Sonntag, 12. April 2009 - Ostern (kath.) und Palmsonntag (orth.)
Christus ist auferstanden!
(15:15 Uhr) Der heutige Tag begann um 7:45 Uhr mit einem Oster(-fasten-)frühstück und anschließend sind wir, also Bischof Clemens, Ilja und ich, nach Marx gefahren in die Gemeinde, in der Bischof Clemens vor seinem Bischofsamt eingesetzt war. Die Fahrt dorthin war sehr interessant, zumal wir über die große Wolgabrücke gefahren sind. Die war schon sehr imposant zu überfahren. Die Fahrbahn ist zwar recht buckelig, aber die Aussicht prima. Und erst dann wird einem die Größe des Flusses bewusst. Auf der anderen Seite der Wolga liegt Engels und als wir Engels durchfahren hatten, konnte ich das "Wiesenufer" der Wolga betrachten: Es ist eine Landschaft, die Ostfriesland ein wenig gleicht, weil es total flach ist, es gibt Felder und Wiesen, kaum Bäume und es wehte in kalter Wind. Auf halber Strecke bremste Bischof Clemens auf einmal ab, wendete und fuhr zu einer Kreuzung zurück, um ein Foto von einem Straßenschild zu machen: Es zeigte an, dass der Weg nach Engels nach links abgeht und der nach Marx nach rechts. Ein Schelm ist, wer politisch denkt - radikal derjenige, der mit ein oder zwei Schüssen aus der Schrotflinte das Schild zerbeult hat. Auf der weiteren Fahrt sind wir an einigen Orten vorbeigekommen, die deutsche Namen tragen: ein Beispiel ist Krassnij Jar, das übersetzt Schönfeld heißt und über einen Fluss mit dem Namen Лизль - also "Liesl". Im Ortseingang von Marx konnte man schon gut den hohen Kirchturm der Gemeinde sehen - es is die erste katholische Kirche gewesen, die seit 1917 in Russland geweiht worden ist. Die Baugrube hat noch der heutige Bischof von Novosibirsk Joseph Werth ausgehoben, den Rest hat der damalige Pfarrer Bischof Clemens erledigt. Das Ergebnis ist eine sehr schöne und helle Kirche und gegenüber von Saratov ist es eine große Kirche. Zunächst haben wir beim Pfarrer dort Tee und Kaffee getrunken und zehn Uhr fing dann die Heilige Messe an. Auch hier bin ich recht leicht in die Gemeinde gekommen. Anschließend habe ich erst Vater Marcus und Ilja beim musizieren zugehört - Vater Marcus am Schlagzeug und Ilja an der Gitarre. Dann hat mich Bischof Clemens gerufen und wir sind im Auto ein wenig durch den Ort gefahren und so habe ich Marx kennen gelernt. Er hat mir die evangelische und orthodoxe Kirche gezeigt. Erstere hat eine große Kirche mitten im Stadtzentrum und die Orthodoxen haben eine alte Schule völlig umgestaltet, so dass sie als solche nicht mehr zu erkennen ist. Die Schule hat sogar einen Glockenturm und eine Kuppel bekommen. Wir waren auch am Wolgaufer - an einer Stelle, wo bis vor einigen Wochen noch Lastwagen und Autos über das Eis gefahren sind. Früher war es so, dass einige Gemeindemitglieder nur im Winter zur Kirche kommen konnten - wenn die Wolga zugefroren war. Das andere Ufer sieht recht nahe aus - dadurch, dass es aber sehr hoch ist, wirkt es nur so - in Wirklichkeit ist es mehr als vier Kilometer entfernt. Zum Schluss sind wir noch zu einer alten Frau gefahren - eine, die noch deutsch spricht. Als wir klingelten haben, war die Familie gerade am essen und sofort wurden uns Teller, Besteck und Gläser dazugestellt. So haben wir einen kleinen Happen mitgegessen, uns kurz unterhalten und mussten dann schon wieder aufbrechen. Die Tochter der Frau hat die ganze Nacht gekocht - allerdings ein orthodoxes Fastenessen, das überwiegend aus Fisch bestand, weil die orthodoxen Nachbarn noch zu Gast kommen wollten. "Richtig" zu Mittag haben wir dann bei den Marxer Schwestern gegessen und hier habe ich das Fasten kurz gebrochen. In der Suppe waren Fleischklöße, von denen ich dann drei gegessen habe. Da ich mich aber als Reisenden gezählt habe, war es allenfalls ein halbes Fastenbrechen. Und auch der Kuchen anschließend zähle ich unter die Kategorie "für die Reisenden zu Lande, zu Wasser und in der Luft", wie es in einigen Ektenien der Liturgie heißt.
