Tagebuch ohne Fotos zum Drucken


Sonntag, 19. Oktober 2008



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Sonntag, 19. Oktober 2008

Der heutige Tag war eigentlich nichts Besonderes. Am Morgen war ich in der Heiligen Messe - zusammen mit Elena. Sie wollte sich gerne mal eine katholische Messe anschauen und war sogar recht angetan davon. Anschließend haben wir noch einen kleinen Rundgang durch die Kirche gemacht und ich ihr so einiges erzählt. Besonders verwundert war sie, dass eine Nonne den Altar für die nächste Messe richtete. Das ist in der orthodoxen Kirche ja nicht möglich bzw. nur ganz wenigen Frauen erlaubt. Und auch von der Vielzahl der Gottesdienste war sie überrascht - am Sonntag sind es im Dom zu Moskau ja sieben oder acht an der Zahl. In der orthodoxen Kirche sind maximal zwei möglich - und eine davon muss zwangsläufig an einem Nebenaltar gehalten werden. Anschließend war ich im Internet und habe mich darüber geärgert, dass ich keine E-Mails mit Thunderbird mehr versenden, wohl aber empfangen kann. Daher kann es nach wie vor sein, dass ich erst recht spät reagiere oder, wenn es gar zu arg wird, gar nicht. Hier muss ich noch eine Lösung finden, oder vielmehr einen Ansatz, der zur Lösung führt. Noch tappe ich echt im Dunkeln.

 

 

Montag, 20. Oktober 2008



Der heutige Tag bestand mal wieder zu großen Teilen aus Warten. Damit ich ein neues Visum erhalten kann, hatte ich heute Sascha, einer Mitarbeiterin Juri Valerjewitsch's, meinen Pass mitgegeben. Wir wollten uns eigentlich um 15:30 Uhr wieder treffen, damit ich den Pass zurückbekomme, aber sie ist dann erst um 19:30 Uhr gekommen. Ich habe dort geschlagene vier Stunden gewartet. Hin und wieder hatte ich einen Anflug von Wut, bin aber gelassen geblieben. Das hat mich übrigens selbst gewundert. Ich hätte diese vier Stunden halt gerne anders ausgefüllt und was Sinnvolles gemacht. Nun - zeitweise habe ich Vokabeln gelernt und zwischendurch bin ich einkaufen gegangen. Nun hoffe ich, dass mit dem Visum alles klappen wird. Es sind nur noch zehn Tage Zeit. Sascha würde jetzt sagen, dass wir ja noch zehn Tage Zeit haben - mehr als genug.

Am Samstag, das hatte ich ganz vergessen zu erzählen, wurde ich von der Kassiererin gerufen, die mir kurz erzählt hat, dass sie in Münster war. Dazu hat sie mir drei Fragen gestellt: "Wo hast Du studiert?" Dann: "Was studierst Du?" Und dann: "Willst Du nicht orthodox werden?" Ich bin ja schon von einigen darauf angesprochen worden, dass ich ja besser konvertieren, also zur orthodoxen Kirche wechseln solle, aber innerhalb von drei Minuten und drei Fragen hat sich das noch keiner getraut. Sollte nun Unruhe herrschen, dass ich konvertieren könnte, weil mir die orthodoxe Kirche so gut gefällt oder weil ich so oft gefragt werde,  dann möchte ich jeden beruhigen: Ich bleibe Katholik. Oder vielleicht kann man es auch anders beschreiben: Ich konvertiere nicht, denke aber hin und wieder kathodox. Unter "kathodox" verstehe ich mich als Katholik, der aber auch viel für die orthodoxe Kirche empfindet. Nun zurück zur Kassiererin: Wir haben dann heute Fotos von Münster geschaut - ihrem und meinem Münster. Sie war gar nicht im westfälischen Münster, sondern in irgendeinem anderen - ich vermute irgendwo in Österreich - zumindest war dort ein Bild vom Wiener Prater mit dabei. Aber herausgefunden habe ich es nicht, wo sie war.

