Mittwoch, 17. Dezember 2008
Dieser Tag begann nun wieder einmal recht früh, weil ich wieder in der Göttlichen Liturgie in "meiner" Gemeinde singen wollte und anschließend noch für Lena auf eine Beerdigung eines anderen Menschen und ihrer Oma gehen. Dementsprechend früh fuhr der Zug, da die Liturgie eigentlich um acht Uhr anfängt. Vater Pawel hat sich aber wieder verspätet, so dass Vater Boris alles alleine machen musste und es dementsprechend länger gedauert hat. Gesungen habe ich zusammen mit der Matuschka, Anna Nikiforovna und einer weiteren Babuschka zuerst einen morgendlichen Gottesdienst und dann die Göttliche Liturgie. Auch während der Liturgie war Vater Pawel nicht erschienen und die Matuschka wurde immer ärgerlicher. Zum Schluss blieb noch eine gute halbe Stunde bis zur Beerdigung, die Anna Nikiforovna und ich zum frühstücken genutzt haben. Um kurz nach elf waren wir wieder in der Kirche und Vater Pawel, der die Beerdigung hatte, war immer noch nicht da. Er kam - auf die Beerdigung bezogen - eine halbe Stunde zu spät.
Schon während der Göttlichen Liturgie stand der offene Sarg mit dem Verstorbenen in der Kirche. Bis zur Brust war der Leichnam zugedeckt, auf seiner Stirn lag ein mit Ikonen bedruckter Papierstreifen, auf seiner Brust schauten unter dem Tuch weitere Ikonen hervor und andere kleine Dinge hervor, die vielleicht wichtig in seinem Leben waren. Es leuchteten drei Kerzen an seinem Sarg, der mit vielen (echten) Blumen geschmückt war. Während und nach dem Gottesdienst konnten die Angehörigen und Freunde noch einmal von ihm Abschied nehmen, das taten die meisten, indem sie den Verstorbenen auf den auf der Stirn liegenden Ikonenstreifen küssten oder sich vor ihm verbeugten. Vater Pawel hat etwas zu dem Verstorbenen und seinem Leben gesagt - ähnlich wie bei uns in Ostfriesland aus dem Leben des Toten gepredigt wird. Anschließend wurde der offene Sarg in einem Leichenwagen weggefahren; dieser war so groß, dass auch noch einige Angehörige Platz im Wagen finden konnten - mehr oder minder war dies ein Kleinbus. Einen Sargdeckel habe ich in der Kirche nicht gesehen. Nun ist für mich die Frage spannend, wie die tatsächliche Beerdigung aussieht. Bislang weiß ich nur, dass am Grab die Panichida gesungen bzw. gebetet wird.
Auf dieser Beerdigung bin ich gewesen, weil Elena mich darum gebeten hatte. Während des Gottesdienstes wurde nämlich auch für ihre Großmutter gebetet, da sie wahrscheinlich auf dem Friedhof, wo sie am gleichen Tag beerdigt wurde, eine kirchliche Beerdigung nicht möglich ist. Auf dem Weg zur Uni habe ich noch schnell Brote gekauft und wollte dann eigentlich essen gehen. Kurz vor dem Tor der Universität sah ich dann eine Menschenmenge stehen und nach ein paar Schritten stellte ich fest, dass dort jede Menge Priester und Diakone standen - wie auf der gerade erlebten Beerdigung ebenfalls in den Farben der Freude - weiß. Dort hat ebenfalls eine Beerdigung stattgefunden - ein junger Lehrer der Universität ist von einem Zug erfasst worden. Er hinterlässt seine Frau und zwei Kinder. Hier bin ich aber genau zum Schluss eingetroffen, so dass ich nur noch die Trauergemeinde gesehen habe. Anschließend bin ich mit Andrej essen gegangen und habe dann den Weg zurück zum Wohnheim angetreten.