Anschließend herrschte etwas Mittagsruhe und ich habe draußen in der Sonne das Tagebuch für gestern und für heute geschrieben und mich ein wenig mit dem sehr verspielten und jungen Wachhund "Kommissar" Rex gespielt - und den ersten Schmetterling des Jahres gesehen: einen Zitronenfalter! Kurz nach vier kam Bischof Clemens und wir haben uns voneinander verabschiedet und der Allroundgehilfe Karen hat mich dann zum Bahnhof nach Saratov gebracht. Ich wollte eigentlich Masha und Tanja auf dem Handy anrufen, doch ich hatte wohl zu wenig Guthaben - zumindest zeigte es einen Minusbetrag von mehr als 90 Rubel an. Wieso hat keiner von uns verstanden. Nachdem es aufgeladen war, konnte ich dann auch meine Eltern anrufen, die bei Oma zu Gast waren. So konnte ich ihr dann auch gleich ein frohes Osterfest wünschen. Letztlich haben wir die beiden am Prospekt Kirov aufgelesen. Nachdem ich noch geschaut habe, welche Lokomotive uns die erste Etappe nach Moskau bringen sollte, sind wir in den Zug eingestiegen. Kurz nachdem wir saßen - wir haben uns auf Deutsch unterhalten - sprach uns ein älteres Ehepaar an: Sie waren Wolgadeutsche und sind vor zehn Jahren nach Deutschland ausgewandert. Wir haben uns sehr nett miteinander unterhalten. Mit dabei saß und sich mit uns unterhaltend noch ein junger Mann, den man in Bayern mit Sicherheit "Geschaftlhuber" oder "Gscheitschmatzer" nennen würde: Er diskutierte und redete von Themen, von denen er eigentlich keine Ahnung hatte. Das Ehepaar kannte sogar den Bischof Clemens Pickel, allerdings noch als Priester, als er bei einer Gruppe Russlanddeutscher vor dem Kirchenbau in Saratov die Heilige Messe gefeiert hat. Bischof Clemens hat mir als Ostergeschenk sein Buch "Ein Deutscher - Bischof in Russland. Einblicke und Ausblicke"7 geschenkt, das der Mann des Ehepaares nun scheinbar mit Begeisterung liest. Es ist wie ein Tagebuch aufgemacht - es sind aber Briefe, die er geschrieben hat und in denen er von seinen Erfahrungen berichtet. Ich habe schon selbst ein Kapitel angelesen und es scheint mir, als wenn ich das Buch mit viel Freude und mit dem Blick auf das Selbsterlebte in Moskau lesen werde. Gerade eben haben wir an einer Station angehalten, wo uns eine große, dröhnende und rumpelnde Diesellok vorgespannt wurde und die Elektrolokomotiven nun wohl schlafen gehen wird. Laut Anfrage wird die Lokomotive bei einem Fahrtrichtungswechsel in der Nacht wohl noch einmal getauscht. Kurz vor elf bin ich dann nach oben ins Bett geklettert und gekrabbelt. Es ist gar nicht so einfach für einen so großen Menschen wie ich es bin, dorthin zu gelangen, zumal dort nur 50cm zwischen Gepäckablage und Pritsche sind.
Montag, 13. April 2009 - Ostermontag (kath.)
