Strom für Paderborn


„Strom bietet immer mehr“ Von der voll- zur allelektrischen Versorgung (1952 - 1968)



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3.1.2 „Strom bietet immer mehr“
Von der voll- zur allelektrischen Versorgung (1952 - 1968)


Die Durchsetzung des vollelektrischen Haushalts war der PESAG bereits Ende der 1950er Jahre gelungen, doch damit wollte sie es keineswegs bewenden lassen: Zu sehr lockte das Gebiet der Raumheizung, wiewohl bereits von den anderen Energieträgern besetzt, als vielversprechendes Absatzgebiet angesichts der Tatsache, daß mehr als vier Fünftel des gesamten Energiebedarfs eines Haushalts auf die Heizung entfallen. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg war mit der Erfindung der elektrischen Wärmepumpenheizung eine neue Anwendungstechnik ins Blickfeld gerückt. Diese bezieht die zum Heizen benötigte Wärme aus der Umgebung, das heißt, aus dem Erdreich, der Außenluft oder dem Wasser. In Zürich wurden seit 1937 mit gutem Erfolg Wärmepumpen eingesetzt. Das RWE hatte sich daran sehr interessiert gezeigt, um jedoch enttäuscht festzustellen, daß der Rhein dafür nicht recht geeignet schien, um so mehr aber die warme Pader mit ihren Temperaturen zwischen 12 und 16 °C, wie Rudolf Vogel vom RWE, mit den Paderborner Verhältnissen noch bestens vertraut, meinte: Eine solche Anlage sorge für eine konjunkturunempfindliche Hebung des Stromabsatzes, zudem lasse sich damit der enorme Kohlenverbrauch der Haushalte drosseln.650 Heinrich Lange faszinierte diese Idee derart, daß er sich auch während des Krieges damit beschäftigte.651

Doch erst in den 1950er Jahren konnte eine Realisierung ernsthaft in Erwägung gezogen werden: Als die Stadt Paderborn 1952 mit dem Kaiser-Karls-Bad ein neues


Hallenschwimmbad errichtete und nach Alternativen für die Heizung und Warmwasserbereitung suchte, sah die PESAG die Gelegenheit gekommen, eine elektrische Wärmepumpe installieren zu können. Gemeinsam mit dem Paderborner Stadtdirektor und dem Baurat fuhr Heinrich Lange sogar nach Zürich, um dort eine Anlage zu besichtigen. Doch die Stadt entschied sich schließlich aus technischen Gründen für eine Koks­heizung. Als 1953 das Technische Rathaus am Abdinghof erbaut wurde, warb die PESAG erneut für eine Wärmepumpenheizung, erhielt jedoch ein zweites Mal eine Absage erteilt, da die Wirtschaftlichkeit nach Meinung von konsultierten Experten als nicht gesichert galt.652 Nach wie vor war die Errichtung einer Elektro-Wärmepumpe zu aufwendig und zu teuer, verglichen mit den Kosten der anderen Energieträger, die sich gegenseitig mit günstigen Preisen unterboten.

Damit schien der Versuch, elektrische Raumheizungen einzuführen, vorerst gescheitert zu sein. Andere elektrische Raumheizgeräte gab es zwar auf dem Markt, doch da diese in der Regel lediglich als Übergangs- oder Zusatzheizung eingesetzt wurden, sorgten sie für kurze, steile Anstiege des Stromverbrauchs, die von Kraftwerksbetreibern gefürchteten „Heizspitzen“. Zudem wirkte immer noch nach, daß in der Kriegs- und direkten Nachkriegszeit die elektrische Heizung immer wieder mit Einschränkungen und Verboten belegt worden war. Selbst als die nordrhein-westfälische Landesregierung von Oktober 1951 bis Ende März 1952 nur den Einsatz von elektrischer Weihnachts-, Werbe- und Schaufensterbeleuchtung verbot, appellierte Heinrich Lange an die Mitglieder der Elektro-Gemeinschaft, den Verkauf von elektrischen Raumheizgeräten zunächst hinter allen anderen Anwendungsgebieten zurückzustellen, um ein entsprechendes Verbot für das elektrische Heizen zu vermeiden653

Doch die Elektrizitätswirtschaft, eine der am stärksten vom Wirtschaftswachstum profitierenden Branchen in Deutschland, wollte weiter expandieren. Nachdem dank der elektrischen Küche das Lasttal in der Mittagszeit ausgefüllt und sich sogar zur Lastspitze gewandelt hatte, bereitete ihr vor allem der geringe Stromverbrauch in den Nacht­stunden Kummer. Da gelang einem RWE-Entwicklungsingenieur namens Bernd Stoy im Verlauf der 1950er Jahre eine für die Elektrizitätswerke schier revolutionäre Erfindung: die elektrische Nachtspeicherheizung. Zwei Fliegen konnten nun mit einer Klappe geschlagen werden: die Eroberung des Wärmemarkts und die Auffüllung der Nachttäler. Zwar verbrauchte dieses Heizgerät ungeheure Mengen an Strom, doch dieser war nachts im Überfluß und folglich billig zu haben, wie argumentiert wurde.