Der Tag heute geht recht sorgenvoll zu Ende. Wenn ich in Richtung des Visums schaue, dann sehe ich mich schon im Flieger nach Hause sitzen. Von mir aus könnten die ruhig etwas schneller arbeiten und nicht alles auf die letzte Minute erledigen. Und die vierstündige Wartezeit hat das Vertrauen ins Ausländeramt der Universität nicht unbedingt gesteigert. Schauen wir, was kommt. Langsam werde ich in dieser Beziehung etwas unruhig und möchte das am liebsten selbst regeln. Dass das aber kaum möglich ist, bleiben mir die Hände gebunden. Was sagen wir nun in Ostfriesland: "Abwarten und Tee trinken!"

 

 



 

Dienstag, 21. Oktober 2008

Heute war ich zu 12 Uhr mit Sascha verabredet, die dann allerdings meinen Pass nicht brauchte. Sie braucht ihn erst am Donnerstag, und dann schon um 9:30 Uhr, und will dann zur Miliz gehen. Dafür war ich heute lange im Internet und habe mein E-Mailprogramm reparieren können. Das ist der große Erfolg des Tages. Zwischendurch war ich noch einkaufen, wo sich die Kassiererin vehement beschwert hat, dass ich meinen Einkauf mit einem 1000-Rubel-Schein bezahlt habe. Wenn es nun doch nicht anders geht, dann muss sie ihn halt nehmen. Das tat sie dann auch mit dem typischen Moskauer Knurren und Murren.

In der Stalowaja habe ich wie üblich zu Mittag gegessen und dann festgestellt, dass wieder einmal eine Vorlesung ausfällt. So konnte ich die Zeit dann wieder für andere Sachen nutzen und habe jetzt - das ist neu auf dieser Homepage - eine Textdatei des Tagebuches verfasst, so dass sich das Tagebuch auch ohne Bilder ausdrucken lässt. Dann ist es nicht mehr ganz so lang, aber auch lange nicht mehr so interessant.

Zwischendurch war ich noch bei Nina in der Garderobe, die wieder ihre Bitte geäußert habe, die ich aber immer noch nicht verstanden habe. So habe ich mir Elena dazugeholt, die übersetzt hat. Nun kam erst einmal ein großes Missverständnis zu Tage: Nina dachte, dass ich Amerikaner sei und das, obwohl ich ihr schon viel von Deutschland erzählt hatte. Sie möchte gerne Medikamente aus Amerika für ihren Fuß haben, die ihr vor zehn Jahren sehr geholfen haben. Mal schauen, was ich machen kann, es gibt da nämlich zwei Münsteraner Kommilitonen, die dort studieren.

Der Goethe-Abend war sehr interessant gemacht und stand im völligen Gegensatz zum Rilke-Abend. Dieses Mal fand der Abend in der Stalowaja statt, es standen Süßigkeiten und Getränke auf dem Tisch, es gab eine Teepause und zum Schluss wurde das Lied "Heidenröslein" ("Sah ein Knab' ein Röslein stehn") gesungen. Es wurden wieder viele bekannte Gedichte  vorgetragen und ich durfte einen Teil aus "Faust" vortragen. Alles in allem war es eine runde und gut organisierte Sache. Ich kann mir nur kaum vorstellen, warum sich recht viele Studenten während dieser Zeit ausgiebig unterhalten oder andere Sachen gemacht haben. Ganz zum Schluss nach dem Aufräumen hat mir die Küche noch einen Blini mit Quark in die Hand gedrückt.

Den Heimweg habe ich wieder mit Oleg, Dmitri und Evgeni bestritten. Es kam wieder die Frage nach der Fahrkarte auf. Dieses Mal habe ich mir unter dem Gespött der drei eine Fahrkarte gekauft - auch wenn das völlig gegen die studentische Tradition verstoßen soll. Aber nun, einer muss denen ja vormachen, wie es geht - und die Hauptsache ist, dass des Spotts viel Spaß dabei hatten. Ich stehe halt dazu und lasse mich da nicht beirren. 

Zum Abschluss des Tages nun noch ein Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe:

 

Über allen Gipfeln


Über allen Gipfeln
Ist Ruh'
In allen Wipfeln
Spürest Du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde
Warte nur, balde
Ruhest Du auch.

