analogien gebildet werden. Die bedeutendste ist wohl die "Rechtsfolgenlösung" des BGH in u.a. den "Haustyrann-Tötungsfällen", in denen es als unbillig angesehen wird, wenn ein sich irgendwann wehrendes, teilweise schon längere Zeit gequältes Opfer den Haustyrannen heimtückisch per Gift oder im Schlaf tötet, weil es sonst keine reale Chance sieht, sich den Angriffen des ihm körperlich überlegenen Haustyrannen zu erwehren. In solchen gravierenden Ausnahmefällen einer "qualifizierten Defensivnotlage" wird wegen der "außergewöhnlichen Umstände" zwar nicht auf das Tatbestandsmerkmal "Heimtücke" verzichtet, aber als Rechtsfolge wird nicht auf die für Mord obligatorische lebenslange Freiheitsstrafe erkannt, sondern es wird analog zu § 49 I Nr. 1 eine Strafreduzierung vorgenommen – und so gewissermaßen durch die »Hintertür« der Tatbestand eines »Mordes in einem minderschweren Fall« geschaffen.

54 Der „große Führer“ Kim Il Sung wurde nach seinem Tod 1994 nicht nur 1997 mit der Einführung eines nordkoreanischen Kalenders, der mit seinem Geburtsjahr 1912 als dem Jahr 0 beging, geehrt, sondern er wurde unter der Regentschaft seines Sohnes, des „geliebten Führers“ Kim Jong Il auch zum „ewigen Präsidenten“ erklärt, für den sein Sohn die Regentschaft nur stellvertretend wahrnehme.

55 Vielleicht wird diese Zahl angesichts der 10.250 Suizide und 16.329 (12.233 Männer und 4.096 Frauen) durch Alkoholabusus im Jahr 2005 Verstorbenen in der Bevölkerung mehr als "Kollateralschaden" achselzuckend zur Kenntnis genommen.

56 STERN 24.11.05 unter Verweis auf die wissenschaftliche Beratung von Prof. Birgit Recki

57 Angier, N.: Frau - Eine intime Geographie des weiblichen Körpers, S. 77


58 Einfühlen in die Situation einer/s unschuldig Inhaftierten kann man sich bei der Lektüre des Buches

Turan, Sara Gül: Freiwild – Meine Zeit in einem deutschen Gefängnis 1992



59 Motto: „Glaubst du, dass es Justizirrtümer gibt?“ – „Natürlich gibt es die: ich bin schon zweimal freigesprochen worden.“

60 Als §§ ohne Bezeichnung sind fernerhin die des StGB zu verstehen.

61 Die Kosten für das geschlossene Hamburger Heim für Jugendliche Feuerbergstraße beliefen sich zum Schluss, als ein Untersuchungsausschuss eingesetzt wurde, auf 900 € pro Jugendlichen und Tag!

62 Sein gebetsmühlenartig wiederholter Wahlspruch: „Glücklich ist, wer sich Türke nenn darf!“

63 Sack, F. / Lindenberg, M.: „Abweichung und Kriminalität“ in: Lehrbuch der Soziologie 2001, S. 193 f (Hrsg.: Joas, Hans)

64 Das für die innere Sicherheit entscheidende Ministerium von einem partiell Unzurechnungsfähigen geführt? Die normale Ab­ge­ordnetentätigkeit war von der SPD-Opposition hingenommen worden. Es wurden keine rigorosen Forderungen auf Mandatsverzicht gestellt. Aber bei der Ernennung zum Minister schäumte sie. Doch Ministertätigkeit ist ja vielleicht auch eine Maßnahme der Resozialisierung - auf gehobenem Niveau.