Heute am Tag der Heiligen Barbara ist es recht kalt hier und es ist etwas Schnee gefallen - beim Wohnheim und bei der Gemeinde "Hl. Märtyrerinnen Vera, Nadjeschda, Ljuba und Mutter Sofia" nur ganz wenig, dafür wurde im Innenstadtbereich schon fleißig Schnee geschoben. Nun hoffe ich, dass noch mehr Schnee fällt, so dass es für eine vernünftige Schneeballschlacht ausreicht. Gestern habe ich eine Mail eines Münsteraners Professors bekommen, mit dem ich ein paar Einzelheiten einer Hausarbeit abgesprochen habe, die ich gerne hier schreiben möchte - zumindest den Versuch wagen möchte. Seine Mail endet "mit guten Weihnachtswünschen ins ferne Moskau (wo aber immerhin die Weihnacht weiß sein dürfte)". Bis gestern habe ich da noch arg dran gezweifelt, weil es bis vor ein paar Tagen noch viel zu warm für solche Gedanken war. Doch heute sieht es zum Glück etwas anders aus und die Hoffnung bleibt. Und für den Notfall gibt es ja noch eine zweite Möglichkeit - genau 13 Tage später. Apropos Weihnachten: Bei einem Blick auf die Datumsanzeige meiner Uhr ist mir aufgefallen, dass ja heute in einer Woche Heilig Abend ist. Damit ist es nur noch etwas mehr als eine Woche hin, bis ich die ersten Freunde hier begrüßen darf - ich kann es vor Vorfreude kaum erwarten!
Donnerstag, 18. Dezember 2008
Ich habe heute Morgen etwas länger geschlafen, damit ich meine Halsschmerzen und Erkältung loswerde, die sich noch immer hartnäckig hält. Anschließend war ich recht lange im Internet und habe dann erst um kurz vor drei zu Mittag gegessen. Anschließend habe ich Valentina wieder Englisch-Nachhilfe gegeben, allerdings etwas mürrisch, weil ich da nach wie vor keine Lust habe, nur ein viel zu großes und mitleidiges Herz habe. Anschließend bin ich in die Vetschernaja gegangen, die heute groß angelegt und gut besucht war, da ja morgen das Patronatsfest der Fakultätskirche ist. Anschließend habe ich mich noch kurz mit Lena getroffen.
Freitag, 19. Dezember 2008 - Fest des Heiligen Nikolai
Mein erster Weg führte an diesem Morgen in die Göttliche Liturgie, weil heute das Patronatsfest in der Fakultätskirche anstand - es ist ein und derselbe Heilige Nikolaus, den Orthodoxe und Katholiken verehren. Nur dass er aus meiner (katholischen) Sicht ein wenig ungewöhnlich aussieht. So wird er in unserer Kirche zwar als Bischof dargestellt, aber z.B. nicht mit langem Bart und ohne Mitra - wobei eine Mitra in der orthodoxen Kirche noch einmal anders aussieht als in der Katholischen. So hat bekommt er ein ganz anderes Erscheinungsbild und ich wusste bis vor kurzem gar nicht, dass es der Nikolai - so der hiesige Name - ist, der bei uns die Geschenke bringt. Zum Glück kann ich ja mittlerweile immer besser die kirchenslawische Schrift lesen. Während der Liturgie bei der Beichte schäpperte und klirrte es plötzlich ganz laut. Ich weiß nicht viel, was passiert ist, aber angeblich soll ein Priester zusammengebrochen sein. Vom Geräuschpegel her muss er wenigstens einen Kerzenständer mitgerissen und auf eine Vase oder in eine Ikone gestürzt sein. Es klang zumindest schrecklich und die Kirche innehalten lassen. Später war dann der Sanitätsdienst da.
Noch während der Liturgie bin ich zu zwölf Uhr in die Stalowaja gegangen, um dort wie üblich freitags ein wenig zu arbeiten. Heute war es recht ruhig, da zunächst Plastikteller verwendet wurden und zudem nicht sehr viele Leute gegessen hatten. Wegen einer Trauerfeierlichkeit - eine Englischlehrerin ist verstorben - schloss die Stalowaja heute schon eine Stunde früher. Dennoch mussten die Tische gedeckt und vorbereitet werden und letztendlich habe ich dort noch bis halb fünf gearbeitet - und natürlich gegessen. Anschließend habe ich Bargeld abgehoben, da der Kurs momentan äußerst günstig steht. Liegt der Durchschnitt bei etwa 1:36, so lag der Kurs heute bei etwa 1:40, also wesentlich mehr. Vor ein paar Wochen noch am Beginn der Weltwirtschaftskrise bekam ich für einen Euro nur 34,56 Rubel. Jetzt weiß ich natürlich nicht, wie der Kurs morgen aussieht.