 

 



Mittwoch, 22. Oktober 2008

Während dem letzten Drittel der Vorlesung "Orthodoxes Kirchenrecht", die jeweils ein dritter Männer- und Frauenkurs gemeinsam haben, hörten wir plötzlich schnelle und energische Schritte von Damenschuhen auf der Treppe in den Keller. Die Türe flog auf, es stob eine Studentin herein und sagte leise und unverständlich "Prostitje", die Türe flog mit einen dumpfen Knall zu und schon stand sie neben einem Kommilitonen und machte eine hektische Handbewegung nach dem Motto "kusch-kusch", damit er ihr den Weg zu dem freien Platz neben ihm frei machte. Haben wir uns erst alle nur angeschaut, mussten wir spätestens hier alle grinsen oder lachen. Sie ließ sich auf ihren Platz plumpsen und fing dann emsig an zu schreiben. Nach nicht einmal einer Minute beendete Professor Kyrill Alexandrowitsch Maximowitsch die Vorlesung vorzeitig. Beim Aufstehen zum Gebet musste ich mich so zusammenreißen, dass ich nicht loslache und mit mir alle, die in meiner Nähe saßen, dass ich nicht mitsingen konnte. Am 22. September ist sie mir übrigens schon einmal aufgefallen. Was ist das bloß für eine Kratzbürste...

Während der Heimfahrt in der Elektritschka wurde ich von einer Studentin gebeten, einen Liedtext vom Deutschen ins Russische zu übersetzen, was gar nicht so einfach war, da das ein heute nicht mehr gebräuchliches Deutsch war. Anschließend habe ich mit ihr noch kirchenslawisch lesen geübt. Sie war übrigens sehr überrascht, dass ich das halbwegs lesen konnte, dass hatte sie mir nicht zugetraut.

Und dann kam heute bei mir ein kleines Stück vom 500. Leeraner Gallimarkt bei mir an - herzlichen Dank für die Postkarte! Ich habe mich sehr darüber gefreut. Wenn ich auch nicht mit dabei sein konnte, so habe ich dann doch etwas davon mitbekommen!

Ansonsten war heute ein schöner und nicht allzu stressiger Herbsttag. Die Sonne hat geschienen und es war in der Sonne sogar noch recht warm. Abends habe ich es sogar noch geschafft, Vokabeln zu lernen. Es war also ein Tag, der mir gut gefallen hat, ohne dass er etwas Besonderes war.

 

 



Donnerstag, 23. Oktober 2008

Auch heute hat es mit dem Visum wieder nicht geklappt. Der vereinbarte Termin mit Sascha um 9:30 Uhr heute Morgen ist wieder geplatzt, so dass ich noch hätte länger schlafen können. Wir wollten uns dann um 13 Uhr treffen, wobei sie dann wieder eine halbe Stunde später kam. Ich hatte ihr vorher aber noch eine Nachricht aufs Handy geschrieben, wo ich in der kommenden Zeit in der Uni zu finden bin. So hat sie mich dann in der Stalowaja aufgestöbert, wo ich ihr dann den Pass gegeben habe. Zu 15:30 Uhr waren wir dann wieder verabredet, sie meinte, sie wäre dann von der Miliz wieder zurück. Nach der Vorlesung bin ich dann zu ihr gegangen und sie war tatsächlich da. Doch als sie mich mit den Worten "Russland ist nicht Deutschland..." empfing, war mir schon alles klar. Für morgen ist der nächste Versuch geplant. Ich habe ihr gesagt, dass sie mich in der Stalowaja finden kann, wo ich zwischen 12 und 15:30 Uhr arbeiten werde. Ich bin mal sehr gespannt, was der Tag morgen bringt, habe aber offen gesagt, wenig Hoffnung. Ärgerlich ist nur, dass ich ständig meine Zeit mit Warten verplempere und kaum was Gescheites gemacht bekomme. Zum Vokabeln lernen habe ich dann auch meist nicht die Ruhe, weil ich mich innerlich doch aufrege und hoffe, dass das alles irgendwann mal klappt. Obwohl ich meine, wesentlich ruhiger zu sein, denn viel ändern kann ich ja ohnehin nicht. Was ich nur wissen möchte: Ob die anderen ihr einfach die Pässe in die Hand gedrückt haben und ohne durch Moskau laufen? Das kann ich mir fast nicht vorstellen - denn jeder rät mir nicht ohne aus dem Haus zu gehen.