65 Bemühungen innerhalb der CDU gehen seit Jahren dahin, wie in angelsächsischen Ländern (in Großbritannien Strafunmündigkeit bis zu einem Alter von 10 Jahren, in einigen Staaten der USA angeblich nur bis 7, in anderen bis 8 Jahre; dort gilt ab 13 Jahren - einem Alter, in dem bei uns noch ein Jahr lang unwiderleglich die Strafunmündigkeitsvermutung zu Gunsten eines Kindes angenommen wird - sogar schon das Erwachsenenstrafrecht) die Grenze der Strafmündigkeit unter 14 Jahre auf 12 Jahre zu drücken. So sollen dissozialisierte Kinder - die ihre bisher ihnen vom Gesetzgeber her zugestandene Strafunmündigkeit bewusst zur u.U. fortlaufenden, für sie bisher relativ folgenlosen weiteren Begehung von Straftaten ausnutzen - früher und damit eventuell erfolgreicher »gepackt« werden können, denn manche Kinder haben bis zu ihrem 14. Geburtstag mindestens ein halbes Hundert teilweise sogar schwerste Straftaten wie Raub unter Waffeneinsatz begangen. Den bisherigen Rekord scheint Presseberichten zufolge ein deutscher Jugendlicher mit 231 Straftaten vor Erreichen seiner Strafmündigkeitsgrenze innezuhaben.

66 "In den USA unterliegt das Jugendstrafrecht der Gesetzgebung der Bundesstaaten. In Georgia gelten Kinder bis zum 17. Lebensjahr als minderjährig, können aber nach allgemeinem Strafrecht verurteilt werden und müssen ihre Strafe in Erwachsenengefängnissen absitzen, wenn sie wegen einer der „Sieben Todsünden“ verurteilt wurden - so heißen im amerikanischen Süden Kapitalverbrechen: Mord, schwere Körperverletzung, Vergewaltigung, Sodomie, Kindesmisshandlung, sexuelle Nötigung und bewaffneter Raub." (WELT ONLINE 02.05.08)

67 Wickert, U.: Der Ehrliche ist der Dumme – Über den Verlust der Werte, S. 16 f

68 Rýzl, M.: Das große Handbuch der Parapsychologie, Kreuzlingen 1997, S. 62 f

69 Nicht nur in den USA, sondern - vielleicht als Nachahmungstat - auch in Deutschland, haben z.B. einige Frauen dem schlafenden Feind im eigenen Bett bewusst und mitleidslos in kalter Wut etwas abgeschnitten, was er noch dringend brauchte, und »es« dann entsorgt: In den USA bei der anschließenden Autofahrt aus dem Fenster geworfen, in Deutschland die Toilette runtergespült. „Da werden Weiber zu Hyänen und treiben mit Entsetzen Scherz!“ Aber mit Hilfe der Polizei, die sich in diesen Fällen wirklich als Freund und Helfer der ganz speziell amputierten Männer erwies, waren die entsorgten Glieder wieder aufgefunden, ihren Eigentümern zurückgegeben und von kunstfertigen Ärzten in stundenlangen Operationen wieder angenäht worden!

Bei einer so lieblosen Behandlung kann Mann nach Auskunft eines Arztes durchaus verbluten: Wurde das aber auch bezweckt? Wohl eher nein, und damit kein Versuch gebliebenes Tötungsdelikt. (Trotzdem sollten Frauen ihren Männern auf nicht so rabiate sondern liebevollere Art deutlich machen, dass sie sich mehr Mühe zu geben hätten, den vielleicht etwas spezielleren Ansprüchen ihrer Partnerinnen zu genügen!)



70 Die Juristen unterscheiden in ähnlicher Steigerung wie im politischen Leben von Feind über Intimfeind zu Parteifreund Teile ihres Handwerkszeuges in „widerlegliche Vermu­tung", z.B. der Unschuld eines Angeklagten, „unwiderlegliche Vermutung“, z.B. der Strafunmündigkeit des Kindes, und „Fiktion“, mit der etwas behauptet wird, von dem der Gesetzgeber ganz genau weiß, dass es nicht stimmt, er es aber trotzdem annimmt, weil er auf Grund dieser Annahme ein ganz bestimmtes juristisches Ergebnis erzielen will.