Anschließend habe ich noch kurz auf Mitglieder meiner Deutschgruppe gewartet, es ist aber keiner erschienen und so bin ich dann auch heimgefahren. Dort drückte mir die Administratorin auf dem Flur einen Abholschein für ein Paket oder Päckchen in die Hand. Nachdem ich Oleg gefragt habe, wo die Post ist und wir über die Wegbeschreibung eine unterschiedliche Meinung hatten, bin ich nach meiner Variante gelaufen und bin auch angekommen. Auf dem Postamt, das ganz im Stil der 70er-Jahre eingerichtet ist, wollte man mir die Sendung dann nicht ausliefern, weil mein Name nicht auf dem Abholschein steht, sondern nur der des Wohnheims und auch der soll nicht richtig sein. Ich weiß nur, dass es ein Paket sein soll, 89g wiegen soll und aus Deutschland kommen soll. Am Montag muss ich den Chef des Wohnheims um eine Abholgenehmigung und -Vollmacht bitten. Ich bin mal gespannt, was dann dabei herauskommt. Ich habe dann jedenfalls stinksauer den Rückweg angetreten - 15 Minuten Fußmarsch durch Wind und -5°C. Im Wohnheim habe ich dann durch Zufall festgestellt, dass ich vielleicht wieder Probleme mit meinem Geld haben werde, dass ich bei der Bank abgehoben habe. Ich habe einen 1000er-Schein dabei, der keinen Silberstreifen und zudem ein etwas anderes Bild hat. Ich hoffe nicht, dass ich da nun auch noch Schwierigkeiten mit bekomme.
Am Abend war ich wieder in der katholischen Kirche - zum vierten Advent. Nun ist also schon bald das katholische Weihnachtsfest. Es ist nunmehr nur noch eine halbe Woche. Bislang weiß ich von Lena, dass sie mitkommt in die Heilige Messe - und Juri Valerjewitsch. Zuvor habe ich noch einige Geschenke für meine engsten Freunde hier im Wohnheim und in der Fakultät gekauft, hatte dann aber keine Lust mehr, sie einzupacken.
Sonntag, 21. Dezember 2008
Als der Wecker um acht Uhr klingelte, habe ich nicht den Dreh bekommen aufzustehen und bin noch gute vierzig Minuten länger im warmen Bett liegen geblieben. Dementsprechend bin ich auch viel zu spät zur Göttlichen Liturgie angekommen - ich war erst zum Glaubensbekenntnis da. Um zwölf Uhr war ich in der Metro-Station mit Elena verabredet, die sich aber verspätet hatte. Dadurch ist es zu einer interessanten Begegnung bekommen: Auf mich kamen zwei Mädchen zu und eine fragte mich: "Wartest Du auf ein Mädchen?" Ich war in dem Moment so verdattert und sagte nur "Ja." und hatte damit auch schon einen Rosenstrauß in der Hand. "Sie wird sich sehr freuen", sagten die beiden und verschwanden ebenso schnell, wie ich wieder gekommen war. Da stand ich dann nun mit den Blumen in der Hand. Lena und ich haben dann beschlossen, sie bei den Märtyrern an der Gedenkstätte Butovo (Butawa) abzulegen, wo wir ja heute hinfahren wollten. Zu meiner Überraschung meinte sie, dass man dort auch vom Paveljetzker Bahnhof hinfahren könnte, nur eine andere Station wählen müsse. Meine Skepsis wurde nach der Ankunft dort voll bestätigt, von Birjuljevo aus kann man nämlich nicht Butovo erreichen. Dafür haben wir eine umso schönere orthodoxe Holzkirche gefunden, die von innen zwar alt, aber in ihrer Eigenart schön aussah und die mir sehr gefallen hat. Sie war eigentlich eingerahmt von Hochhäusern. Ringsum der Kirche war jedoch noch ein dichter Birkenwald, so dass dieser im Sommer wie eine kleine grüne Oase wirken muss. Auf dem Rückweg habe ich mir auf dem Markt beim Bahnhof noch warme Handschuhe gekauft, da ich sie heute das erste Mal wirklich benötigt habe - vor allem mit den Rosen in der Hand.
