Mittwoch, 10.06.2009
Viel ist an diesem Tag nicht passiert und in jedem Fall schnell erzählt: Ich bin gegen halb zehn aufgestanden, dann mein Zimmer soweit aufgeräumt und die Sachen für den Gast aus Dienstag gepackt und die Klamotten, die ich für die nächsten Tage brauche. Dann ging es mit der Elektritschka und Metro nach Masha, von wo ich dann gleich Lebensmittel einkaufen gegangen bin. Zuerst nach Ramstor, habe dort aber nicht alles kaufen können. Für die restlichen Sachen habe ich alle Lebensmittelläden auf dem Weg zu Masha abegrast und letztlich auch alles gefunden. Dann habe ich für Koljas Geburtstag Pizza und aus den Resten Salat gemacht. Nur die "gewürzige Paprika" - Peperoni - konnte ich nicht verwenden, weil sie viel zu scharf war. Nach dem Essen abends bin ich dann früh ins Bett gegangen, weil ich früh aufstehen muss - der Gast kommt um halb acht am Bahnhof an.
Donnerstag, 11.06.2009
Und so war es dann auch: Nach dem Frühstück, bei dem mir Mashas Kater das Stück Wurst förmlich vom Brot geklaut hat, bin ich zum Bahnhof gegangen und habe einen sehr freundlichen und sehr interessanten Gast empfangen. Zunächst haben wir die Sachen bei Masha untergestellt und haben dann um kurz vor acht schon mit der Besichtigungstour angefangen, die zuerst problematisch war. Angefangen haben wir mit der Metro-Station "Platz der Revolution" und wollten dann auf den Roten Platz, der aber mal wieder gesperrt war. So sind wir drumzugelaufen und bei der Basiliuskathedrale angekommen. Eine interessante Frage dort war, ob die Turmspitzen irgendetwas mit dem Orient zu tun haben, da sie eine turbanähnliche Form haben. Danach sind wir erst auf die Brücke gegangen, von der man den Kreml und den Roten Platz aus gut sehen kann und von dort zur Christus-Erlöser-Kathedrale, die auch noch geschlossen war. So ging es mit der U-Bahn wieder in die Nähe des Roten Platzes, wo wir uns dann auf den Punkt Null gestellt haben. Wir haben uns kurz die Wache am Gedenkfeuer angeschaut und sind dann bei Mc Donalds frühstücken gegangen. Anschließend ging es mit der Metro noch einmal zur Christus-Erlöser-Kathedrale, in die ich selbst nicht hereinkam, da ich Shorts an hatte. Mein Gast war aber sehr überrascht und überwältigt von der Kirche. Anschließend sind wir zu dem Aussichtspunkt auf den Spatzenbergen gefahren, von wo wir Moskau noch einmal schön beobachten konnten - bei schönstem Wetter. Dort gab es auch Ski-Springer auf den Sprungschanzen - ein völlig ungewöhnliches Bild, dass bei hochsommerlichen Temperaturen ein paar Jungs den Berg hinabsausen, springen, mit einem "Klatsch" auf dem Plastikrasen aufkommen, die Sandpiste zum Bremsen benutzen und dann in ihren Anzügen schwitzend wieder nach oben laufen - die Skier auf dem Rücken. Fast abgeschlossen haben wir die Besichtigungstour mit den wichtigsten Metro-Stationen der Ringlinie. Wir waren noch kurz in der Universität essen und ich habe ihm dort das Wichtigste gezeigt - auch die Dreifaltigkeitskirche mit ihren Fresken, die Studenten unserer Universität dort angebracht haben. Und zu 14 Uhr habe ich ihn wieder zum Bahnhof gebracht - mit etwa 7kg Gepäck, dass er zu mir nach Hause schicken will. Damit habe ich nur noch sehr wenig hier in Moskau und vielleicht bekomme ich sogar die Ikone kostenlos mit. Anschließend habe ich mich bei Mashas Eltern noch ein wenig behilflich gemacht beim Katzen einpacken und das Auto beladen. Die Katzen in ihren Boxen waren fürchterlich am Miauen und offenbar gar nicht von ihrer Transportbox begeistert. Ich selbst konnte nicht mit zur Datscha fahren, da im Auto kein Platz mehr war und so habe ich auf Masha gewartet und wir sind dann gegen 19 Uhr mit dem Zug dorthin gefahren. Obwohl es gewittert hatte, war es immer noch drückend warm draußen und der Fahrtwind war eine echte Erleichterung. An der Station wurden wir mit dem Auto abgeholt und als wir ankamen, waren die vier Katzen gerade mit der Geländeerkundigung beschäftigt. Sie schnüffelten an jeder Ecke und durchquerten hochinteressiert das Grundstück. Und eigentlich alle fühlten sich gestört, wenn man sie streicheln wollte.