71 Eventuell werden aber außerhalb des strafrechtlichen Bereiches von dem zivilrechtlich zuständigen Familienrichter erziehe­ri­sche Maßnahmen angeordnet, die in manchen Bundesländern bis zur Einweisung in ein "geschlossenes" Erzie­hungs­heim reichen können, in dem dann eine Sozialisierung versucht werden kann und aus dem der Jugendliche unter Um­stän­den erst als Volljähriger mit 18 Jahren entlassen wird. Auch zivilrechtliche Schadensersatz­ansprüche können unter bestimmten Voraussetzungen trotz fehlender strafrechtlicher Verantwortlich­keit geltend gemacht, aber kaum jemals eingetrieben werden: „Wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren.“ Und wer „null Bock auf Ausbildung“ hat, der wird später kaum in nennenswertem Umfang über pfändbares Vermögen verfügen.


72 Nach dem Wahlsieg der bürgerlichen Koalition 2001 wurde für die Wiedereröffnung geschlossener Heime gesorgt. Zeit war’s! Die von der Schill-Partei propagierte Herabsetzung der Strafbarkeitsgrenze auf 12 Jahre aber wurde (zunächst) nicht erreicht, denn das ist Bundesrecht.

73 Die Opfer-Organisation "Weißer Ring" machte Anfang 2008 darauf aufmerksam, "dass türkische Jugendliche dreimal so oft straffällig würden wie deutsche, bei Eingebürgerten sei das Verhältnis gut zwei zu eins" (SPIEGEL ONLINE 11.01.08 unter Berufung auf den Kriminologen und ehemaligen niedersächsischen Justizminister Hans-Dieter Schwind).

74 Das bundeseinheitlich geregelte Strafvollzugsgesetz solle in die Länderkompetenz über gehen, damit die Länderjustizminister über die die Regierung tragende/n Partei/en einen größeren Einfluss auf die Ausgestaltung der Haftbedingungen haben, sodass nach Kuschs Vorstellungen u.a. der Hafturlaub grundsätzlich gestrichen werden könne, der offene Vollzug mit Freigang und Arbeitsstellen außerhalb der Haftanstalt nur noch als Ausnahme gewährt werde.

75 SPIEGEL ONLINE 28.10.07

76 In Khomeinis Gottesstaat Islamische Republik Iran wurde die Strafmündigkeit an die (wohl unwiderleglich vermutete) unterschiedlich früh angesetzte Geschlechtsreife gebunden, sodass sehr früh als schon heiratsfähig angesehene Mädchen ab 9 und Jungen ab 15 als strafmündig eingestuft werden – vielleicht, weil die Männer kleine Mädchen heiraten und in der Ehe „vergewaltigen“ wollen, was sie selbst natürlich nicht so sehen. Khomeini hatte als 27jähriger selbst eine 13jährige geheiratet.

77 Man wollte, nachdem Hunderttausende deutscher Soldaten an Wundbrandinfektionen gestorben waren und deswegen die Moral der in der Sowjetunion kämpfenden Heeresgruppen allmählich beeinträchtigt wurde, den drastisch offenbar gewordenen kriegschirurgischen Versorgungsnotstand schnellstmöglich beheben. In einem großen Forschungsprogramm wurden die schwierigen Schritte vom Tierversuch zur klinischen Erprobung am Menschen gleich übersprungen. In Versuchsserien wurden männliche und weibliche KZ-Häftlinge künstlich bis zur allgemeinen Sepsis infiziert und dann „vergleichend“ mit Naturheilmitteln und Sulfonamiden „behandelt“. „Da die Kriegschirurgie aber schon bei mittelschweren Wundinfektionen folgenreiche Verstümmelungen mit sich brachte (hohe Amputationen an den Gliedmaßen, Nervenschäden, Gelenkversteifungen usw.) schloss [der Beratende Chirurg der Waffen-SS und Begleitarzt des Führers nach dem Infektionstod von Heydrich; d. Verf.] Gebhardt in Ravensbrück einen dritten Versuchskomplex an, um zusätzlich herauszufinden, wie man nach dem »Endsieg« die Hunderttausende zu Krüppeln operierten Soldaten wieder für das Berufsleben fit machen könnte. So wurden Menschen erst künstlich verwundet, dann mit Sulfonamiden traktiert und teilweise unter kriegschirurgischen Bedingungen operiert und abschließend Transplantationsexperimenten ausgesetzt. Gingen sie aus diesen Versuchsserien nicht »einwandfrei« hervor, nämlich entweder geheilt oder tot, so wartete auf die unglücklich Siechen zuletzt die tödliche Evipan- oder Benzolspritze.“