(9:30 morgens:) Nun beginnt heute die letzte Fastenwoche, die zugleich wieder eine Strenge ist. Die letzte Nacht habe schlecht geschlafen auf der harten Pritsche, da ich immer mit den Beckenknochen hart gelegen habe. Zudem konnte ich die Beine nicht ausstrecken, da sie sonst weit über die Hälfte in den Gang hineingeragt hätten. Alles in allem war ich oft wach und habe schlecht geschlafen. Manchmal, wenn ich aus dem Fenster geschaut habe, konnte ich Felder sehen, die abgebrannt wurden. So waren manchmal im Dunkeln kleine Feuerstreifen zu sehen. So war ich ab sieben Uhr wach und bin kurz vor acht aufgestanden. Wir haben dann gemeinsam gefrühstückt und den Tee des Zuges getrunken - die Teebeutel trugen das Logo der russischen Eisenbahngesellschaft.
Jetzt am Abend bin ich für nichts mehr zu gebrauchen! Die unruhige Nacht und der Mittagsschlaf, den ich mir nicht gegönnt habe, zeigen Wirkung. Den Tag über habe ich am Tagebuch gearbeitet, kurz in meine Mails hineingeschaut und die Deutschstunde für morgen vorbereitet. Und am Abend war ich noch im Gottesdienst, der glücklicherweise nicht so lange gedauert hat. Im Zug auf der Fahrt ins Wohnheim habe ich noch ein wenig im Buch vom Bischof Clemens gelesen - es ist ein Buch voller Faszination und man kann einfach alles drum herum vergessen!
Ostergruß
Liebe Leser und Leserinnen des Tagebuches!
Christus ist auferstanden! So lautet der Osterruf sowohl in der Russisch-orthodoxen Kirche als auch in der katholischen Kirche, auf den üblicherweise mit "Er ist wahrhaft auferstanden!" geantwortet wird. Nun habe ich das katholische Osterfest in zwei sehr guten Gemeinden in Saratov und Marx erleben dürfen - ich bin dafür ja extra aus Moskau geflüchtet und habe es trotz der recht anstrengenden Zugfahrten noch keineswegs bereut! Es waren einfach wunderbare Tage. Nun haben mich die orthodoxe Fastenzeit und auch der Stress wieder - ich will die Hausarbeit bis Ende April fertig geschrieben haben - es bleibt mir nur noch sehr, sehr wenig Zeit übrig. Jetzt in der letzten großen Fastenwoche gibt es noch jede Menge teils recht lange Gottesdienste - morgens und abends, die auf das orthodoxe Osterfest vorbereiten.
Wie viele aus dem Tagebuch herauslesen können, geht es mir nach wie vor sehr, sehr gut und ich bin, wie ich schon so oft geschrieben habe, manchmal sehr traurig, dass die Zeit so schnell vorübergeht. Da kommt einem die Zeit bis Ende Juni sehr kurz vor - auch wenn zweieinhalb Monate noch so kurz klingen mögen. Sie werden wie im Flug vergehen: Am 30. April kommen zwei Freunde aus Münster, dann zu meinem Geburtstag meine Eltern, die dann bis zum 17. Mai bleiben. Und dann möchte ich noch nach hier und da Ausflüge machen und schon ist die Zeit vorbei. Ende Juni werde ich definitiv fliegen müssen, dann die Wohnung einräumen, ab Mitte Juli bei der Müllabfuhr arbeiten, dann zwei sehr wichtige Prüfungen vorbereiten, durch die ich keineswegs durchfallen darf, weil ich sonst noch ein Semester dranhängen muss, im Oktober nach dem Prüfungen bekomme ich sehr wahrscheinlich Besuch aus Moskau, ... Das Jahr ist eigentlich durchgeplant.
Nun hoffe ich, dass alle von Euch und Ihnen ein so schönes Osterfest erleben durften, wie ich es in Saratov und Marx - es war ein Segen und Balsam für die Seele. Es war für mich in dieser schnell vergehenden Zeit wie eine kleine Insel der Ruhe, raus aus Moskau, in den Dörfern frische Luft atmen, Stille erleben und erfahren und einfach mal ein paar Tage die Seele baumeln lassen. Das war das größte und schönste (katholische) Ostergeschenk, dass ich erfahren konnte. Dazu kommt noch, dass Natur und Christus scheinbar gemeinsam wieder auferstehen. Es wird langsam grün, die ersten Blumen stecken die Köpfe aus der Erde und die Bäume haben Knospen! Und es wird wieder wärmer draußen - in der Sonne ist es schon richtig schön warm!
