Mittwoch, 31. Dezember 2008 - Silvester(?)
Den Vormittag habe ich zunächst mit Ausschlafen verbracht, weil die beiden Tage doch recht anstrengend, aber doppelt so schön gewesen sind und mit dem Schreiben des Tagebuchs und einigen Mails, die ich unbedingt verschickt haben wollte. Anschließend war ich dann im Internet, wo ich eine Flut von Mails erwartet habe, die aber zu meiner großen Verwunderung ausgeblieben ist. Lediglich die Bücher, die ich im Internet verkaufe, haben für Mails gesorgt, da die Verkaufszeit abgelaufen ist. Sie werde ich morgen erneut hereinstellen, da sich mit ihnen manchmal gutes Geld verdienen lässt. Natürlich habe ich auch wieder Nachrichten gelesen und habe ein besonderes Augenmerk auf Russland und die Finanzkrise geworfen, aber nichts gefunden. Zudem habe ich heute gesehen, dass die Kurse wieder gefallen sind. Daher habe ich dann auch noch einmal Geld abgehoben, nicht dass der Kurs wieder fällt. Bevor ich essen gehen wollte, wurde ich von Oleg, Dmitri, Andrej und anderen Bekannten zurückrufen - sie saßen ebenfalls dort, nur hinter einem anderen Pfeiler versteckt, so dass wir uns gegenseitig gar nicht bemerkt haben und feierten das Neujahrsfest. So habe ich mich dazugesetzt und ein Bierchen mitgetrunken und bin dann in die Mensa gefahren, wo ich gegessen habe - an für sich die Reste, die noch da waren. Dort wurde fleißig geputzt und gewienert, da morgen die Stalowaja geschlossen hat. Anschließend bin ich ins Wohnheim gefahren, wo so gut wie keiner war - alle Freunde sind zu Hause. Diejenigen, die da sind, werden auch nicht feiern, da das Neujahrsfest noch als kommunistisches Fest angesehen wird, wie mir Egor erzählt hat. Aus diesem Grund ist hier heute Abend überhaupt nichts los. Ein bisschen eigenartig ist das schon für mich. Im "nichtorthodoxen" Moskau knallt es schon ein wenig und die ersten Raketen werden in die Luft geschossen. Allerdings ist es nicht so wie in Deutschland, dass schon kurz nach dem Weihnachtsfest "angefangen wird zu üben", damit am eigentlichen Silvester auch alles gut läuft. Viel feiern könnten wir ohnehin nicht, da Vater Philip hier im Haus ist, so dass die Gefahr eines Verweises aus dem Wohnheim recht groß ist. So habe ich den Nachmittag und Abend damit verbracht, Mails zu beantworten - all das, was vor und nach Weihnachten liegen geblieben ist - und habe im Tagebuch weitergeschrieben und Fotos ergänzt, die ich am Vormittag vergessen hatte.
So ist aus diesem Tag nur in dem Sinne kein normaler Tag, weil das Wohnheim so gut wie ausgestorben ist. An dieser Stelle wünsche ich allen Lesern ein gutes neues Jahr, das Euch und Ihnen Gesundheit, Glück, Zuversicht und Gottes reichen Segen bringen möge. Beenden möchte ich dieses Jahr - jetzt ist es 23:44 Uhr - mit einem Gedicht, dass ich heute von einem "Baufinanzier" in einer Mail erhalten habe:
Das alte Jahr vergangen ist,
das neue Jahr beginnt.
Wir danken Gott zu dieser Frist.
Wohl uns das wir noch sind!
Wir seh`n auf`s alte Jahr zurück
und haben neuen Mut:
Ein neues Jahr, ein neues Glück.
Die Zeit ist immer gut.
Ein neues Jahr, ein neues Glück.
Wir ziehen froh hinein.
Und:
Vorwärts, vorwärts, nie zurück!
Soll unsre Losung sein.
Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874)
Donnerstag, 01. Januar 2009 - Neujahr
Die erste "Amtshandlung" an diesem Tag war, dass ich allen, die auf meiner Etage im Wohnheim waren, meine Neujahrswünsche gebracht habe und bei meinen Freunden, von denen ich wusste, dass sie zusammen feiern, kurz angerufen habe. Dort war die Freude sehr groß, als Marco am Telefon erstaunt "Bundi?!" rief. So habe ich noch mit jedem ein kurzes Wörtchen sprechen können - mehr saß nicht drin, weil das Guthaben auf dem Handy sonst dahin fließt.