Aus: Opfer und Täterinnen Frauenbiographien des Nationalsozialismus Schriften der Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts, Band 2 Hrsg.: Ebbinghaus, Angelika Nördlingen, 1987, S. 252



78 Siehe dazu Scharnweber, H.-U-: Darf § 216 StGB nur Tätern mit ausschließlich »hehren« Motiven zuerkannt werden?

in Kriminalistik 8-9/06 S. 549-557




79 Der Fall vom 24.09.87 wurde am 08.02.08 in der Fernsehsendung "Galileo Mytery" erneut aufgegriffen. Die Gutachter befanden, Mord im Schlaf sei bei einer Tiefschlafstörung möglich, worauf Kenneth Parker im August 1992 freigesprochen wurde. Die vielen "undifferenzierten" Schläge des Schlafwandlers mit der Eisenstange auf das zunächst im Bett liegende Opfer wurden als Beweis angesehen, die Tötung der Schwiegermutter mit einem Küchenmesser akzeptiert.

Von einem 13-jährigen Phillip K. aus Berlin, der von dem zunächst der Tat verdächtigten und verhafteten Großvater nach einer – wie der Großvater schließlich angibt: zum Schutz des Enkels erfolgten(?) - anderen Sachverhaltsdarstellung in der polizeilichen Vernehmung letztlich beschuldigt worden war, die wegen ehelicher Spannungen getrennt von ihm in einem anderen Raum geschlafen habende Großmutter in vom Großvater so vorgetragener Schlafwandlerei mit einem einzigen Axthieb gezielt getötet zu haben, war das nach der Tötung von dem zuständigen Gericht - ohne schlafmedizinisches Gutachten – abgelehnt worden: der versuchte Ausweg des Großvaters über eine somnambule Störung des Enkels, dessen blutverschmierten Schlafanzug er zum Schutz des Enkels dann angeblich im Kamin verbrannt habe, wurde verwehrt, weil mit nur einem einzigen Schlag getötet worden war.

Als "Beweis" für die Möglichkeit der Tötung im schlafwandlerischen Zustand wurde in "Galileo Mytery" gezeigt, wie ein junger Mann hynotisch in einen Tiefschlaf versetzt wurde. In diesem Zustand erhielt er den Auftrag, in einen Nebenraum zu gehen, aus den dort befindlichen Werkzeugen einen Hammer auszusuchen, zurückzukehren und in dem Raum, in dem er in den hypnotischen Schlaf versenkt worden war, einen in einem dicken Balkent steckenden Nagel mit nur einer Hand ganz in dieses Brett einzuschlagen, wie es auf Jahrmärkten öfters als Aufgabe gestellt wird; was er schaffte. Das sollte der Beweis dafür sein, dass ein Mensch somnambul ganz differenziert handeln könne, ja Tätigkeiten verrichten könne, die mancher im Wachzustand nicht schaffe.

Frag-würdig im Wortsinne ist, woher für die somnabulen Täter ohne Versenkung in Trance der Auftrag gekommen sein soll!



80 Schon Anfang des 13. Jahrhunderts war im Sachsenspiegel geregelt, dass Kinder und Geisteskranke wegen ihrer Taten nicht belangt werden könnten. Der Vormund musste statt dessen ein Wergeld zahlen, wenn in seiner „mundt“ (Personensorge) Stehende jemanden verletzten oder töteten.


81 Diese nicht ganz sachlogisch erzählte Geschichte – schließlich trinkt der Hodscha ja den Wein aus dem von ihm geformten Brot becher und isst ihn nicht – wird von Puntsch in seinem Buch „Witze, Fabeln, Anekdoten“ wiedergegeben.