Der Abend brachte dann die nächste böse Überraschung. In der letzten Zeit gab es noch Probleme mit einem bekannten Telekommunikationsanbieter, aus dessen Verträgen herauszukommen nicht sonderlich einfach ist. Entweder scheitert man daran, dass man keine eindeutigen Antworten auf schriftlichem Wege erhält oder daran, dass man ständig jemanden anderes in der Leitung hat, der dann wiederum keine Ahnung von dem Problem hat. Ich hatte also jeweils einen Handy- und Festnetzvertrag bei diesem Anbieter mit grauen Punkten und dem rosa T im Logo mit zwei Jahren Laufzeit. Auf mein Gesuch hin, den Vertrag für meine Moskauer Zeit auszusetzen und den Vertrag um diese Zeit zu verlängern, ging das Unternehmen nicht ein. Beim Handy ist es jetzt so gelaufen, dass der Vertrag gegen eine Gebühr von knapp 20 Euro für sechs Monate außer Kraft getreten ist - um diese Zeit verlängert sich der Vertrag. Für die restlichen vier Monate muss ich jedoch die Grundgebühr bezahlen und könnte mich erst nach drei Monaten für wiederum 20 Euro befreien lassen - dies lohnt sich jedoch nicht mehr für einen Monat. Beim Festnetzanschluss kam irgendwann ein Brief, den ich so verstanden habe, dass mein Anliegen ausgeführt wird mit der Anfrage, wie man mich als Kunden zurückgewinnen könnte und dem Hinweis, dass man mich noch anrufen wolle. Dies ist dann nicht geschehen und ich bin davon ausgegangen, dass alles in Ordnung ist. Ich meine auch gelesen zu haben, dass der Anschluss zum 28. August 2008 abgeschaltet werden sollte. Dies war offenbar aber alles nicht der Fall und es wurden weiterhin die Monatsbeiträge abgezogen. Die Leidtragende war nun meine Mutter, die das alles regeln musste und zudem mit meiner Ordnung Schwierigkeiten hatte (bislang hatte ich selbst keine Probleme damit und weiß auch, wo alles abgeheftet ist - vielleicht habe ich für mein Empfinden zu wenig Unordnung, um den Anreiz zum Aufräumen zu haben). Das Resultat lautet jetzt: Ich muss einen Betrag von knapp 200 Euro an diesen Anbieter zahlen, damit ich eher aus dem Vertrag herauskomme. Von einer Regelung ähnlich wie beim Handy ist hier nie die Rede gewesen. Auch wenn ich die Nachricht des Unternehmens falsch verstanden oder gelesen haben könnte, kann ich nur zur Vorsicht bei diesem Anbieter raten, da er nicht in der Lage ist, konkrete Antworten zu verfassen und flexibel auf Kundenanliegen zu reagieren. Des Weiteren habe ich den Eindruck, dass mit dem gesetzlich geschützten "Guten Glauben" des Kunden (sofern es ihn noch gibt) fahrlässig umgegangen wird.

In der Stalowaja gab es heute wieder Joghurt en masse, so dass ich auch in den nächsten Tagen wieder genug davon zu essen bekommen werde. Dieses Mal ist es ein Erdbeer-Hagebutten-Getränk und jede Menge Brombeer-Joghurt. Wobei ich aber dazusagen muss, dass ein Teil gar nicht in meinem Zimmer angekommen ist, sondern in den Händen von Bettlern auf dem Weg von der Uni zum Bahnhof gelandet ist. Da bin ich übrigens nicht der einzige, der so handelt: Später am Kursker Bahnhof habe ich eine Frau gesehen, bei der das Erdbeer-Hagebutten-Getränk aus der Tasche schaute. Da hatte gleichzeitig jemand mit mir diese Idee.