Am heutigen Morgen bin ich um neun Uhr aufgestanden, habe in aller Seelenruhe gefrühstückt und dabei in dem Eisenbahnheft gelesen, dass Sonja und Ludwig mir mitgebracht haben - so etwas gibt es hier in Russland scheinbar nicht - nur einzelne Artikel, wie der im Geo-Heft. Auf dem Weg zur Elektritschka am frühen Nachmittag habe ich dann wieder den Zug gesehen, der die Schienen vom Schnee freipustet. Von einer solchen Konstruktion habe ich in bislang keinem Internetforum gehört oder gelesen. Ich finde es nur bemerkenswert, dass das Wägelchen von zwei jeweils sechsachsigen Diesellokomotiven bewegt wird.
Die Stadt war aufgrund des Feiertages heute so gut wie leergefegt, es waren genügend Plätze in der Elektritschka und in der Metro frei, es lief keiner im Weg herum und so war ich fast 15 Minuten schneller in der Stadt als sonst üblich ist. Erst habe ich eingekauft und dann habe ich im Internet mit meiner Familie telefoniert und ein paar Mails verschickt und neue beantwortet.
Als ich wieder zurück im Wohnheim war, wollte ich mir was zu Essen machen, doch sobald ich den Herd betätigte, sprang die Sicherung heraus. Lediglich eine Herdplatte habe ich flott bekommen. Zwischendurch kam der Computerprofi unserer Etage zu mir und wollte den LokSimulator ausprobieren, mit dem ich hin und wieder herumspiele. Und dann wollte er mir unbedingt seine "bessere" Version zeigen, von der ich aber noch lange nicht überzeugt bin. Ich denke, dass ich bei meinem alten bleibe! Sonst ist heute eigentlich nichts passiert.
Zum Jahresanfang sind einige Preise gestiegen. So kostet eine Fahrt mit der Elektritschka jetzt nicht mehr 9,50p. für Studenten, sondern 11,00p, auch die Metropreise sind drastisch angestiegen - um fast ein Drittel von 180p. auf 255p. Und auch die Stalowaja wird vom 10. Januar an ihre Preise um 20p. anheben. Auch das tägliche einkaufen scheint mir teurer geworden zu sein, zumindest habe ich heute kein Obst mehr unter 50p. je kg kaufen können. So gesehen fängt das Jahr 2009 überhaupt nicht lustig an, dennoch sind die Preise für den öffentlichen Personennahverkehr nicht übertrieben hoch, wenn man es an den Preisen der Deutschen Bahn AG misst, die auch ständig die Preise erhöht.
Heute hatte ich den ganzen Tag mal leichte, mal stärkere Kopfschmerzen. Ich scheine mich neu erkältet zu haben oder auf dem Wege dahin zu sein. Irgendwie möchte ich meine Erkältung so langsam mal ad acta legen!
Freitag, 02. Januar 2009
Heute morgen bin ich um etwa neun Uhr wach geworden und habe nach dem Frühstück noch mein Zimmer ein wenig aufgeräumt, bis ich dann um etwa elf Uhr zur Elektritschka gegangen bin, da ich ja den Küchendamen versprochen hatte, ab zwölf Uhr bei ihnen in der Küche zu werkeln. Auf dem Weg zur Elektritschka wehte ein scharfer und schneidender Wind bei einigen Minusgraden. Dafür schien heute den ganzen Tag die Sonne - mit dem Schnee eine wunderschöne Kombination!
Heute war in der Stalowaja so wenig zu tun, dass ich mich fast schon beschwert habe und so wurde ich zum Kartoffeln schälen in den Keller geschickt, wo ich dann etwa drei Stunden geschält habe. Dabei sind mir so einige interessante Gedanken für mein Studium gekommen und einen Fragebogen, den ich gerne entwickeln möchte. Bevor ich mich mit Andrej, Masha und ihrer Schwester zum deutsch sprechen getroffen habe, habe ich diese Gedanken noch aufgeschrieben - dabei sind mehr als zwei Seiten entstanden. Vielleicht sollte ich öfter mal Kartoffeln schälen - mal ganz alleine in der Stille sein ist recht produktiv und Ideen gebend. Nun hoffe ich, dass ich genügend Zeit und Ruhe finde, um den Bogen zu komplettieren und spruchreif zu machen.