82 Frankfurt 1974, S. 107

83 Schönke/Schröder: Strafgesetzbuch Kommentar 1978 § 19 Rn. 3

84 Schmidhäuser AT, S. 448 f

85 Die Hexenjäger sahen laut "Hexenhammer" in jeder Frau "einen Feind der Freundschaft, eine unausweichliche Strafe, ein notwendiges Übel, eine natürliche Versuchung, eine begehrenswerte Katastrophe, eine häusliche Gefahr, einen erfreulichen Schaden, ein Übel der Natur". Dieses unheilvolle, üble Buch wendete mit sophistischer Spitzfindigkeit jede denkbare Entlastung des Gemarterten in ihr Gegenteil um: War die Angeklagte z.B. trotz der Folter nicht zu einem »Geständnis« im Sinne der Anklage zu bewegen, so machte sie sich der "Sünde des Schweigens" schuldig. Weil die Hexenjäger es für völlig unmöglich hielten, dass eine Frau von sich aus die Kraft aufbringen könnte, den Folterqualen zu widerstehen, ohne zu gestehen, was ihnen mittels der Anklage vorgeworfen wurde, so etwas dem Dominikaner Krämer nur mit Hilfe Satans vorstellbar war, interpretierte er die Weigerung einer gemarterten Frau, sich im Sinne der Anklage für schuldig zu bekennen, als Beweis dafür, dass die zu widerstandsfähige Delinquentin folglich mit dämonischen Kräften im Bunde stand! Wer unter der Folter nicht gestanden hatte, wurde – was an sich verboten war – ein zweites oder drittes Mal gefoltert. Wie die geistlichen Inquisitoren und Theologen als »Väter der Auslegung« ein solches gesetzliches Verbot umgingen? Für einen übelwollenden Juristen oder Theologen war das doch keine grundsätzliche, keine unüberwindbare Schwierigkeit: Die an sich verbotenen weiteren Folterungen erklärten die Hexenjäger einfach zu Fortsetzungen der ersten, mit der sie in einem Fortsetzungszusammenhang eine Einheit bilden würden.


86 Falsch verstanden wäre die Bibel, würden irdische Richter eine Tat wie die des Kain unter § 213 abhandeln, denn § 213 privilegiert einen Fall des Totschlags als minder schwer u.a. dann, wenn „der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm ... zugefügte ... schwere Beleidigung von dem Getöteten zum Zorne gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden“ war. Abel aber hatte nichts anderes getan, als das vorgeschriebene Opfer darzubringen und es Gottes unerfindlichem Ratschluss anheim gestellt, es gnädig anzunehmen. Abel hatte seinen Bruder überhaupt nicht zum Zorn gereizt. Kain war aber nicht fromm. Das erkannte der HERR und sagte ihm auf den Kopf zu: „Bist du aber nicht fromm, so lauert die Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber herrsche über sie.“ Gott weiß als Allwissender also genau oder ahnt zumindest sehr konkret, was geschehen wird - und greift trotzdem nicht ein, ein klarer Fall des § 138 I Nr. 6 Nichtanzeige geplanter Straftaten: „Wer von dem Vorhaben oder der Ausführung ... 6. eines Mordes oder Totschlags ... zu einer Zeit, zu der die Ausführung oder der Erfolg noch abgewendet werden kann, glaubhaft erfährt und es unterlässt, ... dem Bedrohten rechtzeitig Anzeige zu machen, wird ... bestraft“, denn die unrechte Tat des Kain ist mindestens als Totschlag zu werten, wenn man nicht eines der Mordqualifikationsmerkmale „aus niedrigem Beweggrund“ oder „Heimtücke“ als gegeben annehmen will.

Ein polnischer Philosoph warf einmal die gewaltige Frage auf: „Und wer bestraft Gott?“ Die Frage so zu stellen verkennt oder leugnet aber, dass nach dem Religionsverständnis der jüdischen, christlichen und muslimischen Buchreligionen nicht ER der irdischen Gerichtsbarkeit unterworfen ist, sondern die Menschen SEINER Gerichtsbarkeit unterfallen.