Als ich meine E-Mails abgefragt habe, habe ich eine Bestätigung über einen Besuch einer Freundin im Dezember bekommen. Das war dann die große Freude des Tages. Am liebsten würde ich jetzt schon zum Flughafen Domodedovo fahren und auf sie warten. Das wird bestimmt ein schönes Treffen werden. Da sie um Weihnachten kommt, ist das ein ganz besonderes Geschenk für mich! Nun hecke ich im Geiste schon Pläne aus, was man so gemeinsam machen könnte - und das ist ganz schön viel!

Während der Fahrt mit der Elektritschka heute bin ich aus dem Staunen mal wieder nicht herausgekommen: Der Triebfahrzeugführer hat sich doch glatt an einer Station um mehrere Wagenlängen verbremst und ist voll über sein Ziel hinausgebrettert! Und zu allem Überfluss fuhr er dann, nachdem die Leute ein- und ausgestiegen sind, auch noch ein kleines Stückchen rückwärts weiter, bevor er bemerkte, dass er vergessen hatte den Fahrtrichtungsschalter umzulegen. Ich mag gar nicht die Frage nach der Sicherungstechnik bei der RZD stellen...

Am Abend - welch ein Sprung von der Elektritschka-Geschichte - kam dann irgendwann Stephan in mein Zimmer und fragte mich, was mit mir los sei. Ich käme ihm so anders vor. Er fragte, ob es mir hier nicht gefallen würde. Da musste ich tatsächlich zugeben: In den letzten beiden Wochen habe ich mich vermehrt zurückgezogen um etwas mehr Ruhe und Ausgleich zu finden. Außerdem bin ich etwas frustriert darüber, dass ich die Sprache nicht so spreche, wie ich es gerne hätte und mir mehr Zeit wünschte, um Vokabeln zu lernen. Doch dazu im Monatsrückblick mehr, den ich in ein paar Tagen schreiben möchte. Aber andererseits ist da auch die Sorge um das Visum, die mich seit ungefähr zwei Wochen nicht los lässt. Aber davon mal abgesehen: Was hat der Mensch ein Feingefühl! Der kennt mich nach zwei Monaten fast besser als ich mich selbst.

Freitag, 24. Oktober 2008

So langsam werde ich wütend auf das Auslandsamt der Universität. Sascha ist heute nicht in der Stalowaja erschienen, wie abgemacht. Deshalb habe ich sie auf ihrem Handy angerufen. Das erste Mal war ein Freizeichen und beim zweiten Mal war das Handy ausgeschaltet. Das erweckt fast den Eindruck, als ob die nicht mehr mit mir sprechen wollte. Also ist schon wieder ein Treffen geplatzt. Das Leid habe ich dann Juri Valerjewitsch geklagt, der mich versuchte zu beruhigen und meinte, alles wird gut. Aber wie, hat er mir auch nicht verraten. Aber auch er konnte Sascha nicht erreichen. Ein paar Stunden später rief dann der andere Mitarbeiter des Auslandsamtes an und sagte mir, dass das nächste Treffen am Montag um zehn Uhr in der Uni ist. Ich selbst weiß nicht, wie ich denen gegenübertreten soll: Da stehen russische und deutsche Mentalität gegenüber - die eine beruht auf Akkuratheit und Pünktlichkeit und die andere funktioniert etwas salopp gesagt nach dem Motto "Komm ich heute nicht, komm ich (vielleicht) morgen (irgendwann). Kann ich da als deutscher Gast Druck ausüben? Bislang sage ich denen immer, dass ich besorgt bin, dass das alles zu spät ist und ich nach Hause fliegen muss, will ich mich nicht illegal im Land aufhalten. Was mache ich, wenn ich am Montag das Visum immer noch nicht habe? Irgendwann sehe ich mich schon gezwungen, meinen Stipendiengeber, den DAAD zu informieren. Montag ist da bald zu spät. Dienstag spätestens müsste ich den Flug buchen, wenn am Mittwoch das Visum abläuft. Dieser Stress, diese Warterei und diese Ungewissheit machen mich langsam echt fertig. Ich habe schon gar keinen Hunger mehr und in den Vorlesungen kann ich mich auch nicht mehr konzentrieren. Ich muss echt aufpassen, dass mich das nicht krank macht. Vater Valentin konnte meine Sorgen verstehen, als er mich heute fragte, wie es mir geht und ich ihm mit "schlecht" geantwortet habe. Doch seine Antwort lautete auch nur "Don't worry, Andreas..." Er wollte sich aber noch mit Juri Sudov in Verbindung setzen.