Abb. 50 - 51: Die allelektrische Wohnung
Das RWE förderte daher diese Technik ab 1954 mit allen ihr zur Gebote stehenden Mitteln. Da Nachtspeicherheizungen für private Haushalte in den ersten Jahren noch unerschwinglich waren, förderte der Konzern zunächst die Ausrüstung von Schulgebäuden.654 Auch die PESAG konzentrierte sich auf schulische Einrichtungen und hatte Erfolg: 1957 installierte die Volksschule in Neuenbeken mehrere Speicherheizgeräte; die reges Interesse fanden und von zahlreichen in- und ausländischen Abordnungen besichtigt wurden. Andere Schulen im Paderborner und Delbrücker Raum folgten.655 Diese Ergebnisse bestärkte die PESAG darin, statt der vollelektrischen nun die allelektrische Versorgung zu propagieren – zur Definition: während „vollelektrisch“ alle mit Strom betriebenen Geräte in einem Haus außer der Heizung umfaßt, beinhaltet „allelektrisch“ auch die Heizung, das bedeutet, der gesamte Energiebedarf der Wohnung wird ausschließlich mit Strom gedeckt. Nachdem seit Ende der 1950er Jahre Nachtspeicher­heizungen auch für Privatleute auf dem Markt waren, startete die PESAG nacheinander mehrere Kampagnen mit Devisen wie „Strom bietet immer mehr“, „Strom kann alles“, „Mit Strom den Haushalt spielend meistern“ und „Der i-Punkt der modernen Wohnung – mit Elektro-Heizung vollversorgt“ und veranstaltete im gesamten Versorgungsgebiet Vorträge und Wohnungsbesichtigungen, die neben Haushaltgeräten auch die elektrische Vollraumheizung und Warmwasserbereitung vorstellten (Abb. 50 - 51).

Zusätzlich organisierte die PESAG gegen Ende der 1960er Jahre gemeinsam mit


Geräteherstellern Sonderschauen mit dem Thema „Mit Strom heizen – nachts Wärme speichern“. Als Lockmittel dienten auch „Schlachtefeste mit Elektrogeräten“: Halbe Schweine wurden für das Einfrieren vorbereitet und verlost, während die zahlreich erschienenen Besucher Vorträge über Elektrowärme hörten.656 Daneben appellierte PESAG-Vorstand Franz Tuschen an alle Mitglieder der Elektro-Gemeinschaft, selbst mit gutem Beispiel voranzugehen und ihre Geschäfte, Büros und Wohnungen ausschließlich mit elektrischen Speicheröfen zu beheizen.657 Daß ein Installateur Elektroheizungen verkaufte und anschloß, selbst aber noch eine Kohle- oder Gasheizung unterhielt, war durchaus keine Ausnahme.

Der Konkurrenzkampf auf dem Wärmesektor trieb zuweilen seltsame Blüten. So veröffentlichte zum Beispiel die PESAG 1959 die nebenstehende Anzeige (Abb. 52). Um nicht wegen vergleichender Werbung belangt zu werden, drückte sie ihre Meinung über die konkurrierenden Energieträger mit Noten aus, mit den Anfangstakten des Volkslieds „Kein Feuer, keine Kohle kann brennen so heiß...“. Sogar dem Spiegel im fernen Hamburg war diese Anzeige eine Notiz wert.658



