Diese bislang gewonnenen Erkenntnisse lassen den Schluß zu, daß für die Fortführung unseres geistigen Lebens auf dieser Erde die Funktionstüchtigkeit unseres Zentralnervensystems erforderlich ist, oder noch einschränkender gesagt, es muß die Möglichkeit zur Informationsaufnahme, Informationsspeicherung, Informationsverarbeitung und Informationsabgabe bestehen. Die Unversehrtheit des ganzen materiellen Körpers ist zum Fortleben in diesem Sinne nicht unbedingt notwendig. Einen Menschen, dem Arme und Beine amputiert wurden, werden wir immer noch als lebend ansehen. Selbst wenn wir nur den Kopf eines Lebewesens ohne den eigenen Körper funktionsfähig erhalten, so daß es noch denken und sprechen kann und sein Gedächtnis behält, und wir es an seiner spezifischen Ausdrucksweise und an seinen Kenntnissen erkennen können, werden wir sagen müssen, daß das Lebewesen lebt.
Das sind heute nicht nur reine Denkmöglichkeiten, sondern es bestehen bereits Möglichkeiten zur Durchführung. Die Mediziner Kolff und Kralios sagen (34, S. 47): "Der Gedanke mag uns gefallen oder nicht, aber wir besitzen jetzt die Möglichkeit, einen abgetrennten Kopf durch eine Batterie von Pumpoxygeneratoren, Ernährungsröhren, Luftschläuchen usw. am Leben zu erhalten. Ob freilich das Leben eines Kopfes ohne Körper ein erstrebenswertes Ziel ist, dazu möchte ich mich nicht äußern."
Auch Versuche zur praktischen Durchführung wurden bereits unternommen. Der Neurochirug Prof. Robert Josef White am Metropolitan General Hospital in Cleveland (USA) präpariert Affengehirne aus dem Schädel heraus und erhält sie am Leben. Das erkennt man daran, daß das Elektroenzephalogramm des Gehirns normal bleibt. Weiter verpflanzt White Affenköpfe von einem Körper auf einen anderen. Die Operationsdauer beträgt etwa 10 Stunden. Am 7. 12. 1977 wurde vom Ersten Deutschen Fernsehen um 22.50 Uhr eine solche Verpflanzung in einer Sendung unter dem Titel "Grenzen der Forschung" ausgestrahlt.
Die Überlebensdauer der transplantierten Köpfe beträgt bislang zwar nur maximal sieben Tage. Aber White hofft, diese Zeit in Zukunft bedeutend verlängern zu können. White sieht seine Affenexperimente als Vorstufe für Operationen am Menschen an, um z. B. aus zwei halben Menschen (einer mit unversehrtem Kopf, der andere mit unversehrtem Leib) einen ganzen zu machen. White behauptet, das sei bereits heute möglich. Man müsse allerdings eine hohe Sterblichkeitsquote in Kauf nehmen. Aber es gehe dabei um die Frage, ob man lieber leben oder lieber tot sein wolle.
Man kann hier erkennen, welche Konsequenzen in Gedanken und in Taten gezogen werden, wenn man davon ausgeht, daß unser menschliches Leben mit dem Tode seinen endgültigen Abschluß findet. Und dabei ist White nicht etwa ein Atheist, sondern wird als gläubiger Katholik geschildert.
Es ist übrigens beachtenswert, daß es auch in der Natur Lebewesen (Wirbeltiere, sogar Menschen) gibt, die nur aus dem Kopf bestehen und über keinen eigenen Leib verfügen, sondern sich einen solchen mit einem anderen Kopf teilen müssen. Beim Menschen gelangen solche Individuen in sehr seltenen Fällen sogar bis in das Erwachsenenalter.