Ansonsten hatte ich wieder viel Spaß bei der freitäglichen Arbeit in der Stalowaja. Heute war ich dafür zuständig, dass genug Brot, Tee, Teewasser, Zitronen und Zucker vorhanden sind. Zwischendurch habe ich da geholfen, wo ich Arbeit gesehen habe. Dieses Mal hatte ich zwar nicht so viel zu tun, habe aber nicht so viel gegessen wie beim letzten Mal. Die Geschichte mit dem Visum verdirbt mir einfach den Appetit. Als Lohn gab es - wie soll es auch anders sein - Joghurt. Auch heute ist davon wieder ein Teil in der Tasche eines Bedürftigen verschwunden. Zum Glück ist heute mein Deutsch-Sprech-Treffen ausgefallen. Da hätte ich kaum noch Konzentration und Nerven für gehabt.

Samstag, 25. Oktober 2008

Auch der Tag heute stand in der Sorge um das Visum. Trotz aller beruhigenden Worte, die mich erreichen, fühle ich mich sehr hilflos und weiß nicht, was ich tun soll. Auch wenn mir nahezu jeder zum warten rät, gibt mir das wenig Sicherheit. Heute morgen auf dem Weg zur Uni ist mir dann jemand eingefallen, mit dem ich schon gemeinsam in Russland war. Wenn er diese Zeilen liest, würde er mir - so kann ich es mir zumindest gut vorstellen - sagen: "Andreas, Du bist in Russland" und dabei verständnisvoll lächeln, wohl wissentlich, dass alles ein gutes Ende nehmen wird. Pjotr formulierte es in etwa so: Das Satteln der Pferde dauert hier eine Ewigkeit, der Ritt folgt mit einer Höllengeschwindigkeit, die alles aufzuholen versucht.

Ansonsten war heute ein ruhiger Herbsttag. Nach der Uni und dem Essen in der Stalowaja war ich im Internet. Mein E-Mail-Programm scheint wieder zu funktionieren und nun hoffe ich, dass es das am Montag auch wieder tut. Ich möchte nur mal wissen, wo der Fehler lag - am Vorabend hatte ich zwar wieder daran herumgebastelt, aber soviel verändert, dass ich nichts Genaues weiß. Ist ja auch recht egal, die Hauptsache ist, dass es wieder läuft.

Die Fahrt nach Hause lief ein wenig anders als geplant: Der Zug hielt nicht an meiner Station. Das hatte ich zwar noch rechtzeitig mitbekommen, mich dann aber entschlossen, übers Ziel hinauszuschießen und von der Station Zarizino wieder nach Pererwa zurückzufahren. Dabei habe ich gesehen, dass es in der Nähe der Station Zarizino ein Schloss gibt - wohl eine Residenz des Zaren. Da scheint in interessantes Ausflugsziel ganz in der Nähe zu liegen. Das werde ich bei Gelegenheit mal näher erkunden!

Am Nachmittag habe ich mich etwas ausgeruht, da ich unruhig geschlafen habe in der letzten Nacht und bin dann in die Heilige Messe gefahren. Und damit war der Tag dann auch schon fast vorbei. Als ich wieder im Wohnheim war, hatte ich urplötzlich Lust auf etwas Deftiges: Nudeln sind genug da, nur bei der Soße musste ich improvisieren. So habe ich eine Tüte mit Cremesuppenpulver zu einer Nudelsoße umgemurkst. Ich war selbst erstaunt, dass es zwar etwas salzig, aber dennoch lecker war.