Nun soll der Ostergruß nicht länger werden, weil ich ja so oder so berichtet habe und berichten werde - und einfach noch so viel anderes zu tun habe. Ich danke allen von ganzem Herzen, die mich in welcher Weise auch immer durchs Studium, durch meine Zeit in Russland und durchs Tagebuch begleiten!
Es grüßt Euch und Sie ganz herzlich aus Russland
Andreas Brink
Dienstag, 14. April 2009
Heute bin ich um acht Uhr aufgestanden - auch wenn mir etwas mehr Schlaf noch gut getan hätte. Doch ich habe noch Wäsche gewaschen und wollte mich dann eigentlich erst an die Hausarbeit setzen. Doch dann habe ich mich auf die kurze "Internetsitzung" vorbereitet und angefangen, einen Ostergruß zu schreiben. Zum katholischen Osterfest bin ich kaum dazu gekommen, Karten zu schreiben und auch mit den Mails ist es so eine Sache. Es fehlt einfach hinten und vorne die Zeit, trotzdem versuche ich, möglichst rational und zeitsparend zu denken und zu arbeiten. Dieses Problem prägte auch den ganzen Morgen bis zum Mittagessen und bis kurz danach. Gegen elf Uhr bin ich mit dem Zug in die Stadt gefahren und hatte - jetzt geht es wieder um Zeit - nur 20 Minuten, um kurz die Nachrichten zu lesen, die Homepage zu erneuern, Mails zu verschicken und zu empfangen und letztlich das Virenprogramm zu aktualisieren. Um punkt halb eins war ich dann in der Stalowaja - anschließend um ein Uhr sollte dann Chorprobe sein. Um halb zwei war Vater Alexej immer noch nicht da und da ich noch gerne an der Hausarbeit weiterbasteln wollte, bin ich zu Masha gegangen, um mein Projekt dort weiter zu verfolgen. Zunächst habe ich fix mit Masha Pizzabrote gemacht, dann kurz gegessen und einige Gardinen aufgehängt - es steht der traditionelle Hausputz vor Ostern an. Dabei hat mir Masha den griechischen Text der Perikope abgetippt und anschließend habe ich Kolja und Sergej unterrichtet. Den Abend habe ich dann bis 22 Uhr mit der Hausarbeit verbracht und noch einiges zustande bekommen: Einerseits habe ich es geschafft, die Bibelstelle aufzudröseln und in Kleinabschnitte zu teilen und dann habe ich mit der Textabgrenzung angefangen - also Indizien für einen logischen Anfang meines Evangelientextes zu finden. Ich werde nun wieder bei Masha übernachten, da ich morgen um sieben Uhr einen Gottesdienst oder eine Liturgie im Chor mitsingen werde - hoffe ich zumindest. So muss ich erst eine Stunde später aufstehen und kann genau um sieben Uhr in der Kirche sein.
Mittwoch, 15. April 2009
Die Nacht habe ich wunderbar durchgeschlafen und ich war sehr überrascht, als um sechs Uhr schon der Wecker klingelte. Ich habe mich schnell frisch gemacht und mir dann etwas zu essen. Leider war kein Brot mehr da, so dass ich auf im Kühlschrank stehende Kartoffel zurückgreifen musste. Während dem Essen gesellte sich Mashas Kater zu mir auf die Bank und schaute mir sehnsüchtig beim Essen zu. Bis sich dann auf einmal die rechte Vorderpfote langsam erhob und in die Richtung meines Tellers steuerte. Ich habe die Pfote dann dahin zurückgetan, wo sie hingehört und nach kurzem Warten hat er es wieder probiert. Dann habe ich in von der Bank verscheucht. Dieser Kater hat einen total frechen Charakter: Die anderen Katzen ärgern, unschuldig und lieb schauen und wenn man nicht aufpasst, dann macht er Unsinn - bei mir mittlerweile auch schon, wenn ich dabei bin. Und sobald ein Fremder die Wohnung betritt, dann versteckt er sich so lange, bis der wieder weg ist. Er ist ein großer Frechdachs und ein Feigling zugleich.