Freitag, 12.06.2009
Heute hätte ich vielleicht die Möglichkeit gehabt, auf einer Dampflokomotive mitzufahren, aber der Lokführer hat uns leider abgesagt. So war der Tag für mich mehr oder minder frei und ich habe den Wecker nicht gestellt. Wach geworden bin ich durch leises Gerappel in der Küche, wo Mashas Mutter gerade das Frühstück vorbereitet hat. Anschließend war noch ein bisschen Zeit und ich habe den geplanten Ausflug konkretisiert und organisiert. Ich wusste nach dem Aufstehen noch nicht, ob ich wirklich fahren würde, da Gewitter bzw. Regen sich mit Sonnenschein abwechselte. Als ich los musste, hörte ein Schauer gerade auf und Masha hat mich bis zur Straße im Wald gebracht, von wo ich alleine weitergelaufen bin. Der Weg zum Bahnhof war schon fast beschwerlich, weil die Luft so drückend-heiß war, dass man nicht richtig Luft holen konnte. Die Gewitterschauer ohne Abkühlung taten ihr Übliches dazu. Nachdem ich das Ticket gekauft hatte kam dann auch schon bald der Zug, mit dem ich bis nach Kaschira gefahren bin. Vor der Einfahrt in den Bahnhof hat der Zug eine große Eisenbahnbrücke über einen Fluss zu überquert, von dem man die Stadt Kaschira gut sehen konnte, da sie auf einem Hügel am Ufer liegt. Dort gibt es viele Kirchen und am gegenüberliegenden Ufer ein Kloster. Dort hatte ich nun eine kurze Zeit Aufenthalt, bis die Elektritschka nach Usunova kam. Nach einer einstündigen Fahrt bin ich dann an meinem Ziel angekommen und war sehr erstaunt von der Größe des Ortes, an dem alle Fernverkehrszüge halten und eine neue Maschine vorgespannt bekommen: Wenn dort 500 Menschen leben, dann ist das wohl schon übertrieben. Auch ist dies kein Kurort oder gibt es dort eine Touristenattraktion - es ist einfach ein Eisenbahnerdorf in der Landschaft mit einem recht großen Lokomotivdepot und Wartungsanlagen, recht umfangreichen Gleisanlagen, vier Bahnsteigen, einer Polizeistation, einigen Güterwaggonkästen, die zu Garagen und Schuppen umfunktioniert wurden, zwei alten Wassertürmen, einem Bahnhofsgebäude, ein paar Wohnhäusern und letztlich sieben bis acht Geschäfte, die eine wichtige Rolle in dem Ort spielen. Dort kaufen die Babuschkas oder älteren Frauen ihre Waren ein, die sie dann zwanzig Meter weiter auf dem Bahnsteig am Zug verkaufen. Der Bahnhof wird lebendig, wenn ein Fernreisezug einfährt: Zunächst rollt der Zug mit oft 20 Waggons langsam in den Bahnhof ein und der Bahnsteig ist schon von den Frauen mit ihren Gepäckkarren belagert, wo Kuchen, Getränke, Trockenfisch und andere kleine Snacks zu finden sind. Die Türen von dem Zug gehen auf, zumeist kommt zuerst die Waggonschaffnerin heraus und dann die Reisenden, die rauchen oder bei den Frauen einkaufen wollen, die vor sich hin sprechend ihre Waren feilbieten. Währenddessen wird die Lokomotive abgekuppelt und eine neue davor gesetzt, die den Zug dann bis zum nächsten Etappenziel bringt. Vor den Türen stehen die Waggonschaffnerinnen - in der Regel sind es Frauen - in ihren adretten Uniformen und scheinen, wenn ich es richtig mitbekommen habe, selbst Waren zu verkaufen, da in ihrer Nähe Trockenfisch an den Trittbrettern und den Türen hing - anderer als die Frauen angeboten haben. Und sie wollten auch nicht fotografiert werden damit. An das Fotografierverbot habe ich mich übrigens nur bedingt gehalten und aus sicherer Entfernung Bilder gemacht. Ich bin dann von einem Eisenbahnmitarbeiter angesprochen worden, warum ich Fotos mache und habe ihm dann erklärt, dass mich das Leben an einem solchen Unterwegsbahnhof "in der Pampa" sehr interessiert und mein Vater ebenfalls bei der Bahn arbeiten würde. Dann war er beruhigt. Anders als ein "Rangierer", dessen Aufgabe es ist, die Waggons an- und abzukuppeln von den Lokomotiven. Er hat mir mit der Miliz gedroht, sollte ich weiter fotografieren. Ich habe mich dann etwas zurückgezogen und wollte erst von einem Bahnübergang aus fotografieren, habe dort aber Probleme gehabt, weil überall Masten und Oberleitungen im Weg waren und es zu regnen anfing. Trotz einem sogenannten Verbot, Regenwetter und Strommasten habe ich nach zwei Eis noch ein paar Bilder gemacht: Quasi aus der Deckung heraus aus dem Fenster der Elektritschka, mit der ich wieder zur Datscha fahren wollte.