87 Es gibt noch wesentlich mehr §§, die sich mit Täterhandlungen befas­sen, die zunächst nicht auf die Tötung eines Menschen hin angelegt waren, in deren Verlauf dann aber doch ein Mensch zu Tode gekommen ist. Es sind sog. "kombinierte" oder "erfolgsqualifizierte" Delikte, wie z.B. §§ 177 III Todesfolge bei einer Vergewaltigung, 178 III Todesfolge bei einer sexuellen Nötigung, 221 III Todesfolge bei einer Aussetzung, 222 fahrlässige Tötung, in einem eigenständigen Paragraphen geregelte Körperverletzung mit Todesfolge gemäß 226, 227 Todesfolge bei einer Schlägerei, 229 II Todesfolge einer Vergiftung, 239 II Todesfolge bei einer Freiheitsberaubung, 239 a II Todesfolge bei einem erpresserischen Menschenraub, in einem eigenständigen Paragraphen geregelter Raub mit Todesfolge gemäß 251, 307 Todesfolge bei einer besonders schweren Brandstiftung, 311 III Todesfolge beim Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, 311 a III Todesfolge beim Mißbrauch ionisierender Strahlen, 311 e III Gefahr für Leib oder Leben durch das wissentlich fehlerhafte Herstellen einer kerntechnischen Anlage, 312 Todesfolge durch das Herbeiführen einer lebensgefährdenden Überschwemmung, 314 Todesfolge durch das fahrlässige Herbeiführen einer Überschwemmung, 315 Gefährdung von Leib oder Leben durch gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schienen- und Luftverkehr, 315a Gefährdung von Leib oder Leben durch Gefährdung des Bahn-, Schienen- und Luftverkehrs wegen körperlicher Mängel, 315b Gefährdung von Leib oder Leben durch gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr, 315c Gefährdung von Leib oder Leben durch Gefährdung des Straßenverkehrs, 316c leichtfertige Verursachung des Todes eines Menschen durch einen Angriff auf den Luftverkehr, 318 II Verursachung des Todes eines Menschen durch Beschädigung wichtiger Anlagen, 319 Verursachung des Todes eines Menschen durch gemeingefährliche Vergiftung, 320 Verursachung des Todes eines Menschen durch fahrlässige Gemeingefährdung, 323 I Gefährdung von Leib oder Leben durch Baugefährdung, 330 Gefährdung von Leib oder Leben durch schwere Umweltgefährdung und 330a schwere Gefährdung von Leib oder Leben durch Freisetzen von Giften.

88 Ranke-Heinemann, Uta: Eunuchen für das Himmelreich Katholische Kirche und Sexualität, Hamburg 1988, S. 154

89 Bei der opulenten Tafel drängt sich die Vermutung auf, dass das Festessen eher für die Richter angerichtet worden ist, denn die Brandtin wird kaum einen Bissen davon ihren nur noch fünf Stunden lang unbeschädigten Hals heruntergewürgt haben können. Aber wer von einer Henkersmahlzeit am meisten profitierte, teilen die Redakteure des STERN in ihrer Milleniumsbeilage 1700 – 1799, der diese detaillierte Fallbeschreibung entnommen ist, leider nicht mit.

90 Das Arbeiten mit offenen Rechtsbegriffen ist aber nicht typisch für eine Diktatur - die mit solchen Begriffen allerdings exzessiv hantiert und sie teilweise als Fallbeil benutzt. In einem Rechtsstaat darf niemand auf Grund von Formulierungen mit letztlich undefinierten und dadurch nicht hinreichend bestimmten "offenen Rechtsbegriffen" belastenden staatlichen Maßnahmen ausgeliefert oder gar verurteilt werden, wie z.B. Verstoß gegen die "deutsche Ehre", gegen das "gesunde Volksempfinden" und die "Liebe zum Führer" in der Nazi-Gesetzgebung, "sozialistische Errungenschaften" in Art. 1 StGB-DDR, Verstoß gegen die "Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens" in § 215 StGB-DDR, Rowdytum und "Beeinträchtigung staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit" in § 214 StGB-DDR usw., worunter man alles und jedes (miss-)verstehen konnte, wenn man es so wollte. (Und in politisch auch nur angehauchten Prozessen wollte man es immer!)

Auch in unserem Strafrecht wird mit offenen Rechtsbegriffen gearbeitet, muss mit ihnen gearbeitet werden; Beispiele: „Gewalt“ in § 240 StGB Nötigung und „von einiger Erheblichkeit“.