Abb. 52: Kein Feuer, keine Kohle....
Jedoch ließ sich ähnlich wie die elektrische Warmwasserbereitung die elektrische Raumheizung zunächst nur sehr mühsam durchsetzen. Abgesehen davon, daß die Stadtwerke Paderborn niedrige Heizgastarife offerierten, erst recht nach der Umstellung auf Erdgas, und mit dem kostengünstigen Heizöl ein schlagkräftiger Konkurrent erwachsen war, mußten die Architekten, aber auch die Elektro-Installateure mit dieser für sie völlig neuen Anwendungstechnik erst vertraut gemacht werden. Die Installation von Wohnraumheizungen verlangte intensive Beschäftigung mit bauphysikalischen, bautechnischen und bauchemischen Fragen, was die EG PESAG im Rahmen von Lehrgängen und Ausspracheabenden unternahm.659 Das Heizungshandwerk protestierte gegen die Einrichtung von Heizungsanlagen durch Elektro-Installateure; es entwickelten sich zahlreiche Konflikte.660 Bei den Kunden mußte ebenfalls viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Die ersten Wohnblocks, die eine elektrische Speicherheizung erhielten, wurden individuell betreut: Die Haushaltberaterinnen unternahmen Hausbesuche und informierten „von Frau zu Frau“.661

Insbesondere Neubauten sollten nach dem Willen der PESAG obligatorisch mit einer elektrischen Heizung ausgestattet werden. Wohl wissend, daß sie sich auf die Werbung ihrer Marktpartner allein nicht verlassen konnte, nahm sie daher regen Anteil an Bauvorhaben in Paderborn und hielt engen Kontakt zu Baugesellschaften. Insbesondere der Spar- und Bauverein Paderborn zeigte sich elektrischen Heizsystemen sehr aufge­schlossen und ließ seine Wohnungen mit Fußbodenheizungen oder Speicherheizgeräten ausstatten.662 Als im Juni 1967 eine Ausstellung in einer dieser Wohnungen stattfand, kamen in drei Tagen rund 500 Besucher.663 Auch eine Sonderschau für Elektro­heizungen fand 1969 mit rund 1.400 Besuchern innerhalb einer Woche ein erstaunlich großes Interesse.664 Das beste Werbemittel war immer noch der Preis: 1968 senkte die PESAG den Nachttarif auf 3,6 Pf/kWh, ein Jahr später auf 3,4 Pf/kWh.

1968 errichtete der Spar- und Bauverein ein allelektrisch versorgtes Wohnhochhaus: Alle 64 Wohnungen waren ausgestattet mit Speicherheizungen, Durchlauferhitzer und Kochendwassergeräte; durch die Installation von zahlreichen Anschlüssen wurde das Aufstellen von Geschirrspülern und Waschmaschinen ermöglicht. Zudem befanden sich im Dachgeschoß Gemeinschaftswaschanlagen für alle Mieter. Die PESAG lobte in ihrer Kundenzeitschrift PESAG-Stromverbraucher, dies sei „fürwahr ein Wohnhaus, das nach den neuesten Erkenntnissen der Bautechnik errichtet wurde und in dem der Anschluß und Betrieb von Elektrogeräten, die zur Arbeitserleichterung im Haushalt beitragen, keine Schwierigkeiten bereitet“.665 Im selben Jahr wurden noch weitere Häuser nach diesem Muster erbaut.666

Damit war es der PESAG gelungen, auch auf diesem Gebiet Fuß zu fassen.667 1969 besaßen mehr als 5 % der Haushalte im Versorgungsgebiet eine elektrische Raum­heizung; aus Sicht der PESAG schien damit die Einführung gelungen, besondere Kampagnen wurden folglich nicht mehr durchgeführt.668 Statt dessen mußte das Unter­nehmen die Installateure in ländlichen Gebieten stellenweise sogar bitten, entsprechende Werbemaßnahmen einzuschränken, da der hohe Heizstrombedarf dem Elektrizitätswerk zuweilen Kapazitätsprobleme bereitete.669 Aus den Lasttälern in der Nacht waren ähnlich wie in der Mittagszeit mittlerweile Lastspitzen geworden, so sehr hatte sich die Nachtspeicherheizung durchsetzen können.