Während ich in der Stalowaja vor der Arbeit gegessen habe, hat sich unsere Kassiererin mit mir unterhalten und wieder einmal versucht, mich zum orthodoxen Christen zu machen. Ich habe ihr versucht zu sagen, dass ich in jedem Fall Katholik bleibe und dass sie das langsam verstehen müsse. Es kommt zwar recht oft vor, dass ich auf das Thema angesprochen werde, aber bislang nur von Studenten oder Mitarbeitern der Universität - noch nie von einem Geistlichen. So gut es mir auch in der orthodoxen Kirche gefällt und ich mich mit deren Glauben gut identifizieren kann - an mir werden die sich die Zähne ausbeißen: Ich bleibe Katholik!
Bei dem Deutsch-Treffen wurde mir von Masha das Angebot gemacht, dass ich bei deren Familie übernachten nach der Weihnachtsliturgie in der Nacht schlafen darf - das habe ich natürlich zu gerne angenommen und mich sehr darüber gefreut. So werde ich das Weihnachtsfest also in der Universitätskirche St. Nicolai verbringen, wo ich mich jetzt schon sehr drauf freue! Es wird bestimmt eine lange, aber auch sehr schöne Nacht werden!
Als ich wieder zurück im Wohnheim war, habe ich aufs Thermometer geschaut, dass am Wachhäuschen hängt und mir vor ein paar Wochen gezeigt wurde. Es zeigte -9°C an - eine Temperatur, die ich keinesfalls gewöhnt bin. Dies hat sich heute insbesondere im Wind gezeigt, der so richtig schön im Gesicht geschnitten hat.
Zu Abend habe ich mit Stephan gegessen - er hat Nudeln gekocht und wir haben gemeinsam noch Zwiebeln und Möhren dazu gedünstet, so dass da aus eigentlich nix ein leckeres Essen geworden ist: Ich hatte die Zwiebeln, den Knoblauch und Öl und er hat irgendwo eine große Karotte gefunden.
Den Abend habe ich dann mit dem Neuverfassen des Anfangs der Weihnachtsgrüße an meine Kirchengemeinde in Oldersum verbracht, da der Brief immer noch nicht angekommen ist. Und da er doch halbwegs pünktlich verlesen werden soll, habe ich mir heute Abend noch einmal die Mühe gemacht und versucht, eine passende Einleitung und einen passenden Übergang zu finden. Nun werde ich dies alles morgen an meinen Bruder schicken, da ja vermutlich übermorgen das Fest der Drei Heiligen Könige verbracht wird.
Samstag, 03. Januar 2009
"Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst. Es trat ein Mensch auf, de von Gott gesandt war; sein Name war Johannes. Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht. Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit. Johannes legte Zeugnis ab für ihn und rief: Dieser war es, über den ich gesagt habe: Er, der nach mir kommt, ist mir voraus, weil er vor mir war. Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade. Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus Christus. Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht." (Joh 1,1-18 - Einheitsübersetzung)
Warum steht nun der Prolog des Johannes-Evangeliums direkt am Anfang dieses Tages? Ich war am heutigen Abend in der katholischen Kirche, es waren wenige Leute da, die Kirche war weihnachtlich geschmückt, es spielte die große Orgel und ich habe vor dem Kirchgang die Krippe vor der Kirche besucht, das neben der Krippe stehende Schaf, das so lieb über den Rand seines kleinen Geheges schaute, ausgiebig gestreichelt und gekrault bis es mich noch lieber angeschaut hat, draußen war es eiskalt und es lag Schnee draußen. Die Orgel spielte einige Weihnachtslieder, wie zum Beispiel zum Einzug "Engel auf den Feldern singen" und zur Kommunion "Stille Nacht, Heilige Nacht" und so war es für mich eine richtige heimelige Atmosphäre, die ich ganz genossen habe. Für mich kam heute völlig unerwartet das katholische Weihnachtsfest, das ich am 24. Dezember in der rumpeligen und lauten Abendmesse so vermisst habe! Und das Evangelium könnte man durchaus auch am Heiligen Abend lesen - gleich mit dem Hinweis auf das Ende dieses Kapitels - Kreschenije, also Taufe des Herrn, am 19. Dezember, da im Prolog des Johannes-Evangeliums ja auf Johannes den Täufer hingewiesen wird. Das war für mich selbst also die Überraschung des Tages!