Auf der Rückfahrt nach Moskau haben wir beschlossen, dass ich sie der Matuschka schenke und uns natürlich vorgestellt, welche Reaktion das bei ihr hervorrufen könnte. Bei der Kirche angekommen, war sie jedoch am arbeiten, so dass wir sie nicht stören wollten. So habe ich die Blumen in die Kirche gelegt mit dem Hinweis an Anna Nikiforovna, dass sie für die Matuschka seien. Anschließend haben Elena und ich im Gemeindehaus gegessen - Matuschkas Kohlsuppe, die jedes Mal wieder anders, und doch lecker schmeckt. Wir haben noch Brot und Kartoffeln bekommen - die Kartoffeln habe ich nach der Akafist zu Bratkartoffeln verarbeitet. Ich hätte nur wissen müssen, dass Anna, die sie gekocht hat, vergessen hat genügend zu salzen. Dennoch schmeckten sie gut...
Am Abend habe ich dann allerdings noch selbst gekocht, da ich Hunger auf Nudeln und Tomatensoße hatte. Und trotz der Fastenzeit habe ich mir gegönnt, da Fleisch hereinzuschneiden. Dafür faste ich ja eifrig, was Fisch angeht, den es fast jeden Tag in der Mensa gibt. Für morgen ist noch ein großer Rest übrig geblieben. Nun wollte ich heute eigentlich vor zwölf im Bett verschwinden, aber eine Besprechung der Etage hat alles zunichte gemacht. Heute habe ich zudem gehört, dass wohl noch einige aus der Fakultät am Heiligen Abend in die katholische Kirche kommen wollen. Da bin ich mal sehr gespannt!
Weihnachtsgruß
Liebe Leser des Tagebuches, liebe Freunde, liebe Bekannte und alle, die hier mit Begeisterung lesen, die ich aber nicht kenne!
Ich wünsche allen von Herzen ein gesegnetes, friedliches und frohes Weihnachtsfest und einen fröhlichen Übergang in das neue Jahr 2009. Leider habe ich es nicht mehr ganz geschafft, allen einen persönlichen Gruß zu schreiben, weil das Kartenschreiben per Hand einfach viel zu viel Zeit in Anspruch genommen hat. Allen anderen möchte ich versuchen, in diesem Gruß gerecht zu werden. Seid Euch/Seien Sie sich sicher, dass es auch von Herzen kommt und dass ich bestimmt keinen vergessen habe. Es sind nunmehr nur noch vier Tage hin, und ich bin dann schon vier Monate hier in Russland. Es erreichen mich viele Grüße per Telefon von meinen Eltern und von meinem Bruder - hin und wieder auch in einer Mail. Gestern Abend waren es z. B. Grüße von vielen Oldersumern, der einer ehemaligen Klassenkameradin, meiner Friseurin oder des "Oldersumer Postbeamten" und vielen Mitgliedern der katholischen Kirchengemeinde. Dafür herzlichen Dank und natürlich hoffe ich, dass die Grüße auch zurückkommen. Viele fragen sich, wie ich denn bloß nach Russland gehen kann, um dort zu studieren. Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Zum einen ist es die Vorbereitung und Qualifizierung auf einen zukünftigen Beruf, um überhaupt eine Chance auf dem "Markt der Theologen" zu haben, wenn ich nicht gerade Priester werden möchte. Dann ist es aber auch die Liebe zu einem Land und zu einer christlichen Kirche, die sich nach einem Besuch in Irkutsk vor vier Jahren entwickelt und durch zahlreiche interessante Vorlesungen in der theologischen Fakultät der Universität in Münster entwickelt und entfaltet hat. Das Fach "Ökumenische Theologie" dort ist für mich nie Pflicht gewesen, sondern eigentlich so etwas wie ein Hobby, in das ich manches Mal zuviel Kraft gesteckt habe. Und oft habe ich bedauert, dass ich dort keine Prüfung ablegen muss, so wie in Philosophie, Kirchengeschichte usw., ich hätte noch nicht einmal dafür lernen müssen. Um all dieses hautnah zu erleben, zu vertiefen und zu erfahren habe ich zwei Jahre in Münster die russische Sprache gelernt - mit ebensolcher Begeisterung und dennoch war es vielleicht etwas zu wenig, habe ein Stipendium über den DAAD erhalten und konnte so, nach ebenso viel Arbeit bei einigen Unternehmen in Münster, Ende August die Reise nach Moskau antreten, in die Welt, die ich theoretisch schon oft in den Vorlesungen gehört habe. An dieser Stelle soll nun gesagt sein, dass ich mich gut eingelebt habe, gut von allen aufgenommen worden bin, sehr viel lerne und entdecke und ganz kurz gesagt eine glückliche und einmalige Zeit hier erlebe. Ich finde immer mehr Anschluss an eine orthodoxe Gemeinde hier, so dass ich auch das "normale" Kirchenleben erfahren kann, das sich vom Gemeindeleben der Fakultätskirche stark unterscheidet. Dort singe ich sogar regelmäßig im Chor - meistens ist es die Akafist - ein Gottesdienst für Heilige - am Sonntagnachmittag.