Nach der letzten Liturgie der Vorgeweihten Gaben in diesem Jahr, die ich im Chor mitgesungen habe, habe ich bei Masha meine Hausarbeit weitergeschrieben - auch wenn ich total müde war. Ich habe jetzt mittlerweile sechs Seiten zustande gebracht - mehr als ich gedacht hätte. Dennoch liegt noch ein Haufen Arbeit vor mir. Ich mag dieses exegetische Aufdröseln einer Bibelstelle ja überhaupt nicht - vor allem weil ich mir zu oft vorstelle, dass die Evangelisten sich vielleicht kaputtlachen würden, wenn sie wüssten, was wir mit ihren Texten anstellen. Andererseits muss ich zugeben, dass es auch recht interessant sein kann. Im Gesamt habe ich von etwa 13 bis 18 Uhr an der Hausarbeit gearbeitet, bin dann mit Masha zur Kirche in den Rest des Abendgottesdienstes gegangen und anschließend nach Hause gefahren.
Im Zug wurde heute Musik gespielt, die qualitativ wirklich sehr gut war und die ich sehr mag: Balalaikamusik! Es traten zwei Musikanten auf, einer mit Gitarre, einer mit Balalaika: Sie konnten sehr gut spielen und dazu noch sehr gut singen! Es hat wirklich Spaß gemacht, aufmerksam zuzuhören, während am Fenster Teile Moskaus vorbeirauschten: Wegen den warmen Temperaturen - in jedem Fall lagen sie bei weit über 10°C - waren noch viele Leute draußen und an einem Streckenabschnitt, wo es viele frische Baumstümpfe gibt, wurde auf diesen gepicknickt. Und etwa 300 Meter vorher habe ich einen Obdachlosen gesehen, der sich zum Schlafen auf den Boden in den Dreck gelegt hat - keinesfalls an der Straße, sondern mitten zwischen Bäumen und Büschen auf werdendem Rasen. So nah liegen in Moskau Romantik und die Welt der Probleme. Den weiteren Abend habe ich weitestgehend mit ein paar Mitbewohnern verbracht und wir haben uns gegenseitig etwas erzählt.
Momentan grüße ich gerne die Orthodoxen mit dem Ostergruß "Christus ist auferstanden". Das ruft sehr interessante Reaktionen hervor. Vater Alexeij, der Diakon, stutzte erst gewaltig und lachte dann, ein anderer Student sagte mir geduldig: "Nein, Andrej, das ist noch nicht, erst am Sonntag." Und andere sagen oft: "Ach ja, ihr Katholiken seid ja eher als wir..."
Am Abend gab es mit einer Studentin ein sehr interessantes Gespräch: Ich habe über die Wanderexerzitien in den französischen Alpen erzählt, an denen ich zwei Male teilgenommen habe. Dabei ist ihr diese Form der Frömmigkeit sehr fremd und es erinnert sie an das, was Sekten praktizieren. Für sie klang dies sehr nach einem Zwang. Es scheint der orthodoxen Kirche heute sehr fremd zu sein, über eine Bibelstelle selbst nachzudenken und beispielsweise zu überlegen, welche Bedeutung sie für mich persönlich hat. Es kommt vielmehr der Verweis auf die Literatur der Kirchenväter, die an für sich schon alles gesagt haben.
Donnerstag, 16. April 2009 - Gründonnerstag (orth.)