Jede Rechtsordnung muss mit solchen Begriffen arbeiten, um die vielfältigen sozialen Phänomene gedanklich und sprachlich so in den Griff zu bekommen, dass sie juristisch handhabbar werden. "Gummiparagraphen" erfüllen jedoch nicht das Bestimmtheitsgebot des Grundgesetzes. Sie müssen im Bedarfsfall an den Grundrechten orientiert verfassungskonform ausgelegt werden, aber eben nach "bürgerlichem" und nicht nach nationalsozialistischem oder »volksdemokratisch«-kommunistischem Rechts­ver­­ständnis; verfassungs- und nicht parteiideologiekonform wie zu Zeiten der braunen Faschisten in der Weimarer Republik oder der roten Faschisten zu Zeiten der SED-Herrschaft.

In neuerer Zeit drehte sich eine diesbezügliche Diskussion um offene Rechtsbegriffe wie z.B. den des „Hasspredigers“. Ab wann ist jemand ein solcher, zu staatlichen Abwehrmaßnahmen bis hin zur Ausweisung berechtigender „Hass-/Dschihad­prediger“?



91 Der Mordvorwurf „aus Heimtücke“ gilt auch für die 27,5 % der jugendlichen und heranwachsenden Brandstifter und ihre noch älteren Feuerwehrkameraden, die aktive Mitglieder meist Freiwilliger Feuerwehren sind und die eine teilweise erhebliche Pyromanenkarriere vorzuweisen haben, wenn sie Häuser anzünden, um endlich nicht immer nur zu üben, sondern sich im Löscheinsatz hervortun zu können, wie 2003 ein hauptamtlicher 32-jähriger Jülicher Feuerwehrmann, durch dessen im siebten Wiederholungsfall gelegten Brand eines Hauses sechs Menschen an Rauchvergiftung starben.

Weil das doch allzu häufig passiert, kann dem Wort: „Die Brandstifter kommen nicht von der Feuerwehr, die gehen zur Feuerwehr!“, eine gewisse Berechtigung leider nicht abgesprochen werden!



92 Der Nationale Ethikrat hält die bisher verwandten und inzwischen sehr gebräuchlich gewordenen Begriffsbildungen „aktive“, „indirekte“ und „passive Sterbehilfe“ für missverständlich bis irreführend. Er ist der Meinung, die Entscheidungen und Handlungen am Lebensende, die sich mittelbar oder unmittelbar auf den Prozess des Sterbens und den Eintritt des Todes auswirken, können angemessen beschrieben und unterschieden werden, wenn man sich terminologisch an folgenden Begriffen orientiere: Sterbebegleitung, Therapie am Lebensende, Sterbenlassen, Beihilfe zur Selbsttötung, Tötung auf Verlangen.

93 Bis zum Erlass des Suicide Acts 1961 war in Großbritannien Selbsttötung strafbar. Nicht nur wer Selbsttötung versucht hatte, wurde bestraft, sondern auch, wer erfolgreich darin gewesen war: auch wenn ihn ganz persönlich das nicht mehr treffen konnte, so wurden seine Hinterbliebenen in Sippenhaft stellvertretend für ihn durch Erbentzug bestraft.

Thorwald, J.: Das Jahrhundert der Detektive – Weg und Abenteuer der Kriminalistik, Zürich 1964, S. 214:

"Ursprünglich war der Coroner einmal ein Beauftragter der englischen Krone gewesen. Seine Pflicht war es, Straftaten aller Art nachzuspüren und dafür Sorge zu tragen, daß das Vermögen von Verurteilten oder Selbstmördern für die Krone sichergestellt und eingezogen wurde."