Nun muss ich aufpassen, dass ich hier nicht alles wiederhole, was sich auf diesen vielen Seiten findet, die ich hier mittlerweile an jedem Abend geschrieben habe - auch wenn sich eine Kurzzusammenfassung aus meiner Sicht fast nicht machen lässt. Und in ein paar Tagen wird so oder so wieder ein Resümee kommen, dem ich nicht zu weit vorgreifen möchte.
Schließlich fragt sich jetzt sicherlich der ein oder andere, wie ich Weihnachten hier verbringen werde. Es sieht bislang so aus, dass ich Heiligen Abend um 19 Uhr in die Katholische Kirche gehen werde zur Heiligen Messe und einige meiner besten Freunde mitkommen werden. Wobei es sich schon angekündigt hat, dass noch viele andere kommen werden. Anschließend werde ich vielleicht noch was Schönes kochen für meine Freunde im Wohnheim und dabei möchte ich dem ein oder anderen ein kleines Geschenk überreichen. Und vielleicht gehe ich am Donnerstag dann wiederum um 10 Uhr in die Kirche, um dann anschließend in der Uni zu Mittag zu essen, wo das Uni-Leben ja völlig normal weitergeht - mit Prüfungen. Und am 26. bekomme ich meinen ersten Besuch, auf den ich mich schon sehr freue und mit dem ich hoffentlich ein paar schöne Tage hier erleben kann! Und 13 Tage später werde ich dann mit den orthodoxen Christen das Weihnachtsfest feiern. Ich kann mich bislang nur noch nicht entscheiden, in welche Kirche ich dann gehen werde - es stehen so viele zur Auswahl.
So - ich will mich gleich aufmachen, um einerseits in der Mensa zu essen, dann ins Internet zu gehen und letztendlich werde ich noch ein wenig mit einer Bekannten Russisch lernen.
Mit warmen Grüßen aus dem recht kühlen Moskau
Andreas Brink
Montag, 22. Dezember 2008
Der erste Gang nach dem Aufstehen und Frühstück führte mich heute zur Administratorin, um die Formalitäten mit dem Paket zu klären. Die wollte das dann klären und sagte mir nur, dass ich mich gedulden solle - es könne abends werden oder morgen oder übermorgen früh. So bin ich dann in die Stadt gefahren, um im Internet meine Post abzufragen und ich muss gestehen, je mehr Weihnachtspost ich erhalte, umso schwermütiger werde ich. Dennoch freue ich mich über jeden Brief und jede Mail, die mich erreicht und lese sie oft zweimal. Nach dem Mittagessen in der Mensa habe ich zunächst ein paar Sachen kopieren lassen in der Kopierstube der Universität. Dort musste ich erst die technische Pause abwarten und dann noch einen anderen Kopierauftrag, den die Dame dort mit aller Gemütsruhe erledigt hat. So habe ich für 15 Kopien über eine halbe Stunde warten müssen. Bevor ich mich mit Olga zum Deutsch-Russisch-Tandem getroffen habe, habe ich im benachbarten Supermarkt noch Geschenkpapier gekauft - und ein Geo-Heft, in dem ich zufällig einen Artikel über Eisenbahn entdeckt habe. Nach dem Sprachtandem bin ich schnell zur katholischen Kirche gefahren, weil ich noch ein Geschenk vergessen hatte. Vom Weißrussischen Bahnhof, der auf dem Weg liegt, bin ich dann mit der Elektritschka zurück nach Pererwa gefahren. Als ich die Karte gekauft und in den Drehkreuzen entwertet habe, ist mir aufgefallen, dass mir die Schalterdame eine völlig falsche Fahrkarte verkauft hat - nach Fili. Ich weiß nicht, wo das liegt, nur die Preisstufe ist die gleiche. Auf dem Bahnsteig ist noch ein Verkaufsschalter, wo ich die Sache versucht habe, zu klären. Die beiden Damen dort waren freundlich, konnten mir aber auch nicht helfen, da der Zug kurz darauf abfuhr. Sie sagten mir, dass im Falle einer Kontrolle den Kontrolleuren die Sache schildern solle. Da war dann aber nicht der Fall.