Was übrigens noch bemerkenswert ist, dass gar nicht alle Züge am Bahnsteig halten, sondern auch ein oder zwei Gleise weiter daneben - völlig gleich, ob der Bahnsteig besetzt ist oder nicht. Und dann verbreitert sich der Markt vom Bahnsteig auf die Bahngleise, die zwischen Bahnsteig und Zug liegen. Und wenn die Reisezüge abgefahren sind, dann wird es ruhig am Bahnsteig, die alten Damen holpern mit ihren kleinen Gepäckkarren mit den Taschen drauf eiligst durch die Gleise zu einem der Lebensmittelmärkte, um dort ihre Karren wieder aufzufüllen.
Auf der Rückfahrt musste ich einmal umsteigen und habe die halbe Stunde genutzt, um Grillsachen einkaufen zu gehen in einem recht großen Geschäft. Nach meiner Ankunft bei der Datscha habe ich dann gleich den Grill mit Holz angemacht und nach etwa einer halben Stunde roch es herrlich nach Schaschlik im Garten und kurze Zeit später schmeckte es genauso gut, wie es roch.
Samstag, 13.06.2009
Der heutige Morgen fing recht ruhig an - zunächst habe ich geschaut, wer auf und da ist und habe mich dann ans Tagebuch gesetzt und den gestrigen Tag aufgearbeitet. Das hat recht viel Zeit in Anspruch genommen, da ich zwischendurch immer wieder die Katzen beobachtet habe - z. B. wie Babuschka (die eigentlich Masha heißt) auf ein Hausdach geklettert ist, um dann durch ein Fenster zu schauen oder wie sie zwei Elstern gejagt hat. Als Mashas Eltern wiederkamen, gab es eine sehr schlechte Nachricht: In der letzten Nacht hat es in der Studentenkirche gebrannt. Bislang ist nicht klar, wieso und warum - wir wissen nur, dass das Feuer im Verkaufsraum ausgebrochen ist und der Wachmann durch die Geräusche der zerberstenden Scheiben wach geworden ist. Bis vier Uhr morgens soll gelöscht worden sein. Es wäre sehr schade, wenn die Kirche zerstört worden ist, einerseits weil sie seit Jahren renoviert wird und vor allem die schönen Fresken und Wandgemälde wieder zerstört sind, die von der Universität selbst hergestellt wurden. Und zudem ist so ein Kirchenaufbau sehr, sehr teuer. Es stellt sich also die Frage, wie groß der Schaden ist.
Kurz nach der Rückkehr am Nachmittag in Moskau bin ich mit Tanja dorthin gegangen und wir konnten sogar in die Kirche hineingehen. Eigentlich ist alles vom Ruß in Mitleidenschaft gezogen worden, vor allem alles jenseits der Kuppel in Richtung Verkaufsrecke und Ausgang ist so gut wie schwarz. An dem Brandherd selbst ist der Putz von der Decke gekommen, einige Fensterscheiben sind zersprungen, die Ikonostase gegenüber dem Stand ist beschädigt und bei einigen Ikonen ist die Farbe abgeblättert und so gut wie alle Deckenmalereien müssen sicherlich auch erneuert werden, weil sie dunkler bzw. rußig geworden sind. Alles in allem hätte es noch schlimmer kommen können, aber der Schaden ist doch beträchtlich und ein gewaltiger Rückschritt in der schon länger währenden Renovierungsgeschichte der Kirche.