Nach dem Aufstehen habe ich mich heute Morgen in Ruhe auf die Göttliche Liturgie (nach Basilius dem Großen) vorbereitet und bin dann in die Fakultätskirche gefahren. Zwischendurch hatte Masha mir schon gesimst, dass die heute wohl sehr schnell sind in der Kirche und so war ich kurz nach dem Glaubensbekenntnis in der Kirche. Dementsprechend früh und schnell war die Liturgie auch schon wieder vorbei und ich bin anschließend erst mit Masha etwas Essen gegangen und bin dann noch einmal ins Wohnheim gefahren, um "deutsche" Spezialmedizin gegen Erkältung zu holen. Anschließend habe ich mich auf den Weg nach Aschan gemacht, wo ich schon lange nicht mehr war. Die Situation hat sich dort nicht geändert: Der Laden ist nach wie vor recht günstig - und genau so überlaufen. Ich habe dort einige Geschenke für das Osterfest gekauft, dass ich wieder in Mashas Familie verbringen werde. Es ist aber kaum möglich, Osterhasen zu kaufen und zu finden. Dafür habe ich andere schöne Sachen gefunden. Anschließend bin ich zur Metro-Station "Bratislavskaja" gelaufen, die recht in der Nähe ist und bin dann fast ans andere Ende der Stadt zur katholischen Kirche gefahren, um dort weitere Geschenke zu kaufen. Im Blick hatte ich Kerzen, habe aber keine schönen gefunden. Für mich haben sie alle eine gewisse Form von Kitsch. Und ich hätte auch noch ein Osterlamm kaufen wollen, das war aber schon lange ausverkauft. So bin ich dann wieder zu Masha gefahren, habe noch hier und da etwas geholfen, ein paar Ostermails geschrieben (leider überwiegend nur mit einem Einheitstext, mehr Zeit ist einfach nicht) und um kurz nach 19 Uhr bin ich zur Fakultätskirche gegangen zu Abendgottesdienst. Dort wurden zwölf Evangelien gelesen - unterbrochen durch kurze Ektenien und einige andere Gesänge. Hin und wieder haben auch die Priester etwas gesungen. In der Kirche habe ich die zwölf Evangelien, also die Leidensgeschichte, in meiner deutschen Bibel mitverfolgt. Dabei war es nicht immer leicht, die Kerze und die Bibel zu halten, und dann auch noch die Bibelstelle herauszufinden. Es wurden folgende Abschnitte gelesen:
Joh. 13,31-18,1 (Jesu Reden zu seinen Jüngern)
Joh. 18,1-28 (Das Abschiedsgebet des Herrn / Das Hohepriesterliche Gebet)
Mat. 26,57-75 (Das Verhör vor dem hohen Rat und die Verleugnung durch Petrus)
Joh. 18,28-19,16 (Das Verhör und die Verurteilung durch Pilatus)
Mat. 27,3-32 (Das Ende des Judas)
Mk. 15,16-32 (Die Verspottung durch die Soldaten und die Kreuzigung)
Mat. 27,33-54 (Die Kreuzigung)
Luk. 23,32-49 (Die Kreuzigung und der Tod Jesu)
Joh. 19,25-37 (Die Hinrichtung Jesu: Maria, Maria von Magdala und der Jünger am Kreuz; Jesu Tod)
Mk. 15,43-47 (Das Begräbnis Jesu)
Joh. 19,38-42 (Die Bestattung des Leichnams)
Mat. 27,62-66 (Die Bewachung des Grabes)
Dort, wo sonst die Tagesikone liegt, stand nun das große Kreuz, das sonst links steht. Nun wurde seine wirkliche Größe erst offenbar. Es ist vielleicht drei Meter groß und sieht sehr erhaben vor der Ikonostase aus. Anschließend wurde das Kreuz verehrt und dann haben viele das Licht mit nach Hause genommen. Das war für mich auch sehr fremd, zumal bei uns am Gründonnerstag in der Kirche das Ewige Licht ausgemacht wird. Es war ein sehr schöner Gottesdienst und auch sehr besinnlich, doch hatte ich immer das Gefühl, das für mich Ostern schon gewesen ist - das war Weihnachten noch ganz anders. Alles erinnerte sehr an den katholischen Karfreitag - bislang gefällt mir das Lesen der Prozession in der katholischen Kirche und die vorösterlichen Gottesdienste besser: Sie ist einfach schmuckloser...
Die Fürsten haben sich versammelt wider den Herrn und seinen Gesalbten.
Umsonst toben die Heiden und sinnen die Völker Eitles.
Wohl dem, der sich des Schwachen annimmt, den wird der Herr erretten in böser Zeit.
Meine Feinde reden Arges wider mich: Wann wird er sterben und wird sein Name vergehen?
Der mein Brot aß, tritt mich mit Füßen.