3.1.3 Licht auf allen Wegen
Die Straßenbeleuchtung wird elektrisch (1948 - 1966)


Einen enormen Aufholbedarf erblickte die PESAG nach Kriegsende in der Straßenbeleuchtung. 1939 hatten an Paderborns Straßen insgesamt 550 Gas- und 65 elektrische Laternen gebrannt; fast alle wurden im Verlauf des Kriegs zerstört.670 Erst 1947/48 konnte sich die Stadtverwaltung mit der Wiedererrichtung befassen, da der Wohnungs- und Straßenbau absoluten Vorrang besaß und der Einsatz von Energie zu Beleuchtungszwecken limitiert war. Als das Wirtschaftsministerium der Düsseldorfer Landesregierung im Herbst 1947 die Aufstellung von 100 Richtlampen für Paderborn genehmigte, diskutierten die städtischen Gremien, welchem Energieträger der Vorzug zu geben sei: Zwar kostete die Aufstellung einer Gaslaterne nach der Währungsreform mit rund 400 DM zweimal so viel wie die einer elektrisch betriebenen Laterne, doch da letzere mit Betriebskosten von etwa sechs Pfennig pro Stunde als doppelt so teuer eingeschätzt wurde, entschied sich die Stadt schließlich zugunsten der Gasbeleuchtung.671 Dafür wurde der PESAG zugestanden, die von der Straßenbahn befahrenen Straßen mit elektrischen Lampen auszurüsten, da sie angeboten hatte, diese kostenlos aufzu­stellen.672 Da sie jedoch gestehen mußte, aufgrund technischer Schwierigkeiten noch nicht in der Lage zu sein, für eine zuverlässige Straßenbeleuchtung sorgen zu können, ließ die Stadt an verkehrswichtigen Punkten im Stadtbereich, zum Beispiel am Westerntor und Neuhäuser Tor, Gasleuchten zwischen den elektrischen Laternen aufstellen, um auch bei Stromausfällen eine ordnungsgemäße Beleuchtung zu gewährleisten.

Gemäß einem 1949/50 für die Stadt Paderborn ausgearbeiteten Gesamtbeleuchtungsplan sollten bis zum März 1951 insgesamt 600 Gas- und 200 elektrische Lampen in Abständen von 40 - 50 Meter installiert werden.673 Bis Februar 1949 errichteten die Stadtwerke Paderborn insgesamt 48 Leuchten, in den darauffolgenden Wochen 75 weitere. Die Mitglieder des Gas- und Wasserwerks-Ausschusses besichtigten bei einer abendlichen Rundfahrt die neue Gasbeleuchtung und lobten überschwenglich den günstigeren Preis und die bessere Lichtintensität verglichen mit den elektrischen Lampen; zudem trügen die neuen Anlagen „den Charakter der Modernisierung“.674

Wieder einmal also schien sich die PESAG der Konkurrenz geschlagen geben zu müssen; diesmal war sie sogar bei ihren eigenen Argumenten von der Versorgungssicherheit und Modernität elektrischen Lichts übertrumpft worden. Diese Entwicklung zugunsten der Gasbeleuchtung vollzog sich in ähnlicher Form auch in vielen anderen Städten und versetzte das RWE im Alarmstimmung, wie es in einem Rundschreiben an seine
Betriebsabteilungen sowie Tochter- und Beteiligungsgesellschaften bekannte: Das Gebiet der Straßenbeleuchtung sei jahrzehntelang „sehr zu Unrecht“ von der Werbung der Elektrizitätswerke vernachlässigt worden. Daher erteilte das RWE die Order, unverzüglich „die Straßenbeleuchtungsanlagen Ihres Versorgungsgebiets zu überprüfen und mit entsprechenden Umbauvorschlägen an die Gemeindeverwaltungen heranzutreten“.675

Die PESAG, mittlerweile wieder zu einer ausreichenden Stromlieferung in der Lage, folgte dieser Weisung. Es ist nicht überliefert, auf welche Weise sie die Stadtvertreter zu umgarnen versuchte, doch es gelang ihr innerhalb kürzester Zeit, einen Sinneswandel zu bewerkstelligen. Vor allem der Paderborner Stadtbaurat gehörte fortan zu den eifrigsten Verfechtern elektrischer Beleuchtung und lieferte sich über mehrere Jahre heftige Auseinandersetzungen mit Stadtwerke-Direktor Heinrich Pelster, der seine schon gesichert geglaubten Felle wieder davonschwimmen sah. Nun galten plötzlich die elektrischen Laternen als teurer in der Installation, einschließlich des erforderlichen Aufbruchs der Bürgersteige zwecks Kabelverlegung, aber als wesentlich billiger im Betrieb. In der Tat waren die Anlagekosten für elektrische Leuchten höher, da sie, im Gegensatz zu den Gaslaternen, nicht ohne weiteres an das bestehende Versorgungsnetz angeschlossen konnten. Dafür erforderten Gaslampen einen wesentlich höheren Aufwand für Wartung und Pflege, der mit fast einem Drittel der Gesamtbetriebskosten zu Buche schlug und damit auch nicht für Preissenkungen zur Disposition stand.