Direkt nach dem "Kirchegang" bin ich mit Masha und Tanja nach Voskreßensk gefahren, um dort mit Mashas Schwester Lisa und ihrem Mann Schaschlik zu essen. Die Hinfahrt war geprägt durch ein schweres Gewitter, durch das wir gefahren sind - waren es in Moskau an der U-Bahnstation noch über dreißig Grad, so war es nach dem Gewitter, viel Sturm und einer Menge Regen vielleicht sogar zehn Grad kälter - aber noch warm genug, um im nahegelegenen Fluss baden zu gehen. Und dort herrschte dann eine besonders schöne Atmosphäre, weil das Wasser noch schön warm war und über dem Fluss Neben aufstieg. Zudem schien die Abendsonne. Ich wäre am Liebsten gar nicht mehr aus dem Wasser hinausgegangen - auch nicht wegen der Grillsachen. Letztendlich musste ich dann aber doch raus aus dem Wasser.
Sonntag, 14.06.2009
Nach dem Aufstehen und dem herzhaften Frühstück in der Datscha von Mashas Schwester Lisa bin ich dann noch einmal in den Fluss zum Schwimmen gegangen. Es war wie am Tag zuvor wieder herrlich, wenn das Wasser auch nicht mehr ganz so warm war wie am Abend vorher. Dennoch war es sehr schön. Nach dem etwas kürzeren Bad haben Masha und ich uns auf dem Steg noch ein wenig in der Sonne geaalt und ich mich trocknen lassen. Es war keineswegs zu kalt, auch wenn die Temperaturen weitaus geringer waren als am Vortag. Das Gewitter hat doch eine gute Abkühlung mit sich gebracht, die meiner Meinung nach auch wirklich nötig war. Um die Mittagszeit hat Lisa uns dann zum Bus gebracht. Dabei sind wir durch ein Viertel gefahren, wo die Reichen ihre "Datschen" haben. Das sind in der Regel Steinhäuser, die meisten von ihnen sind schon fast Schlösser - so groß sind sie. Dagegen sind die Villen, die ich aus Münster kenne, kleine Hütten. Angeblich wohnen die Leute dort nur im Sommer.
In Moskau angekommen sind wir dann mit der Metro direkt bis zur Station Kitai-Gorod durchgefahren, wo wir dann noch einmal Tschejbureki essen gegangen sind. Morgen beginnt ja wieder die Fastenzeit, dieses Mal das Peter und Paul-Fasten, und so war es die letzte Gelegenheit noch einmal kräftig in dem Laden zuzuschlagen. Als wir dann wieder zurück waren, habe ich mich für die Nacht auf der Datscha vorbereitet, ein wenig im Tagebuch geschrieben, Nachrichten gelesen und E-Mails abgefragt. Ich bin gebeten worden, mit Mashas jüngerer Schwester die Nacht auf der Datscha zu verbringen, da sie dort nachts nicht alleine sein soll. Mit Masha habe ich dann noch meine Reiseroute nach Tula und Serpuchov geplant und dabei eine interessante Fahrtstrecke gefunden. Dann ging es auch schon los nach Vostrjakova, wo wir dann gegen halb zehn angekommen sind. Tanja hat von ihrer Mutter nach ein großes Stück Fleisch mitbekommen, wo ich dann Steaks raus gemacht habe - dazu gab es noch Bratkartoffeln und Salat. Ein leckerer Festschmaus zum Anfang der Fastenzeit. Nach dem Essen habe ich noch probiert zu Hause anzurufen, aber der Empfang brach immer wieder ab und erst nach einem Neustart des Handys war wieder kurz eine Verbindung da. Um elf Uhr lag ich dann im Bett, weil ich wieder früh aufstehen musste.