Bei der Definition des Lebens und Fortlebens müssen wir sogar noch einen Schritt weitergehen: Wenn es durchführbar wäre oder wenn wir feststellen, daß es möglich ist, die gespeicherten Informationen eines Menschen aus seinem Gedächtnis in ein anderes Gedächtnis, d. h. einen anderen Informationsspeicher zu übertragen, und wenn dieser neue Informationsspeicher mit der Fähigkeit der Informationsaufnahme, Informationsverarbeitung und der Informationsabgabe versehen ist, und wenn bei der Informationsübertragung die spezifischen Eigenschaften und das Ichbewußtsein, d. h. die Persönlichkeitsstruktur, erhalten bleiben, müssen wir von einem Fortleben sprechen, auch wenn der alte Körper und das bisherige Gehirn materiell vernichtet sind. Von einem Tod, d. h. von einem Auslöschen der geistigen, der persönlichen Existenz können wir erst dann sprechen, wenn die wesentlichen, im Lauf des Lebens gespeicherten Informationen, die Erinnerung unwiderruflich gelöscht, d. h. aus der Welt geschafft sind. Sind die Informationen noch vorhanden, und ist nur die Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung unterbunden, so wird man von einem Schlafzustand des Individuums sprechen.
Hier treten übrigens bereits die ersten Schwierigkeiten bei der Frage auf, wie man denn die Fortexistenz oder das Fortleben eines Menschen sowohl auf dieser Erde als auch nach seinem Tode feststellen kann, insbesondere dann, wenn man ihn längere Zeit nicht gesehen hat. Als Erkennungszeichen kann man ja nur seine Persönlichkeitsstruktur, seine Fähigkeiten und sein Wissen, d. h. seine Speicherinhalte, verwenden. Alles wandelt sich aber ständig, wenn der Mensch lebt, da er ja immer wieder neue Informationen aufnimmt, d. h. neue Erfahrungen sammelt, die seine Persönlichkeitsstruktur wandeln. Das mag vielleicht in Tagen und Wochen kaum in Erscheinung treten, kann innerhalb von Jahrzehnten jedoch sehr stark sein, so stark, daß es einem Menschen, der nach 30 Jahren aus einer Gefangenschaft heimkommt, schwerfällt, seine Identität nachzuweisen. Es gibt in dieser Beziehung tragische Beispiele.
Wenn es nun schon auf dieser Erde schwer sein kann, die menschliche Fortexistenz nachzuweisen, um wieviel schwerer ist es erst, nach dem Ereignis des biologischen Todes ein Fortleben der menschlichen Persönlichkeit nachzuweisen. Man ist da weitgehend auf Indizien angewiesen, auf die man auch im täglichen Leben und in der Rechtsprechung ständig zurückgreift. Auch im Alltag ist es unmöglich, das Fortleben eines Menschen ständig zu überwachen. Kaum einer wird aber an der Fortexistenz eines Verwandten oder Freundes ernsthaft zweifeln, nur weil er ihn drei Jahre nicht mehr gesehen hat, beim Wiedersehen aber "einwandfrei" wiedererkennt. Dieses Wiedererkennen ist aber bestimmt kein zwingender und unumstößlicher Beweis. Es gibt ja schließlich zum Verwechseln ähnlich aussehende Doppelgänger, Ausweise können gefälscht sein usw. Wenn man aber in jedem Fall absolut sichergehen und unumstößliche Beweise verlangen wollte, müßte man erkennen, daß solches nicht möglich ist und bei Beharren auf diesem Standpunkt ein menschliches Zusammenleben nicht möglich wäre.
Wir werden daher bei dem Suchen nach "Beweisen" für das Fortleben nach dem irdischen Tode auch nicht strengere Maßstäbe anlegen dürfen, als wir es im täglichen Leben tun. Wir müssen uns also mit Indizien zufriedengeben und nach einer möglichst großen Anzahl dieser Indizien suchen, die sich gegenseitig stützen sollten. Daraus läßt sich dann ein "Beweis" konstruieren, den man in der Rechtsprechung "Indizienbeweis" und in der Physik "Erfahrungsbeweis" nennt.
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