Zudem sicherte sich die Elektrizität im Verlauf der 1950er Jahre einen Vorsprung durch Technik. Analog zur Erfindung des Auerschen Gasglühlichts, das dem Gas seinerzeit Wettbewerbsvorteile beschert hatte, gaben die ab 1953 verbreiteten Leuchtstoff- und Quecksilberhochdrucklampen den Ausschlag für die Elektrizität: Wie der Paderborner Baurat dem Bauausschuß vorrechnete, sei nicht nur die Lebensdauer einer Leuchtstofflampe mehr als viermal höher, auch die Lichtausbeute sei wesentlich effek­tiver als bei einem Gasglühkörper; ein kWh Strom entspreche 4,3 cbm Gas.676

Die Stadt beschloß im April 1951, statt 200 nun 400 elektrische Leuchten anzu­schaffen, dazu lediglich 150 weitere Gaslaternen als Ergänzung zu den zu diesem Zeitpunkt bestehenden 335.677 Die Stadtwerke Paderborn reagierten: Als im September 1951 die Gastarife aufgrund gestiegener Kohle- und Frachtkosten in allen Stufen um jeweils drei Pfennig erhöht werden mußten, blieb der Preis von 11 Pf/cbm für die


Straßenbeleuchtung bestehen.678 Trotzdem vereinbarte die Stadt im November 1951 mit der PESAG, nicht nur die von der Straßenbahn befahrenen Straßenzüge, sondern auch die Verkehrsknotenpunkte sowie die Wohngebiete ohne Gasversorgung mit elektrischer Beleuchtung zu versehen, in Einzelfällen auch Hauptverkehrsstraßen. Die Entscheidung für die Elektrizität wurde damit begründet, daß „nur diese es ermöglicht, lichttechnisch gute und energiesparende Leuchtquellen zu verwenden“.679 Damit schien die jahrzehntelang kursierende und von Gasvertretern stets geförderte Ansicht, elektrisches Licht sei zu teuer, endgültig ad acta gelegt. Die PESAG berechnete für die Straßenbeleuchtung einen Arbeitspreis von 5 Pf/kWh und nahm die Erweiterungen der Anlagen kostenlos vor; allerdings nur, wenn die dadurch erzielten Einnahmeerhöhungen pro Jahr mindestens 20 % der aufgewendeten Kosten betrugen. Als kleine Zugabe installierte sie die gesamte Beleuchtung am Westerntor mit vier Großschirmleuchten gratis.680

Nur in den Wohngebieten mit Gasversorgung wurden ausschließlich Gaslampen installiert, allerdings in größeren Abständen und damit in geringerer Stückzahl als entlang der Verkehrsstraßen, um die Kosten zu begrenzen. Im April 1953 verrichteten 451 Gas- und 241 elektrische Leuchten ihren Dienst im Stadtgebiet. Jedoch ertönten noch überall in der Stadt Klagen über eine fehlende oder mangelhafte Straßenbeleuchtung. Auch die Stadtrandgebiete wollten nicht länger im Dunkeln stehen.681 Da dort überwiegend eine einschienige Versorgung ausschließlich mit Strom vorlag, wurden in dessen Straßen nur elektrische Lampen installiert.682 Die aggressive Preispolitik der PESAG zur Elektrifizierung der Wohnsiedlungen hatte damit zu einem doppelten Erfolg geführt.

Das RWE ermunterte seine Betriebsabteilungen sowie Tochter- und Beteiligungsgesellschaften in Rundschreiben immer wieder, unermüdlich für die Durchsetzung elektrischen Lichts zu kämpfen, denn...

Bekanntlich ist die Gaslaterne der Schrittmacher der Gasküche, vor allem, wenn in neuen Stadtrandsiedlungen die Notwendigkeit von Gasrohrleitungen mit der Gasbeleuchtung begründet wird. Wo die Gasbeleuchtung nicht zum Zuge kommt oder gar abgeschafft wird, verbessert sich entscheidend die Wettbewerbslage der Elektrowärme in Haushalt und Gewerbe. Außerdem gehört die Straßenbeleuchtung mit ihrer hohen, größtenteils auf die Nacht entfallenden Benutzungsdauer (3.000 bis 4.000 Stunden!) zu unseren besten Stromverbrauchern.683