Ansonsten war ich heute wieder einmal im Internet, habe aber vergessen das Tagebuch zu aktualisieren und wollte dann eigentlich erst in der Mensa essen. Ich habe mich dann aber kurzfristig anders entschieden und bin nach dem Broteinkauf nach Hause gefahren. Zumindest wollte ich dies. Der erste Zug in meine Richtung hielt nicht an der Station Pererwa, der zweite mögliche Zug ist ausgefallen und der dritte ist dann mit zehn Minuten Verspätung abgefahren. Die Wartezeit habe ich genutzt um eine Wurst in dem Supermarkt im Kursker Bahnhof zu kaufen. Ich habe gemerkt, dass die dort viel günstiger ist als bei den anderen Läden, wo ich sonst immer einkaufen gehe. Auf die Idee bin ich heute nur gekommen, weil der Laden in der Innenstadt keine Fleischwurst hatte. Ob ich nun eine Fleischwurst habe, weiß ich noch nicht, aber sie macht einen solchen Eindruck.
Eigentlich war das heute auch schon der Tag. Doch will ich noch von einer Sache erzählen, die mich hier jeden Tag aufs Neue fasziniert. Diese tiefen Temperaturen von derzeit etwa -10°C bin ich aus Ostfriesland ja nicht mehr gewöhnt und Schnee schon gar nicht. Nun fliegen mit dem ganzen Wind aber immer ganz kleine Eiskristalle durch die Gegend, die dann irgendwo bei mir landen. Sie sind so klein, dass sie beim anhauchen sofort verschwinden. Und was noch viel schöner und die Faszination daran ist: Sie sehen aus wie winzige kleine Sternchen. Nicht das ich das noch nicht gewusst hätte - aber ich habe es jetzt erst zum ersten Mal bewusst gesehen und ich betrachte sie unheimlich gerne.
Den Nachmittag habe ich im Übrigen damit verbracht, die Sachen zusammen zu suchen, die Ludger und seine Freunde schon mit nach Deutschland nehmen und meinem Vater an den Zug bringen können. Da sind doch schon so einige Sachen zusammengekommen und ich hoffe, dass sie alles mitbekommen können: CD's, Bettwäsche, Quittungen und noch so einiges mehr!
Sonntag, 04. Januar 2009
Am heutigen Morgen bin ich rechtzeitig aufgestanden, um pünktlich zur Göttlichen Liturgie zu kommen. Als ich in der Fakultätskirche ankam, war die Beichte wie gewohnt in vollem Gange und dauerte dann wesentlich länger als sonst üblich. Die Liturgie fing etwa eine Stunde später als üblich an - nämlich erst um 10:30 Uhr. Das brachte dann wieder meinen Zeitplan durcheinander - wollte ich mich doch um 12:30 Uhr mit Ludger und seinen Freunden treffen. So habe ich wieder den Schlussteil der Liturgie verpasst. In der "Beicht-Pause" habe ich mit Gisela gesprochen und ihr das Buch zurück gegeben, dass ich für die Hausarbeit nutzen möchte und dementsprechend die wichtigen Seiten kopiert habe. Sie hat vorsichtshalber den Rektor der Universität gefragt, ob ich Vladimir Solovjov auch tatsächlich lesen darf und sie hat seine Zustimmung dazu erhalten. So werde ich nun wohl auf der rechten Seite sein. In der Liturgie habe ich ebenfalls die Schwester von Masha getroffen, die mir einen Zettel von ihr gegeben hat. Sie hat für mich einen Buchladen gefunden, wo ich ein Deutsch-Russisches und Russisch-deutsches Wörterbuch christlicher Lexik kaufen kann, dann hat sie eine Seite über ein mögliches Reiseziel ausgesucht, nämlich Neu-Jerusalem bei Moskau, die Übernachtung für die Weihnachtsnacht in ihrer Familie geregelt und zudem ein Eisenbahnmuseum ausfindig gemacht. So viel Hilfe auf einmal - das werde ich alles in Ruhe auswerten müssen!