Als Teilnehmer an deinem geheimnisvollen Abendmahl nimm mich heute auf, o Sohn Gottes, Deinen Feinden will ich das Geheimnis nicht verraten, Dir auch nicht geben einen Kuss wie Judas, sondern Dich bekennen wie jener Räuber: Gedenke in Deinem Reiche.
(aus den Gründonnerstagsliturgien)
Freitag, 17. April 2009 - Karfreitag (orth.)
Heute Morgen war ich schon um kurz nach acht in der Fakultätskirche, um das Zarengebet miterleben zu dürfen. Es bestand in der Hauptsache aus Lesungen von Lesungs- und Evangelientexten. Dadurch, dass nicht so viele Leute in der Kirche waren, war es angenehm und gut auszuhalten. Anschließend habe ich in Mashas Familie etwas im Haushalt geholfen: Es steht einfach noch genug an: der restliche Hausputz, Kuchen backen, Eier färben, einkaufen und noch viel mehr. Welcher Katholik kennt das nicht...?
Zu 14 Uhr war ich dann wieder in der Kirche - dieses Mal zur Austragung des Grabtuches. Dieser Gottesdienst hatte zunächst etwas den Eindruck einer normalen Göttlichen Liturgie: Es gab einen kleinen Einzug mit dem Evangelium, es wurden Lesungen und das Evangelium (die Matthäuspassion) gelesen und der große Auszug fand dann mit dem Grabtuch statt, das anschließend verehrt wurde. Der Chor hat einen Gesang gesungen, von dem man sehr gut hören konnte, dass er aus einer anderen musikalischen Tradition bzw. Komponisten stammt. Auch dieser war wunderschön. Zum Schluss hatte ich das Glück, recht schnell zur Verehrung des Grabes zu kommen: Ich sollte einen Teppich aufrollen, der mich geradewegs zum Grabtuch führte. So hatte ich eigentlich nur eine ganze Schar Kinder vor mir.
Als ich im Internet war, lief ein kleiner blonder Junge in Latzhose um mich drumzu und schaute mir immer wieder über die Schulter: "Wie heißen Sie?" - "Andreas. Und Du?" - "Maxim. Wie alt sind Sie?" - "Was denkst Du denn?" - "25." - "Prachtkerl! Ich bin 27 Jahre alt. Und wie alt bist Du?" - "Fünf. - Wo kommst Du hier?" - "Ich komme aus Deutschland. Und Du kommst aus Moskau?" - "Ja." - "Bist Du mit Deinen Eltern hier?" ... Und so ging das Frage-Antwort-Spiel eine ganze Zeit lang und irgendwann fragte er, nachdem er zigmal um mich herumgelaufen war: "Sind da Spiele drauf?" und zeigte auf meinen Laptop. Ich: "Nein. Ich arbeite da nur mit!" Und dann ging er ohne Interesse zurück zu seinen Eltern.
Dann habe ich mich noch etwas mehr als eine Stunde ausgeruht und bin dann mit Masha zusammen in den Abendgottesdienst gegangen - zum Begräbnis des Grabtuches. Und kurz vor dem Ende habe ich dann die erste Prozession in der orthodoxen Kirche miterlebt. In der Kirche formierten sich zwei Fahnen, ein Kreuz und daneben eine Marienikone (an einem Tragestil) und eine Leuchte, die voranging. Dann folgte der Chor und danach die Priester und Diakone mit dem Grabtuch bzw. Deckel. Und dann versuchte sich die Gemeinde quasi auf einmal durch den Kirchenausgang zu zwängen. Die Prozession ging links um die Kirche und gerade als die letzten Leute aus der Kirche heraus waren, da kam auch schon der Anfang des Zuges beim Eingang an. Und anschließend wurde das Grabtuch wieder verehrt und die Leute schoben und drängelten wieder... Nach einem guten Abendessen bin ich dann sehr schnell im Bett verschwunden.
Sie setzen mich in den untersten Abgrund, in die Finsternis und in den Schatten des Todes.
Herr, Gott meines Heiles, des Tages rufe ich zu Dir und in der Nacht.
(aus den Karfreitagsgottesdiensten)
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