Auf halber Strecke sind noch drei bekannte Studentinnen zugestiegen, mit denen ich mich im Zug noch prächtig unterhalten habe und so gar nicht dazu gekommen bin, den Artikel in der Zeitschrift weiter zu lesen. Ich war sehr überrascht, denn das meiste von dem Artikel habe ich verstanden - dieses Mal sogar viel mehr als nur den Kontext. Im Wohnheim angekommen bekam ich von den Dreien noch ein paar Apfelsinen in die Kapuze gesteckt und so bin ich als "Kiepenkerl" in meinem Zimmer angekommen. Auf dem Weg dorthin habe ich mich noch angemeldet und mir wurde ein Paket eines Freundes aus Lingen in die Hand gedrückt, über das ich mich sehr gefreut habe. Nun weiß ich nur nicht, ob es das Paket ist, das den Schein betraf. Dann sagte mir der Wachmann, der ebenfalls bei unserer "Empfangsdame" saß, dass für mich noch mehr Post da wäre, die ein anderer Student mitgenommen hätte. Die habe ich dann in seinem Zimmer abgeholt: Meine Münsteraner Vermieterin hat geschrieben, ein Freund aus Emden und mein Bruder. Mit den beiden ersten Briefen habe ich nicht gerechnet und mich sehr darüber gefreut. Vor allem der Brief aus Emden war sehr umfangreich - vier Seiten handgeschrieben, eine Postkarte aus der Heimat und ein Ostfriesenlied. Das war schon eine richtige Freude heute Abend! Mit dabei war auch ein Schein der Post, dass ein Paket bei der Post lagert. Das werde ich dann morgen abholen gehen. Ich hoffe nur, dass sie mir das aushändigen.
Den Abend habe ich dann also mit Briefe lesen verbracht und ich habe jede Menge Geschenke eingepackt und mich ein wenig auf das Weihnachtsfest vorbereitet. Nun hoffe ich, dass ich mit einigen Freunden einen schönen Abend verbringen darf.
Dienstag, 23. Dezember 2008
Wenn sich das Wetter nicht mehr radikal ändert, dann werden wir in Moskau wohl weiße Weihnacht haben! Das ist die gute Nachricht des heutigen Tages. Als ich heute morgen aufgestanden bin, da fiel schon etwas feiner Schnee und heute Abend konnte man dann von richtigem Schneefall sprechen. Als ich mich heute Abend noch schnell mit Wasser eingedeckt habe, bin ich durch den frischen Schnee gestapft - es knirschte herrlich unter den Schuhen und der Schnee glitzerte im Licht. Als ich im Wohnheim wieder angekommen bin, wurde ich von Dasha - eine neue Bekanntschaft - zu einer Schneeballschlacht herausgefordert, die wir aber abgebrochen haben, weil uns ohne Handschuhe zu kalt war und der Schnee überhaupt nicht pappte. Aber wie lange habe ich solch "trockenen" Schnee nun nicht mehr erlebt? Ich weiß es nicht. Von mir aus kann es die ganze Nacht durchschneien.
Direkt nach dem Aufstehen und Frühstück war ich bei der Post und habe das Paket meines Bruders abgeholt - dieses Mal hat alles ohne Probleme geklappt. Auch den obersten Wohnheimchef habe ich heute kurz gesehen und er sagte mir, dass ich morgen oder übermorgen das Paket, das noch aussteht, in Händen halten werde. Vielleicht schafft er es ja bis morgen noch, dann ist ja Heiligabend.