Darüber hinaus stellte das RWE in größerer Zahl Sonderdrucke und Informationsblätter mit Titeln wie „Umstellung von Gas auf Strom in der Straßenbeleuchtung“ und „Das Ende der Gasbeleuchtung in Neuss“ zur Verfügung, die die PESAG an die Kommunalpolitiker verteilte.684 Die Erfolge ließen nicht lange auf sich warten: Nicht nur der städtische Baurat, auch der Bauausschuß wechselte ins Lager der Elektrizität, jegliche Solidarität mit den Stadtwerken völlig vergessend. Doch gaben letztlich nicht Werbeblätter, sondern der Preis den Ausschlag: In ernste finanzielle Schwierigkeiten geraten, waren die Stadtwerke gezwungen, den Preis für die Gas-Straßenbeleuchtung auf 12 Pf/cbm zu erhöhen, um damit zumindest den größten Teil der in diesem Bereich entstehenden Selbstkosten von rund 13 Pf/cbm zu decken.685 Trotzdem verurteilte der Bauausschuß diese Preiserhöhung, da die Betriebskosten einer Gaslampe nun das Dreifache verglichen mit einer elektrischen Lampe betrugen. Daher wurde beschlossen, zukünftig auch in den mit Gasleitungen versehenen Siedlungen elektrisches Licht einzurichten.686

Die Gasbeleuchtung hatte mittlerweile fast alle Sympathien verloren, selbst die von Paderborns Bürgermeister Christoph Tölle und Stadtdirektor Wilhelm Sasse, die zwar beide Mitglieder des PESAG-Aufsichtsrats bzw. Verwaltungsbeirats waren, jedoch vielmehr die Interessen der Stadtwerke als die der PESAG, an der die Stadt mittlerweile nur noch mit rund 37 % beteiligt war, hätten vertreten müssen. Als Mitglieder des Bauausschusses stimmten sie ebenfalls für dessen Votum und forderten sogar die umgehende Auswechslung der von Tölle als „sehr spärlich“ kritisierten Gasbeleuchtung am Domplatz und am Markt – und das im Bewußtsein, daß eine Umstellung aufgrund der dann erforderlichen Pflasterarbeiten sehr kostspielig ausfallen würde.687

Die Vorentscheidung zugunsten der elektrischen Straßenbeleuchtung war damit gefallen; den endgültigen Durchbruch feierte sie ein Jahr später, als der städtische Baurat den neuen Beleuchtungsplan vorstellte. Dieser sah vor, die Stadt zu fast zwei Dritteln mit elektrischen Laternen auszustatten, insgesamt mit 704 elektrischen und 406 Gasleuchten. Letztere sollten nur noch dort Platz finden, wo elektrische Installationen zu hohe Umbaukosten erforderlich machen würden.688 Selbst als im Haushaltsjahr 1955 offiziell keine Mittel für Neuanlagen bereitgestellt werden konnten, erhöhte sich die Zahl der elektrischen Lampen von 353 auf 435, während die Menge der Gaslaternen mit 473 fast konstant blieb.689 Die Stadtwerke gaben die Straßenbeleuchtung nun anscheinend verloren und erhöhten im April 1955 den entsprechenden Tarif auf 13 Pf/cbm. Folglich beschloß der Bauauschuß noch im selben Jahr einstimmig, in allen Paderborner Außenbezirken fortan ausschließlich elektrisches Licht zuzulassen.690

Den endgültigen Todesstoß erhielt die gasbetriebene Straßenbeleuchtung mit der Umstellung auf Erdgas, das wegen seiner chemischen Zusammensetzung für Leuchtzwecke nicht geeignet war. Brannten 1964 immerhin noch 337 Gaslampen, waren es ein Jahr später zu guter Letzt 97, dafür wurden bis Ende 1965 über 2.300 elektrische Lampen errichtet.691 Damit ging in Paderborn die rund 100 Jahre dauernde Ära der Gaslaternen zu Ende; die Stadtwerke verloren ihr attraktivstes Werbemittel. Doch auch ohne die Einführung des Erdgases hätte das Gaslicht aufgrund der eindeutig ablehnenden Haltung der städtischen Vertreter vom Baurat über den Bauausschuß bis hin zum Bürgermeister höchstwahrscheinlich längstens bis zum Ende der 1960er Jahre Bestand gehabt.

Mit der fortschreitenden Elektrifizierung des Umlands setzte sich auch dort die elektrische Straßenbeleuchtung durch. Während 1952 in 24 Städten und Gemeinden 378 Leuchten brannten, erhöhte sich die Zahl bis Juli 1957 auf über 1.100 und Juli 1959 auf fast 1.350 in nun 30 Kommunen.692 Im Verlauf der 1960er konnten mit nahezu allen Städten und Gemeinden im Versorgungsgebiet Verträge abgeschlossen werden.693


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