Sonntag, 26. Oktober 2008

In der letzten Nacht hat es zum ersten Mal etwas gefroren und dementsprechend kalt war es auch. Der Frost kam passend zur Zeitumstellung - jetzt wird es langsam Winter. Im Gegensatz zu Ostfriesland war hier aber heute allerschönstes, wenn auch kaltes Wetter, so dass ich heute eine Winterjacke hätte anziehen sollen. Nach der Göttlichen Liturgie in der Fakultätskirche habe ich mich mit Elena getroffen und wir sind zunächst ins Novodevicny-Frauenkloster in der Moskau gefahren, dass im 16. und 17. Jahrhundert erbaut worden ist. Es ist auch ein sehr schönes Kloster mit einem Friedhof, auf dem bekannte Persönlichkeiten ihre letzte Ruhe gefunden haben - gesehen habe ich aber nur den alten. Auf dem neuen soll der ehemalige Präsident Boris Jelzin beerdigt worden sein. In dem Kloster hatte man das Gefühl, dass Elena die einzige Russin war - es war förmlich überlagert von Touristen. Von der Schönheit steht das Kloster dem in Sergijew Possad fast nichts nach. Wobei es vor nicht allzu langer Zeit aufwendig renoviert worden ist und immer noch wird.

Nach dem Besuch sind wir dann in Elenas Pfarrgemeinde "Hl. Märtyrerinnen Vera, Nadjeschda, Ljuba und Mutter Sofia" gefahren, wo es dann zunächst Tee und Blinis gab und für mich als Gast zusätzlich eine ganze Plastiktüte voll mit Äpfeln. Während Elena irgendwo im Keller der Kirche herumgewerkelt hat, habe ich in der Kirche auf sie gewartet. Als sie aus dem Keller wieder hochkam, hatte sie eine Katze auf dem Arm - Kater Barßik, wie ich später erfahren sollte. Als Elena wieder in den Keller musste, blieb Barßik in der Kirche und wollte eigentlich in den Annas Verkaufsecke. Die vertrieb ihn aber wieder von dort. So habe ich mich zu ihm heruntergehockt und ihn etwas gestreichelt. Es dauerte nicht lange, da ist er zu mir auf den Arm gekrabbelt und schnurrte, als ich ihn streichelte. Elena erzählte mir, dass Barßik gerne nachts unter dem Altar der Kirche schläft - somit gehört er zur Gemeinde dazu und ist ein sehr gläubiger, orthodoxer Kater.

Im Gemeindehaus haben wir dann gemeinsam quasi zu Mittag gegessen und Tee getrunken. Anschließend sind wir wieder zusammen in die Kirche gegangen und haben gemeinsam mit Anna eine Antiphon geübt. Nun kannte ich aber schon die Melodie des zweiten Tenor und sollte dann den Bariton singen, was gar nicht so einfach war, denn ich bin immer wieder in den zweiten Tenor gefallen.

Anschließend gab es im Keller unter der Kirche - das ist eigentlich das Heiligtum der Matuschka, also der Frau des Priesters. Da die aber momentan in Jerusalem weilt, konnte ich mit Elena ohne weiteres dorthin und so haben wir dort Tee getrunken. Anschließend bin ich dann auf dem Heimweg noch einkaufen gewesen.

Bei einem unserer vielen Gespräche am Nachmittag sind wir auf Priester und Heiraten gekommen. Sie erzählte mir, dass es bei Priestern üblich ist, dass sie Knall auf Fall heiraten und ihre Frau noch gar nicht lange kennen. Mit einem halben Jahr ist ein Priester schon gut dabei - manche kennen ihre Frau am Hochzeitstag nur drei Monate oder noch weniger. Dabei gibt es eine Art Treff für Mädchen, die gerne Matuschka werden wollen. Und aus diesem Pool suchen sich die künftigen orthodoxen Priester dann eine passende Matuschka heraus und heiraten diese dann. Ich muss ganz ehrlich gestehen: Diese Praxis ist mir sehr befremdlich und habe sehr große Augen gemacht und muss wohl dementsprechend entsetzt aus der Wäsche geschaut haben, als sie mir das erzählt hat. Ich hätte doch gedacht, dass das etwas romantischer zugeht und nicht ganz so zweckorientiert. Zwei ihrer Freundinnen sind dort auch schon gewesen, aber leider "leer ausgegangen". 

 


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