Den restlichen Tag habe ich ruhig angehen lassen, um meine Erkältung auskurieren zu können, die sich immer noch hartnäckig hält. Ich hoffe, dass ich sie bis zu meinem Besuch ausgestanden habe, bislang sieht es aber nicht so danach aus. Heute gehe ich recht früh schlafen und morgen früh werde ich mir auch keinen Wecker stellen. Heute Morgen habe ich mir, weil sich der Kopf immer mehr zusetzt, ein Medikament in der Apotheke gekauft, dass ich aus Deutschland kenne. Ich habe den Namen genannt und die Apothekenhelferin meinte, dass es das Medikament nicht geben würde. Direkt vor ihr lag aber eine Schreibtischunterlage mit eben dem Medikament, was ich suche. Als ich sie darauf hingewiesen habe, fing die gute Dame an, das Medikament zu suchen und hat mit Hilfe ihrer Kollegin so ziemlich jede Schublade der wirklich großen Apotheke durchwühlt. Das Resultat war letztendlich, dass die Packungen in einer Vitrine im Tresen zu finden waren. Ich habe dann mit einem Schmunzeln die Apotheke verlassen. Es ist eben doch wieder einmal typisch Russland.
Mittwoch, 24. Dezember 2008 - Heiligabend
Nun steht das große katholische Fest also unmittelbar vor der Türe und es müssen nur noch die letzten Vorbereitungen getroffen werden. Ich habe heute Morgen ausgeschlafen und bin erst gegen halb zehn aus den Federn gefallen. Dafür fühle ich mich heute schon ein wenig besser, aber immer noch erkältet. Draußen ist noch ein wenig Schnee gefallen, so dass wir jetzt etwa fünf Zentimeter Schnee haben - so hoch türmt es sich zumindest auf dem Geländer unseres windgeschützten Balkons der Küche. Gleich werde ich zur Universität fahren, dort essen, dann die restlichen Sachen kaufen für das Essen heute Abend und dann geht es mit vielen Freunden in die Geburtsmesse in die katholische Kirche. Und dann will ich noch mein Zimmer etwas vorbereiten für die Bescherung, die ich still und heimlich für meine Freunde geplant habe. Nun bin ich gespannt, was heute anders laufen wird, als ich plane.
Mit dem heutigen Tag fängt eine Zeit an, die von vielen Feiertagen geprägt ist: Weihnachten, Neujahr, Taufe des Herrn, Fest der Drei Heiligen Könige und natürlich auch das Fest des Hl. Stephanus, dem ersten Märtyrer. Fast gleichzeitig bin ich nun schon vier Monate in Russland - am Freitag wären es genau vier Monate. Es ist Zeit, wieder einen kleinen Blick auf die vergangene Adventszeit zu werfen. Bezüglich dieser würde ich sagen, dass es wieder eine intensive Zeit war, ohne den üblichen vorweihnachtlichen Rummel, der einen schnell vereinnahmt. Dieser hat ja schon im November aufgehört, nachdem alle Postkarten geschrieben und mit den Geschenken verschickt waren. Und in der Adventszeit hat für meine Kommilitonen auch die Prüfungszeit begonnnen, so dass ich mehr Zeit für mich hatte. So konnte da in diesem Jahr eine Zeit der tatsächlichen Vorbereitung auf das Weihnachtsfest werden: ich war oft in der Kirche - vor allem natürlich zu den orthodoxen Feiertagen, die gefeiert wurden. Dazu kam der Tod des Patriarchen, so dass ich in diesem Monat überdurchschnittlich oft in der Kirche war. Und abends habe ich es fast immer geschafft, in meinem Adventskalender zu lesen, den ich ja geschenkt bekommen habe und der mir ein wichtiger Begleiter geworden ist.
Sprachlich gesehen mache ich ebenfalls weiter kleine Fortschritte: Ich habe mir ja vorgestern ein Geo-Magazin gekauft und dort einen Artikel gelesen und so gut wie vollständig verstanden. Und auch im Gespräch mit Juri Valerjewitsch brauchte ich nicht mehr auf die englische Sprache ausweichen und selbst Nina in der Garderobe verstehe ich immer besser. Nun hoffe ich, dass das Verständnis nicht daher rührt, dass alle mit mir langsam sprechen und die Wörter kennen, die ich kenne. Und auch in der Göttlichen Liturgie verstehe ich immer, wobei dies immer noch sehr schwierig ist - dennoch geht mein Verstehen mittlerweile über "Herr, erbarme Dich", "Halleluja" usw. heraus. Es sind immer kleine Elemente, die sich hinzufügen. Nun habe ich mir ein für mich großes Projekt vorgenommen. Ich möchte gerne im nächsten Jahr eine exegetische Hausarbeit schreiben. Die Idee dazu hatte ich in einer Vorlesung unseres Neues-Testament-Professors Vater Alexej, der meinen Plänen spontan zugestimmt hat und auch von seinem Kollegen aus Münster habe ich die Zusage bekommen. Es wird sich um die Perikope (Bibelstelle) Mt 16, 13-20 handeln, also das Messiasbekenntnis des Petrus und die Antwort Jesu: "Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen...", zu dem es ja sehr unterschiedliche Verständnisse gibt. Nun bin ich sehr gespannt, zu welchen Ergebnissen ich kommen werde. Ich hoffe nur, dass ich sprachlich nicht scheitern werde.