Montag, 15.06.2009
Da ich recht früh ins Bett gekommen bin konnte ich auch recht früh aufstehen - ohne noch liegen bleiben zu wollen. Nach einem schnellen Frühstück und dem notwendigsten Zurechtmachen habe ich Tanja aus dem Bett geholt, damit sie die Türe wieder abschließen kann. Durch den Wald und herrliche Morgenluft bin ich in der aufgehenden Sonne um halb sechs zum Bahnhof marschiert, wo ich mir ein Ticket nach Michnevo kaufen wollte. Die Frau hat mich aber wohl falsch verstanden und hat mir eine Fahrkarte nach Nishnije Kotlij gegeben - für 21 Rubel. Da hat sich dann während der gesamten Zugfahrt auch überhaupt keiner beschwert - es kam keiner. In Michnevo wollte ich mir dann eine Karte nach Tula kaufen. Die Frau am Schalter sagte mir, dass das nicht möglich sei und nach einigem hin- und her meinte sie, dass sie mir überhaupt keine Fahrkarte für die Strecke Michnevo-Stolbovaja verkaufen könne. Im Zug würde jemand kommen. So habe ich dann den Bahnsteig gesucht, vorher noch ein paar Diesellokomotiven fotografiert und habe ihn dann auch schnell gefunden. Nach ein paar Minuten kam die Elektritschka und stand dann dort erst einmal eine Zeit. Im Zug war so gut wie nichts los - die meiste Zeit habe ich alleine im Waggon gesessen. Die Strecke wird nur von zwei Zugpaaren am Tag bedient und dient dazu, dass die Leute aus den angrenzenden Dörfern in die Stadt und abends wieder zurück gefahren werden. Dementsprechend kärglich ist dort auch die Ausstattung an den Haltestellen: Sie sind eigentlich nur dadurch erkennbar, dass ein paar große Betonplatten an die Bahngleise gelegt wurden, eine weiße Linie gezogen wurde und ein Schild dort steht. Die Stationen tragen dann zumeinst keine Ortsnamen, sondern die Kilometerbezeichnung. Nach etwas mehr als einer Stunde Fahrt und 38km Strecke kam dann der Bahnhof Stolbovaja. Der Zug nach Tula hätte schon längst weg sein müssen, weil unsere Elektritschka zu spät dran war - der Zug nach Tula glücklicherweise aber auch. So war dann gewiss, dass ich zuerst nach Tula und dann nach Serpuchov fahren würde und so etwa drei Stunden eingespart habe. Die Fahrt nach Tula verlief ebenfalls interessant: Hatte ich im Zug nach Stolbovaja schon keine Fahrkarte kaufen können, kam jetzt erst nach etwa 80km, also zwei Stunden ein Schaffner. Ich sagte ihm, dass ich ein Ticket kaufen müsse und sagte ihm, dass ich von Michnevo komme. Er wusste gar nicht wo das ist und nachdem ich ihm erklärt hatte, dass ich in Stolbovaja eingestiegen bin, wollte er von mir 96 Rubel haben. Daraufhin habe ich ihm meinen Studentenausweis unter die Nase gehalten und dann lehnte er nur noch ab und verschwand. So habe ich bis nach Tula nur 21 Rubel bezahlt. Dort bin ich nach 4,5 Stunden Fahrt angekommen und habe erst ein paar Fotos von den wirklich laut lärmenden Dieselloks gemacht und habe mich dann auf den Weg in die Stadt gemacht. Eigentlich wollte ich zuerst den Kreml sehen, den habe ich aber nicht sofort gefunden und habe mir daher erst ein paar andere Kirchen angeschaut und den Blick von einer Brücke über den Fluss genossen. Die Stadt ist schon sehr alt - sie wurde 863 gegründet und ist damit noch wesentlich älter als Moskau. Mir ist aufgefallen, dass die Stadt sehr gemischt ist - einerseits gibt es viele alte Häuser aus Holz und Stein und natürlich den Kreml, aber auch viele der Chruschtschovkas - 5-geschossige Wohnhäuser, die der damalige Präsident der UDSSR Nikita Chruschtschow errichten ließ um die Wohnungsnot zu mildern. Daneben finden sich in der ganzen Stadt verteilt überall irgendwelche Fabriken, die inmitten der Stadt zu finden sind. Und dann finden sich hier und da noch Kirchen, die noch nicht alle ihrer eigentlichen Bestimmung zugeführt worden sind, sondern eine andere Verwendung finden. Am deutlichsten wird das auf dem Lenin-Platz: Der große sowjetische Platz mit der Lenin-Statue, einem großen Gebäude, dann ist der Kreml sichtbar mit einer Kirche, gegenüber von dem großen Gebäude befinden sich zwei weitere Kirchen und ganz in der Nähe alte Stein- und Holzhäuser. Dreht man sich einmal um 180°, dann sieht man moderne Häuser und Geschäfte - dort macht alles einen amerikanischen Eindruck. Und mir ist aufgefallen, dass es in Tula keine wirklichen Hochhäuser gibt - zumindest in der Innenstadt. Tula ist natürlich auch bekannt für eine Art Lebkuchen, von dem ich mir etwas mitgenommen habe und auch für Mashas Familie. Als ich auf der Straße etwas kaufen wollte, hat mir jemand in die Seitentasche vom Rucksack gegriffen, aber nichts herausgenommen - dort lagen so oder so nur Zahnbürste, Deo, Kerzen und ein paar andere unwichtige Kleinigkeiten. Und ganz zuletzt ist mir noch aufgefallen, dass die Menschen in Tula sehr freundlich und zuvorkommend sind.