Nachdem Essen in der Mensa, dass Christian, Ludger und Fabian gut geschmeckt hat und dementsprechend gelobt wurde, haben Stephan, Dmitri und ich den dreien die Universität gezeigt und sind dann zusammen mit Shenia zum Roten Platz gegangen. Aus irgendeinem Grund haben wir noch einen Umweg gemacht und sind bei der Tretjakovskaja Galerie vorbei durch einen kleinen Park zu einer Brücke gegangen, die über die Moskau führt. Von dort hatten wir einen herrlichen Ausblick auf den Kreml, der in der untergehenden Sonne glänzte. Im Museum selbst hat Stephan für alle Studentenkarten besorgt - auch für Ludger, Fabian und Christian, was uns alle etwas erstaunt hat. Im Museum selbst hat sich die ganze Gruppe verlaufen, so dass ich die meiste Zeit alleine mit Shenia durchs Museum getrödelt bin. Zum Schluss waren dann aber alle auf einmal wieder zusammen und die Zeit des Abschieds war gekommen. Ich sehe die drei ja morgen wieder und werde sie zum Flughafen Domodedovo bringen und denen ein paar Sachen mit auf den Weg geben.
Den Abend habe ich mit Oleg, Dmitri und Stephan verbracht: Wir haben Nudeln mit Zwiebeln und Salat gemacht und dann gegessen und eine Flasche Bier dazu getrunken. So habe ich einen tollen Tag im Kreise vieler Freunde und Bekannter verbracht. Vorm ins Bett gehen habe ich noch mit meiner Mutter telefoniert und das Neueste aus dem gelobten Land (also meine Heimat Ostfriesland) erfahren. Aber wieder einmal auch das Wetter aus Moskau - sie hört ja jeden Tag den Europa-Wetterbericht im Radio. Gemeldet für Moskau wurden -15°C - bei uns auf dem Thermometer im Wohnheim waren es aber lediglich -8°C am Morgen und -12°C am Abend mit Schneefall. Aber auch Ludger sprach von mehr - im Innenstadtbereich. So denke ich, dass wir hier, wo es etwas "luftiger" ist, gut und gerne in Richtung -20°C tendieren, kann es aber nicht mit Sicherheit sagen. Aber ohne Mütze und Schal läuft hier gar nichts mehr.
Montag, 05. Januar 2009
Der Tag begann schon recht früh, dafür dass ich eigentlich Ferien habe. Ich hatte aber ja versprochen, Ludger und seine Truppe zum Flughafen zu geleiten. So war ich um kurz vor acht Uhr am Paveljetzker Bahnhof. Und dann kam kurz darauf der Anruf, dass es Probleme mit dem Pass gäbe und dass die drei erst um neun Uhr im Bahnhof aufschlagen würden. So habe ich schon in Ruhe die Tickets gekauft und habe mich dann zu den anderen Wartenden gesetzt. Um punkt neun kamen sie dann auch, nur war der Zug da schon abgefahren und so mussten wir eine Stunde auf den nächsten warten. Diese Zeit haben wir zum erzählen genutzt und vor allem um meine Sachen für die Heimat auf die Taschen zu verteilen. So bin ich dank derer meine Bettwäsche, meine CD's, eine Christbaumkugel, etwas Post und anderen Kleinkram schon losgeworden. Auch wenn die Koffer am Flughafen mehr Gewicht angezeigt haben als die Maximalmenge vorgibt, so wurde von der Fluggesellschaft alles akzeptiert. Da hatte ich selbst nicht mit gerechnet, dass ich denen alles hätte mitgeben können und war dementsprechend froh darüber, ohne Rucksack heimfahren zu können.
Zurück in Moskau hatte ich noch etwas mehr als eine Stunde Zeit bis zum Treffen mit Lena und habe diese genutzt, um in ein orthodoxes Buchgeschäft zu fahren und dort ein christliches Wörterbuch Deutsch-Russisch und umgekehrt zu kaufen. Masha hatte mir den Tipp gegeben und für mich im Internet nachgeforscht. Es hat nur 90 Rubel gekostet - ein gutes Buch für wenig Geld.
In der Stalowaja war heute recht viel Betrieb - das lag daran, dass heute noch ein paar Prüfungen stattgefunden haben. Dort habe ich auch Lena getroffen und ein paar andere getroffen und gemeinsam miteinander gesprochen. Den anschließenden Weg zur Metro-Station habe ich mit der Garderobendame Nina und einer Kommilitonin, deren Namen ich vergessen habe, bestritten. Erstere hat sich bei mir untergehakt, ihre beiden Taschen der Kommilitonin in die Hand gedrückt und hat uns eine Geschichte erzählt. Es muss lustig ausgeschaut haben - zwei Studenten mit einer lustigen Babuschka im Arm...