Sonst bin ich nach wie vor froh, dass ich dieses Jahr in Russland erleben darf, bin aber gleichzeitig traurig, dass schon vier Monate vergangen sind. Sie kommen mir gar nicht wie vier Monate vor, sondern viel kürzer. Jeder Tag ist nach wie vor ein Erlebnis, wenn auch nicht mehr ganz so spannend wie in den ersten Tagen. Mittlerweile freue ich mich aber auch auf die Ferien, weil dann ins Wohnheim etwas Ruhe einkehren wird. So werde ich abends ruhig einschlafen können, ohne dass auf dem Flur Türen zugeknallt werden, meine Nachbarn werden dann nicht um halb zwei nachts anfangen, E-Gitarre zu spielen, die Toiletten und die Küche werden etwas sauberer sein und auch unsere Jüngsten werden nachts nicht mehr auf dem Flur herumtoben. Es ist nun nicht so, dass es mich völlig nervt, aber manchmal wünsche ich mir doch, es wäre anders. Ich denke dann oft an die Worte Vater Alexejs aus Kolomna zurück, der in einem Fünf-Bett-Zimmer im Klosterseminar geschlafen hat: "So lernt man, geduldig zu werden." Ich bin mir aber ebenso sicher, dass ich mich freue, wenn alle wieder da sind. Mit dem leeren Wohnheim habe ich indirekt den Sprung geschafft zu den Ferien. Was ich dann machen werde, weiß ich noch nicht sicher, da meine geplante Tour ins Altai-Gebirge geplatzt ist. Die Bekannte, die ich in Irkutsk kennen gelernt habe, hat zu der Zeit Prüfungsphase und wird dann nicht zu Hause sein. Vielleicht fahre ich nach St. Petersburg ins Priesterseminar oder suche mir eine andere Stadt mit einer katholischen Kirche aus, wo ich übernachten kann. In jedem Fall möchte ich ein wenig reisen, in jedem Fall aber auch die Festtage hier erleben. Ich bin nur etwas traurig, dass das mit der Altai-Tour nicht klappt. Es gibt zwar noch eine Einladung ins allertiefste Sibirien nach Jarkutsk, die ich gerne wahrnehmen möchte, aber leider nicht so viel Geld und Zeit habe. Aber das wäre schon eine feine Sache gewesen.
Dieser letzte Monat hat aber auch gezeigt, dass ich hier auch von meinen Gastgebern gut angenommen worden bin - der Höhepunkt in dieser Hinsicht war sicherlich das Fest des Heiligen Apostels Andreas, das gefeiert worden ist und das ich in er anschließenden Feier mit meinen orthodoxen Namensbrüdern Feier beim "deutschen" Namen genannt worden bin und das mir so viele Leute gratuliert haben. Ich kann dazu nur sagen, dass ich mich hier nach wie vor sehr, sehr wohl fühle - dies allerdings nicht nur in der Universität, sondern auch in "meiner" orthodoxen Gemeinde "Hl. Märtyrerinnen Vera, Nadjeschda, Ljuba und Mutter Sofia", wo ich meistens zweimal in der Woche vorbeischaue, im Chor singe oder sonst eine Kleinigkeit mache. Und dort wird das Singen im Chor auch immer besser, wenn es nach wie vor auch noch anstrengend ist. Allerdings schaffe ich es immer besser, eine eigene Stimme zu entwickeln und diese zu singen. Das hängt mit viel probieren zusammen, aber solange ich von der Matuschka nicht ausgeschimpft werde, ist es ganz gut.
Letztendlich soll in aller Kürze gesagt werden, dass ich mich wohl fühle, dass ich glücklich bin und dass sich keiner Sorgen um mich machen muss.
7.) Feier- und Festtage
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