94 Puppe: Strafrecht Allgemeiner Teil im Spiegel der Rechtsprechung, Bd. 2, 2005, § 41 Rn. 12 f hält die Rechtsfigur des "omni modo facturus" in der Form, wie sie von der h.M. gebraucht wird, für "sowohl psychologisch falsch als auch normativ unhaltbar". Die Begründung lautet: Psychologisch falsch sei deshalb, weil selbst ein Täter, der eine Tat ganz dringlich wolle, gleichwohl keinen Anlass habe, sich sozusagen innerlich selbstverpflichtend ohne Möglichkeit der Umkehr auf die Tatbegehung unabbringbar festzulegen – mag auch die konkrete Durchführung der Tat noch unbestimmt sein. Eine solche innere Festlegung, wie sie mit der Rechtsfigur des "omni modo facturus" verbunden ist, finde innerlich nicht statt. (Das mag grundsätzlich so sein, es gibt aber auch Täter, die so abgrundtief hassen, dass sie sich doch festlegen. Beispiele hierfür könnte der Fall Bachmann sein, die den mutmaßlichen Mörder ihrer Tochter im Gerichtssaal während der Verhandlung mittels einer eingeschmuggelten Pistole niederschoss, nachdem sie vorher auf einem Schießplatz den ihr bis dahin nicht vertrauten Umgang mit einer Pistole geübt hatte. Ein ähnlich entschlossener "omni modo facturus" wird vermutlich der russische Vater gewesen sein, der sich über ein Jahr nach dem durch einen Schweizer Fluglotsen schuldhaft verursachten Flugzeugzusammenstoß, bei dem seine Tochter ums Leben gekommen war, von Russland aus aufmachte, dem Fluglotsen in der Schweiz aufgelauert und ihn dann niedergestochen hat.) Auch sei nicht gesagt, dass selbst ein Täter, der sich vorher innerlich auf die Tatbegehung festgelegt hat, im Augenblick der Chance zur Deliktsverwirklichung dann auch handelt: vielleicht bringt er es im »Moment der Wahrheit« dann doch nichts übers Herz, sein Tötungsvorhaben durchzuführen, z.B. wenn der Täter in Begleitung seines Kindes ist und das Kind die geplante Rachehandlung miterleben müsste, der bis dahin zu allem entschlossene Täter dem Kind aber aus Mitleid das Miterleben der Tötung seines Elternteils erspart. Das werde an den Fällen des Rücktritts schon zur Tat entschlossener Täter deutlich.

Normativ sei die Rechtsfigur deshalb unhaltbar, weil ein Täter vom Recht als autonom handelnde Person behandelt wird, und als autonom handelnde Person könne ein zunächst zum Handeln entschlossener Täter den geplanten aber konkret noch nicht in Angriff genommenen Handlungsentschluss wieder verwerfen!



95 Diese Art der Delikte scheint garnicht so selten zu sein:

„97jährige von Heim-Mitarbeiter sexuell mißbraucht

Köln

Eine 97jährige Bewohnerin eines Seniorenheims in Köln ist von einem leitenden Mitarbeiter des Heims sexuell mißbraucht worden. Der 43jährige sei durch eine DNA-Probe überführt worden, berichtete die Kölner Polizei am Montag. Auf die Spur des Verbrechens war die Polizei gekommen, als bei einer routinemäßigen Untersuchung im Urin der alten Dame Spermien gefunden wurden. Der Gesundheitszustand der Seniorin ließ eine Befragung nicht zu. Eine Altenpflegerin gab dann den Hinweis auf den Stationsleiter, in dessen Obhut sich die Seniorin befand. Eine Speichelprobe des Tatverdächtigen zeigte, daß die DNA des 43jährigen mit dem genetischen Fingerabdruck der Spermien übereinstimmte, wie die Polizei mitteilte. AP“



DIE WELT 19.04.05


96 SPIEGEL 39/1985 S. 103 ff

97 A wollte ihr neugebore­nes nichteheliches Kind kurz nach der Geburt töten. Da sie nach der Entbindung zu schwach dazu war, bat sie ihre Schwester T, die Tat auszuführen. T, die am Tod des Kindes kein eigenes Interesse hatte, ertränkte das Kind in der Badewanne. T wurde nur als Gehil­fin bestraft.

Vgl. zu dieser Problematik: Hillenkamp, 24 Probleme aus dem Straf­recht AT, 3. Auflage, S. 83, 16. Problem



98 Schmidhäuser AT, S. 700


99 Eberhard, K./Eberhard, I./Malter, C.: Das Kindeswohl auf dem Altar des Elternrechts

in: Sozial extra, 2-3/01, S. 33



100 Pilz, R.: Ein Beitrag zur Garantenstellung; in: Sozial extra, 2-3/01, S. 38

101 Vgl. dazu Scharnweber, H.-U.: "Warum Daschner sich strafbar gemacht hat" in

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