Nach dem dreistündigen Aufenthalt ging es dann nach einer zweistündigen Fahrt zurück in Richtung Moskau. Auf dem Weg dorthin findet sich eine Stadt mit Namen Serpuchov, der ich noch einen kleinen Besuch abgestattet habe. Dort gibt es zwei Klöster. Zuerst bin ich mit dem Marschroute-Taxi ins Frauenkloster gefahren. Die Fahrt dorthin war in einem alten sowjetischen Bus und gleich zu Anfang hatte ich das Gefühl, als würde ich in einem Boot sitzen. Der Motor nagelte und jaulte und nur langsam setzte sich der Bus in Bewegung. Der Fahrer musste Schwerarbeit leisten, da der Bus noch kein Servolenkung hatte und dann klapperte und schaukelte es auch schon los. Im Bus kam dann die Kassiererin - so wie ich es auch aus Irkutsk noch gut in Erinnerung habe. Das Frauenkloster habe ich als nix Besonderes empfunden - auch die Bäckerei nicht so richtig. Vielleicht lag es daran, dass ich schon zu müde war und nicht mehr die richtige Lust hatte. Auf dem Rückweg hat mir dann eine Frau gezeigt und gesagt, wie ich zum Männerkloster kommen kann - ebenfalls mit Marschroute-Taxi und Bus. Das Kloster hat mir schon viel besser gefallen. Es liegt auf einem Hügel am Fluss Nara und von dort lässt sich ein großer Teil der Stadt toll überblicken. Unten rauscht der Fluss und auf der Hügelkette erstreckt sich die Altstadt von Serpuchov. Die Stadt muss einmal viele Kirchen gehabt haben, da überall Türme zu finden sind. Einige Kirche sind aber noch nicht zurückgegeben worden. Das Männerkloster liegt auch sehr schön - in der Nähe gibt es viele kleine alte Häuschen und es entsteht so ein bisschen der Eindruck, als wäre man im alten Russland unterwegs. Doch auch diese Romantik wird wieder völlig gestört durch die Männer, die vor der Kirche betteln und das Geld dann gleich im nahegelegenen Kiosk in Alkohol umwandeln. Einer lag unterm Baum und schlief seinen Rausch aus. Mit dem Bus bin ich dann wieder zurück zum Bahnhof gefahren und habe ein wenig eingekauft, unter anderen ein wenig Kwass, den ich mir in eine Flasche habe füllen lassen. Der Mann fragte sogleich, wo ich denn herkommen würde und wir haben uns kurz miteinander bekannt gemacht. Dann ging auch schon der Zug nach Moskau. Mittlerweile war es durch einige Wolken am Himmel so kühl geworden, dass ich sogar meine Jacke anziehen musste. Um halb neun war ich dann bei Masha zu Hause, wir haben noch ein wenig die nächsten Tage verplant, etwas gegessen und dann bin ich ins Wohnheim gefahren. Nach einem kurzen Telefonat mit meinen Eltern habe ich noch einen kurzen Blick in meine Post geworfen und musste dann noch zur Administratorin gehen. Sie wollte fragen, wie regelmäßig ich noch im Wohnheim schlafen würde. Daraufhin habe ich mich gleich für die nächsten Tage abgemeldet, da ich viel mit Masha unterwegs sein werde. Auch wenn ich noch so müde war habe ich den Weg ins Bett erst um etwa halb eins gefunden...