Heute habe ich auch bei Marcus Nowotny angerufen, den ich im katholischen Priesterseminar in St. Petersburg vermutet habe, aber in Deutschland ist, und ihn gefragt, ob ich in der Einrichtung für ein paar Tage schlafen könne und habe eine Zusage bekommen! So werde ich am kommenden Montag nach St. Petersburg fahren und dort ein paar Tage bleiben! Nun habe ich heute geschaut, welche Route ich fahren werde und dabei entdeckt, dass man leicht mit der Elektritschka dort ans Meer fahren kann. Und genau das möchte ich dort auch an einem der Tage dort machen - endlich wieder Seeluft atmen! Die Unterkunft dort bekomme ich dort übrigens für eine kleine Spende zur Verfügung gestellt - so dass ich hoffentlich ein paar günstige Tage dort erleben werde. Und am kommenden Freitag werde ich mit Elena nach Neu-Jerusalem fahren - einem Kloster in der Nähe von Moskau, das sehr schön sein soll. Nun ist also die Prüfungszeit vorbei und ich bekomme wieder viele interessante Angebote für Ausflüge und Museumsbesuche gemacht. Nur weiß ich noch nicht, wie das noch mit der Fahrt nach Rostow klappen soll, da hatte mich ja ein Student eingeladen, da ist fast keine Zeit mehr für vorhanden. Und heute Abend hat mich ein anderer Student nach Jaroslawl und Vladimir eingeladen - das haben wir aber auf spätere Zeit verschoben. Nun sind die Ferien so gut wie verplant.
Gerade habe ich mich informiert, wie orthodoxe Familien das Weihnachtsfest begehen werden. Eine richtige Antwort wusste keiner - ein Sache war aber eindeutig: Ich fahre dort morgen nicht ohne ein Geschenk hin! So werde ich dort im Notfall nicht ohne sitzen! Von Elena habe ich heute ein Geschenk bekommen, das ich gleich überall herumgezeigt habe: Einen Gürtel, den eigentlich orthodoxe Mönche tragen. Dort ist folgender Text auf kirchenslawischer Schrift eingeprägt:
Wer im Schutz des Höchsten wohnt und ruht im Schatten des Allmächtigen, der sagt zum Herrn: "Du bist für mich Zuflucht und Burg, mein Gott, dem ich vertraue." Er rettet dich aus der Schlinge des Jägers und aus allem Verderben. Er beschirmt dich mit seinen Flügeln, unter seinen Schwingen findest du Zuflucht, Schild und Schutz ist dir seine Treue. Du brauchst dich vor dem Schrecken der Nacht nicht zu fürchten, noch vor dem Pfeil, der am Tag dahinfliegt, vor der Seuche, die wütet am Mittag. Fallen auch tausend zu deiner Seite, dir zur Rechten zehnmal tausend, so wird es doch dich nicht treffen. Ja, du wirst sehen mit eigenen Augen, wirst zuschauen, wie den Frevlern vergolten wird. Denn der Herr ist deine Zuflucht, du hast dir den Höchsten als Schutz erwählt. Dir begegnet kein Unheil, kein Unglück naht deinem Zelt. Denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen. Sie tragen dich auf ihren Händen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt, du schreitest über Löwen und Nattern, trittst auf Löwen und Drachen. Weil er an mir hängt, will ich ihn retten, ich will ihn schützen, denn er kennt meinen Namen. Wenn er mich anruft, dann will ich ihn erhöhen. Ich bin bei ihm in der Not, befreie ihn und bringe ihn zu Ehren. Ich sättige ihn mit langem Leben und lasse ihn schauen mein Heil. (Psalm 91)
Dienstag, 06. Januar 2009 - Heiliger Abend
Den Handy-Wecker hatte ich mir nicht gestellt, so dass ich um kurz nach neun erst aus den Federn gefallen bin und nach der Erledigung von jeder Menge Kleinkram bin ich zum Mittagessen, einkaufen und Post verschicken in die Stadt gefahren. Da im Moment noch Ferien sind, ist die Stadt noch angenehm leer - noch etwas weniger als am Wochenende. Den Hang zur Flucht aus der Stadt kann ich gut nachvollziehen. Aber wenn kaum einer mehr da ist, gefällt mir das Leben hier auch ganz gut. Das wird sich aber voraussichtlich in der nächsten Woche schon wieder ändern, wenn die Schule wieder anfängt. In der Garderobe war Feofina gerade damit fertig geworden, einen Weihnachtsbaum zu schmücken. Es ist der erste Weihnachtsbaum in Moskau, der mir richtig gut gefällt. Es hängt ein Windlicht an einem Ast, die Zweige sind mit Rosen, Chrysanthemen, Watte und spiralförmigen Schleifenpapier geschmückt. Eine "Jolka" - so heißt der Weihnachtsbaum hier - ganz ohne Glanz und Glitter. Nach dem Essen habe ich mich mit Elena am Bahnhof getroffen, wir haben Fahrkarten für unsere geplante Tour nach St. Petersburg gekauft. Für den Montag und Dienstag gab es leider keine Fahrkarten mehr, so dass wir schon am Sonntag fahren werden. Nun hoffe ich nur, dass wir dann schon im Priesterseminar wohnen können. Für den Freitag war die Rückfahrt überhaupt kein Problem. Was Zugfahrten angeht, scheint man tatsächlich früh planen zu müssen - völlig untypisch für russische Verhältnisse.
Wie ein paar Tage vorher schon habe ich lange auf den Zug zum Wohnheim warten müssen - zwischen 14 und 15 Uhr fährt nicht viel. Ein Zug, der sonst verkehrt, wurde wegen der Ferien gestrichen. Den Nachmittag habe ich in alle Ruhe verbracht, ein wenig Musik gehört, etwas geschlafen und mich dann auf das Weihnachtsfest vorbereitet, das ja heute Abend in der orthodoxen Kirche begangen wird und auf das ich mich schon sehr freue, aber auch gespannt bin, wie lange ich das durchhalten werde! So werde ich gleich meine Sachen bei Masha's Familie vorbeibringen und dann geht es um 20:30 Uhr los, um Mitternacht ist dann die Göttliche Liturgie des Heiligen Basilius dem Großen, die dann noch einmal etwa zwei bis drei Stunden dauern wird.
Auf dem Weg zur Stalowaja hatte ich heute großes Glück: Auf dem Gehweg habe ich einen 500-Rubel-Schein gefunden, den ich sofort an sicherer Stelle in meinem Portemonnaie aufbewahrt habe. Es liegt viel Geld hier auf der Straße, wenn man es aber umrechnet in Euro, dann kommt da nicht viel bei herum. Dennoch lohnt es sich hin und wieder, wachsam des Weges zu gehen. Manchmal ist es auch ein Zehn-Rubel-Schein.
Um Punkt acht Uhr war ich dann bei meinen Gastgebern, habe meine Sachen dort abgelegt, Mashas Bruder noch mehrmals gesagt, dass er die Luftmatratze nicht weiter saubermachen müsse und bin dann zur Fakultätskirche gegangen, die nur einen Katzensprung entfernt ist. Zunächst wurde die Vetschernaja begangen, die mit dem gemeinsamen Lied, das wir auch immer am Anfang der Vorlesungen singen5, anfing. Am Ende wurde das Ölkreuz wieder ausgeteilt - vor der Weihnachtsikone. Ich bin nicht nach vorne gegangen, da der Andrang zu groß war, sondern bin zur Weihnachtsikone gegangen, die an anderer Stelle in der Kirche hängt. Vater Alexej, mein Professor für das Neue Testament lächelte, als er mich sah und sagte "S Prasnikom!", also ein Festtagsgruß, der übersetzt "Zum Fest" lautet. Bevor die Liturgie begann, wurden noch einige Gebete der Priester und Diakone vor der Ikonostase gebetet - aber alle ohne liturgische Gewänder.
Deine Geburt, Christe, unser Gott, ließ erstrahlen das Licht der Erkenntnis, denn bei ihr wurden die Anbeter der Gestirne von einem Sterne belehrt, die Anzubeten als die Sonne der Gerechtigkeit und Dich zu erkennen als den Aufgang aus der Höhe. Herr, Ehre sei Dir. (Troparion 4. Ton)
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