Dienstag, 16.06.2009
... um dann gleich zu meiner nächsten Tour aufzubrechen. Heute stand die Stadt Tver auf dem Programm, die etwa 170km nördlich von Moskau liegt. So bin ich um sieben Uhr aufgestanden und heute fiel es mir richtig schwer, da die Nacht doch recht kurz war. Um kurz nach acht stand ich dann schon am Bahnhof Pererwa und habe festgestellt, dass mein Studentenausweis ab heute keinen Rabatt mehr hat. Schade drum - dennoch ist Zug fahren längst nicht so teuer wie in Deutschland. Am Petersburger Bahnhof habe ich für die Hin- und Rückfahrt nach Tver 452 Rubel bezahlt - etwa 10 Euro. Dort bin ich dann mit einer fast 40-minütigen Verspätung um kurz nach zwölf Uhr eingetroffen, habe mir einen Stadtplan gekauft und bin dann mit der Straßenbahn an die Wolga gefahren. Und die Straßenbahn hatte unheimlich viel gemeinsam mit der in Irkutsk: Sie kostete mit zehn Rubel etwas mehr, war aber mindestens genauso klapprig und alt. Und auch die Gleise waren schief und krumm verlegt, so dass ich mich gefragt habe, wie oft so ein Zug entgleist. Alles in allem also eine herrliche Fahrt. Nach der Wolgabrücke bin ich dann zum Hafen gelaufen, eine Stelle, wo die Tverza in die Wolga mündet. Dort habe ich ein Kloster gesichtet, zu dem ich dann gelaufen bin. Es war leider geschlossen, so dass ich dort nicht hinkommen konnte. Zurück ging es mit der Straßenbahn wieder bis zur großen Wolgabrücke und von dort bin ich dann zum Kriegsdenkmal gegangen, dass man quer durch die Stadt gut sehen kann. Es ist eine große Säule auf einem recht hässlichen Platz. Am Ende des Platzes ist das "Ewige Licht" zu finden und dabei ganz in der Nähe noch ein weiterer Gedenkplatz, der über eine Brücke zu erreichen ist. Dort fallen übrigens schon die Marmorplatten von den Säulen. Tver ist auch eine sehr schöne alte Stadt mit vielen tollen Häusern - allerdings irgendwie anders als Tula oder Serpuchov. Ich habe die Stadt als ruhiger empfunden mit mehr Grün(-anlagen). Nach einer Mahlzeit, bei dem das Essen kaum auf den Teller passte und der Teller so klein war, dass ich bald verhungert wäre, bin ich dann wieder zurück zum Bahnhof gefahren. Am Bahnhof hatte ich noch kurz Zeit zum fotografieren und habe dort sogar eine Denkmallokomotive entdeckt. Um 15:53 Uhr ist dann mein Zug wieder nach Moskau gefahren, wo ich ohne nennenswerte Verspätung gegen 18 Uhr angekommen und dann gleich zu Masha gefahren bin. Im Zug habe ich die zweistündige Fahrt genutzt, um die letzten Tage ins Tagebuch zu bringen. Sehr schön ist übrigens die Stelle während der Zugfahrt, wenn der Zug über einen Damm durch das Moskauer Meer fährt. Es ist ein großer und sehr schöner Binnensee.
Nach meiner Ankunft bei Masha haben wir beide beschlossen, am Abend noch ins Kino zu gehen. Wir haben uns einen Kinderzeichentrickfilm ausgesucht - ins Deutsche würde er sich mit "Hinauf" übersetzen lassen. Bevor wir dorthin gegangen sind, habe ich mich noch eine halbe Stunde aufs Ohr gelegt und mich etwas ausgeruht. Nach dem Film sind Masha und ich dann noch etwas spazieren gegangen. Das Ziel war ein kleiner Supermarkt, wo man Eis kaufen konnte. Da es gegen elf Uhr noch nicht richtig dunkel war, wurde eine der Stalin-Schwestern in ein Besonderes Licht getaucht. Leider hatte ich nur meine Fotokamera vergessen. Anschließend habe ich dann bei Masha übernachtet, weil ich mit ihr am nächsten Tag eine weitere Städtereise machen will. Morgen soll es nach Jaroslawl gehen.
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